Henoch gehört zu den bekannteren Personen des Alten Testaments. Das liegt daran, dass er zusammen mit Elia der Einzige ist, der nicht sterben musste. Er wurde im Alter von 365 Jahren in den Himmel entrückt. Einen großen Raum nimmt Henoch in der Bibel jedoch nicht ein. Aber das, was von ihm berichtet wird, ist von größtem Interesse! Daher ist es der Mühe wert, einmal die kurze Lebensbeschreibung Henochs genauer zu verfolgen.

Wir erfahren etwas über seine Person in 1. Mose 5,19–24; Hebräer 11,5.6 und Judas 14.15. Es wäre sehr nützlich, diese Verse zunächst im Zusammenhang nachzulesen.

Seine Abstammung

In Judas 14 heißt es: „Es hat aber auch Henoch, der Siebte von Adam [Adam wird dabei mitgerechnet], von diesen geweissagt …“ Warum wird der Zusatz „der Siebte von Adam“ verwendet? Hätte „Henoch“ nicht genügt? Nein. Denn in 1. Mose 4,17 wird jemand genannt, der einen Namen hatte, der zum Verwechseln ähnlich ist und von einigen Übersetzungen auch mit Henoch wiedergegeben wird: Hanoch. Sein Vater Kain nannte eine Stadt nach seinem Namen. Dagegen gab es aber wohl kaum eine Stadt, die den Namen Henochs trug. Doch Gott hatte ihm eine Stadt bereitet (vgl. Heb 11,16). Und das ist viel wichtiger! Die Angabe „der Siebte von Adam“ ohne Namenszusatz wäre auch nicht ausreichend gewesen. Denn die Bibel berichtet noch von einem anderen „Siebten von Adam“: Lamech. Dieser Mann gehört zu der Familie Kains, die zunehmend gottlose Züge annahm. Lamech sprach über sich selbst und zeigte Rachsucht (1. Mo 4,23.24). Nicht so Henoch. Er zeugte prophetisch von dem Herrn Jesus und sprach von dem Gericht, das Er einmal ausführen wird (Jud 14.15).  Der Vaters Henochs hieß Jered. Jered bedeutet „Niedergang“ – sicher zeigte sich bereits in diesen frühen Tagen der Menschheitsgeschichte ein moralischer Niedergang. Sein Vater gab in dieser bösen Zeit seinem erstgeborenen Sohn den Namen Henoch, was „Eingeweihter“ bedeutet. Dieser Name passte ausgezeichnet, denn der Weissagung Henochs entnehmen wir geistliche Einsicht.

Seine Familie

Henoch hat geheiratet. Wann er das getan hat und wie seine Frau hieß, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass aus dieser Verbindung Methusalah und weitere Söhne und Töchter hervorgingen (1. Mo 5,21.22). Die Geburt des erstgeborenen Sohnes Methusalahs markierte den entscheidenden Wendepunkt im Leben Henochs: Der Wandel mit Gott begann (1. Mo 5,24). Das neugeborene Kind mag für ihn ein besonderes Zeugnis der Größe und Güte Gottes gewesen sein. Auch wird er seine neue Verantwortlichkeit empfunden und sich vielleicht etwas hilflos gefühlt haben. Jedenfalls war es der Anlass für ihn, fortan sein Leben mit Gott zu führen. Trifft das auf uns auch zu? Der Anlass selbst ist dabei nicht so wichtig, Hauptsache wir beginnen einmal, den Weg mit Gott zu gehen!

Manche meinen, dass der Name Methusalah „Er stirbt, und es kommt“ bedeutet. Sollte das richtig sein, wäre das sehr bedeutungsvoll, da er genau in dem Jahr starb, als die Flut kam. Und wenn die Flut derart mit seinem Tod verbunden wurde, ist das ein schönes Zeugnis der Langmut Gottes; schließlich ist Methusalah mit seinen 969 Jahren der älteste Mensch, von dem die Bibel berichtet. So lang wartete Gott mit dem Gericht!

