„Und siehe, eine Hand rührte mich an und machte, dass ich auf meine Knie und Hände emporwankte. Und er sprach zu mir: Daniel, du vielgeliebter Mann! Höre die Worte, die ich zu dir rede, und steh jetzt an deiner Stelle; denn ich bin jetzt zu dir gesandt. Und als er dieses Wort zu mir redete, stand ich zitternd auf. Und er sprach zu mir: Fürchte dich nicht, Daniel! Denn von dem Tag an, als du dein Herz darauf gerichtet hast, Verständnis zu erlangen und dich vor deinem Gott zu demütigen, sind deine Worte erhört worden; und um deiner Worte willen bin ich gekommen“ (Vers 10–12)

Die gütige Hand, die jetzt den Daniel anrührt, gehört nicht zu dem Mann aus Vers 5+6. Hier kommt jetzt eine andere Person ins Spiel, ein Engelsfürst, der zu Daniel gesandt wurde. Und er ermuntert ihn zunächst mit der Zusage, dass er ein vielgeliebter Mann war. Dreimal wird er so genannt (Dan 9,23; 10,11+19). Der Herr Jesus wird übrigens im ganzen Wort Gottes nicht einmal so genannt, denn die Liebe Gottes zu Seinem Sohn ist nicht steigerungsfähig; deshalb sollten wir in Bezug auf unsere Anrede des Herrn Jesus nicht über das Wort Gottes hinausgehen.

Gott hatte jetzt einen Engel mit dieser Botschaft, die in Kapitel 11 beginnt, dem Daniel gesandt. Hier in diesem Vers hat Daniel diese Botschaft noch gar nicht gehört. Allein vor der himmlischen Erscheinung ist er wie Nichts vergangen. Zitternd steht er auf und hört dieses beglückende: „Fürchte dich nicht, Daniel“! Die Haltung Daniels war Gott so wohlgefällig, dass er schon vom ersten Tag dieser drei Wochen an und nicht erst an deren Ende (Vers 2) den Engel gesandt hatte. Aber der Engel kam erst nach Verlauf von drei Wochen bei Daniel an. Hier lüftet Gott den Schleier, weil Er Daniel zeigen möchte, warum er 21 Tage warten musste. Andererseits lassen aber diese Verzögerungen in der unsichtbaren Engelwelt Daniels Ausharren nur umso deutlicher zum Vorschein kommen. Er hat nicht 1 Tag gebetet, nicht 3 Tage oder 1 Woche; er hat 21 Tage gebetet und war noch im Gebet begriffen, als die Antwort kam und ihn damit ermunterte, dass sein Gebet schon am ersten Tag erhört worden war.

Daniel hatte sein Herz darauf gerichtet, Verständnis zu erlangen, nicht seinen Intellekt. Im Herzen gibt es wahres Verständnis über die Gedanken Gottes. Und seine Demütigung hatte er nicht nur durch eine äußere Haltung ausgedrückt, sondern er hatte sie mit Worten zum Ausdruck gebracht. Welche Worte er dabei gebraucht hat, wird nicht gesagt, aber er hat Worte formuliert und ausgesprochen und nicht nur eine äußere Haltung eingenommen.

„Aber der Fürst des Königreichs Persien stand mir 21 Tage entgegen; und siehe, Michael, einer der ersten Fürsten, kam, um mir zu helfen, und ich trug den Sieg davon bei den Königen von Persien. Und ich bin gekommen, um dich verstehen zu lassen, was deinem Volk am Ende der Tage widerfahren wird; denn das Gesicht geht noch auf ferne Tage“ (Vers 13–14)

Aus der Schilderung in diesen Versen wird deutlich, dass es sich hier nicht mehr um den Herrn handelt, sondern um einen Engelsfürsten. Dem Allmächtigen kommt keiner zu Hilfe und keiner kann Ihm widerstehen, wenn Er etwas ausführen will. Als Er als Mensch auf der Erde war, haben Ihm Engel gedient – welche Erniedrigung des allmächtigen Herrn!

