Der Engel des Herrn greift ein

„Da rief ihm der Engel des Herrn vom Himmel zu und sprach: Abraham, Abraham! Und er sprach: Hier bin ich! Und er sprach: Strecke deine Hand nicht aus nach dem Knaben, und tu ihm gar nichts!“ (1. Mo 22,11.12)

Bis dahin hatte Gott schweigend zugesehen. Doch nun, als Abraham schon das Messer in der Hand hielt, um seinen Sohn zu schlachten, rief Er ihn zweimal mit Namen vom Himmel her zu. Die zweimalige Nennung des Namens unterstreicht die Bedeutung dieser feierlichen Szene. Gott erlaubte nicht, dass Abraham den Todesstoß ausführte. Abraham war bis an die äußerste Grenze gegangen. Doch Gott konnte und wollte ihn nicht darüber hinaus gehen lassen. Gott ersparte dem Vater den Schmerz, den Er sich selbst nicht erspart hat, als Er den eigenen Sohn in den Tod gab.

Als Gottes Sohn am Kreuz hing, wurde keine Stimme aus dem Himmel gehört, kein Engel griff ein und kein Stellvertreter wurde gefunden. Gott schwieg, als unser Heiland am Kreuz mit lauter Stimme schrie (Mt 27,46; Mk 15,34). Isaak wurde verschont, aber Gott hat seinen Sohn nicht verschont, sondern für uns auf Golgatha hingegeben. Der Liederdichter drückt es folgendermaßen aus:

Und Er rief – Du bliebest stumm,
kehrtest Dich zu Ihm nicht um:
Dass wir nicht als Sünder sterben,
musste Er zur Sünde werden.

Von den insgesamt sieben Begebenheiten in der Schrift, wo Gott einen Menschen zweimal mit Namen ruft, haben wir hier die erste (vgl. 1. Mo 46,2; 2. Mo 3,4; 1. Sam 3,10; Lk 10,41; 22,31; Apg 9,4).

Der Engel des Herrn

Der „Engel des Herrn“ ist eine Bezeichnung, die im Alten Testament für Gott selbst – in der Person des Herrn Jesus – verwendet wird. Der Herr Jesus offenbarte sich zu verschiedenen Zeiten im Gewand eines Engels (vgl. 1. Mo 31,11–13; 1. Mo 16,7–11). Der, der hier vom Himmel eingriff, um Abraham Einhalt zu gebieten, wusste, dass Er selbst einmal das Opfer sein würde, sobald seine Stunde gekommen war.

Abraham muss sich bewusst gewesen sein, dass es der Herr war, der zu ihm sprach, denn er nannte die Stätte „Jahwe-Jireh“: Der Herr wird ersehen. Und als der Engel des Herrn zum zweiten Mal rief, gab Er ihm Verheißungen, wie dies kein geschaffener Engel jemals hätte tun können.

Denn nun weiß ich

„Denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast“ (1. Mo 22,12).

Natürlich wusste Gott im Voraus, dass Abraham Ihn fürchtete und Ihm seinen einzigen Sohn nicht vorenthalten würde. Doch nun war der Beweis endgültig erbracht. Gott hatte es gleichsam mit seinen eigenen Augen gesehen, und die ganze Welt konnte sich davon überzeugen, dass Abraham die Glaubensprüfung bestanden hatte.

Gott hebt an dieser Stelle noch einmal hervor, worin die Prüfung für Abraham bestanden hatte. Abraham hatte Gott gefürchtet und Ihm seinen einzigen Sohn nicht vorenthalten. Er hatte sich davor gefürchtet, etwas zu tun, was Gott verunehrt hätte. Gott drückt hier seinen Stempel der Anerkennung und Wertschätzung auf die Glaubenstat Abrahams. Wie muss es sein Herz erfreut haben, zu sehen, wie Abraham Ihn durch Gehorsam geehrt und durch Glauben verherrlicht hatte! Hier wurde die Schrift erfüllt: „Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet, und er wurde Freund Gottes genannt“ (Jak 2,23).

… mir nicht vorenthalten hast

Abraham hatte Gott seinen einzigen Sohn nicht vorenthalten. Er war bereit, das Liebste, das er hatte, Gott zu opfern. Und Gott hat ihm dies hoch angerechnet. Wie steht es damit bei uns? Haben wir nicht noch viel mehr Grund und Ursache, Gott das zu geben, was Ihm zusteht?

Der Mensch ist ein Geschöpf Gottes. Schon allein deshalb hat Gott, der Schöpfer, jedes Anrecht an ihn. Doch durch den Sündenfall kam der Mensch unter die Herrschaft Satans, dem Fürsten und Gott dieser Welt (Joh 12,31; 16,11; 2. Kor 4,4). Seitdem ist der natürliche Mensch ein Knecht Satans. Aber in der Fülle der Zeit kam der Herr Jesus auf diese Erde und hat durch den Tod den zunichtegemacht, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und hat alle die befreit, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren (Heb 2,14.15). Jeder, der den Herrn Jesus als Herrn und Heiland annimmt, ist erlöst und aus der Knechtschaft Satans befreit. Ein solcher hat einen neuen Herrn, der nun in zweifacher Hinsicht Ansprüche an ihn hat: als Schöpfer, der ihn erschaffen, und als Erlöser, der ihn erlöst hat. In diesem Sinn gehört der Gläubige seinem Herrn in zweifacher Hinsicht!

Der Herr Jesus hat uns erschaffen und aus der Knechtschaft Satans erlöst. Er hat uns um einen Preis erkauft (1. Kor 6,20). Sind wir nicht schuldig, Ihm nun unser ganzes Leben zu übergeben? Ist Er es nicht wert, dass wir Ihm das „Beste“, das wir haben, zur Verfügung stellen (vgl. Röm 12,1; Off 2,4)? Ja, Er hat tatsächlich Ansprüche an uns, aber Er möchte, dass wir Ihm unser Leben freiwillig übergeben. Alle Bereiche unseres Lebens sollen Ihm gehören. Unser Geist, unsere Seele und unser Leib sollen für Ihn da sein. Wie schade, wenn es in unserem Leben Bereiche gäbe, die wir Ihm vorenthielten! Es wäre nur zu unserem eigenen Schaden und Verlust!