Lukas 24 wird zuweilen als das „Kapitel der geöffneten Dinge“ bezeichnet.[1] Als Folge des Todes und der Auferstehung des Herrn Jesus konnte Gott öffnen, was vor dem vollbrachten Werk des Herrn noch verschlossen war. Dieses Kapitel zeigt uns wie kein anderes, was Gott in seiner Gnade für uns geöffnet hat.

In dem, was sein Sohn am Kreuz vollbracht hat, wurde Gott unendlich geehrt und verherrlicht. Alles, was der Ratschluss Gottes vorsah, hat der Herr Jesus zur Freude seines Vaters ausgeführt. Alles, was zum Heil verlorener Sünder nötig war, hat Er am Kreuz getan. Die Auferstehung des Herrn ist der deutlichste Beweis dafür, dass Gott das Werk seines Sohnes völlig angenommen hat. Auf der Grundlage dieses vollkommenen Werkes kann Gott uns nun seine ganze Liebe erweisen. Er kann segnen, was Er zuvor hätte verfluchen müssen. Er kann zeigen, was zuvor verborgen war. Er kann öffnen, was in vorigen Zeiten verschlossen blieb. Er kann nun in besonderer Weise die Fenster des Himmels auftun und uns Segen ausgießen bis zum Übermaß (vgl. Mal 3,10).

Das geöffnete Grab (Lk 24,2)

Zu Beginn des Kapitels sehen wir das geöffnete Grab. Es ist leer, weil Jesus auferstanden ist. Wunderbare Tatsache! Unser Heiland ist nicht mehr im Grab. Er ist auferstanden. Er lebt. Er hat den Tod besiegt.

Der große Stein, der die Gruft verschlossen hat, ist weggewälzt – nicht, wie man vielleicht meinen könnte, um dem Herrn das Verlassen der Gruft zu ermöglichen, sondern vielmehr, um allen zu demonstrieren, dass die Gruft leer ist. Die leere Gruft führt der ganzen Welt vor Augen, dass Jesus Christus wirklich auferstanden ist. Durch die Auferstehung wurde deutlich, dass Jesus der Sohn Gottes ist und dass Gott sein Werk am Kreuz angenommen hat (vgl. Röm 1,4). Durch sein Leiden und Sterben am Kreuz von Golgatha hat Er den heiligen und gerechten Ansprüchen Gottes völlig entsprochen und Gott unendlich verherrlicht. Auf dieser Tatsache ruht unser Glaube (vgl. 1. Kor 15,20).

Das leere und geöffnete Grab ist in gewisser Weise Voraussetzung für alles Weitere, das in diesem Kapitel geöffnet wird.

Die geöffneten Schriften (Lk 24,27.32)

Niedergeschlagen und enttäuscht gehen zwei Jünger nach Emmaus. Ihre Unterhaltung und ihre Überlegungen drehen sich um die Ereignisse, die sich in Jerusalem zugetragen haben. Ihr Herr und Meister hat nicht – wie von ihnen erhofft – Israel erlöst, sondern ist am Kreuz gestorben. Als sie so miteinander überlegen, nähert sich Jesus selbst und geht mit ihnen. Doch ihre Augen werden gehalten, so dass sie Ihn nicht erkennen. Was tut nun der Fremde? Er tut das, was allein traurige Herzen wieder fröhlich machen kann: Er lenkt den Blick seiner Jünger von den Ereignissen und Umständen auf die Schriften. Er öffnet ihnen die Schriften, indem Er ihnen von Mose und von allen Propheten anfangend, in allen Schriften das erklärt, was Ihn selbst betrifft. Sein großes Thema ist Christus in den Schriften des Alten Testaments. Es geht Ihm in diesem Moment nicht um die großen prophetischen Zusammenhänge der Schrift. Auch nicht um die großartige Zukunft Israels. Nein, Er richtet die Aufmerksamkeit der Jünger auf das, was Ihn selbst betrifft.

Der Herr Jesus möchte auch uns die Schriften öffnen. Er möchte uns mit dem beschäftigen, was Ihn selbst betrifft. Er ist ja das große Thema in allen Schriften (vgl. Joh 5,39). Suchen wir Ihn darin?