Als Daniel in Kapitel 9 gebetet hatte, kam der Engel Gabriel noch während er betete (Dan 9,20+21); hier ist das anders. Gott sendet einen Engel, und der Engel kann nicht sofort kommen. Drei volle Wochen vergehen, weil ihm der Fürst des Königreichs Persien entgegenstand. Hier haben wir einen Blick in den Himmel, was uns im Allgemeinen verwehrt ist. Wir kennen nur sehr wenig von den Vorgängen im Himmel. Hier sehen wir, dass es sogar im Himmel Widerstände gegen Gottes Absichten gibt. Ein böser Engelsfürst hat im Himmel die Kraft, die Ausführung des Auftrages Gottes zu verhindern. Gott lässt das zu.

Wenn Gott so wie hier oder in Hiob 1,6–12; 2,1–7 oder Lk 22,31 punktuell mal den Schleier vor den unsichtbaren Welten lüftet, dann geht dieser Schleier aber auch schnell wieder zu. Wir lernen daraus, dass wir uns nicht über das Maß mit den unsichtbaren Welten beschäftigen sollten. Auch der Kolosser-Brief warnt uns davor (Kol 2,18).

Es scheint so, dass der Teufel mit seinen bösen Mächten das Herrschafts- System Gottes nachzuahmen sucht. Es handelt sich dabei um Realitäten, mit denen wir es auch heute zu tun haben. In den geschaffenen Himmeln sind auch noch böse Mächte tätig, die Gottes Absichten vereiteln möchten. Der Fürst Persiens ist ein Engel, auch Michael, der Erzengel, wird Fürst genannt. Es gibt im Himmel Engelsfürsten guter Art (Eph 1,20+21; Kol 1,16) und Engelsfürsten böser Art (Röm 8,38; Eph 6,12). Es gibt also ganze Hierarchien von Engeln, die der Herr Jesus geschaffen hat; und der Teufel ahmt das nach und hat auch seine Engels-Hierarchien in seinem Machtbereich.

In diesem Kapitel wird also deutlich, dass die Erhörung unserer Gebete verhindert werden kann, wenn böse Engel auftreten. Der Teufel will unsere Gebete torpedieren. Aber in einem Punkt dürfen wir nicht irren: die Gebete, die wir aussprechen, werden sofort von Gott gehört! Nur in der Erhörung unserer Gebete kann es Hindernisse geben. Wir sollten uns aber nicht fragen, warum Gott unserer Gebet nicht erhört, ob da wieder ein Engel im Himmel ist, der dagegensteht. Damit sollten wir uns nicht beschäftigen. Es wird niemals soweit kommen, dass der Teufel mit seinen Engeln wirklich verhindert, was Gott will! Gott kann nicht grundsätzlich an einer Sache gehindert werden, die Er tun will. Der Ratschluss Gottes wird zur Ausführung kommen – diese Gewissheit wird uns tief glücklich erhalten!

Wir wissen, dass Gott den Teufel benutzen kann, um Seine Ziele zu erreichen; Er geht Seinen Weg trotz des Widersachers. Er hätte ihn längst abschaffen können, doch Er lässt ihn noch immer gewähren. Er gibt dem Wirken Satans gewisse Grenzen, aber Er lässt ihn noch gewähren und setzt ihn nicht einfach beiseite. Gott wird nicht überwältigt von irgendeinem Wesen, wenn Er ihm auch Raum gewährt. In gewissem Sinn gibt Er ihm die Wege frei. Als Satan aus dem Petrus sprach, hat Er ihn zurechtgewiesen (Mt 16,22+23). Er lässt sich durchaus nicht alles gefallen.

