„Die Frau spricht zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit mich nicht dürste und ich nicht mehr hierher komme, um zu schöpfen.“ (Vers 15)

Hier beginnt der zweite große Teil in der Unterredung des Herrn Jesus mit dieser Frau. Ihre Bitte macht deutlich, dass ihr Interesse geweckt worden ist, aber es macht auch deutlich, dass sie von dem, was der Herr Jesus vorge-stellt hatte, noch nichts verstanden hatte. Sie denkt immer noch an den natürlichen, menschlichen Durst; sie will nicht mehr zu diesem Brunnen kommen müssen, um das Wasser zu schöpfen. Das treibt auch den natürlichen Menschen bis heute an: er möchte die natürlichen Bedürfnisse gestillt bekommen, ohne sich dafür anstrengen zu müssen.

Jesus spricht zu ihr: Geh hin, rufe deinen Mann und komm hierher!“ (Vers 16)

Der Herr lässt sich wieder überhaupt nicht beeinflussen durch das fehlende Verständnis der Frau und durch ihre Frage. Er sagt ihr nicht, dass Er gar nicht von diesem Wasser spricht, sondern Er geht einfach weiter bis Er zu Sei-nem Ziel mit dieser Frau kommt.

Und Er spricht jetzt ihr Gewissen an. Die Frage der Sünde in ihrem Leben muss angesprochen und geklärt werden. Und der Herr tut das auf eine göttlich vollkommene Weise. Er spricht das Problem in ihrem Leben treffsicher und punktgenau an – aber Er offenbart Gnade, denn Er verurteilt nicht. In dem „geh hin“ wird deutlich, dass die Sün-de in ihrem Leben sie noch von Gott trennt; aber in dem „komm hierher“ zeigt Er, dass Er Gnade Gottes offenba-ren möchte, dass Er ihr gern etwas schenken möchte. Ihre Sünde ist vor Gott offenbar, aber nicht zu ihrer Ver-dammnis. Elihu hatte einmal dem Hiob mit den Worten Hoffnung gemacht, dass sein Druck nicht schwer auf ihm lasten würde (Hiob 33,7). In der Überführung und Seelsorge ist das Ausüben von Druck kein zielführendes Mit-tel.

Die Worte des Herrn sind ein schönes Beispiel für die Worte aus Joh 1,17: „Das Gesetz wurde durch Mose gege-ben, die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“. Das Gesetz hätte die Sünde und damit auch diese Frau verurteilt. Aber jetzt war der Herr Jesus gegenwärtig, und Er übt hier Gnade und hält gleichzeitig die Wahrheit aufrecht. Bei Ihm geht nie Gnade auf Kosten der Wahrheit, und genauso übt Er nicht Wahrheit aus, oh-ne die Gnade hochzuhalten. Beides ist bei Ihm in vollkommenem Gleichklang.

„Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann.“ (Vers 17a)

Der Herr hatte die Frau mit den Worten aufgefordert: „Rufe deinen Mann“, und hatte damit von einer Beziehung gesprochen, wie sie nach den göttlichen Maßstäben richtig gewesen wäre. Die Antwort der Frau ist der Versuch einer Ausflucht. Aus dem, was sie erwidert, und aus dem, was der Herr ihr weiter darauf antwortet, kann man nicht schließen, dass sie fünfmal verheiratet gewesen war und jetzt mit einem Mann zusammenlebte, ohne verhei-ratet zu sein. Vom Grundtext her ist nicht klar zu sagen, ob hier von Ehemann oder ganz allgemein nur von Mann gesprochen wird. Es könnte genauso gut sein, dass sie mit keinem der sechs Männer verheiratet gewesen war. Gott hatte gesagt: ein Mann und eine Frau (1. Mo 2,24), und dass diese Frau hier sogar mit einem sechsten Mann in Beziehung stand, macht deutlich wie weit weg diese verworfene Frau von den Gedanken Gottes war. Wie im-mer auch diese verschiedenen Beziehungen zu den Männern geartet sein mochten, sie konnten vor dem Auge Gottes nicht standhalten.

„Jesus spricht zu ihr: Du hast recht gesagt: Ich habe keinen Mann; denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; hierin hast du die Wahrheit gesagt.“ (Vers 17b+18)

Diese Frau war in ihrem bisherigen Leben nur auf der Suche nach der Erfüllung ihrer fleischlichen Begierde ge-wesen. Ihr Leben zeigt bildhaft, dass der Mensch immer wieder das Gleiche tut und doch nie zur Befriedigung kommt. Paulus schreibt an Timotheus von solchen, die „mit Sünden beladen, von mancherlei Begierden getrieben werden, die allezeit lernen und niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können“ (2. Tim 3,6+7). Und in ei-nem Lied singen wir: „Sie suchen, was sie nicht finden in Liebe und Ehre und Glück, und sie kommen beladen mit Sünden und unbefriedigt zurück“.

Erst in Vers 26 hat ihr Suchen in der Person des Herrn Jesus ein Ende gefunden, und dann kann sie auch ihren Wasserkrug, der bis dahin der zentrale Punkt ihres ganzen Denkens war, stehen lassen. Mit dieser scheinbar ne-bensächlichen Erwähnung in Vers 28 gibt Gott uns eine Belehrung auf moralischem Boden. Es ist der Hinweis darauf, dass dieses Suchen endlich ein Ende gefunden hatte. Es gibt viele Beispiele dafür, dass Menschen von Bindungen und Süchten frei werden können, ihren Krug stehen lassen können, wenn Gott in ihnen ein Werk tun konnte. Er wirkt immer vollkommene Befreiung.

