„Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber spricht: Lehrer, sage an. Ein gewisser Gläubiger hatte zwei Schuldner; der eine schuldete 500 Denare, der andere aber 50; da sie aber nicht hatten zu bezahlen, schenkte er es beiden. Wer nun von ihnen, [sage] wird ihn am meisten lieben? Simon aber antwortete und sprach: Ich meine, dem er das meiste geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geurteilt“ (Lk 7,40–43).

Es wäre ein schwerer Fehler, anzunehmen, dass der Herr mit dem Bild von den zwei Schuldnern den moralischen Zustand von Simon und von der Frau, die eine Sünderin war, zeigen wollte. Es kann nicht sein, dass Simon nur 50 Denare schuldete, während die Frau 500 schuldete, denn vor Gott gibt es, gemäß den Belehrungen des Apostels, keinen Unterschied, „denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,23).

Der Herr begegnet Simon allerdings auf dessen Ebene, der in seiner Unkenntnis der Gnade in der Person Christi und der Anziehungskraft der Gnade geurteilt hatte, dass der Herr, wenn er ein Prophet wäre, den Charakter dieser Frau erkannt und ihre Anwesenheit nicht gestattet hätte. Daher überzeugt er Simon in diesem Vergleich mit den zwei Schuldnern zunächst von seinem Irrtum und dann stellt er den Zustand seines Herzens bloß.

Während er Simon Recht gab, dass die Frau, die die Füße des Herrn gesalbt hatte, eine große Sünderin war, dass sie „500 Denare schuldete“ (und wie viel mehr schuldete sie!), bezeugten ihre überschwenglichen Liebesbezeugungen ihre Dankbarkeit gegenüber dem, der ihrer Not begegnet war. Daher sagt der Herr von ihr: „Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt.“

Aber was ist mit Simon? Er hatte dem Herrn keine Zuneigung entgegengebracht, hatte ihm nicht einmal die normale Höflichkeit eines Gastgebers gegenüber seinem Gast erwiesen und dadurch bewiesen, dass er „wenig liebte“ und dass er daher nicht einer war, der nur 50 Denare schuldete, sondern einer, dem wenig vergeben war.

Insgesamt ist es eine wunderbare Szene, denn sie offenbart das Herz Gottes in der Person Christi, das Herz dieser bußfertigen Frau und das Herz Simons. Göttliches Licht durchflutet die Szene und legt alles offen. Das Herz der Frau, sündig wie es war, schreckte nicht vor dem Wirken des Lichts zurück, denn die göttliche Liebe war ebenfalls da und offenbarte sich in herrlichen Gnadentaten, die der unaussprechlichen Not ihrer müden und beladenen Seele begegneten.

Doch obwohl das Licht da war, schien es in der Finsternis, was Simon betraf, und die Finsternis (Simons Herz) hat es nicht erfasst; und er bewies, dass kein einziger Strahl in seine verfinsterten Gedanken gedrungen war (vgl. 2. Kor 4,4), als er urteilte, dass der, der mit ihm zu Tisch lag und der in Wahrheit „Gott offenbart im Fleisch“ war, nicht einmal ein Prophet sei!