„Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.“ Dreimal zitiert Paulus diesen Vers aus Habakuk 2,4 (wenn man davon ausgeht, dass Paulus der Schreiber auch des Hebräerbriefes ist). Und jedes Mal scheint er einen anderen Schwerpunkt legen zu wollen. Es ist ein schönes Beispiel der Vielseitigkeit des Wortes Gottes und zeigt, dass auch Paulus in der Anwendung eines Bibelverses schon mal über die ursprüngliche Bedeutung hinausgeht.

Im Römerbrief ist das große Thema die Rechtfertigung aus Glauben. Nur auf dem Grundsatz des Glaubens kann man vor Gott gerecht werden. „Der Gerechte“, so könnte man in Römer 1,17 betonen, „wird aus Glauben leben.“ Der Gerechte ist nur deshalb gerecht, weil er auf der Grundlage des Glaubens zu Gott gekommen ist.

Im Galaterbrief bekämpft Paulus die Gefahr, das Gesetz als Grundlage des Heils und als Lebensregel für den Christen wieder einzuführen. Paulus zeigt, dass das Gesetz für diesen Zweck völlig untauglich ist. Nur aus Glauben kann man gerechtfertigt werden, und nur der Glaube kann die Grundlage eines Gott wohlgefälligen Lebens sein. Deshalb könnte man in Galater 3,11 betonen: „Der Gerechte wird aus Glauben leben.“

Im Hebräerbrief schließlich hat Paulus es mit Briefempfängern zu tun, die durch äußeren Druck und Verfolgung in ihrem Glaubensvertrauen erschüttert waren und nun zum Judentum zurückkehren wollten. Sie wollten die besseren, himmlischen Dinge, die aber nur im Glauben erfasst werden können, aufgeben zugunsten der sichtbaren, irdischen Dinge. Paulus lenkt in Hebräer 11 ihre Blicke auf die großen Glaubensmänner des Alten Testaments, die ein Leben des Glaubens führten, indem sie von Dingen überzeugt waren, „die man nicht sieht“. Nur das Vertrauen auf Gott, „hinschauend auf Jesus“, würde den Hebräern das nötige Ausharren im Wettlauf geben und sie vor dem Einknicken bewahren. Den Ansporn zu einem solchen Glaubensleben leitet Paulus mit dem Zitat aus Habakuk ein, und so könnte man in Hebräer 10,38 betonen: „Der Gerechte wird aus Glauben leben.“

Nur in Hebräer 10 haben wir die ursprüngliche Bedeutung dieses Verses, denn Habakuk denkt bei diesen Worten daran, dass der Gerechte die Kraft für ein Gott geweihtes Leben nur aus dem täglichen Vertrauen auf Gott schöpfen kann.