Nicht mehr lange und der Sohn Gottes würde aus dieser Welt zum Vater zurückkehren (Joh 13,1). Zuvor aber würde er das Werk vollbringen, welches der Vater ihm gegeben hatte (Joh 17,4). In Johannes 10 hatte der Herr bereits gesagt: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, damit ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen“ (Joh 10,17.18). Nun stand er kurz davor, sein Leben zu geben. Die Welt würde erkennen, dass er den Vater liebt und so tut, wie der Vater ihm geboten hatte (Joh 14,31).

In den letzten Stunden auf dem Weg von dem Obersaal, durch das Kidrontal bis in den Garten Gethsemane, wo man ihn schließlich verhaften würde, kümmert der Herr sich liebevoll um seine Jünger. Für sie würde sich alles verändern. Ihr Herr, mit dem sie drei Jahre lange auf engste verbunden war, den sie persönlich kannten, würde nicht mehr körperlich bei ihnen sein. Doch er würde sie nicht verwaist in dieser Welt zurücklassen (Joh 14,18), sondern den Sachwalter zu ihnen senden (Joh 15,26). Es war sogar nützlich, dass der Herr weggeht, damit der Sachwalter komme (Joh 16,7). Für die Jünger war das zu diesem Zeitpunkt noch zukünftig. Seit Pfingsten (Apg 2) ist der Heilige Geist nun auf der Erde und wohnt sowohl in dem Gläubigen individuell (1. Kor 6,19) als auch in der Versammlung korporativ (1. Kor 3,16). Daneben durften die Jünger noch wissen, dass der Herr, wenn auch nicht mehr körperlich, doch bei ihnen sein werde, was der Herr ihnen dann noch später zusicherte (Mt 28,20).

Doch neben diesen Wahrheiten, stellt der Herr ihnen hier im Obersaal eine viel herrlichere Wahrheit vor: „In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen …  Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, euch ihr seiet“ (Joh 14,2.3). Später in Johannes 17 sagte der Herr Jesus noch einmal: „Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast“ (Joh 17,24). Was für ein Ziel, was für ein Trost, was für ein Ausblick, den der Herr hier seinen Jüngern vorstellt! Ja, sie würden wieder Gemeinschaft mit ihrem Herrn haben und mit ihm mit dem Vater. Aber eben nicht hier auf der Erde, sondern in der herrlichen Sphäre des Vaterhauses.

Doch bevor das möglich werden konnte, musste die Stätte bereitet werden. Das redet davon, dass der Herr Jesus als Mensch zu dem Vater zurückkehren würde. Wir dürfen wissen, dass dort im Haus des Vaters nun ein Mensch ist – der verherrlichte Mensch Jesus Christus. Aber er ist nicht in das Haus des Vaters gezogen, um dort allein mit dem Vater zu sein, sondern vielmehr um das Vaterhaus für viele zu öffnen! Es ist ein Haus mit „vielen Wohnungen“, die bereitet sind für die Seinen. Wenn wir jetzt in den Himmel sehen, dann sehen wir einen verherrlichten Herrn (vgl. Heb 2,9). Wir dürfen wissen, dass wir genau dort, wo er ist, auch einmal sein werden, ja, wir werden auch „ihm gleich sein …, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1. Joh 3,2).

Doch der Weg des Herrn zur Herrlichkeit führte ihn durch Leiden: „Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ (Lk 24,26). Wenn wir den Herrn Jesus auch „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ sehen (Heb 2,9), dann stimmt es dennoch, dass er „ein wenig unter die Engel, wegen der Leiden des Todes erniedrigt war“. Und wenn er auch wegen der vor ihm liegenden Freude das Kreuz erduldete und sich auch gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes, dann hat das trotzdem die Schande des Kreuzes für ihn bedeutet (Heb 12,2). Christus musste einmal für Sünden leiden, „der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe“ (1. Pet 3,18).

Dieser Leidensweg war für den Herrn Jesus unausweichlich. Er musste der „Mann der Schmerzen werden und mit Leiden vertraut“ (Jes 53,3). Einsam, still und unverstanden war er hier diesen Weg über diese Erde gegangen. Wer von den Menschen hatte wirklich verstanden, was sein Herz beschäftigte? Von den Menschen konnte er nur Feindschaft erwarten. Und jetzt, kurz vor seinem Tod, hatten ihn sogar alle seine Jünger verlassen (Mt 26,56). Vergeblich hatte er nach Mitleid und nach Tröstern gesucht, doch da war niemand (vgl. Ps 69,21). Wie schwer fällt es uns schon, diese Einsamkeit des Herrn nachzuempfinden. Wohl kaum jemand von uns – und wenn doch, dann nur in schwacher Form – hat es erfahren, wenn es wirklich keinen gibt, dem man sich anvertrauen kann, der einen versteht. Und doch musste der Herr in die noch größere Einsamkeit des Gottverlassenseins gehen. In seinem ganzen Leben hatte David es niemals gesehen, dass ein Gerechter von Gott verlassen war (Ps 37,25). Er konnte von den vielen Generationen vor ihm berichten, wie sie auf Gott vertraut hatten und errettet worden waren. „Zu dir schrien sie und wurden errettet; sie vertrauten auf dich und wurden nicht beschämt“ (Ps 22,5.6.). Und doch hören wir am Kreuz „den Heiligen und Gerechten“ (Apg 3,14) rufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46), als er in das Gericht eines heiligen und gerechten Gottes über Sünde und Sünden ging. Meine Sünden. Deine Sünden.

Er musste diesen Weg gehen, sonst wäre das Weizenkorn allein geblieben. Nur wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt, bringt es viel Frucht (Joh 12,24). Doch er wollte nicht allein bleiben. Darum litt er. Darum starb er.

Der Himmel steht offen; Herz, weißt du, warum?
Weil Jesus gekämpft und geblutet: darum.

Auf Golgathas Hügel, da litt Er für dich,
als Er für die Sünder am Kreuze erblich.