Der König

Melchisedek bedeutet „König der Gerechtigkeit“. Und er war König von Salem (= Frieden). Jetzt kommen wir zu der prophetischen Bedeutung der Begegnung Melchisedeks mit Abraham. Die Schlacht (o. Niederwerfung, s. Fußnote zu Heb 7,1) spricht vorbildlich von dem Sieg des Herrn Jesus über alle seine Feinde, wenn er wiederkommt, um sein Friedensreich aufzurichten. Dann wird er als Priester auf dem Königsthron sitzen. Nie war bis heute der König auch gleichzeitig Priester, nicht einmal David und Salomo. Der Herr Jesus wird der erste sein. Im 1000-jährigen Reich wird er „Priester sein auf seinem Thron“ (Sach 6,13). Wenn wir dieses einzigartige König-Priestertum Christi betrachten, was sollen wir dann dazu sagen, dass er uns „zu einem Königtum und zu Priestern“ gemacht hat!

Es ist gut, wenn wir darauf bestehen, dass der Herr Jesus nicht König für die Christen ist. Denn damit wird oft der falsche Gedanke verbunden, dass wir Christen auf das Königreich des Herrn Jesus auf der Erde warten würden, oder dass das Evangelium der Gnade die Erde auf dieses Kommen des Herrn als König vorbereiten würde und wir Christen in diesem Sinne auch beten sollten: „Dein Reich komme.“ Nein, wir nennen ihn nicht unseren König. „Unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit“ (Phil 3,20–21).

Aber trotzdem ist es wahr, dass er König ist. Wer sitzt auf dem Thron, wenn nicht der König? Ist er nicht mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt? Und erkennen wir nicht an, dass er ein Reich hat, das Reich der Himmel, zwar heute noch in einer verborgenen Gestalt? Und in diesem Reich, wo er das Sagen hat, bewegen wir uns als Christen auch, obwohl wir viel tiefere Beziehungen zu ihm kennen. Ihm ist heute schon alle Gewalt gegeben, im Himmel und auf Erden (Mt 28,18) und wir sind versetzt „in das Reich des Sohnes seiner Liebe“, dass die Charakterzüge der ewigen Liebe zwischen Vater und Sohn trägt.

Ich meine, wenn wir diese Herrlichkeit seiner Person als König nicht sehen, dann entgeht uns etwas.

Der König der Gerechtigkeit

Melchisedek bedeutet, wie gesagt, „König der Gerechtigkeit“. Und Hebräer 7 lädt uns ein, mit der Bedeutung des Namens eine geistliche Belehrung zu verbinden. Wir müssen uns also nicht scheuen, in den Namen alttestamentlicher Personen geistliche Hinweise zu finden, natürlich nur dann, wenn die Bedeutung eindeutig festzustellen ist.

Bei diesem Titel, „König der Gerechtigkeit“, müssen wir fast unwillkürlich an Psalm 45 denken, wo der Herr Jesus als König gepriesen wird. Und ein großes Thema dieses Psalms ist seine Gerechtigkeit. Wir finden sie dort in dreifacher Hinsicht. Erstens ist Gerechtigkeit eine persönliche Eigenschaft des Königs, die sich besonders in seinem Leben auf der Erde gezeigt hat: „Gerechtigkeit hast du geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst“. Er ist „der Gerechte“, der für uns die Ungerechten gelitten hat.

Zweitens zeigt der Psalm die Gerechtigkeit als Ergebnis seiner Leiden. Die Königen steht zu seiner Rechten in Gold von Ophir, was davon spricht, dass wir die Glaubenden jetzt mit dem Mantel der Gerechtigkeit bekleidet sind. Aber dass das nur möglich war, weil er gelitten hat, zeigen uns die Kleider von Myrrhe, die er trägt. „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm“ (2. Kor 5,21). Wie hat er gelitten, um das zu bewirken!