Zweimal betont der Herr, dass die Frau mit dem, was sie geantwortet hatte, die Wahrheit gesagt hatte. Aber die ganze Wahrheit hatte sie doch nicht gesagt, hatte versucht zu verbergen und wollte sie nicht ans Licht bringen. Deshalb sagt Er ihr dann die ganze Wahrheit direkt auf den Kopf zu. Dadurch wird der Frau ihr wirklicher trauri-ger Zustand offenbart. Mit einem einzigen Satz macht Er ihr ganzes Leben offenbar. Vielleicht wusste kein ande-rer in der Stadt von diesem Zustand (vgl. Eph 5,12; Mk 4,22), aber vor den Augen des Herrn ist alles bloß und aufgedeckt (Heb 4,13).

„Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist“. (Vers 19)

Durch die Worte des Herrn ist das Gewissen der Frau getroffen. Sie sieht sich in das Licht Gottes gestellt und er-kennt ihren Zustand. Sie nennt den Herrn einen Propheten; damit ist hier nicht gemeint, dass Er jemand sei, der die Zukunft vorausgesagt hätte. Ein Prophet ist jemand, der mit Aussprüchen Gottes die Seelen der Hörer in das Licht Gottes stellt. Zweimal wird sowohl von Elia als auch von Elisa gesagt, dass sie solche waren, die vor dem Angesicht Gottes standen (1. Kön 17,1; 18,15; 2. Kön 3,14; 5,16). Die Frau sah sich in der Gegenwart eines Boten Gottes, der ihr direkt Worte aus der Gegenwart Gottes in ihr Gewissen redete.

Es ist eine Gefahr in unseren Tagen, dass das Wort Gottes nur zum Herzen der Hörer geredet wird und nicht zu ihrem Gewissen. Das ist zu wenig. Wenn das Gewissen nicht erreicht wird, kommen wir nicht in das Licht Gottes. Und nur dann erkennen wir die Notwendigkeit der Errettung, und dass es nur einen Weg gibt, auf dem wir errettet werden können. Wer nicht in Sündennot kommt, meint auch nicht, dass er einen Retter nötig hätte.

Was der Herr Jesus hier in Seiner Weisheit tut, das können wir nicht tun, weil wir nicht allwissend sind und den Lebenshintergrund der Menschen in der Regel nicht kennen. Aber Er ist uns doch ein Vorbild in dem, was Er tut: Er stellt der Frau ganz klar ihre Schuld vor Augen und macht sie sich dadurch ihrer Schuld bewusst. Wenn ein Mensch wirklich vor seine eigene Schuld gestellt wird, dann gibt es nur zwei Reaktionen: entweder er stellt sich der Schuld, dann wirkt Gott weiter, oder er wendet sich ab und geht (vgl. Joh 8,7–9). Leider erleben wir oft, dass man weggeht.

Das gilt übrigens auch für uns Gläubige! Wenn unser Gewissen in einer Sache in das Licht Gottes gestellt wird, ist das ein ganz entscheidender Punkt. Wenn ich dadurch zu einem Bekenntnis und einer Umkehr geführt werde, ist es gut. Aber wenn ich mein Gewissen verschließe und in dem fortfahre, worauf mich Gott durch ein propheti-sches Wort aufmerksam gemacht hat, wird es außerordentlich gefährlich. Wir wollen deshalb achtsam sein, wenn Gott uns ein prophetisches Wort sagen lässt.

Diese Frau aber bleibt stehen, und wir können sicher sein, dass in diesem Augenblick der Geist Gottes in ihrem Herzen wirkte. Wir erkennen jetzt auch, wie wichtig die ersten Verse in dieser Unterredung waren. Warum ist die Frau nicht davongegangen? Weil sie den Herrn kennengelernt hatte als einen, der von Gnade geprägt ist, der sich ihr zugewendet hatte. Sie hatte empfunden, dass Er sie nicht richten wollte. Sie hatte Ihn nicht nur verstandesmä-ßig als Prophet bezeichnet, sondern sich vor Ihm offenbart gefühlt.

„Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr sagt, dass in Jerusalem der Ort sei, wo man anbeten müsse.“ (Vers 20)

Die Frau versucht jetzt wieder, auszuweichen und das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Diese beiden Erfahrungen macht man oft in Gesprächen mit Verlorenen, dass einerseits Unverständnis vorhanden ist und an-dererseits man ausweichen möchte. Aber der Herr lässt sich wieder nicht von Seinem Ziel abbringen.

Wenn sie jetzt beginnt von Anbetung zu sprechen, nimmt sie sich selbst doch davon aus, denn sie spricht im Blick auf die Samariter von den Vätern. Ob sie vielleicht empfand, dass der persönliche Zustand ihres Lebens nicht passend war für die Anbetung Gottes? Aber sie sah in dem Herrn den Boten Gottes und stellt jetzt die Frage, welches denn der richtige Weg sei, um Gott in Anbetung zu nahen.

Mit dem Berg, den sie hier anführt, meint sie den Berg Gerisim. Auf diesem Berg sollte Josua den Segen über das Volk im verheißenen Land aussprechen (5. Mo 11,29; 27,12; Jos 8,33). Als dann in der späteren Geschichte des Volkes diese samaritische Mischreligion entstand, wählten sie sich zu ihrem Heiligtum den Berg Gerisim in der Nähe von Sichem. Mit ihren Worten macht die Frau deutlich, dass sie der Anbetung der Samariter eine höhere Bedeutung beimaß, als dem, was die Juden darüber sagten. Die Anbetung der Samariter ist nach ihren Worten ab-solut positiv, und was die Juden darüber so sagten, stellt sie in einen gewissen Gegensatz dazu. Damit distanziert sie sich in gewisser Hinsicht von der jüdischen Anbetung und fragt den Herrn, was denn nun das Richtige sei.

