Als Maria und Joseph noch verlobt waren, sprach der Engel zu Joseph von Maria als von „seiner Frau“ und Joseph wird als „ihr Mann“ bezeichnet (Matthäus 1,18–25).

Wie ist das verstehen? Es ist doch eine Sache, verlobt zu sein (und in diesem Verhältnis redet man von Bräutigam und Braut), und eine andere Sache, verheiratet zu sein – wo man von Mann und Frau redet.

In Israel war es so, dass die Verlobung praktisch wie die erste Stufe einer Heirat war, und deshalb ist die Formulierung nicht verwunderlich. Der Ehevertrag wurde (möglicherweise auch mündlich) bei der Verlobung geschlossen und der Brautpreis wurde bezahlt (vgl. 1. Sam 18,25 ff.). Damit hatte der Bräutigam das Recht erworben, die Braut zu sich zu holen. Wurde die Frau in dieser Zeit untreu, musste sie sterben – geradeso wie es bei einer verheirateten Frau der Fall war (5. Mo 22,23–27). Die Frau unterstand nach der Verlobung ihrem Verlobten, nicht mehr dem Vater.

Was nun noch fehlte war die öffentliche Feier, der geschlechtliche Verkehr und das Einziehen in das gemeinsame Haus. Damit war der „volle Status“ der Eheleute erreicht.

Die Verlobung, die es heute gibt, beinhaltet ebenfalls ein Versprechen zur Heirat. Aber es ist nicht die erste Stufe der Heirat. In Deutschland gibt es nur eine Handlung, die zur Eheschließung führt – und das ist das Ja-Wort auf dem Standesamt. Insofern können wir das, was in Israel unter Gesetz über die Verlobungszeit gesagt wurde, nicht einfach übertragen.

Konkret: Joseph und Maria waren zusammen als Verlobte unterwegs, um sich in Bethlehem einschreiben zu lassen. Sie waren in einer Hinsicht ja schon Mann und Frau. Verlobten heute können wir eine derartige gemeinsame Reise nicht empfehlen. (Sie würden übrigens auch bei keiner Volkszählung als Einheit betrachtet werden.)

Verlobung und Heirat ist eingebettet in eine Kultur (in anderen Ländern oder zu biblischen Zeiten gab es beispielsweise kein Standesamt). Dem muss Rechnung getragen werden, wenn man die Vorschriften und Gepflogenheiten auf heute übertragen will. Dennoch sind wir uns sicher einig, dass die Bibel zeitlose Maßstäbe setzt. Wenn also in der Bibel die Verlobung als etwas derart Verpflichtendes angesehen wurde, dann tun wir sicher gut daran, so ein Verhältnis nicht leichthin zu knüpfen oder gar leichtfertig aufzulösen.