„Einer trage des anderen Lasten, und so erfüllt das Gesetz des Christus“ (Galater 6,2).

Wir wollen uns fragen: Was bedeutet der Ausdruck „das Gesetz des Christus“? Allgemein wird gesagt, dieses Gesetz sei das Gebot der Liebe, und das ist wahr; aber kann man das nicht noch genauer beschreiben? Der vorhergehende Vers fordert die geistlichen Gläubigen dazu auf, einen gefallenen Menschen in einem Geist der Sanftmut zurechtzubringen, „wobei du auf dich selbst siehst, dass nicht auch du versucht werdest“.Ich verstehe das so: Ein geistlicher Mensch, der sich dessen bewusst ist, dass er selbst auch dazu neigt, zu fallen, soll in aller Sanftmut zu dem hingehen, der „von einem Fehltritt übereilt“ wurde, und sich in Gnade so mit dessen Zustand einsmachen, dass er dessen Last der Sünde und des Leids auf sich nimmt. So wird dem anderen geholfen und er wird wiederhergestellt.

Nun, genau das tat Christus – in vollkommener Weise –, sowohl in seinem Leben als auch in seinem Tod. Deswegen sagt der Evangelist: „Er trieb die Geister aus mit einem Wort, und er heilte alle Leidenden, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet ist, der spricht: ‚Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten‘“ (Mt 8,16.17). Das war in seinem Leben. Was seinen Tod betrifft, so sagt Petrus, dass Er „selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat“ (1. Pet 2,24).

Christus war also im Leben und im Tod der große Lastenträger: Im Leben trug Er unsere Schwachheiten und Krankheiten, um sie von uns zu nehmen; im Tod trug Er – indem Er von Gott für uns zur Sünde gemacht wurde – stellvertretend unsere Sünden, als Er zur Verherrlichung Gottes alles erduldete, was wir wegen unserer Sünden verdient hatten, um uns die Sünden für immer abzunehmen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen seinem Lastentragen im Leben und im Tod; und doch war Er in beidem der Lastenträger. Und das ist das Gesetz des Christus: „Einer trage des andere Lasten“, und so erfüllt das Gesetz dessen, der das Vorbild eines Lastenträgers war.

Zweifellos war Liebe der Beweggrund für beides, denn der Apostel sagt: „... der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat (Gal 2,20). Und es ist sicher, dass wir nie hingehen und die Lasten unserer Brüder und Schwestern auf uns nehmen werden, wenn nicht die Liebe des Christus uns antreibt. Doch die Liebe ist eher das Motiv und die Kraft (durch den Heiligen Geist), das Gesetz zu erfüllen, und nicht das Gesetz selbst.