Die Anbetung der Juden im Alten Testament war von Gott gegeben worden. Gott hatte einen Bund mit einem Volk gemacht, dass Er zu Seinem Volk erklärt hatte, und hatte ihm Anweisungen über Anbetung gegeben hatte. Diese Anbetung war nicht geistlich, sondern materiell. Die von Gott angeordnete Anbetung der Israeliten bestand in Opfern, Schlachtopfern, bei denen das Volk die wahre Bedeutung in ihrer ganzen Tiefe überhaupt nicht ver-stehen konnte. Und es kommt noch hinzu, dass diese Opfer gar nicht der tiefste Gedanke Gottes waren. Ihm ging es auch damals um die Anbetung aus dem Herzen (vgl. Ps 141,2). David hatte offenbar verstanden, dass die mate-riellen Opfer zwar eine äußerliche Anordnung Gottes waren, aber nicht Sein tiefstes Sehnen befriedigten. Und durch gottesfürchtiges Sinnen darüber sind manche Gläubige des Alten Testaments zu der Erkenntnis gelangt, dass es Gott weit mehr um den Zustand der Herzen Seines Volkes in innerer Anbetung ging.

Jesus spricht zu ihr: Frau, glaube mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.“ (Vers 21)

Das einzige Hilfsmittel, wenn verschiedene Meinungen aufeinanderprallen, ist, allein dem zu vertrauen, was der Herr zu dieser oder jener Frage sagt. Das ist ganz besonders wichtig, wenn es – wie hier – um den Ort der Anbe-tung geht. Die Antwort auf unterschiedliche Meinungen im Blick auf den Ort der Anbetung ist immer, dem zu glauben, was der Herr darüber sagt. Er lässt eine aufrichtig suchende Seele nicht im Unklaren darüber. Als die Jünger den Ort für das Passah bereiten sollten, hatten sie den Herrn gefragt, wo Er das haben wollte (Mk 14,13). Sie sollten dem Mann mit dem Wasserkrug folgen, und der führte sie genau dorthin, wo der Herr es haben wollte. Das sind auch heute unsere göttlichen Führer in jeder Frage: das Wort des Herrn und die Leitung des Heiligen Geistes.

Der Herr Jesus ist allein derjenige, der kompetent ist, die Frage zur Anbetung zu beantworten. Er zeigt der Frau, dass weder der Berg Gerisim noch die Stadt Jerusalem der Ort der Anbetung sei, sondern dass es um die Anbe-tung einer Person geht – ein ganz neuer Inhalt. Die Feststellung der Frau ist eigentlich schon überholt. Mit einem einzigen Satz wischt der Herr Jesus die Jahrhunderte alte Religion der Samariter und auch die von Gott selbst verordnete Ordnung des jüdischen Gottesdienstes beiseite! Niemand anderes hätte das tun können oder tun dür-fen, nur der Sohn Gottes selbst; und Er allein ist es auch, der jetzt diesen neuen Gegenstand der Anbetung des Va-ters einführt.

„Ihr betet an und wisst nicht, was; wir beten an und wissen, was; denn das Heil ist aus den Juden“. (Vers 22)

Der Herr sagt jetzt nicht wie die Frau vorher, dass nur die Väter der Samariter auf dem Berg Gerisim angebetet haben, sondern dass alle Samariter es auch jetzt noch tun. Diese Religion der Samariter war eine von Menschen ersonnene Religion, vermischt mit jüdischen Elementen. Religion in diesem Sinn meint ein System von Schritten, die der Mensch tun muss, um aus eigener Anstrengung zu Gott zu kommen – unabhängig davon, wer dieses Sys-tem erdacht und eingerichtet hat. Was findet man nicht auch heute alles auf diesem Gebiet! Alles, was nicht das Wort Gottes zur Grundlage hat, ist menschliche Religion; alles außer dem Christentum ist menschliche Religion. Auch das Judentum heute ist eine menschliche Religion, obwohl sie zur Zeit des Alten Testaments die einzige göttliche Religion war (Apg 25,19). Gott hatte den Menschen Seines irdischen Volkes ein System gegeben, dass ihnen Leben und Segen schenken würde, wenn sie es erfüllten (3. Mo 18,4+5; 5. Mo 6,1–3). Dieses System, diese Religion war als einzige vollkommen, weil sie von Gott gegeben war. Und gerade diese Religion konnte der Mensch wegen seiner Sündhaftigkeit nicht halten und deshalb auf diesem Weg nicht zu Gott kommen.

Der Herr Jesus ist der, in dem allein das Heil zu finden ist. Paulus schreibt den Römern, dass aus dem irdischen Volk Gottes dem Fleisch nach der Christus ist (Röm 9,3–5). In diesem Sinn ist das Heil aus den Juden. Für die christliche Anbetung musste aber erst das Werk am Kreuz von Golgatha vollbracht werden. Wenn der Herr Jesus dieses Werk nicht vollbracht hätte, könnte es keine Anbetung in Geist und Wahrheit geben. Wie groß ist diese Person! In Ihm nimmt diese Stunde der christlichen Anbetung ihren Anfang, Er ist der Begründer dieser Anbe-tung. Wir Christen aus den Nationen sollen auch nie vergessen, dass das Heil aus den Juden ist, dass der, der das Heil bewirkt hat, aus dem Judentum stammt (2. Tim 2,8).

„Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbe-ter. Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“. (Vers 23+24)

Jetzt führt der Herr die Frau zu einer Zeit, wo beides beiseitegesetzt sein wird, sowohl die menschliche Religion der Samariter als auch die von Gott verordnete Religion der Juden. Etwas völlig Neues würde kommen. Diese Stunde, von der Er hier spricht, ist keine Stunde von 60 Minuten, sondern eine Zeitepoche. Sie war zu dem Zeit-punkt dieses Gesprächs noch nicht gekommen. Wenn der Herr Jesus hier sagt, dass diese Stunde jetzt sei, so hatte sie damals zwar noch nicht direkt begonnen, aber ihr Fundament dadurch bekommen, dass Der, der sie einführte, schon anwesend war.

Anbetung in Geist und Wahrheit kann es erst geben nach dem vollbrachten Erlösungswerk und dem Herabkom-men des Heiligen Geistes. Die Anbetung Gottes als Vater ist die einzige Tätigkeit, die wir als Gläubige hier auf der Erde beginnen und die in alle Ewigkeit fortdauern wird. Alles andere wird aufhören: Belehrung, Ermahnung, Konferenzen, Evangelisationen – alles wird es dann nicht mehr geben. Aber die Anbetung wird dann erst zu ihrer vollen Entfaltung kommen.

Wahrhaftige Anbeter sind wahre, wirkliche Anbeter. Das setzt voraus, dass ein Anbeter neues Leben hat, dass er sich der Vergebung seiner Sünden gewiss ist. Wir kennen heute christliche Zusammenkünfte, in denen wahre Gläubige mit ungläubigen Menschen zusammen Gott Anbetung bringen wollen. Aber wo solche Vermischung stattfindet, kann nicht unser Platz sein, denn Gott kann diese Art von Anbetung niemals anerkennen.

Es wird nicht oft von Gott gesagt, dass Er etwas sucht. „Der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu erretten, was verloren ist“ (Lk 19,10). Und unter denen, die errettet worden sind, sucht der Vater solche, die Ihn anbeten. Wie sieht das in der Realität aus? Satan hat nur ein Ziel: Ungläubige von Gott fern zu halten und Gläubi-ge vom Vater fern zu halten. Das Bewusstsein der intimen Nähe des Kindes Gottes zum Vater findet seinen höchsten Ausdruck in der Anbetung des Vaters in Geist und Wahrheit – und genau das sucht der Teufel ständig zu verhindern und zu unterbinden.

Christliche Anbetung

Christliche Anbetung ist etwas ganz Erhabenes! Was bedeutet Anbetung? Anbetung ist die Antwort unserer Her-zen auf eine Offenbarung Gottes. Wenn wir etwas erkennen von der Größe und Herrlichkeit des Herrn Jesus, ist die Reaktion unserer Herzen Anbetung. Und im Mittelpunkt unserer Anbetung steht eine Person. Gott offenbart sich mit dem Ziel, Anbetung zu empfangen. Anbetung ist das, was wir Gott über das sagen, was Er in Sich selbst ist und wir darüber erkannt haben. Wir beten Ihn an für das, was Er in Seinem tiefsten Wesen in Sich selbst ist. Wenn man anbeten will, muss man Gott kennen. Und deshalb konnte es, solange der Vater nicht offenbart war, auch keine Anbetung des Vaters geben in Geist und Wahrheit. Anbetung ist auch das, was wir Gott sagen über die Person Seines Sohnes, was wir an Ihm gefunden haben. Denn nur durch Ihn haben wir überhaupt Kenntnis von Gott als Vater, alles, was wir von Gott wissen, ist in dem Herrn Jesus zu sehen.

Anbetung in Geist und Wahrheit konnte im Alten Testament nicht geschehen, weil Gott noch nicht vollkommen offenbart war. In dem Sinn wie der Herr Jesus hier von Anbetung spricht, ist Gott nie im Alten Testament ange-sprochen worden. Niemand im Alten Testament wusste, was Gott in Seinem tiefsten Wesen als Vater bedeutete. Auch Engel beten Gott in diesem Sinn nie als Vater an. Auch in der Zeit nach der Entrückung der Versammlung wird Gott auf dieser Erde wieder angebetet werden, aber nicht in dem Sinn dieser Verse hier. Nur durch den Sohn auf der Erde wurde Gott als Vater offenbart (Mt 11,27); als der ewige Sohn, der im Schoß des Vaters ist (Joh 1,18), war Er der einzige, der das tun konnte. Er konnte zu Philippus sagen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9). Auf dieser Erde wird Gott als Vater nur jetzt in dieser wunderbaren Zeit der christlichen Haushaltung, in der wir leben, angebetet. Erst als der Herr das Erlösungswerk vollbracht hatte und nach Seiner Auferstehung Maria Magdalene den Auftrag an ihre Mitgläubigen gab: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott“, wurde offenbar, dass die Kinder Gottes einen Vater haben.

Vater ist das tiefste Wesen Gottes! Als Gott die Welt geschaffen hatte, trat Er als Schöpfer in Erscheinung; als Er sich mit Abraham beschäftigte, stellte Er sich ihm als der Allmächtige vor. Als Er mit Israel in Beziehung trat, of-fenbarte Er sich als HERR [Jehova, der ewig Seiende]. Alle diese verschiedenen Charaktereigenschaften bringen nur die unterschiedlichen Beziehungen Gottes zu Seinen Geschöpfen zum Ausdruck. Das, was Er war, kam darin nicht zum Ausdruck. Aber Gott als Vater hängt damit zusammen, dass es eine Drei-Einheit innerhalb der Gottheit mit ihren Beziehungen gibt. Und die Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn ist im Gegensatz zu dem Cha-rakter Gottes als Schöpfer oder als HERR eine ewige Beziehung. Gott ist ewig Vater, und der Herr Jesus war vor Seiner Menschwerdung ewig Sohn. Und zwischen diesen beiden Personen der Gottheit kam in der Ewigkeit die Liebe Gottes in einer vollkommenen und ungestörten Art und Weise zur Entfaltung (Joh 17,24). Wahre Liebe ist auch in der Natur eine der höchsten Beziehungen, die es gibt; und innerhalb der völlig ebenbürtigen Personen der Gottheit bestand diese ewige Liebe des Vaters zum Sohn. Und als der Herr Jesus in diese Welt kam, hat Gott diese Liebe, der Er zu Seinem Sohn hat, Geschöpfen gegenüber erwiesen, die dieser Liebe total unwürdig waren (Joh 15,9)!

Zum ersten Mal hat Gott sich in der Schöpfung in Seiner Schöpfer-Herrlichkeit offenbart; und Er erwartet, dass der Mensch als Sein Geschöpf Ihn dafür anbetet. Leider hat der Mensch das fast ausnahmslos nicht getan, son-dern sich Bilder von Holz und Stein gemacht und sich vor diesen niedergebeugt (Röm 1,19–23). Gott hat aber deshalb nicht aufgehört, Sich weiter zu offenbaren. Er hat Sich immer umfassender den Menschen offenbart. Die höchste Offenbarung Gottes haben wir in der Gabe Seines Sohnes. Mehr konnte Gott nicht zeigen von Sich. Und der Höhepunkt dieser Offenbarung Gottes in dem Sohn ist Golgatha. Deshalb ist auch das Zusammenkommen zum Brotbrechen die geeignetste Gelegenheit, um Ihm gemeinsam Anbetung darzubringen. Der eigentliche Zweck unseres Zusammenkommens am Sonntag ist zwar nicht die Anbetung, sondern das Brechen des Brotes. Aber wenn wir beim Brotbrechen mit dem Opfer des Herrn Jesus beschäftigt sind, dann kann es nicht anders sein, als dass das Anbetung in unseren Herzen hervorruft – sie ist aber nicht auf diese Stunde begrenzt. Eigentlich sollte sie an jedem Tag in unserem persönlichen Leben gefunden werden.

Wir wollen deshalb diese Stunde überhaupt nicht irgendwie verändern oder moderner gestalten, indem wir ir-gendwelche Neuerungen einzuführen versuchen. Was nicht die Anbetung des Vaters in Geist und Wahrheit stützt und erhebt, hat dort keinen Raum! Im Allerheiligsten war es totenstill, im Heiligtum hörte man höchstens die Fuß-tritte der Priester, aber es wurde kein Wort gesprochen. Wir befinden uns bei diesem Zusammenkommen zum Brotbrechen in einer Atmosphäre, die schon etwas Himmlisches hat, und das sollte uns in allem, was wir dort tun, kennzeichnen. Da können wir nicht einfach drauflos reden oder singen. Übrigens muss dieses Zusammenkommen nicht immer mit dem Vater beginnen oder mit Gott beginnen, der Sohn wird auch angebetet. „Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht“ (Joh 5,23). Wir können dem Vater keine größere Freude bereiten, als dass wir anbe-tende Gedanken äußern über Seinen Sohn. Aber es gibt keine Rivalitäten innerhalb der Personen der Gottheit. Nur der Heilige Geist ist nicht Gegenstand unserer Anbetung, es gibt keine Stelle im ganzen Wort Gottes, die das rechtfertigen würde.

Kennen wir, die wir Kinder Gottes sind, Gott als Vater? Kennen wir das, was Sein Herz bewegt, was Seine Freude ist? Millionen gläubiger Christen wagen es nicht, Gott als Vater zu nahen, weil sie ihn so nicht kennen. Wieviel verlieren sie dadurch! Die List des Teufels ist es, Gläubige von dem Genuss dieses wunderbaren christlichen Vorrechts fernzuhalten, indem er ihnen Gott als den rächenden und strafenden Gott vorstellt, vor dem schützend der Herr Jesus als Mittler zwischen Mensch und Gott stehen würde. Das hat Er am Kreuz getan, aber das bedeutet nicht, dass der Sohn immer als der Versöhner dasteht, und Gott immer als der zürnende Richter. Aber wir haben den Heiligen Geist empfangen, der uns ein Bewusstsein dieses hohen christlichen Vorrechts und den Genuss da-ran geben will (Röm 8,14–16).

Anbetung ist auch zu unterscheiden von Dank und auch von Lob. Dank sagen wir für ein Geschenk, das uns ge-macht wurde – aber das ist keine Anbetung. Loben tun wir für besonders gute Dinge, die andere getan haben, von denen ich persönlich vielleicht gar nichts habe – auch das ist keine Anbetung. Wir können Gott beständig danken für all das, was Er uns schenkt, wir können Ihn loben für all das Gute, das Er tut – aber das ist noch keine Anbe-tung. Nach der Worterklärung in der überarbeiteten Übersetzung der Elberfelder Bibel bedeutet anbeten hier sich niederwerfen, huldigen; den gleichen Ausdruck finden wir bei dem Blindgeborenen in Joh 9,38, der den Herrn als den Sohn Gottes anbetete. Allerdings war das noch nicht die christliche Anbetung, denn er kannte die Offenba-rung des Vaters noch nicht, das Werk am Kreuz war noch nicht vollbracht, und der Heilige Geist war noch nicht gekommen.

