Aufzeichnungen aus der Betrachtung über Johannes 4,39 – 5,30

Dillenburg 2018

Rückblick auf die Verse 1–38

Wir haben in den ersten Kapiteln dieses Evangeliums gesehen, wie der Sohn Gottes von Anfang an von Seinem Volk vollständig abgelehnt wurde (Joh 1,11). Und jetzt sehen wir hier in Kapitel 4 wir, dass der Vater dem Sohn gerade da Frucht gibt, wo sie nach menschlichem Urteil am wenigsten zu erwarten gewesen wäre, nämlich in Samaria. Die Juden wähnten sich diesem Samaria gegenüber weit überlegen, und doch standen die Samariter der Gnade Gottes weitaus nä-her als die, die meinten, dass sie gesund wären und keines Arztes bedürften (vgl. Mt 9,12).

Die Kapitel 3 und 4 zeigen gewisse Gegensätze: in Kapitel 3 muss ein hochgestellter und hochgebildeter Jude lernen, was die neue Geburt ist; einfachste Grundlagen, die er nicht weiß. In Kapitel 4 haben wir eine verworfene Frau, vor der die höchste Aktivität entfaltet wird, die Gläubige überhaupt jetzt und in alle Ewigkeit ausüben können: die Anbetung des Vaters in Geist und Wahrheit. Anbetung ist das einzige, was wir hier auf der Erde beginnen und in der Ewigkeit fortsetzen werden. Nichts anderes, weder Evangelisation noch Belehrung noch Hirtendienst, werden wir hier tun und in Ewigkeit fortsetzen werden. Dass der Herr Jesus gerade dieser Frau diese erhabene Wahrheit vorstellt, ist reine Gnade!

Und diese Gnade breitet sich aus in dem ganzen Ort Sichar. Erstens durch das Zeugnis dieser Frau; und als dann die Bewohner der Stadt zu dem Herrn Jesus kommen und andere mitnehmen, kommen diese durch das Wort des Herrn Je-sus zum Glauben.

Der Herr Jesus hatte diese Frau in ihrem Gewissen getroffen und sie nicht nur zur Bekehrung geführt, sondern ihr auch die wahre christliche Anbetung vorgestellt. Sie war dann in die Stadt gegangen, und aus ihren Worten wird deutlich, dass sie nicht nur vor dem Herrn Jesus offen gewesen ist, sondern dass sie sich jetzt auch vor den Menschen ihrer Stadt offenbart. Diese Menschen kannten sie, aber sie bekennt ihnen, dass sie einem begegnet ist, der ihr ihr ganzes Leben vorgestellt hat. Der Herr Jesus hatte zwar nur einen Punkt aus ihrem Leben angerührt, aber der stand für das Ganze (Vers 29). Daraufhin waren die Leute der Stadt hinausgegangen und zu dem Herrn Jesus gekommen.

In der Zwischenzeit hatte der Herr die Jünger belehrt über den Charakter und den Wert des Dienstes, über die Dringlich-keit des Dienstes und über die bleibende Frucht und den Lohn, der mit dem Dienst verbunden ist.

„Aus jener Stadt aber glaubten viele von den Samaritern an ihn um des Wortes der Frau willen, die bezeugte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.“ (Vers 39)

Die Verse 39–42 beschließen die Begebenheit mit der Frau vom Jakobsbrunnen. Gott konnte diese Frau benutzen, um ein wunderbares Zeugnis abzulegen, dem die Menschen der Stadt glauben schenkten. Sie sahen kein Wunder, aber sie sahen, dass diese Frau, die von ganz unten kam, sich total verändert hatte.

Der Glaube dieser Menschen beruhte also auf einem Zeugnis (Röm 10,14). Der Herr Jesus konnte diese Frau als eine Predigerin benutzen. Sie hatte das weitergegeben, was sie selbst von dem Herrn kennengelernt hatte, und das hatte zu einer wunderbaren Erweckung in dieser Gegend geführt.

Drei Mal kommt in diesen Versen das Wort glauben vor, es kennzeichnet diesen Abschnitt. Es war ein Glaube an eine Person, sie glaubten an Ihn. Der christliche Glaube ist der Glaube an eine Person, an den Herrn Jesus Christus. Und dieser Glaube war nicht durch irgendwelche Wunderwerke entstanden, sondern um des Wortes der Frau und um Seines Wortes willen. Auch das ist typisch christlich. Für das Judentum war es typisch, dass sie glaubten, weil sie etwas sa-hen, ein Werk oder ein Zeichen. Der christliche Glaube basiert auf Worten, auf einem mündlichen oder schriftlichen Zeugnis. Ein solches Zeugnis muss authentisch sein; es müssen nicht viele Worte sein, aber sie müssen ehrlich und glaubhaft sein, wenn das Zeugnis wirkungsvoll sein soll.

Das Zeugnis, das diese Frau abgelegt hatte, war nicht so sehr das, was der Herr Jesus über das lebendige Wasser gesagt hatte; sie hatte nicht die Worte bezeugt, die der Herr zu ihrem Herzen geredet hatte, sondern das, was Er zu ihrem Ge-wissen geredet hatte. Wir versuchen oft, solche Dinge, in denen der Herr uns zurechtbringen muss, möglichst zu ver-schweigen und erwähnen lieber andere Dinge.

„Als nun die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, bei ihnen zu bleiben; und er blieb dort zwei Tage.“ (Vers 40)

Die Menschen dieser Stadt blieben nicht dabei stehen, an den Herrn Jesus nur aufgrund der Worte der Frau zu glauben. Sie kamen zu dem Herrn Jesus selbst. Es ist entscheidend, dass ein Mensch, der zum Glauben kommt, zu dem Herrn Jesus geführt wird, dass Er selbst vor seinem Herzen steht.

Es ist eine Sache, zu dem Herrn Jesus zu kommen, aber es ist eine andere Sache, Ihn zu bitten, bei uns zu bleiben – persönlich und gemeinschaftlich. Diese Menschen hatten einen geistlichen Hunger, das wird deutlich aus ihrem Begeh-ren, dass der Herr Jesus noch bei ihnen bleiben möchte (vgl. Lk 24,29). Der Grundtext hat hier ein Wort, das von ei-nem wiederholten Bitten spricht. Wieviel mehr haben wir heute diese Bitte nötig, dass Er bei uns bleibt – aber wir müssen auch bei Ihm bleiben (1. Sam 22,23)! Eine ganz andere Haltung offenbarten die Gadarener, die dem Herrn Jesus zuredeten oder ermahnten, aus ihrer Gegend wegzugehen (Mk 5,17).

Wie gerne gewährt der Herr hier dieser Stadt der Samariter zwei weitere Tage der Gnade Gottes. Sie sind ein Bild der Zeit der Gnade, in der wir leben, in welcher der Herr erkannt wird als der Heiland der Welt. Wir können in diesem Zu-sammenhang auch an die zwei Denare denken, die der barmherzige Samariter dem Wirt der Herberge gab (Lk 10,35); in der Zeit der Abwesenheit des Herrn ist für volle Genüge gesorgt für alle, die in die Herberge geführt werden.

„Und noch viele mehr glaubten um seines Wortes willen; und sie sagten zu der Frau: Wir glauben nicht mehr um deines Redens willen, denn wir selbst haben gehört und wissen, dass dieser wahrhaftig der Heiland der Welt ist.“ (Vers 41+42)

Zuerst hatte die Frau geglaubt, dann diejenigen Samariter, die das Zeugnis der Frau gehört hatten und aus der Stadt zu dem Herrn Jesus hinausgegangen waren (Vers 30). Das Wort der Frau wird dadurch geadelt, dass viele ihr geglaubt hat-ten; aber jetzt wird es von den Worten des Herrn übertroffen, denen noch viele mehr glaubten. Diese waren wohl wäh-rend dieser zwei Tage bei Ihm geblieben, hatten Seinen Reden zugehört und waren dadurch zum Glauben gekommen. Das Glauben der Samariter hier nur aufgrund des Hörens des Wortes des Herrn steht in einem gewissen Gegensatz zu Vers 45, wo von den Galiläern gesagt wird, dass diese Ihn aufnahmen, weil sie etwas gesehen hatten; der Herr tadelt das dann später in Vers 48. Der Weg zum Heil ist Hören und Glauben!

Nach dem Hören und Glauben kommt in diesem Vers noch ein drittes Teil hinzu: das Wissen. Erst wird gehört, dann wird geglaubt und angenommen, und das führt dann zu diesem wunderbaren Wissen und der Überzeugung, die die Sa-mariter zum Ausdruck bringen.

