Bei einer Hochzeit in Kana ging der Wein zur Neige. In dieser prekären Situation vollbrachte der Herr Jesus sein erstes Wunder, indem Er aus Wasser guten Wein machte. Diese Szene schattet das tausendjährige Friedensreich vor, wenn der Herr seinem irdischen Volk dauerhafte Freude schenken wird – denn Wein ist in der Schrift ein bekanntes Bild für irdische Freude (Ri 9,13; Ps 104,15; vgl. Amos 9,13.14). Die Freude im Reich wird, nach all den Leiden, groß sein und durch den König Israels in ihrer Mitte bewirkt werden (Zeph 3,14–17). Und doch ist sie nicht vollkommen, denn auch im Reich gibt es Sünde und Tod. Die Zahl Sechs, die bei diesem Wunder eine Rolle spielt (Joh 2,6), deutet das an, denn sechs ist die Zahl der menschlichen Schwachheit. Die Zahl Sieben hingegen ist die Zahl der Vollkommenheit – und diese gibt es erst im ewigen Zustand.

Drei Tage nachdem der Herr Jesus nach Galiläa gekommen war, fand die Hochzeit statt. Der „dritte Tag“ in Vers 1 hat aber eine noch eine tiefere, prophetische Bedeutung. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, finden wir den „ersten Tag“ in Johannes 1,35–42: Dort wird die christliche Zeitepoche vorgestellt, in der Menschen dem Lamm Gottes nachfolgen und sich da aufhalten, wo Er ist. Der „zweite Tag“ wird in Johannes 1,43–51 gezeigt: Nathanael stellt den jüdischen Überrest dar, der in Jesus den Sohn Gottes und König Israels erkennt. Der „dritte Tag“ vervollständigt das Bild, indem es auf die Freude im Reich hindeutet. Am Ende des Johannesevangeliums stoßen wir nochmals auf diese drei Phasen der Heilsgeschichte Gottes: Die Versammlung erkennen wir in den Jüngern, in deren Mitte sich der Herr Jesus stellt (Joh 20,19–23). Thomas, der zuerst zweifelte, sich dann aber über den auferstandenen Herrn freut, als er Ihn mit seinen Wundmalen sieht, ist ein Bild des jüdischen Überrests (Joh 20,24–29). Und der wunderbare Fischzug zeigt, wie Menschen aus den Nationen in die Segnungen des Reiches gebracht werden (Joh 21,1–11). „Dies ist schon das dritte Mal“, schreibt Johannes nach dem Fischzug, „dass Jesus sich den Jüngern offenbarte“ (Joh 21,14). Wie gut passt das zu dem dritten Tag aus Johannes 2,1!

Doch damit wollen wir die prophetische Sichtweise verlassen und uns praktischen Lektionen zuwenden. Sehen wir uns dazu verschiedene Personen an, die an diesem bemerkenswerten Weinwunder Anteil hatten.

Das Brautpaar

Auf einer Hochzeit steht das Brautpaar im Mittelpunkt. Doch in diesem Bericht wird lediglich der Bräutigam nur einmal beiläufig und ohne Namensnennung erwähnt – dem Heiligen Geist geht es offenbar um den Sohn Gottes und seine Herrlichkeit.

Es spricht für das Brautpaar, dass sie Jesus und seine Jünger bei diesem großen Fest dabei haben wollten: „Es war aber auch Jesus mit seinen Jüngern zu der Hochzeit geladen“ (Joh 2,2). Das Wort  „auch“ zeigt: Jesus war nur einer von vielen auf der Gästeliste. Vielleicht war sich das Brautpaar der einzigartigen Würde des Herrn nicht so recht bewusst. Wenn man mit Gottes Sohn den gemeinsamen Lebensweg beginnt, ist das gut; doch gibt man Ihm wirklich den Platz, der Ihm zusteht? Wenn nicht, tauchen Schwierigkeiten auf und die Freude schwindet.

Doch wir dürfen ja den kennen, der neues Glück schenken kann und unsere Freude beleben will –  vor allem Dingen die Freude an Ihm, die wir immer haben und genießen können (Phil 4,4).

Die Mutter Jesu

Von der Mutter Jesu wird nicht gesagt, dass sie zu dem Fest eingeladen wurde. Wie selbstverständlich war sie dort (Joh 3,1). Vielleicht gab es enge verwandtschaftliche Bande zu dem Brautpaar beziehungsweise den Brauteltern. Das würde auch erklären, warum Maria sich um Angelegenheiten des Festes kümmerte.