Das geöffnete Herz (Lk 24,32)

Das Herz der zwei Emmausjünger brennt, als der Herr Jesus auf dem Weg zu ihnen redet und ihnen die Schriften öffnet. Zu diesem Zeitpunkt wissen sie noch nicht, wer dieser Fremde ist, der mit ihnen spricht. Aber was Er sagt, geht ihnen zu Herzen. Das Vorstellen seiner herrlichen Person bringt ihre traurigen Herzen zum Brennen und öffnet sie für alles, was Er ihnen sagen möchte. – Der Herr Jesus kennt unsere Herzen wie kein anderer und weiß, welche Worte wir in der jeweiligen Lebenssituation benötigen. Seine Worte können unsere Herzen ganz ausfüllen und vor Freude zum Überfließen bringen.

Die Beschäftigung mit der Größe und Herrlichkeit der wunderbaren Person des Herrn Jesus bringt das Herz des Gläubigen zum Brennen – auch heute noch. Willst du ein brennendes Herz? Dann beschäftige dich viel mit Christus, so wie Er in den Schriften vorgestellt wird! Er allein kann unser Herz erfüllen und zum Brennen bringen.

Das geöffnete Haus (Lk 24,29)

Als der Fußmarsch in Emmaus zu Ende ist, öffnen die zwei Jünger – vielleicht handelte es sich um ein Ehepaar – dem Fremden ihr Haus. Sie wollen Ihn, der ihr Herz auf dem Weg brennend gemacht hat, gerne bei sich behalten. Von seiner Person angezogen, bitten sie Ihn: „Bleibe bei uns, denn es ist gegen Abend, und der Tag hat sich schon geneigt.“ Auf ihre Bitte hin geht der Herr in ihr Haus, um bei ihnen zu bleiben.

Diese Bitte der Jünger sollte auch unsere Bitte sein. Empfinden wir nicht die Notwendigkeit seiner Gegenwart und Führung in unseren Häusern und Familien – gerade in unserer Zeit? Ohne Ihn können wir nichts tun (vgl. Joh 15,5). An seinem Segen ist alles gelegen – auch in unseren Häusern. Die Zeit der Gnade neigt sich ihrem Ende zu und in der Welt wird es moralisch immer dunkler. Es ist in diesem Sinn Abend geworden und der Tag hat sich schon geneigt. Mehr denn je brauchen wir seine Gegenwart, seine Gnade und seine Bewahrung in unseren Häusern. Bitten wir den Herrn, in unseren Häusern zu bleiben! Dieser Bitte wird Er sicher gerne entsprechen.

Die geöffneten Augen (Lk 24,31)

Als sich der Herr Jesus den beiden Jüngern auf ihrem Weg nach Emmaus anschließt, lesen wir, dass ihre Augen gehalten werden, so dass sie Ihn nicht erkennen (Lk 24,16). Doch jetzt, als Er vor ihnen das Brot nimmt, es segnet und bricht, heißt es, dass ihre Augen aufgetan werden und sie Ihn erkennen (Lk 24,31). Die Art und Weise, wie der Fremde das Brot bricht, macht ihnen schlagartig klar, wer Er ist (Lk 24,35). Nachdem sie Ihn erkannt haben, entschwindet Er sofort wieder ihren Blicken: Solange wir noch hier auf der Erde sind, können wir den Auferstandenen nur durch Glauben erkennen.

Wenn es auch der Herr ist, der seinen beiden Jüngern die Augen öffnet, so sehen wir gleichwohl auch bei den Jüngern einen veränderten Herzenszustand, der ihnen das Erkennen seiner Person „ermöglicht“. Ihre trägen Herzen haben sich in brennende Herzen verwandelt und ihre Augen sind nicht mehr nach unten, sondern auf Ihn gerichtet. Eins ist sicher: Je mehr unsere Herzen für Ihn brennen und unsere Augen auf Ihn gerichtet sind, desto mehr werden wir Ihn und sein Handeln auch in unserem Leben erkennen.

Das geöffnete Verständnis (Lk 24,45)

Die beiden Jünger kehren noch zu derselben Stunde nach Jerusalem zurück. Als sie dort mit den übrigen Jüngern versammelt sind, tritt der Herr selbst in ihre Mitte und öffnet ihnen das Verständnis, um die Schriften zu verstehen. Er zeigt ihnen aus den Schriften, dass der Christus leiden und am dritten Tag aus den Toten auferstehen musste und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden sollte.