In dieser Zeit kommt es zu geistlichem Wachstum bei den Bewohnern von Sichar. Sie glauben nicht mehr nur, weil sie die Worte der Frau gehört hatten, sondern weil sie den Herrn selbst kennengelernt und in ihr Herz aufgenommen hatten. Sie hatten das Zeugnis der Menschen angenommen, und dann hatten sie erlebt, dass das Zeugnis Gottes größer ist (1. Joh 5,9). Es gibt geistliche Reife, wenn man dem Herrn Jesus selbst begegnet. Das, was sie gehört hatten, war zu einem bewussten inneren Wissen (vgl. Joh 8,56) bei ihnen geworden. Ihr Verständnis über Seine Person war gewach-sen; während die Frau von Ihm als dem Christus sprach (Vers 29), reden sie von Ihm als dem Heiland der Welt.

Was werden diese Worte auch für eine Ermunterung für den Herrn Jesus als Mensch gewesen sein. Da gab es solche, die Ihn nicht ablehnten, wie die Juden das taten, die Ihn auch nicht nur als ihren persönlichen Retter erkannt hatten, son-dern es waren solche, die aus dem verachteten Samaria kamen und, nachdem sie selbst das Heil angenommen hatten, in Ihm noch einen weit Größeren gesehen haben. Er war der Verachtete, und hier waren solche, die als Samariter auch ver-achtet waren, und die in Ihm den Retter für die ganze Welt sahen.

Eigentlich war der Herr Jesus nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt (Mt 15,24), aber hier wird durch das Zeugnis der Samariter der Grundton dieses Evangeliums bestätigt. Von Anfang dieses Evangeliums an ist die ganze Welt Gegenstand des Kommens des Sohnes Gottes. Der Vater hatte den Sohn gesandt als Heiland der Welt (1. Joh 4,14). Er ist der einzige Heiland, und Er ist der Heiland für die ganze Welt – welche Gnade!

Das Heil ist zwar aus den Juden (Vers 22), aber es ist nicht nur für die Juden, es ist auch nicht nur für Samaria, son-dern es ist für die ganze Welt. Jeder, der an diesen Heiland der Welt glaubt, geht nicht verloren, sondern er hat ewiges Leben (Joh 3,16). Mit dem Ausdruck Welt hier ist also nicht das böse System der Welt gemeint, auch nicht die Welt als Schöpfung, oder die Welt als das Judentum (z.B. Joh 12,19); wir müssen immer beachten, wie das Wort Welt in dem jeweiligen Zusammenhang gemeint ist – und hier geht die Blickrichtung zu allen Menschen aus allen Nationen.

Wie kamen die Samariter eigentlich zu dieser wunderbaren Erkenntnis über den Herrn Jesus? Sie hatten in diesen zwei Tagen gut zugehört. Die Offenbarung Gottes im Wort ist immer größer als die Offenbarung Gottes im Werk! Wenn wir weiter kommen wollen in der Erkenntnis und Wertschätzung unseres Herrn, dann müssen wir Ihm zuhören, müssen Sein Wort lesen.

Mit dem Ausdruck der Heiland der Welt stehen wichtige Wahrheiten in Verbindung:
• der Herr Jesus ist der Heiland der Welt: Es gibt nur einen Heiland, Er ist der ausschließliche Heiland der Welt, in keinem anderen ist das Heil (Apg 4,12)
• der Herr Jesus ist der Heiland der Welt: der Herr Jesus ist der Retter aus Gefahr; Er ist nicht nur einfach ein guter Mensch, ein Vorbild für ein aufopferungsvolles Leben; wenn es um verlorene Menschen geht, dann ist Er der Retter, der uns aus der Gefahr des Verlorengehens herausnimmt
• der Herr Jesus ist der Heiland der Welt: das steht einerseits im Gegensatz zu dem Volk Israel, die engen Gren-zen Israels werden gesprengt; der Herr Jesus möchte für jeden verlorenen Menschen, der heute lebt, der Retter sein. Heiland der Welt bedeutet nicht, dass alle Menschen gerettet werden und automatisch das Heil bekom-men, aber der Herr Jesus bietet das Heil allen Menschen an

Auch heute noch ist der Herr Jesus der Heiland der Welt. Die Botschaft von dem Retter ist für alle Menschen. Wir wol-len ernstlich dafür beten, dass noch viele Menschen diesen Heiland der Welt als ihren persönlichen kennenlernen. Ein schönes Vorausbild im Alten Testament ist Joseph, der diesen Namen von dem Pharao bekam (1. Mo 41,45) – Zaphnat-Paneach, was so viel bedeutet wie Retter der Welt, Erhalter des Lebens. Eine schöne prophetische Parallele sehen wir bei Joseph auch noch darin, dass er gerade in Verbindung mit diesem Namen auch eine Frau aus den Nationen bekam.

Wenn wir über diesen Heiland der Welt, den wir im Glauben annehmen durften, nachdenken, dann wollen wir nie ver-gessen, was es Ihn gekostet hat, Heiland der Welt zu werden. Wir dürfen das nicht nur mit unserem Kopfwissen festhal-ten, sondern müssen es in unseren Herzen erwägen. Er musste dafür nach Golgatha gehen, er musste dafür Sein Leben geben – ewig sei Ihm Lob und Dank dafür!

Von Samaria zurück nach Galiläa (Vers 43 – 54)

„Nach den zwei Tagen aber zog er von dort weg nach Galiläa“ (Vers 43)

Bevor der Herr Jesus in Kana in Galiläa das zweite Zeichen tut, wird in den Versen 43–45 ein gewisser Gegensatz aufge-zeigt. Die Galiläer nahmen Ihn nicht Seines Wortes wegen auf wie die Samariter, sondern weil sie von Seinen Wundern gesehen und gehört hatten.

Wenn wir solch ein Zeugnis über die eigene Person hören würden, würden wir dann nicht gern an einem solchen Ort noch länger bleiben, wo uns eine solche Wertschätzung entgegengebracht wird? Doch der Herr Jesus zieht nach diesen zwei Tagen weiter.

„...denn Jesus selbst bezeugte, dass ein Prophet in dem eigenen Vaterland keine Ehre hat.“ (Vers 44)

Der Herr Jesus zieht jetzt von einem Ort der Anerkennung Seiner Person weg in seine Heimatgegend, und das, obwohl Er weiß, was Ihm dort begegnen wird und dass Er dort nicht anerkannt wird. Rein menschlich beurteilt sprach alles da-für, da zu bleiben, wo Er gerade war. Aber Er hat niemals Seine eigene Ehre gesucht. Wir lernen in diesen Versen ganz praktisch, wodurch der Herr Jesus sich leiten ließ. Er ließ sich nicht leiten von der Zustimmung der Menschen, auch nicht von den Bedürfnissen der Menschen, und Er ließ sich auch nicht beeinflussen von der Ablehnung der Menschen. Das, was den Herr Jesus motivierte, Seinen Weg zu gehen und Seinen Dienst zu tun, war allein der Wille dessen, der Ihn gesandt hatte. Auch wir dürfen unsere Wege nicht danach entscheiden, wo man uns Ehre und Achtung oder Wert-schätzung entgegenbringt oder wo nicht.

Der Herr Jesus ging also weg aus einer Stadt, wo man Ihn sicher auch gern noch länger gehört hätte, und Er ging hin in eine Gegend, wo Er wusste, dass ein Prophet in seinem eigenen Vaterland oder Vaterstadt keine eigene Ehre hat. Damit ist wahrscheinlich Galiläa gemeint. Mit dem Ausdruck Prophet wird der Nachdruck nicht so sehr auf das gelegt, was er tut, sondern auf das, was er sagt; ein Prophet wird gekennzeichnet durch seine Worte. Aber gerade das wurde in Galiläa abgelehnt. Die Menschen dort hatten wohl Interesse an dem, was der Herr Jesus getan hatte, sie fanden die Wunder, die Er gewirkt hatte, attraktiv – aber Seine Worte wurden nicht angenommen.

In allen vier Evangelien finden wir diese Feststellung, dass ein Prophet keine Ehre hat (Mt 13,57; Mk 6,4; Lk 4,24; Joh 4,44), und die umfassendste Stelle scheint dabei Mk 6,4 zu sein, dort ist die Rede von seiner Vaterstadt (das glei-che Wort wie Vaterland), von seinen Verwandten, und von seinem Haus. Und im Lukas-Evangelium bestätigt der Herr, dass heute diese Schrift vor ihren Ohren erfüllt sei. Der Herr Jesus hatte nie Ehre für sich gesucht, und doch muss es Ihn tief getroffen haben, dass Er noch nicht einmal als Prophet von Seinen eigenen Leuten anerkannt war (Joh 7,52). Es ist schon einmal gesagt worden: ‚Wer den Prophet ablehnt, verliert den Heiland‘!

