Im Alten Testament wurde zwischen zwei Arten von Sünden unterschieden: Sünden, die aus Versehen geschahen, und Sünden mit erhobener Hand (vgl. 4. Mo 15,27–31). Nur für die erste Gruppe, die Sünden aus Versehen, gab es ein Sündopfer und damit Vergebung. Auch am großen Sühnungstag brachte der Priester das Blut nur „für die Verirrungen (o. Unwissenheiten) des Volkes“ dar (vgl. Heb 9,7). Immer wieder wird bei den Vorschriften des Sündopfers in 3. Mose 4 betont, dass es um Sünden „aus Versehen“ geht. Wenn jemand aber bewusst und vorsätzlich sündigte, bot das Gesetz keine Möglichkeit zur Sühnung. „Diese Seele soll gewiss ausgerottet werden“ (4. Mo 15,31).

David kannte diesen Unterschied. Deshalb betet er in Psalm 19: „Verirrungen, wer sieht sie ein (o. kennt sie, versteht sie)? Von verborgenen Sünden reinige mich.“ Er wünschte, dass Gott ihm die Sünden, die unbewusst – aus Versehen – geschehen waren, deutlich machte. Für die Reinigung davon konnte er sich auf das Gesetz stützen.

Dann fährt er fort: „Auch von übermütigen (o. vermessenen) halte deinen Knecht zurück.“ Für solche Sünden mit erhobener Hand gab es im Gesetz keine Sühnung, deshalb wollte er davor bewahrt werden.

Und was war, als David die Sünde mit Bathseba und den Mord an Urija begangen hatte? War das keine Sünde mit erhobener Hand? Doch. Deshalb sagt er auch in dem Psalm, den er nach diesen Sünden verfasste: „Denn du hast kein Gefallen an Schlachtopfern, sonst gäbe ich sie“ (Ps 51,18). Doch dann tut er das einzig Richtige: Er nimmt Zuflucht zu der Gnade Gottes: „Die Opfer Gottes sind ein zerschlagener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ Das war kühn, aber nicht anmaßend, denn es entsprach den Gedanken Gottes.

Ja, schon die Gottesmänner des Alten Testaments waren sich bewusst, dass „aus Gesetzeswerken kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt wird“. Wenn es Rechtfertigung gab, dann allein „durch seine Gnade“. Selbst da, wo es kein gesetzmäßiges Opfer mehr gab, blieb doch das Opfer des zerschlagenen Geistes und des zerbrochenen Herzens.

Und wie viel mehr dürfen wir heute diese Gnade Gottes rühmen, weil wir wissen, dass sie sich gründet auf das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi.