Wir lieben die praktischen Anwendungen alttestamentlicher Begebenheiten auf unser Christenleben. Das ist auch verständlich und gut so. Aber wir finden im AT auch bemerkenswerte prophetische Linien, die wir nicht übersehen sollten.

Ruth ist ein sehr schönes Bild des jüdischen Überrests, den Gott in der Endzeit bilden wird. Wie, eine Moabiterin als Bild des Volkes Gottes? Ja! Denn die Juden sind auf das Niveau der Nationen herabgesunken. Sie haben selbst vor Pilatus erklärt, dass sie keinen König haben als nur den Kaiser. Gott hat sie im Propheten Hosea auch schon als Lo-Ammi (Nicht-mein-Volk) deklariert. Und das Wort Gottes scheut sich nicht, sie mit Sodom und Gomorrha ausdrücklich zu verbinden (Off 11,8; Jes 1,10). Jeremia wurde zum Gericht über alle Nationen bestimmt und sollte den „Becher Zornwein“ an alle Nationen reichen (Jer 25,15.16) – und er beginnt mit Jerusalem und Juda (Jer 25,17.18). Sie haben keinerlei natürliches Anrecht auf den Segen Gottes mehr und sie sind völlig auf die Gnade angewiesen.

Der Überrest wird in das verheißene Land kommen, um dort Zuflucht zu nehmen unter den Flügeln des Gottes Israel (Rt 1 und 2). In der Zeit der Sichtung des Volkes, in der die Spreu vom Weizen getrennt wird, in der Erntezeit der Endzeit, und in der Dunkelheit der Drangsal werden sie den wahren Boas besser kennenlernen und sich vorbereiten auf die Hochzeit mit ihm (Rt 3). Dieser wahre Boas ist der Löser, der sowohl das Land als auch den Überrest lösen wird. Christus ist gestorben, um die Nachkommenschaft Abrahams zu befreien (Heb 2). Er ist aber auch für alles gestorben und hat die Grundlage dafür gelegt, dass das Land Israel von der Sündenschuld gereinigt wird (wobei besonders daran zu denken ist, dass in diesem Land das Blut des heiligen Sohnes Gottes geflossen ist).

In Ruth 4 sehen wir, wie sich die Witwe Ruth (= Überrest) mit Boas (= der Löser Jesus Christus) vermählt. Diese Vermählung des Volkes mit dem Herrn wird in den Propheten besprochen und vorhergesagt. Siehe dazu Hosea 2,16 ff. und Jesaja 54,4–6, wo wir finden, dass eine Witwe sich vermählt[1]. Aus der Verbindung von Ruth und Boas kommt Obed hervor, was „Knecht“ bedeutet (Rt 4,17). Der Überrest wird als wahrer Knecht Gottes anerkannt werden in jenen Tagen (vgl. Jes 41,8.9).

Schließlich endet das Buch Ruth mit dem Hinweis auf den König David, der auf Christus und seine Herrschaft hinweist. Wir denken an Hosea 3,4.5: „Denn die Kinder Israel werden viele Tage ohne König bleiben und ohne Fürsten und ohne Schlachtopfer und ohne Bildsäule und ohne Ephod und Teraphim. Danach werden die Kinder Israel umkehren und den HERRN, ihren Gott, und David, ihren König, suchen; und sie werden sich zitternd zu dem HERRN und zu seiner Güte wenden am Ende der Tage.“[2]


Fußnoten:

  1. Die Versammlung ist hingegen keine Witwe, sondern eine Jungfrau, 2. Kor 11,2
  2. Noomi ist ein Bild von Israel als Volk an sich. Dieses Volk hat keine Hoffnung mehr. In dem Überrest wird aber auch das ganze Volk angenommen, denn das wahre Volk ist der Überrest. Römer 9,27: „Jesaja aber ruft über Israel: 'Wäre die Zahl der Söhne Israels wie der Sand des Meeres, nur der Überrest [Ruth] wird errettet werden.'“ „Und so wird ganz Israel [Noomi] errettet werden, Röm 11,25). Dementsprechend „verschmelzen“ Noomi und Ruth am Ende des Buches, sodass sogar gesagt wird, dass Noomi ein Sohn geboren sei, Ruth 4,17.