Wir müssen diese Tatsache auch für uns selbst gut bedenken. Gott wirkt nicht nur durch weitgereiste Brüder, Er wirkt auch ganz in der Nähe, am eigenen Ort, in der Familie; und dieses Wirken Gottes wollen wir sehen und auch anerken-nen. Haben wir dafür noch ein Auge? Oft ist es so, dass man wenig ermutigende Kommentare zu hören bekommt, wenn man mal anfängt, sich in den Zusammenkünften zu beteiligen. Davon wollen wir uns nicht entmutigen lassen. Wenn man öffentlich dient, muss man auch eine gewisse Beharrlichkeit zeigen und es ertragen können, wenn man mal kritisch angesprochen wird.

Ein menschliches Sprichwort sagt: Vertrautheit brütet Geringschätzung aus. Ist es nicht so, dass wir dem, was uns sehr vertraute Menschen sagen, manchmal weniger Achtung und Wertschätzung entgegenbringen? Wenn ein Prophet in sei-nem eigenen engsten Umkreis wenig geschätzt wird, kann das natürlich auch daran liegen, dass wir durch unser Verhal-ten einen Anlass dazu gegeben haben. Wo man gut bekannt ist, kennt man halt auch alle Schwächen und Fehler vonei-nander. Das war bei dem Herrn natürlich nicht so, bei Ihm war es eine ganz andere, viel grundsätzlichere Art der Ge-ringschätzung. Aber wir müssen deshalb darauf achten, dass wir in unserem Dienst nicht nur Worte haben, sondern dass unser ganzes Leben dahintersteht. Wir dürfen durch unser Verhalten keinen Anlass dazu bieten, dass unser Dienst weni-ger wertgeschätzt wird.

Wir müssen diese Worte aber auch einmal nicht nur aus der Sicht der Propheten sehen, sondern aus der Sicht derer, an die sich deren Dienst richtet. Die Hörer des Herrn Jesus nahmen Anstoss an Ihm (Lk 4,28+29). Achten wir die Dienste der Propheten in unseren örtlichen Versammlungen? Paulus fordert uns auf, die zu erkennen (anzuerkennen), die unter uns arbeiten (1. Thes 5,12).

„Als er nun nach Galiläa kam, nahmen die Galiläer ihn auf, da sie alles gesehen hat-ten, was er in Jerusalem auf dem Fest getan hatte; denn auch sie waren zu dem Fest gekommen“. (Vers 45)

Das Aufnehmen des Herrn bei den Galiläern erfolgte nicht, weil sie den Herrn hören wollten, sondern weil sie etwas se-hen wollten.

„Er kam nun wieder nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser zu Wein gemacht hatte. Und es war ein gewisser königlicher Beamter, dessen Sohn krank war, in Kapernaum“ (Vers 46)

Der Schreiber erinnert hier bei dem Kommen des Herrn nach Kana in Galiläa an den Anfang der Zeichen, das Er dort gewirkt hatte (Joh 2,1–11). Die Belehrung dort war gewesen, dass es neue, bessere Freude nur geben kann auf dem Weg des Gehorsams und der Reinigung. Hier in diesem Abschnitt wirkt der Herr jetzt Sein zweites Zeichen in Kana (Vers 54), und wir lernen darin, dass es Heilung oder Rettung oder Leben nur geben kann auf dem Weg des Glaubens. Glau-ben und Gehorsam stehen in einer engen Verbindung (Röm 1,4; 16,26). Glauben ist eigentlich Gehorsam, es bedeutet, Gott beim Wort zu nehmen.

Christlicher Glaube hat eigentlich vier Kennzeichen:
• es ist ein Glaube an eine Person
• es ist ein Für-Wahr-Halten des Wortes Gottes, es bedeutet, eine feste Überzeugung zu haben
• es bedeutet, gehen ohne zu sehen
• es prägt die Art der Lebensführung, unser Glaube wird nach außen sichtbar

Das erste Zeichen, wo der Herr das Wasser zu Wein gemacht hatte, hat auch eine prophetische Bedeutung auf die Wie-derherstellung Israels, wenn das Volk diese neue Freude im 1000-jährigen Reich genießen wird. Genauso können wir auch in diesem zweiten Zeichen in Bezug auf das Volk Israel eine prophetische Bedeutung erkennen. Der Herr Jesus wird auch im Blick auf dieses Volk Leben aus dem Tod hervorbringen (vgl. Ps 71,20; 85,7 – Leben und Freude). Die Begebenheit des kranken Königs Hiskia zeigt die gleiche prophetische Linie auf (2. Kön 20).

Es bestehen noch weitere auffällige Parallelen zwischen diesen beiden Zeichen: in beiden Fällen waren vorher zwei Tage vergangen (Joh 2,1 und Joh 4,43; vgl. 2. Kön 20,5; Hos 6,2); in beiden Fällen gibt es eine Zurechtweisung durch den Herrn Jesus; in beiden Fällen spricht der Herr Jesus ein Wort und es geschieht etwas, Er vollzieht keine Handlung; in beiden Fällen ist Vertrauen da in die Worte des Herrn Jesus und sie werden befolgt; in beiden Begebenheiten ist von Knechten die Rede; in beiden Fällen ist das Ergebnis, dass Glaube vorhanden ist.

Dieser königliche Beamte stammte wohl aus dem irdischen Volk der Juden, denn der Herr fasst ihn in Vers 48 mit den Juden zusammen, bei denen es charakteristisch ist, dass sie Zeichen fordern. Und dann stand dieser Mann auch in einem Anstellungsverhältnis zum Königshof und befand sich also in einer gewissen Nähe zum Königtum Herodes. Mensch-lich gesehen, standen ihm alle Ressourcen zur Verfügung, aber das alles konnte seinen Sohn nicht gesund machen.

Kapernaum war auch der Ort, in dem sich eine ähnliche Begebenheit ereignete, wo ein Knecht eines römischen Haupt-manns gelähmt war und schrecklich gequält wurde (Mt 8, 5–13; Lk 7,1–10). Über diesen Hauptmann konnte der Herr Jesus sagen, dass Er selbst in Israel nicht solchen Glauben gefunden hatte (Vers 10). Dieser Hauptmann wollte nicht erst sehen und dann glauben, sondern er war von sich aus zufrieden mit einem Wort des Herrn. Einen solchen Glauben adelt der Herr Jesus.

„Als dieser gehört hatte, dass Jesus aus Judäa nach Galiläa gekommen sei, ging er zu ihm hin und bat, dass er herabkomme und seinen Sohn heile; denn er lag im Sterben“ (Vers 47)

Als erstes wird von der Glaubenshaltung dieses Mannes gesagt wird, dass er gehört hatte, dass der Heiland gekommen sei. Und das bringt ihn in eine Bewegung des Glaubens. Daran schließt sich eine Bitte des Glaubens an, die allerdings deutlich macht, dass er die Macht und Kraft des Herrn nur in Seiner Gegenwart für möglich hielt. Damit stand er weit hinter dem Hauptmann aus Mt 8 und Lk 7 zurück, dem ein Wort des Herrn genügt hatte. Aber der Herr ist nicht auf körperliche oder räumliche Gegenwart angewiesen, um heilen zu können. Ähnlich hatten vermutlich auch Martha und Maria geglaubt, dass der Herr den Lazarus hätte heilen können, wenn Er gegenwärtig anwesend gewesen wäre (Joh 11,21+32).

„Jesus sprach nun zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht“ (Vers 48)

In Samaria hatte es Glauben an das Wort gegeben, in Galiläa gab es Glauben an Zeichen und Wunder. Der Herr Jesus will mit Seinen Worten diesen königlichen Beamten weiterführen, weg von einem Glauben, der auf Schauen beruht hin zu einem Glauben, der auf dem Wort beruht. Er spricht ihn jetzt als einen Vertreter dieser Gruppe von Menschen an, die Zeichen und Wunder sehen wollen, bevor sie glauben. In Joh 2,23–25 hatten wir schon gesehen, dass sich der Herr sol-chen Menschen nicht anvertraut.

Es ist eine grundsätzliche Haltung der Juden, dass sie immer erst etwas sehen wollen, bevor sie glauben (vgl. Thomas in Joh 20,25+29; 1. Kor 1,22). Rückblickend kann man sogar sagen, dass gerade die Juden unendlich viel gesehen, aber dennoch nicht geglaubt haben. Nehmen wir z.B. Johannes 6; da hatten sie das Zeichen der Vermehrung der Brote bei der Speisung der 5000 gesehen, und doch fragen sie in Vers 30: „Was tust du nun für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben“?