Diese Verse zeigen vier charakteristische Merkmale christlicher Anbetung:
• christliche Anbetung ist nicht an einen geheiligten Ort gebunden, sie richtet sich an eine Person; im Al-ten Testament war das anders, da gab es den von Gott verordneten bestimmten geografischen Ort, zu dem das Volk hinaufziehen musste, um Gott anzubeten (5. Mo 12,5 u.a.); viele Christen haben das nicht ver-standen und haben sich Gotteshäuser gebaut, machen Wallfahrten zu bestimmten geografischen Orten, um eine Begegnung mit Gott zu haben – doch das ist nicht typisch christlich, sondern aus dem Alten Tes-tament übernommen.
Wenn Christen heute zur gemeinsamen Anbetung zusammenkommen, brauchen sie natürlich auch einen geografischen Ort, aber das ist keine heilige Stätte wie im Alten Testament, sondern ein geistlicher Ort (Heb 13,13; 10,19–22), der da ist, wo zwei oder drei versammelt sind im Namen des Herrn Jesus (Mt 18,20). Auf christlichem Gebiet gibt es heute die Tendenz zu digitalen Kirchen, wo man sich nicht mehr an einem Ort versammeln muss, sondern von zu Haus aus am PC am kirchlichen Leben teilnehmen kann. Das ist nicht das, was hier vorgestellt wird, Anbetung kann nicht virtuell geschehen, Versammlung kann man nicht durch eine Videokonferenz organisieren (siehe 1. Kor 14,23). Wenn es um gemeinsame Anbe-tung geht, müssen auch wir uns an einem bestimmten Ort versammeln. Es kann wegen bestimmter Um-stände sein, dass dieser geografische Ort sich jede Woche verändert, aber der geistliche Ort ist dabei im-mer derselbe: zwei oder drei sind im Namen des Herrn Jesus versammelt.
• christliche Anbetung ist freiwillige Anbetung; der Vater sucht freiwillige Herzen, die Ihn anbeten; in der christlichen Zeit befiehlt Gott keine Anbetung; Gott hat uns in diesem Sinn auch nicht zu fertigen Anbe-tern gemacht, aber Er hat für uns die Voraussetzungen geschaffen, dass wir anbeten können. Er hat uns fähig gemacht um anzubeten, aber Er befiehlt sie uns nicht, sondern sucht die Freiwilligkeit unserer Her-zen. Man kann ja auch gar nicht in einer kalten, sachlichen Weise an das Werk unseres Heilandes den-ken.
• christliche Anbetung geschieht in Geist; in erster Linie bedeutet das, dass sie in einer geistlichen Art und Weise geschieht, das Fleisch hat dort keinen Platz (vgl. Phil 3,3); das steht dem materiellen und sichtba-ren Gottesdienst des Alten Testamentes mit Opfern und Weihrauch und priesterlichen Gewändern und großartigen Tempeln und Musikinstrumenten gegenüber; christliche Anbetung wird auch durch den Hei-ligen Geist hervorgerufen, Er ist es, der uns leitet in der Anbetung, aber das ist nicht der erste Gedanke dabei.
Gott ist ein Geist, d.h. Er ist kein materielles Wesen; und in Übereinstimmung mit diesem Wesen Gottes muss die Anbetung geschehen. Es geht um den Charakter der Anbetung, nicht um die Art der Ausübung der Anbetung.
• christliche Anbetung geschieht in Wahrheit; sie muss wohl wahrhaftig, also aufrichtig sein, aber in erster Linie bedeutet das, dass sie in Übereinstimmung mit der Wahrheit, mit der gegenwärtigen Offenbarung Gottes sein muss, die Er von Sich gegeben hat; und die vollkommene Offenbarung Gottes in Seinem ei-gentlichen Wesen in der christlichen Haushaltung ist, dass Er sich als Vater offenbart hat; davon muss unsere Anbetung gekennzeichnet sein.
Ein Musikinstrument in unserer Anbetung ist weder Geist noch Wahrheit; es geht um geistliche Schlachtopfer, die allein Gott wohlangenehm durch Jesus Christus sind (1. Pet 2,5). Wir können nichts anderes bringen als den Herrn Jesus, und Ihn als geopfert. Würden wir uns am Sonntag-Morgen die ganze Stunde hindurch nur mit dem vollkommenen Leben des Herrn Jesus beschäftigen, Ihn nur als Speisopfer betrachten, dann würde etwas ganz Wichtiges fehlen; das Speisopfer wurde niemals allein gebracht, es gehörte immer zu einem Brandopfer dazu (2. Mo 29,38–42; 4. Mo 15,8–14).
Wie dankbar dürfen wir sein, dass wir in dieser Zeit leben, die von dem Herrn Jesus hier die Stunde genannt wird, die in Seiner Person ihren Anfang genommen hat! Der Herr schenkt es uns, dass wir an jedem ersten Tag der Wo-che den Tod des Herrn verkündigen und bei dieser Gelegenheit in einem geistlichen Klima von diesem Vorrecht der gemeinsamen Anbetung Gebrauch machen dürfen.