Drittens, und das ist sicher der Hauptgedanke, ist Gerechtigkeit auch der Charakter seiner Herrschaft im 1000-jährigen Reich. Schon Kapitel 1 spricht von dieser Zeit, wenn Gott „den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführen wird: „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und ein Zepter der Aufrichtigkeit (o. Gerechtigkeit) ist das Zepter deines Reiches.“ Von welchem König könnte das gesagt werden? War Davids Herrschaft gerecht? Aber wenn er regiert, dann bekommt jeder das, was ihm zusteht. Keiner wird benachteiligt, keiner wird bevorzugt und vor allem geschieht alles in Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes. Was für eine gewaltige Herrschaft muss das sein!

Der König des Friedens

Salem (= Friede) ist der Wohnort dieses Königs. So konnte der Herr Jesus von „seinem Frieden“ sprechen, den er den Jüngern geben wollte. Es war die Ruhe des Herzens, die der Herr Jesus zeit seines Lebens in Gemeinschaft mit seinem Vater genoss und die ihn über die Umstände erhob. Wie hätte er sonst so ruhig durch die Menge hindurch gehen können, die ihn den Berg hinabstürzen wollte. Oder wie hätte er bei Sturm im Schiff schlafen können ohne diesen Frieden.

Aber er hat nicht nur gesagt: „Meinen Frieden gebe ich euch“, sondern auch: „Frieden lasse ich euch.“ Er hat Frieden gemacht durch das Blut seines Kreuzes. Entscheidend ist die Reihenfolge: erst Gerechtigkeit, dann Frieden. „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Röm 5,1). Es konnte keinen Frieden geben, ohne dass die Gerechtigkeit Gottes befriedigt war. Erst am Kreuz, wo Gottes heilige Ansprüche im Blick auf die Sünde befriedigt wurden, haben sich Gerechtigkeit und Frieden geküsst (Ps 85,11). Und um Frieden mit Gott zu haben, mussten wir erst gerechtfertigt werden. Wie spricht uns „das Blut seines Kreuzes“ doch von dem, was Christus gelitten hat, um uns diesen Frieden zu erstreiten.

Auch hier ist natürlich der Hauptgedanke, dass Christus Frieden bringt, wenn er in seinem Reich kommt. Er wird als Schilo („Friedensbringer“) kommen und als Friedefürst regieren. Er wird als der wahre David alle Feinde unter seine Füße zertreten und als der wahre Salomo in Frieden regieren.

Wie sehr sehnt sich die Welt nach Frieden, aber sie kennt nur Frieden auf Kosten der Gerechtigkeit. Wenn der Herr Jesus regiert, wird Frieden das Ergebnis der Gerechtigkeit seiner Herrschaft sein. Was für eine wunderbare Zeit für diese Erde wird dann anbrechen.

Priester Gottes, des Höchsten

Es ist schon erstaunlich, dass sich hier in Kanaan, inmitten eines Volkes, das später durch die Israeliten wegen ihrer Bosheit gänzlich ausgerottet werden sollte, ein Priester Gottes findet. Die ganze Umgebung diente fremden Göttern und lag in dem Bösen, aber da war einer, der abgesondert lebte und Gott diente. Ein wunderbares Vorbild auf den Priester, wie er uns geziemte: „heilig, unbefleckt, abgesondert“ (Heb 7,26). Wie unantastbar war der Herr Jesus für die Sünde. Er wurde in allem versucht, wie wir, aber die Sünde fand keinen Anknüpfungspunkt in ihm.

Wenn wir an Priester denken, denken wir zuerst an Aaron. Und tatsächlich übt der Herr Jesus heute seinen Priesterdienst nach der Weise Aarons aus. Er hat Mitleid mit unseren Schwachheiten und verwendet sich vor dem Angesicht Gottes für uns. Aber er ist nicht Priester nach der Ordnung Aarons (wir kommen noch darauf zurück), sondern nach der Ordnung Melchisedeks. Und da ist er nicht ein Priester der Fürsprache, sondern ein Priester, der Segen bringt („gesegnet sei Abram“) und den Lobgesang anführt („gepriesen sei Gott, der Höchste“). Und auch wenn er diesen Priesterdienst nach der Weise Melchisedeks öffentlich erst im 1000-jährigen Reich ausüben wird, so kennen wir ihn doch heute schon so.