Diese Worte des Herrn Jesus sind ein Tadel; deshalb wollen wir uns fragen, ob nicht auch unsere Gedanken manchmal in diese Richtung gehen, dass eine bestimmte Situation, eine schwere Krankheit z.B., nur zum Guten gewendet werden kann, wenn der Herr Jesus ein Wunder tut. Wir dürfen den Herrn bitten, einzugreifen; aber ist unsere Erwartung nicht manchmal die, dass Er ein Wunder tut? Aber heute ist nicht die Zeit der Wunder, im Blick auf Krankheiten haben wir heute keine Verheißungen. Natürlich kann der Herr Wunder tun, aber im Allgemeinen tut Er es in unserer Zeit nicht. Ein äußerliches Wunder ist auch nicht der höhere Weg. Wir lernen wir aus 1. Pet 1,6+7, dass der höhere Weg darin be-steht, dass der Herr unserem Glauben Kraft gibt, in schwierigen Umständen auszuharren. Das steht auch nicht im Ge-gensatz zu Jak 5,14+15; denn das Gebet des Glaubens in dieser Stelle setzt voraus, dass Gott es irgendwie offenbart hatte, dass die betreffende Person gesund werden würde. Dann konnte entsprechend gebetet werden.

Der Herr tadelt also diese grundsätzliche Haltung der Juden, und was wirkt Er als nächstes? Ein Wunder! Er macht da-mit deutlich, dass Sein Tadel nicht bedeutet, dass Er nicht weiter durch Zeichen und Wunder wirken würde. Er tadelt die falsche Blickrichtung der Juden, die nur dann bereit waren, Ihn als Herrn anerkennen, wenn Er Wunder wirkt.

„Der königliche Beamte spricht zu ihm: Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt!“ (Vers 49)

Mit Seinen tadelnden Worten hatte der Herr auch den Glauben dieses königlichen Beamten geprüft. Der aber geht auf den Einwand des Herrn überhaupt nicht ein und bleibt bei seiner Bitte. Er nennt Ihn jetzt sogar Herr und anerkennt da-mit die Autorität des Herrn Jesus. Aber er scheint die Möglichkeiten des Herrn zu reduzieren auf Seine Macht, von Krankheiten heilen zu können. Dass der Herr auch Gestorbene zum Leben zu erwecken vermag, lag wohl außerhalb sei-ner Vorstellungskraft. Ähnlich hatten die Hausgenossen des Synagogenvorstehers Jairus geurteilt, als seine Tochter ge-storben war – „was bemühst du den Lehrer noch“? (Mk 5,35). Aber ob eine Person krank war oder schon gestorben war, macht für den Herrn keinen Unterschied!

Wir finden in den Evangelien häufiger Mütter oder Väter, die wegen ihrer Kinder zu dem Herrn Jesus kommen. Und ist es nicht auch in unseren Tagen so, dass viele Eltern heute wegen ihrer kranken Kinder zu dem Herrn Jesus rufen? Dabei denken wir nicht nur an körperlich kranke Kinder, sondern an solche, die geistlich krank geworden sind. Wenn wir se-hen, dass unsere Kinder eigenwillige Wege gehen, die kein gutes Ende nehmen werden, wollen wir den Glauben und die Beharrlichkeit dieses königlichen Beamten nachahmen und den Herrn mit seinen Worten bitten: „Herr, komm her-ab, ehe mein Kind stirbt“!

„Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn lebt!“ (Vers 50a)

Der, der Leben in sich selbst hat, gibt Leben! Er ist die Quelle allen Lebens, und Er allein kann auch Leben geben. Den Herr Jesus in Seiner lebenspendenden Kraft gerade in Bezug auf den eigenen Sohn zu erleben, muss für den Beamten tief bewegend gewesen sein!

„Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin.“ (Vers 50b)

Man sieht zunehmenden Glauben bei dem Vater. Er ist doch innerlich viel weiter als die Juden, die Zeichen und Wun-der sehen wollen, bevor sie glauben. Indem er auf das Wort des Herrn hin losgeht, bewegt er sich jetzt in dem Bereich des Glaubens aufgrund des Wortes. Er glaubt, ohne zu sehen (Heb 11,1).

Später erfährt er dann, dass es genau in diesem Augenblick, als der Herr diese Worte zu ihm sprach, mit seinem Sohn besser geworden war (Vers 53).

„Aber schon während er hinabging, kamen ihm seine Knechte entgegen und sagten, dass sein Knabe lebe.“ (Vers 51)

Der Glaube des königlichen Beamten wird auf eine wunderbare Weise belohnt: das letzte Wort des Herrn zu ihm war gewesen: „Dein Sohn lebt“; und das erste Wort, das er auf diesem Weg nach Hause von seinen Knechten hört, ist die Bestätigung, dass sein Sohn lebt! Er erfährt, dass sein Glaube an Wort des Herrn Jesus nicht enttäuscht wird.

Zwischen Kana und Kapernaum besteht eine Entfernung von ca. 30 km. Ein deutlicher Beweis dafür, dass der Herr auch aus der Entfernung heilen kann und nicht auf räumliche Nähe angewiesen ist.

Die Knechte sprechen von dem Sohn als dem Knaben, sie benutzen ein anderes Wort, als vorher gebraucht wurde. Zu-erst wird von einem Sohn (hyios) gesprochen (Vers 46+47 und 50+53), dann nennt ihn der königliche Beamte selbst sein Kind, eigentlich Kindlein (paidion), die Verkleinerungsform von dem Ausdruck, den jetzt die Knechte des Beam-ten benutzen: Knabe (pais). Dieser Ausdruck wird auch fünf Mal in Bezug auf den Herrn Jesus selbst benutzt (Lk 2,43; Apg 3,13+26; 4,27+30).

„Er erfragte nun von ihnen die Stunde, in der es besser mit ihm geworden war; da sag-ten sie zu ihm: Gestern zur siebten Stunde verließ ihn das Fieber“. (Vers 52)

Hier erst erfahren wir, woran der Sohn des Beamten litt: es war Fieber. Fieber ist ein krankhafter innerer Zustand des Menschen, der von Hitze und Unruhe gekennzeichnet ist und ein Symptom für eine im Körper vorhandene Krankheit ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Fieber von ihm wich, war die siebte Stunde. Mit der siebten Stunde endet eine Epoche, kommt eine Zeitphase zu einem Abschluss und etwas Neues beginnt danach.

„Da erkannte der Vater, dass es in jener Stunde war, in der Jesus zu ihm sagte: Dein Sohn lebt. Und er glaubte, er und sein ganzes Haus.“ (Vers 53)

Der Vater wusste noch genau die Stunde, in welcher der Herr Jesus ihm die Heilung seines Sohnes versichert hatte.

Jetzt haben wir keinen eingeschränkten Glauben bei dem königlichen Beamten mehr; jetzt glaubt er umfassend, sogar mit seinem ganzen Haus. Sein persönlicher Glaube hat Auswirkungen in diesem engsten Kreis seines eigenen Hauses. Wir haben bezüglich seines Glaubens eine beachtenswerte Entwicklung gesehen: sein Glaube wurde geprüft (Vers 48), er wurde gestärkt (Vers 50b), er wurde belohnt (Vers 51), und jetzt wird er vollendet.

Ein großartiges Ergebnis dieser Notsituation, die der Herr in dieses Haus gesandt hatte: das ganze Haus kommt zum Glauben. Auch hierbei denken wir wieder an die prophetische Bedeutung dieses Ereignisses. Im Blick auf die Wieder-herstellung Israels lesen wir in Röm 11,26, dass ganz Israel errettet werden wird (vgl. Jes 59,20+21).

„Dies aber tat Jesus wiederum als zweites Zeichen, als er aus Judäa nach Galiläa ge-kommen war.“ (Vers 54)

Fünf Wunder, die der Herr Jesus im Johannes-Evangelium getan hat, werden Zeichen genannt
• Wasser wird in Wein verwandelt bei der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1–11)
• der Sohn des königlichen Beamten wird geheilt (Joh 4,46–54)
• die Speisung der 5000 (Joh 6,1–14)
• die Heilung des Blindgeborenen (Joh 9,1–16)
• die Auferweckung des Lazarus (Joh 12,17+18)

Ein Wunder ist etwas Übernatürliches, und wenn sie Zeichen genannt werden, bedeutet das, dass damit eine Ansprache für uns, eine bestimmte Zielsetzung verbunden ist.