Als der Herr Jesus auf der Erde war, ist Er in das Haus des Starken eingedrungen und hat seine Habe gebunden (Mt 12,29; Mk 3,27). Ein Stärkerer als er ist gekommen und hat ihn besiegt (Lk 11,22). Der Teufel weiß, dass er schon gerichtet ist am Kreuz von Golgatha (Joh 16,11), was sein Schicksal ist, auch seine Dämonen wissen das (Mt 8,29). Dennoch ist er in seiner Bosheit so verbissen, dass er nicht nachlässt, alles, was Gott will, durch Opposition zu torpedieren. Warum lässt Gott das zu? Das Urteil ist gesprochen – aber Satan ist frei, der Vollzug dieses Urteilsspruches steht noch aus! Gott lässt ihn gewähren. Im 1000-jährigen Reich wird es einen nächsten Schritt geben: Satan wird gebunden, aber noch nicht völlig unschädlich gemacht; und am Ende der 1000 Jahre wird er noch einmal freigelassen. Erst danach, wenn er dann noch einmal einen Angriff gegen die heilige Stadt gerichtet haben wird, wird er für immer in den Feuersee geworfen (Off 20,7–10).

Warum lässt Gott das zu? Eine endgültige Antwort werden wir darauf nicht finden. Gott zerstört nicht einfach das Böse, Er lässt es durch das Gute überwinden! Vielleicht ist einer der Gründe der, dass wir Glaubende der Gnadenzeit in unserem Glauben und Abhängigkeit und Demut gegen Satan siegen können (Jak 4,7). Das geht nicht durch eigene Macht, sondern nur so, wie der Herr Jesus es getan hat: Er war gehorsam, Er hat mit dem Wort, dem Schwert des Geistes geantwortet, und dadurch den Satan in die Flucht geschlagen. Und in dieser Glaubens-Abhängigkeit von Ihm und Seinem Wort können wir das auch. Wir können heute auf demselben Schauplatz, wo der Herr Jesus den Satan durch Sein Werk besiegt hat, in denselben Fußspuren wandeln. Dadurch ehren und verherrlichen wir Gott in unserem Glaubensleben. Im 1000-jährigen Reich wird es auch Glauben geben, aber die Glaubenden dieser Zeit werden nicht diese Widerstände von Satan kennen. Dort wird es keine Welt als ein System Satans mehr geben, Satan wird in dieser Zeit keine Macht ausüben können. Deshalb werden auch die Gläubigen dieser Segenszeit Gott nicht auf die gleiche Weise ehren und verherrlichen können.

Michael hatte auch den Streit mit dem Teufel um den Leib Moses (Judas 9); dieser Erzengel hat offenbar besonders mit dem Volk Israel zu tun (Dan 10,21; 12,1; Off 12,7 ff.). Und er steht hier dem von Gott an Daniel gesandten Engel bei, damit der Fürst von Persien besiegt werden konnte. Sein Name bedeutet: wer ist wie Gott? – wie passend!

Gerade im Blick auf Israel wird deutlich, dass Satan hinter den Kulissen wirkt. Es gibt in unseren Tagen Bestrebungen, Israel seine Staatlichkeit abzuerkennen. Satan ist mit seinen Heerscharen in den himmlischen Örtern ständig damit beschäftigt, die Pläne Gottes mit Israel zu stören oder zu vereiteln, und ganz aktuell ist es das Bemühen Satans, 70 Jahre nach dem Holocaust, wo alle Welt gesagt hatte, dass so etwas dem jüdischen Volk nie wieder geschehen darf, das ganze Blatt wieder zu drehen und dem Staat Israel seine Existenzgrundlage zu entziehen.

Und dann gibt der Engel dem Daniel noch die Zielrichtung dessen an, was ihm in dem Gesicht in Kapitel 11 gezeigt werden soll: was dem Volk der Juden am Ende der Tage widerfahren soll, denn das Gesicht geht noch auf ferne Tage. Dies ist ein Hinweis von größter Wichtigkeit für die Auslegung des Gesichtes. Vieles ist aus unserer heutigen Sicht bereits Geschichte, aber letzten Endes will Gott uns hier wissen lassen, was am Ende der Tage sein wird. Das müssen wir im Auge behalten.