„Bel krümmt sich, Nebo sinkt zusammen; ihre Bilder sind dem Tier und dem Vieh zuteilgeworden; eure Tragbilder sind aufgeladen, eine Last für das ermüdete Vieh. Sie sind zusammengesunken, haben sich gekrümmt allesamt und haben die Last nicht retten können; und sie selbst sind in die Gefangenschaft gezogen. Hört auf mich, Haus Jakob und aller Überrest des Hauses Israel, die ihr von Mutterleib an aufgeladen, von Mutterschoß an getragen worden seid! Und bis in euer Greisenalter bin ich derselbe, und bis zu eurem grauen Haar werde ich euch tragen; ich habe es getan, und ich werde heben, und ich werde tragen und erretten“ (Jes 46,1–4).

Die entscheidende Prüfung jeder Religion besteht in zwei Fragen: Wird sie tragen? Wird sie erretten? Jede falsche Religion zerbricht an dieser einfachen Prüfung. Eine falsche Religion oder eine wahre Religion, die falsch verstanden wird, muss vom Menschen getragen werden. Wahre Religion dagegen trägt uns. Eine falsche Religion kann uns nicht erretten; eine wahre Religion muss uns erretten.

Eine falsche Religion zeigt sich in ihren dunkelsten Farben im Heidentum. Falsche Götter sind eine Last; so steht es auch in unserem Bibeltext. Sie müssen getragen werden und machen ihre Anhänger durch die aufgetragene Last müde. Unter welcher Last von sinnlosen und abscheulichen Bräuchen und unter welch abergläubischen Mächten stöhnt doch der Heide ! Da ist beispielsweise eine Götzendienerin, die in Ekstase ihr Kind den Götzen opfert. Wenn eine Mutter, die ihr Kind liebt, durch ihre Götzenanbetung gezwungen ist, ihr Kind zu opfern – hat sie dann nicht eine erdrückende Last zu tragen? Und was ist, wenn der Götzendiener krank wird? Dann ruft er einen Wunderheiler oder er benutzt einen Fetisch, und wieder wird das furchtbare Joch einer falschen Religion deutlich erkennbar. Und wenn der Tod sich in all seiner schrecklichen Macht auf den Heiden herablässt – kann seine falsche Religion ihn erretten? Können diese Götzen – Statuen und Steine – die Seele des Götzenanbeters  in den Himmel tragen oder in einen Himmel, den er sich erträumt? Sie mögen ihre Trommeln schlagen und mit ihrem Wehklagen und ihren Beschwörungen die Nacht zu einem Gräuel machen, doch keine ihrer Handlungen wird diesen Menschen aus der Gefangenschaft erretten.

Aber betrachten wir die Situation bei uns. Wir leben in einem so genannten christlichen Land, und doch gibt es Tausende, die sich zum Christentum bekennen, ohne jedoch sein wirkliches Wesen zu kennen. All diese Menschen tragen eine Last und sind auf dem Weg in die Gefangenschaft, genauso wie der finstere, unwissende Heide. Indem sie sich zum Christentum bekennen, erfassen sie nur die äußere Form, aber die innere Kraft des Glaubens ist ihnen fremd. Diese äußere Form ist eine schwere Last, während für einen wahren Christen das Joch Christi sanft und seine Last leicht ist. Ich habe von ganzem Herzen Mitleid mit den unbekehrten Mitarbeitern in der Sonntagsschule und im Besuchsdienst, mit den Traktatverteilern und den Abendmahlsgängern, mit den Amtsträgern oder Pfarrern. Welche Last tragen sie, wenn sie ihre Aufgaben aufrichtig und ernsthaft ausführen! Es braucht die wahre Liebe zum Herrn und all seine Unterstützung, um christliche Arbeit recht zu tun, egal wie einfach sie ist. Nur errettete Männer und Frauen können sie wirklich tun. Und wenn schließlich der Tod kommt – was kann das bloße Bekenntnis für die ausrichten, die es abgelegt haben? Überhaupt nichts. Der bloße Bekenner einer wahren Religion geht in dieselbe Gefangenschaft wie der arme verführte Anhänger einer heidnischen Religion.

Aber betrachten wir die Situation bei uns noch genauer. Während wahre Christen die Gegenwart des Herrn am Ende sicherlich erreichen werden, so ist doch möglich, dass er den lebendigen Gott wieder aus den Augen verliert. Den Galatern war genau das passiert, weil sie Gesetzlichkeit eingeführt hatten, und so betrübten sie den Heiligen Geist. Wir können den lebendigen Gott auch aus den Augen verlieren, wenn wir von jeder neuen Lehre hin und her geworfen werden; genau davor wurden auch die Epheser gewarnt. Möglicherweise sind wir auch von einem bestimmten Prediger oder einer gewissen Lehrmeinung so verblendet, dass wir den Kontakt zu Gott verlieren. Dann haben wir wieder eine schwere Last zu tragen. Ein Berg von entstellten Wahrheiten wird tatsächlich zu einer Lüge, denn die schlimmste Lüge ist die, die so wie die Wahrheit aussieht.

Wie eine Oase in der dürren Wüste der menschlichen Vorstellungskraft und Mühe ist der Gedanke erfrischend, dass wir den wahren Gott prüfen – dass Er tragen und erretten kann. Er selbst hat Israel dieses Versprechen gegeben. Wird Gott sich weniger um uns kümmern, die wir seine Kinder sind, seine Erben und Miterben mit Christus, seinem geliebten Sohn? Ganz gewiss nicht.

Wie liebevoll weist Gott auf die Vergangenheit als  Sicherheit (oder Garantie) für die Zukunft hin. Er hat sein Volk vom Mutterleib an getragen und Er würde es bis ins hohe Alter tragen – von der Schwachheit eines Neugeborenen bis zur Schwachheit eines alten Menschen, und am Ende sagt Gott ihnen mit Nachdruck: „Und ich will euch erretten.“

Und können wir Christen nicht bezeugen, dass Gott uns bis zu diesem Moment getragen hat? Hat Er uns nicht durch viele Versuchungen hindurchgetragen und uns in vielen Gefahren geholfen? Die Bewährung bewirkt Hoffnung: „Die Hoffnung aber beschämt nicht, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist“ (Röm 5,5). Und so wie Er uns in der Vergangenheit getragen hat, so wird Er uns auch in Zukunft tragen, selbst bis ins hohe Alter. Und wenn der Tod kommt – sofern der Herr Jesus noch nicht gekommen sein sollte –, werden wir errettet werden. „Im Geist“ sind wir schon jetzt durch das Werk unseres Herrn Jesus Christus und durch die Kraft des Heiligen Geistes errettet; dann aber werden wir unsere Errettung wirklich erfahren.

Was für einen Gott hat Christus uns bekannt gemacht!

Frei übersetzt von Ricarda Colditz aus Simple Testimony, 1906