„Und der, der gegen ihn gekommen ist, wird nach seinem Gutdünken handeln, und niemand wird vor ihm bestehen; und er wird im Land der Zierde stehen, und Vertilgung wird in seiner Hand sein. Und er wird sein Angesicht darauf richten, mit der Macht seines ganzen Reiches zu kommen, indem er einen Ausgleich im Sinn hat, und er wird ihn bewirken; und er wird ihm eine Tochter der Frauen geben, zu ihrem Verderben; und sie wird nicht bestehen und wird nichts für ihn sein. Und er wird sein Angesicht zu den Inseln hinwenden und viele einnehmen; aber ein Feldherr wird seinem Hohn ein Ende machen, dazu noch seinen Hohn ihm zurückgeben. Und er wird sein Angesicht zu den Festungen seines Landes hinwenden und wird straucheln und fallen und nicht mehr gefunden werden.

Und an seiner statt wird einer aufstehen, der einen Eintreiber der Abgaben durch die Herrlichkeit des Reiches ziehen lässt; aber in wenigen Tagen wird er zerschmettert werden, und zwar weder durch Zorn noch durch Krieg.“ (Vers 16–20)

Gott nennt das Land Seines irdischen Volkes noch immer das Land der Zierde, auch wenn Er Sein Volk nicht mehr offiziell als Sein Volk anerkennt. Bis zu diesem Augenblick befand sich Israel unter ägyptischer Herrschaft, aber das ändert sich jetzt. Zum ersten Mal kommt Israel jetzt unter syrische Herrschaft durch den König des Nordens.

Nachdem Antiochus III diese Vorherrschaft erreicht hat, setzen sich die Intrigen fort. Er wird einen Ausgleich anstreben, um mit dem König von Ägypten auszukommen. Er gab ihm eine seiner Töchter, Kleopatra. Ptolemäus V. bekam diese Tochter sogar mit einer Mitgift aus großen Ländereien. Aber all diese menschlichen und politischen Überlegungen können niemals Bestand haben, die Hoffnung des Antiochus III erfüllt sich nicht und geht zugrunde. Kleopatra war mehr für die Ägypter als für die Absichten ihres Vaters zu haben.

Bei den Inseln, nach denen sich Antiochus III ausstreckt, handelt es sich um die Küstengebiete des Mittelmeeres, auf die sich zu diesem Zeitpunkt schon die römische Macht ausgebreitet hatte. Antiochus III erobert dabei zunächst Thrakien und andere Bereiche, aber ein römischer Feldherr, Lucius Scipio, gebietet ihm Einhalt. Damit kommt jetzt eine Macht ins Spiel, die hier zwar erst noch im Entstehen begriffen ist, die aber in späteren Jahren und auch in der Zukunft noch eine gewichtige Rolle im Blick auf Israel spielen wird. Die Römer hatten hier schon dem König des Nordens große Tributzahlungen auferlegt. Antiochus III musste diese Zahlungen leisten, und er verging sich an Tempelschätzen, um diese Zahlungen leisten zu können. Das führte letztlich zu einem Aufstand, in dem er umgebracht wurde.

Es ist erschütternd, das Ende dieses Königs des Nordens zu sehen. Sein Niedergang wird ganz knapp beschrieben: straucheln – fallen – nicht mehr gefunden werden. Er kam nicht in einer großen Schlacht zu Tode sondern hat ein schmähliches Ende gefunden.

An Stelle von Antiochus III steht ein neuer König des Nordens auf, der die von Rom geforderten Abgaben eintreiben soll. Es ist Seleukos IV, der einen Steuer-Eintreiber, Heliodoros, damit beauftragt hatte, das notwendige Geld für die Abgaben einzutreiben. Dabei hat er auch in Jerusalem den Tempelschatz geraubt. Aber ohne Krieg und Zorn wird er wieder verschwinden, zerschmettert werden; er wurde durch seinen eigenen Steuer-Eintreiber vergiftet.

Gott hat dieses ständige Hin und Her zwischen dem Norden und dem Süden gesehen. Er hat gesehen, wie diese arme Schar der aus Babylon herausgeführten Juden während dieser Kämpfe bitterstes Leid durchmachen mussten. Immer, wenn eine dieser beiden Mächte siegreich war, wurde Israel in Mitleidenschaft gezogen, wurde belagert und eingenommen. Eine schreckliche Zeit, die auch ein Hinweis darauf ist, was Israel am Ende der Tage erleben wird. Aber Gott steht für Sein Volk! Er vergisst das Land der Zierde nicht!

