In 1. Mose 29 und 30 wird uns sehr ausführlich die Geburt der zwölf Söhne Jakobs berichtet. Das ist wirklich auffällig und es drängt uns, der Frage nachzuspüren, was darin für eine vorbildliche Lektion enthalten sein könnte.

Es scheint, dass durch die Umstände der Geburt die Geschichte des Volkes Israels vorgeschattet wird. Und zwar die frühe Geschichte Israels – es geht ja auch um die „frühe Geschichte“ der Söhne Jakobs.

Lea wurde schwanger und gebar den Erstgeborenen. Er hieß Ruben, „denn sie sprach: Weil der Herr mein Elend angesehen hat“ (1. Mose 29,32). Den zweiten Sohn nannte sie Simeon („Erhörung“), weil der Herr gehört hat, dass sie gehasst war (1. Mose 29,33). Die Parallele zur Geschichte Israels wird deutlich, wenn wir 2. Mose 3,7 ins Auge fassen und besonders die hinzugefügten Hervorhebungen beachten: „Und der Herr sprach: Gesehen habe ich das Elend meines Volkes, das in Ägypten ist, und sein Schreien wegen seiner Treiber habe ich gehört; denn ich kenne seine Schmerzen“. So begann die Geschichte des Volkes Israel: mit Elend und Schreien – mit einem Schreien, das Gott hörte.

Lea wurde wieder schwanger und gebar Levi, dessen Name „Anschließung“ heißt. Denn Lea sprach: „Nun, diesmal wird mein Mann sich mir anschließen, denn ich habe ihm drei Söhne geboren!“ (1. Mose 29,34). Erinnert das nicht daran, dass Gott sich in Ägypten mit seinem Volk verbunden hat? Dort nahm er sie an seine Hand, wie Jeremia es ausdrückt (Jeremia 31,32).

„Und sie [Lea] wurde wiederum schwanger und gebar einen Sohn; und sie sprach: Diesmal will ich den HERRN preisen! Darum gab sie ihm den Namen Juda [„Gegenstand des Preises“]“ (1. Mose 29,35). Das führt uns an das andere Ufer des Roten Meers, wo das Volk Gott für seine Rettung aus Ägypten lobpries. „Und er rettete sie aus der Hand des Hassers … sie sangen sein Lob“ (Psalm 106,10.12).

Das fünfte Kind Jakobs wurde von Bilha, der Magd Rahels, geboren. „Da sprach Rahel: Gott hat mir Recht verschafft und auch auf meine Stimme gehört und mir einen Sohn gegeben! Darum gab sie ihm den Namen Dan [d.i. „Richter“]“ (1. Mose 30,6). Hier mag man daran denken, dass Gott seinem Volk Recht verschaffte, indem er die Ägypter richtete und Israel mit großer Habe in die Freiheit entließ – und vielleicht auch daran, dass er ihnen danach Satzung und Recht gab.

Der sechste Sohn wurde wieder von Bilha geboren. „Da sprach Rahel: Kämpfe Gottes habe ich mit meiner Schwester gekämpft, habe auch gesiegt! Und sie gab ihm den Namen Naphtali [„Mein Kampf“]“ (1. Mose 30,8). Das erinnert an die Kämpfe, die Israel in der Wüste mit Amalek führte. Und sie gewannen diesen Kampf (2. Mose 17).

Die nächsten beiden Söhne wurden von Silpa, der Magd Leas geboren. Es waren dies Gad („Glück“) und Aser („Glückselig“). Vielleicht darf man hier an die Freude der Israeliten beim Einzug in das gelobte Land und beim Triumph über die Kanaaniter denken.

Danach gebar Lea Issaschar („Er bringt Lohn“ oder „Es gibt ein Erbteil“) und Sebulon („Wohnung“). Man könnte hier daran denken, dass das Volk Israel das Land konkret in Besitz nahm und zur Ruhe kam.

Danach wurde Rahel schwanger und bekam einen Sohn. „Und sie gab ihm den Namen Joseph und sprach: Der HERR füge mir einen anderen Sohn hinzu!“ (1. Mose 30,24). Die Geburt des nächsten Sohnes wird viel später berichtet. Es ist Rahel, die ihn zur Welt bringt. Beim Gebären wird es ihr schwer und sie nennt den Sohn Benoni („Sohn meiner Not“), während Jakob ihn mit dem Namen Benjamin („Sohn meiner Rechten“) versieht. Joseph ist der, der von seinen Brüdern zunächst verworfen wurde. In Verbindung mit ihm wird der Wunsch nach einer „Hinzufügung“ gefunden. Das erinnert an David, der wie ein Rebhuhn über die Berge gejagt wurde, und auf den Salomo mit seiner glorreichen Regierung folgte – ein Hinweis auf das Tausendjährige Reich und die glorreiche Herrschaft Christi. Kein Wunder, dass damit die ganze Geschichte ihren Abschluss findet.