Sein Wandel

Dass Henoch mit Gott wandelte, wird zweimal erwähnt (1. Mo 5,22.24). Henoch hebt sich damit von den anderen in 1. Mose 5 genannten Personen ab, bei denen es regelmäßig heißt: „Und [Jered etc.] ... lebte, nachdem er ... gezeugt hatte ...“ Bei Henoch aber heißt es: „Und Henoch wandelte mit Gott, nachdem er Methusalah gezeugt hatte“. Er lebte nicht einfach wie alle anderen, sondern er wandelte mit Gott – bei seiner Lebensführung stand Gott im Mittelpunkt.  Wer mit Gott wandeln will, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Ich nenne drei:

  • Wir müssen dasselbe Ziel wie Gott haben. Laufen wir in eine andere Richtung als Gott, können wir nicht mit Ihm gehen.
  • Ziele kann man oft auf unterschiedliche Weise erreichen. Wer mit Gott wandeln will, muss den Weg gehen, den Er vorgesehen hat.
  • Auf demselben Weg zu gehen, genügt nicht. Wir müssen auch dasselbe Tempo wie Gott haben und dürfen Ihm nicht vorauseilen oder hinterherhinken.

Henoch erfüllte diese Kriterien. Und so ging er seinen Weg mit Gott – 300 Jahre lang! Sicher durchlebte er Höhen und Tiefen, aber das alles brachte ihn nicht von dem eingeschlagenen Kurs ab. Kann das auch von uns gesagt werden? Oder sind wir schon nach viel kürzerer Zeit müde geworden, den oft unbequemen Weg mit dem Herrn zu gehen?

Seine Weissagung

Henochs Weissagung (Jud 14.15) ist die erste, die ein Mensch ausgesprochen hat, soweit uns die Bibel das berichtet. Dabei fällt auf, was wir auch bei anderen Schriftstellen sehen können: Etwas Zukünftiges wird so dargestellt, als sei es etwas Gegenwärtiges oder bereits Vergangenes. Denn es heißt hier: „Der Herr ist gekommen ... Gericht auszuführen“ – obwohl der Herr bis heute noch nicht gekommen ist, um zu richten! Der Grund, warum hier trotzdem „ist gekommen“ steht, liegt wohl darin begründet, dass Gott zeigen möchte, dass er über der Zeit steht, und dass die Dinge, die Er beschlossen hat, auch gewiss eintreffen werden. Sein Ratschluss ist so sicher, wie etwas, das gegenwärtig geschieht oder vergangen ist.  Henochs Weissagung beinhaltet zum einen eine Botschaft der Gnade, denn er spricht von Heiligen, die den Herrn Jesus bei seiner Erscheinung zur Aufrichtung des Reiches begleiten dürfen. Aber der eigentliche Inhalt seiner Weissagung ist das Gericht, das der Herr bei seinem Kommen ausüben wird. Beachtenswert sind einige Einzelheiten:

  • Das Gericht ist in jeder Hinsicht umfassend (in einem Satz wird viermal das Wort „alle“ o.ä. verwendet).
  • Das Gericht wird nicht nur ausgeführt, die Gottlosen werden auch überführt: Es wird klar werden, dass das Gericht verdient ist.
  • Das Gericht kommt in einer Zeit der Gottlosigkeit (es ist dreimal von „Gottlosigkeit“ o.ä. die Rede).
  • Die harten Worten, die die Gottlosen gegen Gläubige reden, werden gewertet, als seien sie gegen den Herrn Jesus selbst gerichtet: „ ... und von all den harten Worten, die gottlose Sünder gegen ihn geredet haben.“

Zweifellos sprach Henoch von der Erscheinung des Herrn Jesus in Macht und Herrlichkeit. Dennoch war die Sintflut eine Art Vorerfüllung dieser Prophezeiung. Denn die Flut kam über die „Welt der Gottlosen“ (2. Pet 2,5) und brachte alle bis auf acht Personen um. Lukas 17,26.27 zeigt die Verbindung zwischen der Flut und dem kommenden Gericht.

Seine Umgebung

Wenn Henoch auch in seiner Prophezeiung von noch zukünftigen Tagen sprach, hatte er dabei sicher seine Zeitgenossen vor Augen. Er lebte, wie es uns Kapitel 6 deutlich macht, in einer sehr gottlosen Zeit. In dieser Welt ohne Gott eckte Henoch – der mit Gott wandelte – bestimmt bei seinen Mitmenschen an. Und wahrscheinlich noch mehr als das. In Hebräer 11,5 lesen wir, dass Gott ihn entrückte, damit er den Tod nicht sehen sollte. Aber warum wurde Henoch bereits im 365. Lebensjahr entrückt, wo doch die durchschnittliche Lebenserwartung damals über 900 Jahre betrug (siehe 1. Mo 5,5 ff.)? Lag es vielleicht daran, dass sein Leben von den Gottlosen bedroht war? Wenn wir an die „harten Worte“ denken, die der andere siebte von Adam, Lamech, gesprochen hat, sehen wir, dass das nicht auszuschließen ist (vgl. 1. Mo 4,23.24).