Einleitende Bemerkungen zu Kapitel 5

Die Kapitel 5 bis 7 im Johannes-Evangelium bilden eine Einheit. Jedes dieser drei Kapitel beginnt mit einem Fest und der Schilderung einer Begebenheit, die dann immer in einer Rede des Herrn ausgeführt und erläutert wird. Aber die Re-den des Herrn gehen immer weit über das hinaus, was in den einleitenden Begebenheiten der jeweiligen Kapitel vorge-stellt wird. Das Thema jedes dieser Kapitel ist Leben. In Kap 5 haben wir den Herrn Jesus als den Sohn des Vaters, der das Leben ist und gibt; in Kap 6 sehen wir Ihn als den, der vom Himmel herabgekommen ist und Sein Leben lässt; und in Kap 7 sehen wir Ihn, wie Er nachdem Er Sein Leben gelassen hat wieder in den Himmel zurückkehrt und den Heiligen Geist gibt.

Wir haben in diesem Kapitel 5 drei Teile
• Vers 1–18: der Herr Jesus, der Gesandte vom Vater, tut ein Zeichen, in welchem Er die Gnade Gottes offenbart und auch Seine eigene Macht, die Leben hervorbringt; als Reaktion der Juden auf dieses Zeichen wird der Herr von ihnen sowohl in Seinen Werken als auch in Seiner Person abgelehnt
• Vers 19–30: die Herrlichkeit der Person des Herrn Jesus wird gezeigt; die Ablehnung, die der Herr Jesus in dem ersten Abschnitt erfahren hat, ist der Anlass dafür, dass die Wahrheit über Seine Person vorgestellt wird; und auch die Reaktionen auf diese Offenbarung Seiner Person werden vorgestellt – ob es die Annahme im Glauben ist oder die Ablehnung im Unglauben
• Vers 31–47: ein mehrfaches Zeugnis über die herrliche Person des Herrn Jesus: das Zeugnis Johannes des Täu-fers, das Zeugnis Seiner Werke, das Zeugnis des Vaters, und das Zeugnis der Schriften des Alten Testaments

In dem Bericht über die Heilung dieses hilflosen Mannes hier in Kap 5 haben wir eine Beschreibung über die Befreiung von den Forderungen des Gesetzes, und auch von der Kraftlosigkeit des Gesetzes. Das Gesetz ist durch das Fleisch kraftlos, und das dem Gesetz Unmögliche hat Gott getan, indem Er Seinen eigenen Sohn sandte (Röm 8,3). Dieser Kranke hier aber ist nicht ein Bild von dem Menschen in Römer 7, denn der hat schon Leben, er hat nur die Befreiung durch den Heiligen Geist persönlich noch nicht erlebt. Eigentlich verhieß das Gesetz Leben, aber derjenige, der es halten wollte, der besaß keine Kraft dazu. Das Gesetz wurde zwar von Gott gegeben, aber es verleiht keine Kraft, es zu halten. Dieser Mann, der in das Wasser hineinsteigen wollte, kam nicht hinein, weil er in sich keine Kraft dazu hatte. Er er-kannte, dass er jemanden brauchte, der ihn in das Wasser brachte. Er brauchte neues Leben, um den göttlichen Segen zu genießen.

Die Hauptlinie in diesem Abschnitt ist, dass der Sohn Gottes gekommen ist, um Leben zu geben. Der kranke Mann zeigt, dass der in Sünde geborene und unter Gesetz stehende Mensch kraftlos ist. Und dann kommt der Sohn Gottes, geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz (Gal 4,4), in diese Situation hinein und entfaltet göttliche Macht zur Hei-lung; und Er zeigt damit, dass Er mit dieser göttlichen Macht gekommen ist, um den Menschen Leben zu geben. Und Er tut das am Sabbat, um zu zeigen, dass diese göttliche Macht losgelöst von der Ordnung des Gesetzes handelt. Der Sohn Gottes ist gekommen und hat unter Gesetz gelebt, aber Er hat eine göttliche Macht offenbart, die Leben geben kann losgelöst vom Gesetz. Und darum tut Er dieses Wunder an einem Sabbat.

„Danach war ein Fest der Juden, und Jesus ging hinauf nach Jerusalem“. (Vers 1)

Auch hier sehen wir wieder, dass aus den Festen des HERRN Feste der Juden geworden waren (vgl. Joh 2,13). Das irdi-sche Volk Gottes hatte sich so weit von Gott entfernt, dass sie die von Gott angeordneten Feste zu ihren eigenen Festen herabgewertet hatten. Schon im Alten Testament hatte Gott ihnen den Vorwurf machen müssen, dass es „eure Feste“ geworden waren (Amos 5,21; 8,10). Alles war nur noch äußere Form. Andererseits müssen wir dabei aber auch berück-sichtigen, dass zur Zeit des Schreibens dieses Evangeliums Jerusalem bereits seit ca. 20 Jahren zerstört war und von früheren jüdischen Festen vielleicht nicht mehr viel bekannt war. Deshalb musste besonders darauf hingewiesen werden, dass es Feste der Juden gab. Dadurch, dass der Herr Jesus zu diesem Fest nach Jerusalem hinaufging, macht Er auch deutlich, dass Er es noch als Fest des HERRN anerkannte. Als Mensch auf der Erde unterwirft Er sich dem Gesetz.

Es kann sich hier eigentlich nur um das Passah handeln, denn es war jedenfalls eins der drei Feste, zu denen die Juden nach Jerusalem hinaufziehen mussten (5. Mo 16,16). Nach Vers 35 waren es noch vier Monate bis zur Ernte, und die Ernte begann mit dem Passah, der zweite Sabbat nach dem Passahfest war der erste nach der Darbringung der Erstlings-garbe (Lk 6,1; 3. Mo 23,10–12). Es ist hier das zweite Passah in der Zeit des öffentlichen Wirkens des Herrn; in Joh 2,13 haben wir das erste Passah, in Joh 6,4 folgt dann das dritte Passah, und das vierte finden wir in Joh 13, wo der Herr mit Seinen Jüngern auf dem Obersaal zusammen ist. Während einer Zeit von ungefähr drei Jahren hatte der Herr gedient, und dies sind die vier Passahfeste, die in dieser Zeit stattfanden.

„Es ist aber in Jerusalem bei dem Schaftor ein Teich, der auf Hebräisch Bethesda ge-nannt wird und fünf Säulenhallen hat“. (Vers 2)

Das Schaftor hat seinen Namen offensichtlich daher, dass durch dieses Tor in der Mauer Jerusalems die Opfertiere hin-eingebracht wurden. Und der Herr Jesus als das Lamm Gottes steht nun im Begriff, durch dieses Schaftor hindurchzu-gehen. Er würde sich einmal selbst als das Lamm ohne Fehl und ohne Flecken außerhalb dieser Stadt Gott opfern. Was muss Er empfunden haben, als Er durch dieses Tor in die Stadt hineinging.

Bei diesem Tor gab es einen Teich Bethesda, was übersetzt Haus der Barmherzigkeit bedeutet. Obwohl das Volk Gottes sich in einem so niedrigen Zustand befand, obwohl es das Gesetz nicht gehalten hatte, hatte Gott doch immer noch durch einen Engel Barmherzigkeit geübt. Wir finden hier also Gesetz in Verbindung mit Barmherzigkeit. Das erinnert daran, dass das Gesetz zwei Mal gegeben wurde; zum ersten Mal in seiner ganzen Schärfe in 2. Mo 20–22, wo das Volk es schon übertreten hatte, bevor sie es in ihren Händen hielten. Mose hatte dann diese ersten Tafeln des Gesetzes zerbro-chen, und doch hatte sich Gott als gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit offenbart (2. Mo 34,6). Und in Verbindung mit dieser Barmherzigkeit hatte Er dann die zweiten Tafeln des Gesetzes gegeben.

Verbunden mit diesem Teich Bethesda waren fünf Säulenhallen. Dieses Areal in Jerusalem ist erst relativ spät von Ar-chäologen wiederentdeckt und rekonstruiert worden. Es war eine sehr große Teich-Anlage, die in der Mitte geteilt war durch einen ca. 6 Meter breiten Damm. Jede Seite dieser Anlage war mit einer Säulenhalle umgeben und auf dem mitt-leren Damm stand die fünfte dieser Hallen, damit der Teich in seiner ganzen Ausdehnung genutzt werden konnte. In diesen Hallen konnte die ganze Menge derer, die auf diese Erweisung der Gnade Gottes durch den Engel warteten, sich aufhalten.

