Aus einem alten Brief

Geliebter Bruder,

ein Fall, der den Ausschluss eines Betroffenen erfordert, ist nicht der Beginn der Wirkung des Bösen in einem Gläubigen: Die Seele muss in der Pflege ihrer Gemeinschaft mit Gott schwach geworden sein und sich nicht selbst in der Liebe Gottes erhalten haben. Diese Fälle sind nicht von Rechtschaffenheit abhängig. Ganz von dem Lauf der Arbeit, die vor seinen Blicken stand, in Beschlag genommen, stellt er sich nicht genügend ins Licht Gottes, beurteilt sich selbst nicht genügend und ist nicht offenbar vor Gott. Er ist lieber mit seinem Werk beschäftigt als mit Ihm, das Herz wird nicht erforscht (Psalm 139,1.23.24) und er erkennt sich selbst nicht. Er merkt nicht, ob er in Gemeinschaft mit dem Herrn wandelt oder nicht. Wenn das Herz in die Gegenwart des Herrn gebracht würde, dann würde er bald erkennen, dass er nicht in Gemeinschaft mit dem Herrn lebte. Er würde dann das Angesicht des Herrn suchen. Man erkennt das Böse entweder in seiner Wurzel vor dem Angesicht Gottes oder in seinen Früchten in der Gegenwart Satans. Wenn das Erste vernachlässigt wird, wird man das Zweite früher oder später erfahren. Dann wird es jedoch eine quälende Pein für die Seele, entdecken zu müssen, dass man den Herrn verunehrt hat. Ich hoffe wenigstens, dass andere sich fürchten und auf der Hut sein werden.

Aber da ist eine Sache, die mich hauptsächlich zum Schreiben veranlasst. Aus dem Schreiben habe ich den Eindruck, dass eine Zusammenkunft von Brüdern im Werke des Herrn es war, die den Ausschluss ausgesprochen hat. Nun, ich zweifle nicht im Geringsten an die Richtigkeit dieser Handlung. Sie hätte jedoch von der Versammlung, zu der er gewöhnlich gehörte oder wo er die Sünde verübt hat, ausgeführt werden müssen. Wenn die Brüder im Werke sich geweigert hätten, mit ihm weiterhin das Werk zu tun, wäre es gut, auch wenn die Versammlung sich geweigert hat, ihn auszuschließen, aber eine Zusammenkunft von Brüdern im Werke des Herrn ist nicht die Versammlung Gottes. Der praktische Unterschied in diesem Fall ist der, dass das Gewissen der Versammlung nicht gereinigt wird. Der Apostel Paulus verpflichtete die Versammlung zu Korinth, den, der die Blutschande verübt hatte, auszuschließen, dass sie wirklich eine neue Masse seien. Nachher sagte er zu ihnen: „Ihr habt euch in allem erwiesen, dass ihr an der Sache rein seid“ (2. Korinther 7,11).

Wenn die örtliche Versammlung nicht zum Handeln imstande ist, fällt das auf die Brüder und ihre eigene Verantwortung zurück. Wenn sie dann erfahrene Brüder zu Hilfe ruft, ist es richtig, denn da ist „ein Leib“. Aber es ist die örtliche Versammlung die den Ausschluss aussprechen muss, mit dem Ziel, sich selbst zu reinigen; das ist sehr wichtig, es ist der wirkliche, unerlässliche Teil einer Zuchthandlung. Es kann jedoch sein, dass Brüder, die im Werke des Herrn sind, nicht die geeignetsten Personen für diesen Dienst sind.

Die Neigung zu so einer Handlungsweise habe ich in Frankreich bemerkt. Sie stellt die Versammlungen nicht, im Bewusstsein der eigenen Verantwortlichkeit, in die Gegenwart Gottes, und das ist von höchster Wichtigkeit. Ich hoffe, dass die örtliche Versammlung das ausgesprochene Urteil, wenn auch stillschweigend, anerkannt und auch unser armer Bruder sich dem unterworfen hat. Er muss sich vor Gott tief demütigen und auch vor den Brüdern beugen, damit seine Seele wieder hergestellt werden kann. Es wäre das schlechteste Zeichen, wenn er diesem Urteil, formeller Fehler wegen, zu entgehen suchte. Das würde mir die Hoffnung auf eine baldige Wiederherstellung in seinem Fall nehmen. Ich schreibe dies als eine allgemeine Warnung bezüglich dessen, was mir wichtig erscheint.

Die Brüder müssen jetzt seine Wiederherstellung suchen, damit meine ich eine wirkliche Wiederherstellung seiner Seele. Ich glaube, dass er aufrichtig ist und sein Gewissen die Empfindlichkeit noch nicht verloren hat. Vor Gott in seinen Verfehlungen schuldig zu stehen und Urheber der Schmach zu sein, die den Namen unseres teuren Herrn getroffen hat, ist schwerer als bei einer wahrhaften Bekehrung. Sucht, seine Seele auf diesem Wege zurückzubringen. Er wird nachher die Gnade besser verstehen. Je eher er auf diesem Wege zurückkehrt, umso besser, denn unser böses Herz gewöhnt sich an Entfernung und Entfremdung.

(Letters of J.N.D. Teil II, Seite 197 + 198).