„Und an seiner statt wird ein Verachteter aufstehen, auf den man nicht die Würde des Königtums legen wird; und er wird unversehens kommen und sich des Königtums durch Schmeicheleien bemächtigen. Und die überschwemmenden Streitkräfte werden vor ihm überschwemmt und zertrümmert werden, und sogar ein Fürst des Bundes. Denn seitdem er sich mit ihnen verbündet hat, wird er Trug üben und wird hinaufziehen und mit wenig Volk Macht gewinnen. Unversehens wird er in die fettesten Gegenden der Landschaft eindringen und tun, was weder seine Väter noch die Väter seiner Väter getan haben: Raub und Beute und Gut wird er ihnen zerstreuen und gegen die Festungen seine Pläne ersinnen, und zwar eine Zeit lang.“ (Vers 21–24)

Jetzt beginnt eine sehr bedeutsame Periode innerhalb dieser geschichtlichen Phase, die bis Vers 35 geht. Man kann diese Verse recht gut einteilen, um einen Überblick über diese Periode und den sie prägenden Mann, den König des Nordens Antiochus IV Epiphanes zu erhalten:

  • Vers 21:                Antiochus IV Epiphanes, und wie er an die Macht kommt
  • Vers 22–24:          sein Verhältnis zu den Hohenpriestern in Jerusalem
  • Vers 25–27:          sein Kriegszug gegen Ägypten
  • Vers 28:                die erste Plünderung des Tempels in Jerusalem
  • Vers 29+30:         seine Zwistigkeiten mit den Römern
  • Vers 30–32:          die zweite Plünderung des Tempels in Jerusalem
  • Vers 33–35:          der Aufstand der Makkabäer

Dieser Verachtete, der jetzt aufsteht, ist Antiochus IV Epiphanes. Was Israel unter ihm erleidet, ist ein starkes Bild von dem, was dieses Volk am Ende der Tage erleiden muss. Er vereinigt all die Charakterzüge, die wir zu Beginn dieser historischen Geschehnisse beschrieben haben (Vers 5), in sich selbst; und bei ihm kommt auch noch Schmeichelei hinzu. Bei der Betrachtung von Daniel 8 haben wir ihn schon einmal vor uns gehabt. Bei der Beschreibung des griechischen Weltreiches in dem Bild von dem Ziegenbock war zunächst von dem großen Horn die Rede, ein Hinweis auf Alexander den Großen; es zerbrach, und aus ihm kamen vier Hörner hervor, was von den vier Diadochen spricht, die das griechische Weltreich unter sich aufgeteilt haben. Aus einem dieser vier Hörner kam ein kleines Horn hervor, und das ist dieser Antiochus IV Epiphanes (Dan 8,8–14). Auch in diesen Versen wird schon angedeutet, dass er gegen die Zierde (Hes 20,6+15) und gegen Gott selbst und gegen das Heiligtum handelte.

Dieser Antiochus Epiphanes war aus der römischen Gefangenschaft entlassen worden, deshalb wird er hier auch als Verachteter eingeführt, es gab überhaupt keinen Anlass, ihm die Königswürde anzubieten. Sein Vater hatte ihn als Geisel den Römern überlassen müssen, und ca. im Jahr 175 v.Chr. durfte er aus der Gefangenschaft in Rom nach Syrien zurückkehren, wo inzwischen sein Bruder Seleukos IV König war. Und obwohl dieser Antiochus Epiphanes gar kein Recht auf den Thron hatte, erreichte er es mit List und Schmeichelei, das Königtum für sich zu erobern. Er ist also hier in diesem letzten Abschnitt des geschichtlichen Teils der letzte König des Nordens, gleichzeitig ist er aber auch in seiner religiösen Abartigkeit eine vorbildhafte Darstellung des Antichristen, der dann ab Vers 36 vor uns kommt. Wir müssen gut auseinanderhalten, dass das in der Zeit des Endes zwei ganz klar voneinander unterschiedene Personen sind. Antiochus IV Epiphanes als der König des Nordens in der Zeit der Makkabäer ist als Besieger Israels derjenige, der einen unerhörten Götzendienst im Tempel in Jerusalem eingeführt hatte (Vers 31) – wie es auch in der Zeit des Endes der Antichrist tun wird. Der auch für uns heute noch zukünftige König des Nordens wird das allerdings überhaupt nicht tun, er wird keinen moralischen Einfluss auf die Juden ausüben.