„In diesen lag eine Menge Kranker, Blinder, Lahmer, Dürrer, die auf die Bewegung des Wassers warteten“. (Vers 3)

Trotz dieser Barmherzigkeit Gottes war der Zustand des Volkes derart, dass es nicht nur Einzelne Kranke gab, sondern es war eine ganze Menge in diesem Zustand. Als Kranke waren sie nicht in der Lage, irgendeinen Dienst zu tun; als Blinde hatte sie keinen Blick für die wahre Größe und Gottes und auch nicht für den, den Gott gesandt hatte, sie besa-ßen keine Einsicht; als Lahme besaßen sie keine Kraft, um die Anforderungen Gottes irgendwie erfüllen zu können; als Dürre hatten sie keine belebende Freude, nichts Mutmachendes, durch das sie den Forderungen Gottes hätten entspre-chen können – Hilflosigkeit in jeder Hinsicht!

„Denn zu gewissen Zeiten stieg ein Engel in den Teich hinab und bewegte das Wasser. Wer nun nach der Bewegung des Wassers zuerst hineinstieg, wurde gesund, mit wel-cher Krankheit irgend er behaftet war“. (Vers 4)

In einigen bibelkritischen Übersetzungen fehlen Vers 3b und Vers 4, man bezeichnet sie als einen märchenhaften Zusatz. Werden sie aber weggelassen, kann man den ganzen Zusammenhang dieses Abschnittes nicht richtig verstehen, denn in Vers 7 spricht der Kranke ja gerade auf diese Bewegung des Wassers an. Man weiß dann gar nicht, warum und auf wel-che Weise die Bewegung des Wassers entstanden ist. Der eigentliche Grund für das Weglassen dieser Verse ist wohl da-rin zu sehen, dass den Abschreibern des Textes dieser Inhalt nicht gefiel, nämlich dass Gott in Seinem irdischen Volk, obwohl es schon verworfen war, noch solche Wunder wirkte.

Wir sehen hier die von Engeln verwaltete Gnade Gottes. Gott hatte schon im Alten Testament gesagt: „Ich bin der HERR, der dich heilt“ (2. Mo 15,26). Von Zeit zu Zeit konnte das irdische Volk Gottes erleben, wie Er gnädig und barmherzig ist. Gott lässt Sich gerade in Jerusalem in Judäa nicht ohne ein Zeugnis.

Wir sehen hier aber auch eine gewisse Begrenztheit des Segens; es gab wohl Heilung, aber sie galt immer nur einer ein-zigen Person. Und es ging dann nicht nach unseren menschlichen Maßstäben, mit denen wir urteilen würden, dass die Bedürftigsten zuerst in den Genuss der Heilung kommen müssten. Hier ist es eigentlich genau das Gegenteil davon: derjenige, der der Heilung am ehesten bedarf, ist am wenigsten in der Lage, sie zu erlangen. Das beschreibt genau das Dilemma unter dem Gesetz.

In gewisser Hinsicht eine schaurige Szene: eine große Menge Kranker, die alle wussten, dass zu gewissen Zeiten ein Engel die Wasseroberfläche bewegte. Den Engel selbst sahen sie nicht, nur die Bewegung der Wasseroberfläche. Was wollten all diese Hunderte von Kranken da, wenn sie doch wussten, dass nur ab und zu mal einer von ihnen geheilt werden konnte? Es war auch ein spannendes Ereignis für sie, wer wohl als nächster geheilt würde. Finden wir das heute nicht auch in der Christenheit, dass sich da Schauspiele ereignen mit Wundern und Zeichen und Heilungen? Tausende laufen da hin, nur um zu sehen, wie da einer angeblich geheilt wird. Allerdings handelt es sich dabei keinesfalls um Wunder Gottes, sondern um aufsehenerregende Spektakel satanischen Ursprungs.

„Es war aber ein gewisser Mensch dort, der achtunddreißig Jahre mit seiner Krankheit behaftet war“ (Vers 5)

Dieser Mann stand unter einer besonderen Zuchtmaßnahme Gottes wegen einer schweren Sünde (Vers 14), ein zeitliches Gericht Gottes an diesem Mann. Die fünf Säulenhallen können als ein Hinweis auf die fünf Bücher Mose gesehen wer-den, und die 38 Jahre erinnern an die Zeitdauer der Wüstenreise des Volkes Gottes (5. Mo 2,14), sie sind ein Hinweis auf den Zustand des Volkes Israel mit seinem Seufzen und Murren unter dem Gesetz.

Dieser gewisse Mensch symbolisiert also in erster Linie das Volk Israel unter Gesetz, aber er steht auch für den natürli-chen Zustand jedes Menschen, der kraftlos ist und sich nicht helfen kann. Auch in Lk 10,30 finden wir einen gewissen Menschen, der auch stellvertretend für jeden Menschen steht, der auf einem Weg weg von Gott ist.

„Als Jesus diesen daliegen sah und wusste, dass es schon lange Zeit so mit ihm war, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden?“ (Vers 6)

In diesem Vers werden drei Dinge von dem Herrn Jesus gesagt: Er wusste etwas, Er sah etwas, und Er sagte etwas. Er wusste, dass der Mann schon krank gewesen ist, als der Herr Jesus noch gar nicht als Mensch geboren war. Er war auch schon krank, als der Herr Jesus als 12-jähriger Knabe mit Seinen Eltern in Jerusalem war (Lk 2,41 ff.). Er war auch schon krank, als der Herr Jesus in Joh 2,13 ff das erste Mal während Seines öffentlichen Auftretens in Jerusalem war. Aber erst jetzt begegnen sich die beiden. Woher wusste der Herr Jesus von diesem Mann und seiner langen Krankheit? Er ist der, der alles weiß; niemand musste Ihm von diesem Mann erzählen. Er weiß um den Zustand jedes Menschen, er weiß darum, dass wir uns selbst nicht helfen können!

Dann sieht der Herr Jesus diesen Mann obwohl so viele andere auch noch dort lagen. „Der das Auge gebildet hat, sollte er nicht sehen?“ (Ps 94,9). Der Herr Jesus ist mit offenen Augen durch diese Welt gegangen; und Er hat viel mehr wahrgenommen, als andere Menschen äußerlich wahrnahmen. Er hat Seine Augen nicht verschlossen vor Not und Elend; und wenn Er auch heute nicht mehr als Mensch auf dieser Erde ist, hat Er sich darin nicht verändert. Diesen gleichen Blick finden wir auch in dem Gleichnis von dem barmherzigen Samariter (Lk 10,33; vgl. auch Mk 6,34 bei der Speisung der 5000). Dort finden wir auch diese innerliche Bewegung angesichts des Elends des gefallenen Men-schen. Wollen wir uns von Ihm diesen Blick schenken lassen und die Bereitschaft, Hilfestellung zu leisten.

Und dann spricht der Herr Jesus zu diesem Mann. Die Initiative geht von Ihm aus. Wir haben auch Fälle in den Evan-gelien, wo Kranke den Herrn Jesus angesprochen haben, aber hier ist der der Herr Jesus derjenige, der die Initiative er-greift. Er findet den, der Ihn gar nicht gesucht hat, und spricht ihn an.

Eine ähnliche Beschreibung der Barmherzigkeit Gottes gegenüber Seinem irdischen Volk ganz am Anfang von dessen Geschichte finden wir in 2. Mo 3,7+8: Er hatte gesehen, Er hatte gehört, Er kannte, und Er kam herab.

„Willst du gesund werden“? War das denn nicht klar, dass der Kranke gesund zu werden versucht hatte? Warum stellt Er dann diese Frage? Er wusste natürlich im Voraus die Antwort, aber Er wollte den Kranken dahin führen, dass er zu-geben musste, dass er sich selbst nicht helfen konnte. Er wollte diesen Mann nachdenklich machen.

Diese Frage zeigt aber auch, dass Gott grundsätzlich den Willen des Menschen, den Er geschaffen hat, berücksichtigt; bis an das Ende der Bibel geht es darum, ob jemand will oder nicht (Off 22,17). Die Grundbedingung zum Verstehen der Gedanken Gottes ist es, Seinen Willen tun zu wollen. Wer diesen Wunsch nicht hat, wird Seine Gedanken nie ver-stehen. Das ist der Grund, warum hochintelligente Menschen kaum etwas über Gottes Wort verstehen. Wir müssen den inneren Willen haben, das auch zu tun, was der Herr mir zeigt. Wie tragisch und wie ernst ist es, wenn der Mensch ein-fach nicht will (Joh 5,40; Mt 23,37).

Das gilt auch bei Fragen über den gemeinsamen Weg des Glaubens. Haben wir in solchen Gesprächen nicht oft erleben müssen, dass man einfach nicht von seinem einmal eingeschlagenen Weg abrücken wollte? Und dann versteht man auch jede zum Beweis angeführte Schriftstelle nicht.

„Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, dass er mich, wenn das Wasser bewegt worden ist, in den Teich wirft; während ich aber komme, steigt ein ande-rer vor mir hinab“. (Vers 7)

Die Antwort des Kranken ist ein wahrer Offenbarungseid. Er musste zugeben, dass er sich selbst nicht helfen konnte, und dass es auch niemanden gab, der ihm helfen konnte. Er sieht den Mangel an einem Retter und den Mangel an Ret-tung. Eine tiefernste Zustandsbeschreibung! Auf dem Weg des Gesetzes ist keine Heilung zu erlangen. Erst im nächsten Vers lernt er den kennen, der das Gesetz beiseitesetzt.

Weder dieser Kranke noch irgendeiner von den übrigen Kranken erkannten den Herrn Jesus, den Heiland der Welt, sie alle waren blind für den, der Heil und Leben zu geben gekommen war. Sie hofften auf Heilung, aber sahen den eigentli-chen Arzt nicht. Der Kranke wusste nicht, mit wem er es zu tun hatte (Vers 13); deshalb konnte er auch nicht bitten, dass der Herr ihn gesund machen sollte.

Dieser Kranke hatte keinen Menschen, der nach ihm fragte. Wie oft ist das auch heute der Fall, dass wir diese Klagen unter uns hören – aber Einen gibt es, Dem an jedem Einzelnen von uns liegt (1. Pet 5,7).

„Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett auf und geh umher. Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett auf und ging umher. Es war aber an jenem Tag Sabbat“ (Vers 8+9)

Der Herr Jesus ist größer als die Engel. Er muss nicht auf den Engel warten, um zu heilen, Er muss auch den Hilflosen nicht in das Wasser werfen – Er spricht ein Wort und der Kranke ist gesund. Eine ganz unspektakuläre Handlung, ganz anders als die angeblichen Wunderheilungen mit ihren großartigen Zeremonien.

Der Herr belohnt sofort den Glauben dieses Mannes. Es war ja Glaube nötig, nach 38 Jahren Hilflosigkeit nur auf ein Wort hin aufzustehen. Und er kann aufstehen und sein Bett aufnehmen. Das, was bis dahin das Zeichen seiner Kraftlo-sigkeit gewesen ist, wird jetzt zum Beweis seiner Kraft. Aufstehen und Umhergehen, eine Stellung einnehmen und ei-nen Wandel führen, das sind die christlichen Wahrheiten, die uns einerseits Paulus und andererseits Petrus vorstellen.

Bei der Heilung des Gelähmten in Mk 2,1 ff. finden wir auch genau diese drei Aufforderungen des Herrn wie hier bei dem Kranken: „Steh auf, nimm dein Bett auf und geh umher“ (Vers 9+11). In den Worten „Steh auf“ liegt die Rettung für den Kranken. Es ist auffallend, dass gerade diese Worte in all den Wiederholungen (Vers 9, 11+12) nicht mehr er-wähnt werden.

In geistlicher Bedeutung ist das die Aufforderung, Buße zu tun, denn der Herr rettet niemanden durch ein Wunder, der nicht Buße getan hat. Dieser Mensch stand in diesem Moment unter der Verantwortung, den Worten des Herrn zu fol-gen und auch tatsächlich aufzustehen. Und nur so konnte er das, woran er gebunden war, aufnehmen; und durch sein Umhergehen wurde sichtbar, dass mit ihm eine Veränderung stattgefunden hatte. Ist diese Veränderung auch in unserem Leben sichtbar?

In Jes 35,5+6 finden wir eine Beschreibung des zukünftigen 1000-jährigen Reiches, aber wir sehen hier, dass es schon während des Lebens des Herr Jesus als Mensch und Seines Dienstes in Gnade hier in dieser Welt eine gewisse Vorerfül-lung dieser wunderbaren Segenszeit gegeben hat. Und das einem Volk gegenüber in seinem Zustand der völligen Kraft-losigkeit.

Bei dem Bett des Geheilten handelt es sich nicht um ein sperriges Möbelstück aus Holz, sondern um eine Matte, wie sie arme Leute zum Schlafen nutzten. Die sollte der Mensch aufnehmen und umhergehen. Die Zeitform für das Umher-gehen beschreibt ein andauerndes Umhergehen.

„Die Juden nun sagten zu dem Geheilten: Es ist Sabbat, und es ist dir nicht erlaubt, dein Bett zu tragen.“ (Vers 10)

Jetzt kommen die Anhänger der jüdischen Religion, die gesehen haben, dass das Gesetz den Menschen nicht heilen konnte; und als sie ihn geheilt sehen, sagen sie ihm, dass er sein Bett gar nicht am Sabbat tragen dürfe. Weiter von Gott entfernt kann man kaum sein! Gefangen in einem System, das für das Fleisch immer noch etwas zu bieten hat, das aber keinen Schritt näher zum Herrn bringt.

Was Gott zum Segen des Menschen gegeben hatte, wurde in dieser Zeit zur Knechtung der Menschen benutzt. Bis heute ist das so im Judentum, es darf überhaupt nichts am Sabbat getan werden. Und das Erschütternde ist, dass in der heuti-gen Christenheit auch unter wahren Gläubigen Menschen auftreten, die sagen, dass man das Gesetz halten müsse. Sie sehen die Ausschweifung in der Christenheit (Judas 4), wo z.B. der Sonntag als der erste Tag der Woche von vielen Menschen entheiligt wird, indem sie „des Herrn Tag“ zu einem gewöhnlichen Arbeitstag machen wollen. Deshalb mei-nen sie, dieser Entheiligung müsste man mit dem Gesetz begegnen. Es ist eine ganz moderne Entwicklung unter wah-ren Gläubigen, dass sie deshalb die Grundsätze des Sabbats auf den Sonntag übertragen. Wir sehen hier deutlich, dass die Neigung des Fleisches, wenn sie nicht zur Ausschweifung führt, zur Gesetzlichkeit führt. Aber Gesetzlichkeit ist genauso Fleisch, es ist die Haltung der Pharisäer, des frommen Fleisches, das sich statt in Ausschweifung in religiösem Extremismus ergeht. Eigentlich besteht ein Unterschied nur darin, dass man Ausschweifung sofort wahrnimmt, wäh-rend Gesetzlichkeit auch als scheinbare Ernsthaftigkeit wahrgenommen werden kann. Es ist eine gewisse Gefahr, dass die Sünde der Gesetzlichkeit nicht so schnell erkannt wird.

Wenn die Juden so sehr darauf bestanden, dass der Sabbat eingehalten werden sollte (2. Mo 31,16; Hes 20,12), dann wollten sie wohl damit ausdrücken, dass ihre Beziehung zu Gott in Ordnung sei, dass sie das göttliche Gesetz befolgten und darin ihre Treue bewiesen. Doch die Evangelien berichten von mindestens sieben Wundern, die der Herr Jesus aus-drücklich an einem Sabbat getan hat; dadurch machte Er deutlich, wie leer das ganze jüdische System war. Fünf dieser Wunder waren öffentliche Heilungen (Lk 6,6–11; 13,10–17; 14,1–6; Joh 5,1–9; 9,1–17); eines war eine Dämonen-Austreibung (Lk 4,31–37), und eines war die Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mk 1,29–31). Bei allen fünf öf-fentlichen Wunderheilungen hat der Herr Jesus die Initiative ergriffen, die Menschen hatten nicht gewagt, Ihn an einem Sabbat um Heilung zu bitten. Aber immer gab es Widerstand und Unwillen der Juden wegen dieser Heilungen.

Es ist sehr wichtig, dass wir festhalten, dass der Herr Jesus diesen Geheilten nicht aufgefordert hat, den Sabbat zu bre-chen. Der Herr Jesus war ein treuer Jude und hat immer das Gesetz in jeder Hinsicht erfüllt und nie eine Anweisung ge-geben, den Sabbat zu brechen. Die Juden hatten sich viele Zusätze zu dem Sabbat-Gebot selbst gegeben und auferlegt. Nach Jer 17,21 und Neh 13,15 durften zwar am Sabbat keine Lasten getragen werden, aber dort ging es darum, Handel zu treiben und Waren zu tragen. Das, was hier der Geheilte tat, hatte Gott im Gesetz nie untersagt.

„Er aber antwortete ihnen: Der mich gesund machte, der sagte zu mir: Nimm dein Bett auf und geh umher“. (Vers 11)

Das Wort dessen, der dem Geheilten das Heil gebracht hatte, besaß für ihn Autorität. Die Herrlichkeit des Herrn Jesus hatte sich darin offenbart, dass Er gesund machen konnte, dass Er in göttlicher Gnade handelte.