Als der Wein zu Ende ging, wusste Maria davon. Die anderen Gäste hatten das vielleicht noch gar nicht gemerkt. Aber wenn sich das herumsprechen würde, wäre die Blamage perfekt. Eine Blamage, die sich in das Gedächtnis aller eingraben würde! Das wollte Maria nicht. Und sie wusste, wohin sie sich wenden konnte. Nicht zum Speisemeister – sondern zu dem großen Meister. Ihm legte sie das Problem vertrauensvoll und schlicht vor: „Sie haben keinen Wein“ (Joh 2,3).

Der Herr wies Maria ab (Joh 2,4) [Fußnote 1]. Er machte damit klar, dass Er nicht deshalb handeln würde, weil seine Mutter dies wünschte. Er sprach Maria auch nicht als Mutter an (was uns auch an keiner anderen Stelle berichtet wird). Schon als Zwölfjähriger hatte Er deutlich gemacht, dass Er in den Angelegenheiten seines himmlischen Vaters sein musste, obwohl Er seinen Eltern untertan war (Lk 2,49.51). Und wenn jetzt sein öffentlicher Dienst begann, mussten natürliche Beziehungen ganz zurücktreten. Es wird deutlich: Jesus ist der Sohn Gottes, der alles weiß und von seiner Mutter nicht zum Handeln veranlasst werden möchte.

Und Maria? Sie nahm die Zurückweisung in ihrer sanftmütigen Art an und sprach zu den Dienern: „Was irgend er euch sagen mag, tut!“ (Joh 2,5) [Fußnote 2]. Sie wusste nicht, wann seine Stunde zum Handeln kommen würde, aber sie vertraute darauf, dass Er zur rechten Zeit eingreifen würde. Auch wenn sie noch kein öffentliches Wunder ihres Sohnes erlebt hatte, war sie überzeugt, dass Er helfen konnte.

Haben wir ein Auge dafür, wenn andere Probleme haben? Merken wir, wenn es zum Beispiel in der Ehe von Glaubensgeschwistern kriselt? Und wie reagieren wir, sobald wir etwas wissen? Gehen wir zuerst zum Sohn Gottes und legen Ihm alles im Gebet zuversichtlich vor? Und ist uns beim Beten klar, dass wir keine Ansprüche erheben können?

Denn Gott ist niemals verpflichtet, uns zu antworten, auch dann nicht, wenn wir zu Ihm schreien (vgl. Hiob 36,19) oder anderweitig unseren Bitten Nachdruck verleihen. Es sollte uns bewusst sein, dass jede Gebetserhörung reine Gnade ist! Und wir müssen auch warten können, bis Gott auf unsere Bitten eingeht.

Die Diener

Es standen dort sechs Wasserkrüge aus Stein (Joh 2,6). Ein Krug fasste zwischen zwei und drei Maß. Ein Maß entspricht dem jüdischen Bat; das sind knapp 40 Liter. Wenn wir pro Krug von zweieinhalb Maß (100 Liter) ausgehen, dann sind es 600 Liter Wasser in der Summe, die Jesus verwandelt hat. Der Herr schenkt Segen im Übermaß!

Die Krüge waren aufgestellt worden, damit die jüdischen Reinigungsriten, wie das Händewaschen vor dem Essen, vollzogen werden konnten. Doch die Krüge waren leer und konnten ihrer Funktion nicht gerecht werden. Der Herr ordnete an, dass diese Krüge mit Wasser gefüllt werden, ohne seine besondere Absicht kundzutun (Joh 2,7). Da das Fest längst im Gang war, mochten sich die Diener fragen, wozu man das ganze Wasser gebrauchen sollte. Doch sie waren von Maria zum Gehorsam sensibilisiert worden und erledigten sofort die mühevolle Aufgabe. Sie machten ganze Sache, indem sie die Krüge bis obenan füllten. Es konnte nun auch keine andere Flüssigkeit in die Krüge geschüttet werden. Es war zu hundert Prozent Wasser – und müsste es auch eigentlich bleiben.

Als Nächstes wies der Herr an, mit einem kleineren Gefäß Wasser zu schöpfen und es dem Speisemeister zu bringen (Joh 2,8). Wieder reagierten die Diener prompt und quälten sich nicht mit der Frage, was der Speisemeister mit dem Wasser denn anfangen sollte (s. Joh 2,9). Indem sie zum Speisemeister gingen, wurde aus dem geschöpften Wasser – ohne dass auch nur ein Wort gesprochen wurde – durch die Macht des Sohnes Gottes Wein. Das Wunder der Heilung der Aussätzigen geschah übrigens auch, als sich die Kranken auf das Wort des Herrn hin auf den Weg gemacht hatten (vgl. Lk 17,14).