Sind wir eigentlich innerlich immer ausgerichtet auf diesen Augenblick, in dem wir in die Gegenwart des Herrn gehen? Können wir uns noch innerlich wirklich beeindrucken lassen in der persönlichen Beschäftigung und Vor-bereitung zu Hause auf dieses Zusammenkommen? Wir brauchen im Lauf der Woche diese Stille und Besinn-lichkeit vor dem Herrn, denn wir müssen uns bewusst machen, dass es einen gibt, der genau das verhindern möchte: der Teufel. Wem will er damit schaden? Uns den Gläubigen vordergründig auf jeden Fall. Aber letztend-lich will er Gott die gebührende Ehre und Anbetung entziehen, indem er uns zu Gleichgültigkeit und Oberfläch-lichkeit und Formalismus verführt. Der erste große Mangel im Verlauf der Geschichte der christlichen Kirche auf der Erde war der Verlust der ersten Liebe (Off 2,4). Wo die Flamme der ersten Liebe nicht mehr brennt, geht die Anbetung in Routinen über. Dann gehen wir nur noch in die Zusammenkünfte, weil es Sonntag ist. Deshalb haben wir die innere Zubereitung im Lauf der Woche auf die Augenblicke der gemeinsamen Anbetung dringender denn je nötig! Möchten wir in unserem Leben mehr Zeit dafür reservieren.

Wer den Ort des Zusammenkommens als Versammlung kennt und ihn bewusst aufgibt, steht in Gefahr, auch die christliche Anbetung zu verlieren. Wer die Wahrheit von dem Tisch des Herrn kennt, wird nicht das Brot brechen wollen, ohne diesen geistlichen Ort einzunehmen. Das sind wir einfach unserem Herrn schuldig.

Anbetung kann sowohl persönlich allein geschehen, als auch gemeinsam mit anderen Gläubigen. Müssen wir nicht zugeben, dass wir die persönliche Anbetung nur wenig kennen? Dass wir nur selten nach der persönlichen Beschäftigung mit der Person unseres Heilandes oder auch mit Gott selbst auf die Knie gehen, um diese Person anzubeten? Das wäre ein Ergebnis der persönlichen Beschäftigung mit dem Herrn und Seinem Wort. Ein anderes Ergebnis wäre, dass wir dann am Sonntag, wenn wir gemeinsam mit den übrigen Gläubigen uns um Ihn versam-meln, nicht leer vor Ihm erscheinen. Hier in diesen Versen steht mehr der gemeinsame Aspekt der Anbetung im Vordergrund (vgl. Heb 13,13; Off 5,8–10+14). Es wird in Vers 23 nicht gesagt, dass Gott Anbetung sucht, son-dern Er sucht Anbeter, Er sucht Menschen, die durch Anbetung charakterisiert sind.

In diesen beiden Versen ist einmal vom Vater die Rede und einmal von Gott. Vater stellt uns immer unsere Be-ziehung als Kinder und Söhne vor, die wir Seine Liebe kennen; es zeigt uns die Seite des Vorrechtes, dass wir Anbeter sind. Gott spricht mehr von Seiner Natur, es zeigt uns die Seite der Verantwortung, dass unsere Anbetung Ihm entsprechen muss. Wenn wir den Vater anbeten, betont das die Seite, dass wir uns dieser Beziehung bewusst sind und in Frieden vor Ihm anbeten können. Wenn wir Gott anbeten, dann treten wir als Priester mit geistlichen Schlachtopfern vor Ihn hin; diese Seite stellt uns besonders der Hebräer-Brief vor. Wir unterscheiden diese Sei-ten, aber wir trennen sie nicht voneinander, denn auch der Priesterdienst steht in Beziehung zu dem Vater (Off 1,6). Es sind verschiedene Aspekte von ein und derselben Sache, die wir erkennen können.

Frage: Gibt es neben der gemeinsamen Anbetung als örtliche Versammlung noch weitere Gelegenheiten von ge-meinsamer Anbetung? Die Antwort ist ja. Wir haben alle doch schon erhebende Konferenz-Betrachtungen erlebt, durch die wir zu gemeinsamer Anbetung geführt wurden. Es kann auch sein, dass wir uns als Gläubige außerhalb der Zusammenkünfte als Versammlung treffen, und so beschäftigt sind mit der Person des Herrn, dass uns das zur Anbetung führt. Wir müssen das aber sorgfältig unterscheiden von der Frage, ob wir auch außerhalb der regelmä-ßigen Zusammenkünfte als Versammlung das Brot brechen können. Das Brot können wir nur in einem Zusam-menkommen einer örtlichen Versammlung brechen. Damit ist auch klar, dass wir nicht auf Urlaubsreisen oder bei ähnlichen Gelegenheiten mit einigen Geschwistern, die auch in dieser Gegend unterwegs sind, außerhalb von ört-lichen Versammlungen das Brot brechen können und damit der Einheit des Leibes Ausdruck geben können. Das wäre nichts anderes, als Versammlung zu spielen an einem Ort, wo sie gar nicht dargestellt wird, und es zeugt entweder von Unkenntnis oder von Leichtfertigkeit. Sei es selbst eine Gruppe von noch so ernsten Gläubigen, sie können nicht an irgendeinem Ort das Brot brechen, wo sonst keine Gläubigen sind, und sagen, dass sie hier jetzt die örtliche Versammlung sind. Das Zusammenkommen zum Brotbrechen ist gebunden an das Zusammenkom-men zum Namen des Herrn in einer örtlichen Versammlung.