„Sie fragten Ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir sagte: Nimm dein Bett auf und geh umher. Der Geheilte aber wusste nicht, wer es war; denn Jesus hatte sich zurückgezo-gen, weil eine Volksmenge an dem Ort war?“ (Vers 12+13)

Gerade das, was der Geheilte angenommen hatte, das Wort des Herrn, wollten die gesetzlichen Juden nicht wahrhaben. Sie wollen mit ihrer Frage nicht etwa den Herrn Jesus besser kennenlernen, sondern sie bringen zum Ausdruck, dass sie in Ihm nur einen Menschen sehen. Sie fragen auch nicht danach, wer ihn gesund gemacht hatte, was doch das Normals-te gewesen wäre. Wenn jemand nach 38 Jahren in einem hilflosen Zustand plötzlich herumläuft, dann will man doch wissen, durch wen das geschehen ist. Der Geheilte wusste wohl um die Rettung, die er erlebt hatte, aber er kannte den Retter noch nicht.

Der Herr Jesus hatte sich zurückgezogen; was für ein Gegensatz zu dem Spektakel, das dort an dem Teich stattfand.

„Danach findet Jesus ihn im Tempel, und er sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund ge-worden; sündige nicht mehr, damit dir nichts Schlimmeres widerfahre.“ (Vers 14)

Der Herr Jesus möchte den Geheilten nicht bei seiner körperlichen Gesundung stehen lassen. Ihm ging es nicht nur um die körperliche Heilung; Er suchte diesen Mann, damit der auch geistlich weitergeführt würde und wächst. Alttesta-mentlich gesprochen fordert der Herr Jesus ihn jetzt auf, in seinem Leben das Fest der ungesäuerten Brote zu praktizie-ren, keinen Sauerteig in seinem Leben zuzulassen.

Diese Worte beinhalten auch eine Warnung, denn der Herr Jesus deutet an, dass ihm Schlimmeres widerfahren würde, wenn er wieder sündigen würde. Das zeigt die gewisse Begrenztheit von dem, was er erlebt hatte. Vor diesem Hinter-grund stellt sich der Herr Jesus dann ab Vers 19 in einer noch weit größeren Herrlichkeit vor, nämlich als Der, der nicht nur heilt, sondern das Leben gibt.

Das Schlimmste, das dem Menschen widerfahren kann, ist, dass er bei der Auferstehung des Gerichts erscheinen muss (Vers 29). Das ist in letzter Konsequenz das, was der Herr Jesus hier andeutet. Krank zu sein, ist schlimm; aber ewig gerichtet zu werden, ist das Schlimmste!

„Der Mensch ging hin und verkündete den Juden, dass es Jesus sei, der ihn gesund gemacht habe.“ (Vers 15)

Der Geheilte zeigt wieder Gehorsam gegenüber dem Wort des Herrn Jesus. Das neue Leben in ihm zeugt freimütig von dem Retter. Er ging hin, und er verkündigte, was er wusste. Er war erfüllt von dem, was mit ihm geschehen war, und wer ihn geheilt hatte. Davon spricht er. Das ist eine gute Motivation für uns: wir sprechen von dem, was mit uns ge-schehen ist; und wir sprechen auch von Dem, der uns geheilt hat.

Er spricht von dem, was er über den Herrn Jesus wusste. Er wusste nicht, dass dieser der Sohn Gottes ist, aber er kann-te Seinen Namen: Jesus – der HERR ist Rettung (Mt 1,21).

„Und darum verfolgten die Juden Jesus und suchten ihn zu töten, weil er dies am Sab-bat tat“. (Vers 16)

Der, der Leben gegeben hatte, sollte getötet werden! Jetzt richtet sich der Widerstand und Hass der Juden nicht mehr gegen den Geheilten, sondern gegen dessen Wohltäter. Hier lehnen sie Ihn ab aufgrund Seiner Werke.

„Jesus aber antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke“. (Vers 17)

Die Ruhe Gottes war durch die Sünde gestört worden. Gott konnte nicht ruhen. Die Gnade Gottes stand nicht still, auch nicht an einem Sabbat. Gott, der Licht und Liebe ist, kann nicht ruhen, wo Sünde und Elend sind. Seine Heilig-keit verlangt, Sünde zu richten; und Seine Liebe drängt Ihn, den Sünder zu retten. Seit Golgatha herrscht Gnade in Ge-rechtigkeit. Und darin sind der Vater und der Herr Jesus als Mensch völlig eins – im Wesen und im Handeln. Dieses Eins-Sein zwischen Sohn und Vater ist dann auch das Thema der Rede des Herrn ab Vers 19.

Gott hat auch schon vor Golgatha in all den Jahrhunderten an den Menschen gewirkt, um sie vor dem zweiten Tode zu bewahren. Schon damals ist den Menschen eine gute Botschaft verkündigt worden (1. Pet 3,19; 4,6). Durch all die Jahrhunderte hatte sich Gott immer mit einer warnenden und heilbringenden Botschaft an die Menschen gewandt. Als dann der Herr Jesus auf die Erde kam, bekam das Wirken Gottes eine ganz neue Dimension (Tit 2,11). Aber auch zu Zeiten des Alten Testaments haben der Vater und der Sohn gewirkt, auch wenn das nicht offenbart war. Von dem Sün-denfall an hat dieses Wirken nie wieder aufgehört.

Aber es ist auch zu beachten, dass der Herr Jesus nicht sagt, dass Gott wirkt, sondern: „Mein Vater wirkt“. Es ist wahr, dass durch den Sündenfall die Ruhe Gottes (s. 1. Mo 2,2) gestört wurde. Aber Gott hat Seinen Plan, einmal Ruhe zu finden in Verbindung mit den Menschen, nicht aufgegeben. Die Anordnung der Feste in 3. Mo 23 mit dem Sabbat gleich zu Beginn zeigt uns, auf welch wunderbare Weise Gott dieses Ziel Seiner Ruhe in Verbindung mit den Men-schen erreichen wird. Dieses Kapitel zeigt die Wege Gottes bis hin zu dem Augenblick, wo tatsächlich diese Ruhe kommen wird – nicht nur für Sein irdisches Volk, sondern auch für die Nationen. Und als Er dann zu wirken beginnt, handelt Er nicht nur in Gerechtigkeit, sondern vor allem in Gnade. Das steht auch in der Regel im Vordergrund, wenn der Herr Jesus in diesem Evangelium von dem Vater spricht. Hätte Gott nur in Gerechtigkeit gehandelt, wären die Men-schen nach dem Sündenfall vernichtet worden. Aber es wird einmal ein Zeitpunkt kommen, da wird dieses Wirken Got-tes ein Ende haben, weil die ewige Ruhe für den Vater und den Sohn anbrechen wird.

Und der Herr Jesus spricht von dem Vater auch als „mein Vater“. Hätte Er von Gott gesprochen, oder von unserem Va-ter, wäre die Betonung nicht so stark gewesen; aber die Juden verstanden ganz genau, was der Herr mit diesem Aus-druck „mein Vater“ sagte. Er macht damit ganz deutlich, dass Er Gott ist.

„Darum nun suchten die Juden noch mehr, ihn zu töten, weil er nicht nur den Sabbat brach, sondern auch Gott seinen eigenen Vater nannte, sich selbst Gott gleichma-chend“. (Vers 18)

Hier finden wir zum ersten Mal, wie das Eins-Sein des Sohnes mit dem Vater betont wird; weitere Stellen sind dann die Verse 21 (Eins-Sein in der Absicht, Leben zu geben) und 23 (Eins-Sein in der Ehrerbietung, die ihnen gebracht wird) – eine Bestätigung von Joh 10,29: „Ich und der Vater sind eins“.

Dies ist der zweite der fadenscheinigen Gründe des Hasses der Juden gegen den Herrn Jesus: erstens hatte Er in ihren Augen den Sabbat gebrochen (Vers 16), obwohl Er das buchstäblich gar nicht getan hatte; und zweitens nannte Er Gott in ihren Augen fälschlicherweise Seinen eigenen Vater. Aber der Herr Jesus nannte nicht nur Gott Seinen eigenen Vater, sondern Gott war und ist Sein eigener Vater. Hier lehnen die Juden Ihn ab aufgrund Seiner Person. Mehrfach noch in diesem Evangelium finden wir diese Ablehnung und den Hass der Juden aufgrund der Tatsache, dass der Herr Jesus von Gott als Seinem Vater spricht (Joh 7,29+30; 8,19+20; 8,54–59; 10,29–31; 10,38+39).