Frage: Wie ist das Wort „abfallen“ in Hebräer 6,4–6 zu verstehen?

Antwort: Die Personen, deren „Abfallen“ hier erwähnt und für möglich gehalten wird, waren christliche Bekenner aus dem Judentum. An sie hatte der Apostel seinen Brief aber gar nicht gerichtet (Heb 6,9). Sie waren zum einen „einmal erleuchtet worden“ und hatten „die himmlische Gabe geschmeckt“ (Heb 6,4). Sie hatten also Erkenntnis, oder Licht, darüber gehabt, dass das, was das Christentum gebracht hatte, eine „himmlische Gabe“ war. Diese Gabe hatten sie geschmeckt. Aber eine Gabe kann man als solche erkennen und schmecken, ohne dass man sie sich selbst zu einem Eigentum macht.

Zum anderen waren sie „Heiligen Geistes teilhaftig geworden“ (Heb 6,4). Es heißt nicht, dass sie „des Heiligen Geistes teilhaftig geworden“ wären. Dies würde bedeuten, dass der Heilige Geist persönlich in ihren Herzen als Siegel der Kindschaft Gottes (Gal 3,26; 4,6 und Röm 8,16) und als Unterpfand der Erbschaft Gottes sowie seiner himmlischen Seligkeit (Eph 1,13.14) Wohnung gemacht hätte. Das wird von diesen Bekennern nicht gesagt. „Heiligen Geistes teilhaftig“ bedeutet nur, an den Wirkungen und Segnungen des Heiligen Geistes teilgehabt zu haben.

Das war sicher wahr, denn sie hatten weiterhin „das gute Wort Gottes und die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters geschmeckt“ (Heb 6,5). Auch hier steht wieder das für diese Leute so bezeichnende Wort „schmecken“! Viele Menschen hören das kostbare Evangelium, das gute Wort Gottes, wie es in Erweisung der Kraft des Heiligen Geistes gepredigt wird. Sie schmecken dann dasselbe und werden „Heiligen Geistes teilhaftig“. Aber errettet werden sie dadurch nicht, sondern erst, wenn sie dem Evangelium auch gehorchen.

Man kann eine Arznei schmecken, ohne sie wirklich durch Trinken oder Essen zu sich zu nehmen. Die Medizin kann dann ihre Wirkung aber nicht entfalten. Wie viele Kinder mögen Arznei nicht und spucken sie wieder aus. In dieser Gefahr standen auch die christlichen Bekenner. Sie waren dabei, das ganze Christentum als einen Betrug wieder aufzugeben, es als unwahr zu verlassen, davon abzufallen und erwartungsvoll zum Judentum zurückzukehren! So verwarfen sie offen das einzige Heil Gottes und kreuzigten gleichsam dadurch für sich den Sohn Gottes als einen falschen Messias noch einmal. Sie taten dann noch einmal, was die Juden zuvor als Volk getan hatten.

Sie bekannten damit, dass der Herr Jesus zu Recht gekreuzigt wurde (Heb 10,29). Wie schrecklich ist das, besonders wenn wir hören, dass sie die „ Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters geschmeckt haben“. Darunter sind die Wunderwerke des Tausendjährigen Reiches zu verstehen (Mt 11,5; Apg 10,38). Sie sahen, wie Christus die Werke Satans zerstörte, was Er im Tausendjährigen Reich völlig tun wird. Nichts, was von diesen jüdischen Bekennern gesagt wird, zeigt, dass sie wirklich Kinder Gottes gewesen sind.

Was nun den Ausdruck „erneuern“ angeht, glaube ich, dass das Wort hier nur den Sinn von „zurückführen“ hat, also neu zur Buße führen. Es kann aber keine Buße vor einem anderen Messias, als dem Sohn Gottes, Jesus Christus, geben. Wenn sie nun von Ihm abfielen und einen anderen Erretter erwarteten, war es unmöglich (für Gott und Menschen) sie zur Buße zu erneuern. Denn einen anderen Messias als Jesus gab und gibt es nicht.

Hebräer 10,26–29 ist eine feierliche Warnung (wie auch Heb 6,4–8) gegen den eigenwilligen Abfall vom Christentum. Die Hebräer hatten es einst als göttliche Wahrheit angenommen. Jetzt standen die Bekenner unter ihnen infolge von vielen Verfolgungen und Schwierigkeiten, die sie nicht erwartet hatten, in Gefahr, den göttlichen Boden wieder zu verlassen. Was sollte dann aus ihnen werden, wenn sie so mit Willen sündigten, nachdem sie die Wahrheit kennengelernt hatten? Es kommt kein anderes Opfer mehr. Von Seiten Gottes ist kein anderes Opfer da als das Opfer von Golgatha, das der Sohn Gottes in seinem Blut gebracht hatte, das sie aber verschmähten und für unrein erachteten.