Als Diener des Herrn können wir hier manches lernen. Erstens: Wir warten auf den Befehl des Herrn, bevor wir handeln. Zweitens: Wir tun dann im Gehorsam alles, was Er uns sagt, unabhängig davon, wie sinnvoll das Aufgetragene erscheint. Wenn wir nur das tun, was wir verstehen können und uns gefällt, sind wir schlicht ungehorsam. Saul führte den Kampf gegen die Amalekiter nicht vollständig aus und musste sich den Vorwurf gefallen lassen, ungehorsam gewesen zu sein (1. Sam 15,19).

Die Diener füllten die Wasserkrüge auf, die zwar am richtigen Platz standen, ihren Zweck aber nicht erfüllten, weil das Wasser fehlte. Menschen können äußerlich am richtigen Platz sein, zum Beispiel in Zusammenkünften von Gläubigen, aber sie werden nur gesegnet werden, wenn ihre Seelen mit dem  „Wasser des Wortes Gottes“ (vgl. Eph 5,26) gefüllt werden. Um als Diener dieser Aufgabe effektiv nachkommen zu können, muss das Wort reichlich in ihnen wohnen (Kol 3,16).  

Der Speisemeister

Der Speisemeister konnte es sich nicht erklären, woher die Diener den Wein (der nur einige Sekunden alt und dennoch gut war) hernahmen. Statt die Diener zu fragen, die Bescheid wussten, wandte er sich an den Bräutigam, der von der ganzen Sache wohl kaum etwas mitbekommen haben dürfte. Er machte dem Bräutigam Vorwürfe, warum er nicht am Anfang des Festes, wie es üblich war, Zugang zu diesem hervorragenden Wein gewährt hatte [Fußnote 3]. Da, wo andere staunten und sich freuten, murrte der Speisemeister, dem doch gerade eine Blamage erspart geblieben war! Er sprach bezeichnenderweise von dem, was „jeder Mensch“ tut (Joh 2,10), aber mit dem Sohn Gottes rechnete er nicht.

Solche „Speisemeister“ gibt es auch heute. Sie sind verantwortlich für geistliche Erfrischung und Nahrung, kennen aber nur althergebrachte Sitten, Rituale und andere Dinge, die Menschen sich ausgedacht haben. Die tiefe Freude, die nur das Wort Gottes in das Leben bringen kann, ist ihnen unbekannt. Wie armselig und traurig ist das!

Die Jünger

Nicht nur der Herr war zur Hochzeit geladen, sondern auch seine Jünger. Das waren zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich sechs: Andreas, Petrus, Johannes, Jakobus, Philippus und Nathanael.

Wir wissen nicht, ob sie mitbekommen hatten, dass es an Wein mangelte. Jedenfalls erlebten sie bewusst, wie der Herr seine Herrlichkeit offenbarte, indem Er in seiner Schöpfermacht Wasser zu Wein machte (Joh 2,11). Die Jünger waren nicht nur verstandesmäßig von seiner Kraft überzeugt (vgl. mit Joh 2,23–25), sondern sie begriffen wirklich etwas von der Herrlichkeit des Herrn (Joh 1,14).

Auch unser Glaube wird gestärkt, wenn wir uns mit den Wundern des Herrn Jesus beschäftigen und darüber betend nachdenken.

Der Herr Jesus

Unmittelbar nach der Erschaffung des Menschen wird von der ehelichen Verbindung zwischen Mann und Frau gesprochen (1. Mo 2,24). Und hier, zu Beginn des öffentlichen Dienstes des Herrn, bestätigt und fördert Er durch den Besuch einer Hochzeit die Ehe, die Er selbst gestiftet hatte. Jesus freute sich mit den sich Freuenden.

In Kana vollbrachte der Herr Jesus sein erstes Wunder, indem Er Wasser in Wein verwandelte. Das erste Wunder, das der Gesetzgeber Mose zum Gericht in Ägypten ausführte, war die Verwandlung von Wasser zu Blut (2. Mo 7,15–25). Wie bezeichnend ist dieser Unterschied! „Das Gesetz wurde durch Mose gegeben“, schreibt Johannes, „die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“ (Joh 1,17). Wir können sagen: Das Gesetz bringt Gericht (Blut) und die Gnade bringt Freude (Wein).

Auch der Vergleich mit dem Dienst von Johannes dem Täufer ist erhellend: Johannes, der Bußprediger, hielt sich in der Wüste auf und ernährte sich spartanisch, Jesus aber ging zu einer Hochzeit und machte viel Wein. Der Dienst von Jesus Christus war durchdrungen von gebender, froh machender Güte (vgl. mit Mt 11,16–19).