„Die Frau spricht zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus genannt wird; wenn er kommt, wird er uns alles verkündigen“. (Vers 25)

Der Herr hatte der Frau gesagt, dass die Samariter nicht wüssten, was sie anbeten (Vers 22); daran knüpft die Frau jetzt an und sagt, dass sie doch etwas weiß, nämlich dass der Messias kommt. Die Hinweise aus den fünf Büchern Mose auf den Herrn Jesus als den Messias hatte sie offensichtlich aufgenommen (z.B. 5. Mo 18,15; 1. Mo 49,10). Das, was sie wusste, war richtig, aber sie war noch längst nicht an der Stufe angelangt, wo der Herr sie hinführen wollte. Sie offenbart Unverständnis und Unkenntnis im Blick auf das Thema der Anbetung und geht mit keiner Silbe darauf ein. Es ist oft die Weise Gottes, dass Er ganz unabhängig von dem Zustand der Empfänger oder Zu-hörer höchste Wahrheiten offenbart. Bei Nikodemus war es ähnlich gewesen.

Die Frau war in gewisser Hinsicht bewegt von dieser Offenbarung über die Anbetung, die der Vater sucht. Sie hat-te so etwas noch nie zuvor gehört, und unter dem Eindruck dieser Worte des Herrn spricht sie jetzt von Christus. Allerdings hat sie noch nicht erkannt, dass der, der mit ihr redete, dieser Christus ist. Sie verbindet das, was sie aus dem Alten Testament von Christus kannte, nicht mit der Person, die vor ihr stand. Aber ihr Herz war berührt worden, sie war in das Licht Gottes gestellt worden. Das Werk Gottes war noch nicht vollendet in ihr, aber sie war einen großen Schritt weitergekommen, denn sie verbindet alles mit Christus. Den, der vor ihr stand, hatte sie ei-nen Propheten genannt (Vers 19), aber jetzt blickt sie auf den, der als der Messias kommen würde, der König auf dieser Erde sein würde.

Wenn sie hier sagt, dass der Messias „uns alles verkündigen wird“, geht sie damit weiter als mit dem, was sie spä-ter zu den Leuten der Stadt sagt: „...einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe“ (Vers 29). Hier spricht sie allgemeiner von allen Dingen, die der Messias offenlegen würde, nicht nur von den persönlichen Din-gen ihres eigenen Lebens.

„Jesus spricht zu ihr: Ich bin es, der mit dir redet“. (Vers 26)

Einer Seele, die sich Ihm so zuwendet, offenbart sich der Herr Jesus – damals wie auch heute. Mit ganz ähnlichen Worten offenbart Er sich später dem Blindgeborenen gegenüber (Joh 9,37). Sowohl in Joh 4 als auch in Joh 9 sagt der Herr Jesus nicht einfach nur: „Ich bin es“, sondern Er fügt beide Male hinzu: „...der mit dir redet“. Damit be-tont Er, dass Er ihnen in Gnade und Liebe zugewandt war.

Der Herr sagt der Frau gleichsam, dass sie nicht mehr warten muss auf den Messias, dass Er selbst dieser ange-kündigte König ist. Wer die Offenbarung des Herrn Jesus annimmt, wer eine Begegnung mit Ihm auf sich wirken lässt, der wird größere Herrlichkeiten sehen. Der Herr Jesus bestätigt zwar der Frau gegenüber, dass Er der Messi-as ist, aber Er sagt doch gleichzeitig auch, dass Er noch viel größer ist.

Im Grundtext steht hier nur: „Ich bin“; und so hat Er sich im Alten Testament Seinem irdischen Volk als der ewig Seiende offenbart (2. Mo 3,14). Jetzt lernt die Frau Den kennen, der mit ihr redet, der zu ihr spricht (Vers 10). Mit dieser neuen Offenbarung ist diese Frau nun am Ende ihrer Suche angekommen, der Herr ist mit ihr zum Ziel ge-kommen.

Eine sehr schöne Parallele zu diesen Worten des Herrn finden wir in Joh 18,5–8, wo sich der Herr Jesus mit den Worten „Ich bin es“ zwischen die Feinde und Seine Jünger stellt. Sowohl hier als auch dort haben wir einen deut-lichen Bezug zu der Szene am Dornbusch in 2. Mo 3.

Mit ganz ähnlichen Worten hatte sich einst Joseph seinen Brüdern zu erkennen gegeben (1. Mo 45,3). Wir hatten einen ersten Hinweis auf seine Person schon in Vers 5 dieses Kapitels, und eine weitere Anspielung auf Joseph finden wir dann noch in dem Zeugnis der Samariter über den Herrn, dass Er nämlich der Heiland der Welt ist (Vers 42). Das ist eine der Übersetzungen des Titels Josephs, den er von dem Pharao erhalten hatte: Zaphnat-Paneach – Retter der Welt oder Erhalter des Lebens (1. Mo 41,45). Die Frau nennt den Herrn in Vers 29 „einen Menschen, der mir alles gesagt hat“, Er ist für sie der Offenbarer der Geheimnisse, eine weitere Übersetzungs-möglichkeit des Namens Zaphnat-Paneach. Interessant, dass beide Übersetzungsmöglichkeiten hier in Joh 4 zu finden sind; Gottes Wort ist von einer enormen Tiefe und zeigt uns immer wieder neue Zusammenhänge auf. Ge-rade der Liebling Jakobs, der von seinen Brüdern verworfen wurde, auf den wird hier mehrfach hingewiesen in diesem Evangelium, wo der Herr Jesus von Anfang an als der von Seinem Volk Verworfene gezeigt wird.