Alles, was sich diesem Antiochus Epiphanes entgegenstellt, wird er mit absoluter Brutalität überwältigen und zertrümmern (Vers 22). Die überschwemmenden Streitkräfte sind wahrscheinlich die Heere des Königs des Südens (vgl. Vers 15); dieser Kriegszug wird dann ab Vers 25 ausführlicher beschrieben. Der Fürst des Bundes, der hier ebenfalls zertrümmert wird, ist der Hohepriester Israels. Antiochus Epiphanes wird also nicht nur Politik machen sondern sich auch in die Religion des Volkes Israel einmischen. Er hat das, was heiliges Gesetz in Israel war, seinen eigenen Interessen untergeordnet. Für Geld vergab er das Hohepriesteramt demjenigen, der ihm gerade am meisten dafür bot. Seit dieser Verbindung mit dem Hohepriestertum wird er Trug üben und mit wenig Volk Macht gewinnen (Vers 23). Seine Vorgehensweise ist jetzt also nicht mehr so sehr kriegerisch, sondern mit taktischen Machtspielchen und Schmeichelei.

Was all seine Vorgänger niemals getan hatten, sich nämlich in die heiligen religiösen Angelegenheiten der Juden einzumischen und sie nach seinem Belieben zu verändern, das tut dieser Antiochus Epiphanes (Vers 24). Gnadenlos wird er in den fruchtbarsten Gegenden des Landes rauben und plündern und seine Beute grundlos vernichten.

„Und er wird seine Kraft und seinen Mut gegen den König des Südens erwecken mit einem großen Heer. Und der König des Südens wird sich zum Krieg rüsten mit einem großen und überaus starken Heer; aber er wird nicht bestehen, denn man wird Pläne gegen ihn ersinnen; und die, die seine Tafelkost essen, werden ihn zerschmettern; und sein Heer wird überschwemmen, und viele Erschlagene werden fallen. Und die beiden Könige: Ihre Herzen werden auf Bosheit bedacht sein, und an einem Tisch werden sie Lügen reden; aber es wird nicht gelingen, denn das Ende verzögert sich noch bis zur bestimmten Zeit. Und er wird mit großem Reichtum in sein Land zurückkehren, und sein Herz wird gegen den heiligen Bund gerichtet sein; und er wird handeln und in sein Land zurückkehren“ (Vers 25–28)

Der König des Südens mit seinen überschwemmenden Streitkräften (Vers 22) wird dem Antiochus Epiphanes unterliegen. Dieser König des Südens ist ein Neffe von Antiochus Epiphanes, ein Sohn der Kleopatra. In seinen eigenen Reihen wird es solche geben, die ihn zu seinem Ende bringen werden (Vers 26). Die beiden Könige werden Verhandlungen führen (Vers 27), aber dabei versuchen sie, sich mit List und Lüge gegenseitig zu betrügen. Diese Verhandlungen werden scheitern, es wird ihnen nicht gelingen. Eine interessante Begründung für das Scheitern dieser Verhandlungen bringt der Schluss von Vers 27: Gott hat die genaue Zeit im Blick; er gewährt den einzelnen Herrschern, wie weit sie ihre Macht ausüben dürfen, und bestimmt, wann das Ende sein wird.

Nach diesem Sieg über die Heere des Königs des Südens wird Antiochus Epiphanes sein Herz gegen den heiligen Bund richten und in dem Land der Zierde Raub und Beute machen und alles vernichten und zerstören (Vers 28; vgl. Vers 24). Hier und in Vers 30 wird insgesamt dreimal von dem heiligen Bund gesprochen. Wenn wir bedenken, in welch einem Zustand das Volk der Juden sich befand, dann müssen wir sagen, dass da von Heiligkeit fast keine Spur mehr zu sehen war. Aber Gott sah diesen Bund noch immer so, wie Er ihn von Anfang an gegeben hatte. Er konnte Sein Volk nicht mehr als Sein Volk anerkennen – Lo-Ammi stand über ihnen. Aber der Bund, den Er mit diesem Volk eingegangen war, war für Ihn noch immer mit der gleichen Heiligkeit behaftet. Auch bis in unsere Tage gibt Gott die Ansprüche Seiner Heiligkeit niemals auf!

Wir dürfen aber auch nicht übersehen, dass es in dieser dunklen Zeit auch in Israel noch solche gab, die diesen Bund geschätzt hatten. Soweit auch alles durch die Untreue des Menschen zerstört worden war, gab es doch noch fromme Juden, die innerlich an diesem Bund festhielten. Das ist etwas Großartiges! Gott wird einmal im 1000-jährigen Reich diese Verständigen leuchten lassen wie die Sterne am Himmel (Dan 12,3). Möchten doch auch wir in unseren Tagen des Niedergangs festhalten an dem, was Ihm wertvoll ist und uns diese Dinge nicht rauben lassen. Wir werden ein viel höheres Teil haben als diese wenigen frommen Juden damals – nicht allein ein 1000-jähriges Reich, sondern wir werden auf ewig bei Ihm sein!