Wir sehen hier außerdem, wie der Sohn Gottes, der über alle Macht verfügt, sich als abhängiger Mensch verhält und auf „seine Stunde“ wartet.

Das musste Maria lernen und das mussten auch seine Brüder verstehen (Joh 7,3–9). Jesus wurde verworfen und darum war die Zeit nicht gekommen, Segen frei auszuteilen. Noch war das Werk am Kreuz als Grundlage des Segens nicht vollbracht. Noch saß Er nicht als Segensherrscher auf dem Thron, sondern Er handelte als abhängiger Knecht, der sich in jedem Wunderwerk von seinem Vater leiten ließ.

Als der Augenblick gekommen war, Segen in Kana zu bringen, wies der Herr die Diener zur Arbeit an. Das, was sie nicht tun konnten – nämlich Wasser in Wein zu verwandeln –, das tat Jesus selbst. Er, der für sich aus Steinen kein Brot gemacht hatte und in seinem Durst später mit Essig getränkt wurde, benutzte seine göttliche Kraft, um andere mit Wein zu erfreuen! So wurde Er, der als Gast geladen war, zum Gast-Geber (vgl. mit Lk 24,28–30).

Das Wunder der Verwandlung war ein Zeichen (Joh 2,11). Dieses Zeichen deutet auf die Herrlichkeit des Herrn hin. Sie war immer da, aber durch dieses Wunder wurde sie sichtbar. Es ist bemerkenswert, dass der Heilige Geist gar nicht beschreibt, wie man sich über den Wein gefreut hat und wie das Fest fröhlich weiterging. Nein. Der biblische Bericht endet mit dem Hinweis auf die Herrlichkeit des Herrn, die alles überragt und überstrahlt. Lassen wir uns immer wieder neu von dieser Herrlichkeit beeindrucken!

Zusammenfassung

In Kana vollbringt der Herr Jesus sein erstes Wunder: Er macht aus Wasser guten Wein. Wir müssen das Wort Gottes, von dem das Wasser ein Bild ist, reichlich in uns wohnen lassen. Dann wird auch unsere Freude, von der der Wein ein Bild ist, überströmend sein. Wenn der Herr uns segnet und uns Freude schenkt, dann macht das seine Herrlichkeit groß.


[1] Die Worte Jesu „Was habe ich mit dir zu schaffen?“ lauten wörtlich übersetzt: „Was [ist mit] dir und [mit] mir?“ Es handelt sich um eine hebräisch-aramäische Wendung, die eine rhetorische Frage bedeutet. Die Antwort auf diese Frage lautet: Nichts. Es wird also Folgendes ausgedrückt: „In dieser Sache reden wir nicht auf Augenhöhe, es ist meine Angelegenheit und du brauchst dich nicht einzumischen.“

[2] In Johannes 2 finden wir die letzten Worte, die uns von der Mutter Jesu überliefert sind. Wir lernen zwei wichtige Lektionen: Erstens wird Marias Bitte vom Herrn Jesus abgewiesen, und zweitens wünscht sie, dass man alles tut, was der Herr Jesus sagt. In Apostelgeschichte 1,14 wird das letzte Mal etwas von Maria berichtet: Sie betet zusammen mit anderen zu Gott. Von einer Sonderstellung Marias keine Spur. Wie wichtig sind diese Lektionen für solche Menschen, die in Maria eine himmlische Fürsprecherin für Gläubige sehen wollen!

[3] Der Speisemeister sprach davon, dass den Gästen erst dann der geringere Wein vorgesetzt würde, wenn sie betrunken geworden wären (Joh 2,10). Daraus darf man nicht schließen, dass die Gäste dieser Hochzeit betrunken waren oder kurz davor standen, sondern der Mann redete davon, was allgemein üblich auf Hochzeitsfesten war, die oft mehrere Tage dauerten (vgl. 1. Mo 29,27). Für unsere Hochzeitsfeiern gilt bis heute dieses Wort: „Berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifung ist“ (Eph 5,18). Unsere Herzen sollen voll Freude sein und nicht durch Rausch und Trinkgelage beschwert werden (Lk 21,34). „Denn die vergangene Zeit ist genug, den Willen der Nationen vollbracht zu haben, indem ihr wandeltet in Ausschweifungen, Begierden, Trunkenheit, Schwelgereien, Trinkgelagen und frevelhaften Götzendienereien“ (1. Pet 4,3).