Wir Christen wissen aus 2. Timotheus 3,12, dass alle, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, verfolgt werden. Kennen wir davon auch etwas aus der Praxis? Dass die Menschen, die zur Zeit Henochs lebten, im Allgemeinen nicht mit Gott rechneten, kann man auch daran erkennen, dass sie Henoch nach seiner Entrückung gesucht haben. Ein Eingreifen Gottes war offenbar außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Woher wissen wir, dass er gesucht wurde? Aus Hebräer 11,5: „ ... und er wurde nicht gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte“. Wer nicht gefunden wird, muss gesucht worden sein.

Sein Ende

Mit 365 Jahren war Henoch nach damaligen Maßstäben recht jung, als er diese Erde verließ. Und doch war es ein „vollständiges“ Leben, sonst hätte Gott seine Laufbahn nicht beendet. (Die Zahl 365 mag in sich ein gewisser Hinweis auf diese Vollständigkeit sein, weil 365 Tage ein vollständiges Jahr ergeben.) Nicht die Länge unseres Lebens ist entscheidend; entscheidend ist, dass von uns gesagt werden kann, dass wir dem Willen Gottes gedient haben (vgl. Apg 13,36)!   In 1. Mose 5,24 steht, dass Gott Henoch hinwegnahm. Hebräer 11,5 macht eindeutig klar, dass damit die Entrückung Henochs gemeint ist. Aus dieser Stelle lernen wir auch, warum Henoch entrückt wurde: Er hatte das Wohlgefallen Gottes. Und wie erlangte er dieses Wohlgefallen? Durch seinen Glauben – denn ohne Glauben ist es unmöglich, Gott wohlzugefallen (Heb 11,6). Somit war also der lebendige Glaube, den er in seinem tagtäglichen Leben zeigte, eine entscheidende Ursache für seine Entrückung: „Durch Glauben wurde Henoch entrückt“. Das ist die Bedeutung dieser Aussage und nicht, dass er an seine Entrückung geglaubt hat und deshalb entrückt wurde. Wir wissen nicht einmal, ob er – so wie Elia (2. Kön 2) – etwas von seiner Entrückung wusste.

Seine vorbildliche Bedeutung

Wir lernen von Henoch, lernen von seinen Wegen und Worten. Doch auch in dem, was mit Henoch geschah, liegt für uns eine Unterweisung. Denn Henoch wurde vor dem Gericht Gottes (der Flut) entrückt und ist darin ein Bild von den Gläubigen der Gnadenzeit, die vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird (Off 3,10), in den Himmel entrückt werden (1. Thes 4,17). Das wird noch deutlicher, wenn wir an Noah denken, der durch die Flut hindurchgerettet wurde, um dann auf einer gereinigten Erde einen Neuanfang zu erleben. Er ist das Bild von den Gläubigen, die durch die kommende Drangsalszeit gerettet werden, um in das Tausendjährige Reich einzugehen. Das sind die 144.000 Versiegelten aus Offenbarung 7. Diese Menschen sind Knechte Gottes (Off 7,3), aber keine Christen. Wir, die Gläubigen, die die Versammlung Gottes bilden, werden vor dem Gericht entrückt werden – wie Henoch.[1]

Zusammenfassung

Wir könnten das Leben Henochs wie folgt zusammenfassen:

  • Er wandelte mit Gott
  • Er zeugte für Gott
  • Er wurde zu Gott entrückt.

Ein großartiges Leben! Es sollte uns Ansporn sein, in einer gottlosen Welt den immer schon unpopulären Weg mit Gott zu gehen und für Ihn zu zeugen. Wer weiß, wie lange das noch möglich ist. Der Herr Jesus kommt bald!

[Dieser Artikel erschien in „Folge mir nach“, er wurde überarbeitet.]


Fußnoten:

  1. Elia ist nicht direkt das Bild der Entrückung. Denn bei Elia sehen wir jemand, der das beobachtet hat und dann auf der Erde als Zeuge  zurückbleibt, das lässt sich alles gut mit der Himmelfahrt des Herrn verbinden; Henoch aber wurde völlig unbemerkt weggenommen – und kurz danach kommt das Gericht.