Den letzten Worten des Herrn Jesus an seine Jünger kurz vor seinem Tod können wir entnehmen, dass es vor allem der Heilige Geist ist, der uns in die Wahrheit leitet und den Herrn Jesus verherrlicht (vgl. Joh 16,13). Er gibt uns heute das nötige Verständnis, um die Schriften zu verstehen. In Lukas 24 wird betont, dass der Herr selbst damals den in Jerusalem versammelten Jüngern das nötige Verständnis gab, um das zu erfassen, was im Alten Testament über Ihn geschrieben war. Sein großes Ziel ist es immer, uns mit seiner Person zu beschäftigen. Bis heute sind es nicht die Gelehrsamkeit und Weisheit dieser Welt, auch nicht eigene Anstrengungen und Überlegungen, die uns in göttlichen Dingen Verständnis geben. Nein, der Herr selbst tut es durch seinen Geist.

Die geöffneten Hände (Lk 24,50)

Als der Herr im Begriff steht, in den Himmel aufzufahren, führt Er seine Jünger hinaus nach Bethanien, hebt seine Hände auf und segnet sie. Seine Hände, die am Kreuz durchbohrt wurden, sind nun geöffnet, um die auf der Erde zurückbleibenden Jünger zu segnen. Ist die Bedeutung Bethaniens – „Haus des Elends“ – nicht ein passendes Bild der Umstände, in denen seine Jünger auf der Erde zurückbleiben würden? Doch durch welche Umstände und Nöte sie auch zu gehen hätten: Er würde vom Himmel aus für sie tätig sein. Sein Herz ist ihnen gegenüber voller Liebe und Güte. Und indem Er sie segnet, fährt Er auf in den Himmel.

Dieses Evangelium beginnt mit dem Priester Zacharias, der auf der Erde im Tempel dient; und es endet mit Jesus, dem Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks, der in den Himmel auffährt, um dort als Priester zu dienen (vgl. Lk 1,8.9; Heb 5,6; 6,20; 7,17.21). Im Himmel ist Er jetzt als Hoherpriester und Sachwalter für uns tätig (vgl. 2. Mo 17,11). Unermüdlich tritt Er für uns ein und verwendet sich zu unseren Gunsten. Seine Hände sind auch heute sozusagen noch geöffnet, um zu segnen. Wer könnte ohne seinen Dienst bestehen?

Der geöffnete Mund (Lk 24,53)

Am Ende des Lukasevangeliums sehen wir die Jünger im Tempel, wir sie Gott loben und preisen. Ihr Herz ist erfüllt von großer Freude und überströmender Anbetung. Aus dieser Fülle des Herzens redet ihr Mund, der weit aufgetan ist zum Lobpreis und zur Anbetung Gottes (vgl. Mt 12,34). Es fällt ein großer Unterschied zum Anfang des Evangeliums auf: Der Priester Zacharias konnte nicht reden über das, was er im Tempel gesehen und gehört hatte (vgl. Lk 1,22). Die Jünger hingegen können nicht schweigen von dem, was sie gesehen und gehört haben (vgl. Apg 4,20): Ihr Herr lebt. Er ist aus dem Grab auferstanden. Und nachdem Er sie gesegnet hat, ist Er vor ihnen in den Himmel aufgefahren. Das erfüllt sie mit Dank.

Haben wir etwa weniger Grund zum Lobpreis und zur Anbetung Gottes? Oder weniger Grund zur Freude? Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben den Heiligen Geist und das vollständige Zeugnis der Schriften. Wir wissen, dass unser Herr bald wiederkommen wird, um uns zu sich in die Herrlichkeit des Himmels zu holen. Dann werden wir für immer dort sein, wo Er jetzt schon ist, und Ihn schauen von Angesicht zu Angesicht. Sollte das kein Grund zur Freude und zur Anbetung sein? „Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“ (Heb 13,15).


Fußnoten:

  1. In diesem Kapitel werden manche Dinge ausdrücklich als geöffnet bezeichnet, andere dagegen nur als geöffnet beschrieben. Beides soll in diesem Artikel thematisiert werden.