Es wird allgemein angenommen, dass zwischen Glauben und Werken eine tödliche Feindschaft herrscht; so sehr, dass eine Versöhnung unmöglich ist. Das ist alles andere als wahr. Viele Missverständnisse aber haben ein Körnchen Wahrheit in sich, und so ist es auch hier. Es ist vollständig wahr, dass die weit verbreitete Lehre von der Errettung aufgrund menschlicher Verdienste durch irgendwelche Werke der biblischen Wahrheit von der Rechtfertigung aus Glauben komplett entgegen ist und widerspricht. Und doch sprechen die Schriften von guten Werken – aber diese Werke sind von einer ganz anderen Art und stimmen völlig mit dem Glauben überein; sie stehen in demselben Verhältnis zu ihm wie die Früchte und Blätter eines Baumes zu dem Saft, der durch seinen Stamm und seine Zweige fließt.

Wenn wir unsere Bibel in Kolosser 1,21 öffnen, finden wir dort den Ausdruck „böse Werke“. Diese müssen wir nicht näher erklären. Sie sind der widerliche Ausdruck der gefallenen und verdorbenen Natur der Kinder Adams: schlechte Früchte eines schlechten Baumes.

In Hebräer 9,14 lesen wir die Worte „tote Werke“. Dies sind Werke, die mit dem Ziel ausgeführt werden, Leben und Segen zu erhalten, zum Beispiel die fleißige Beobachtung religiöser Pflichten und Formen. Diese sind menschliche „Ungerechtigkeiten“, die in Gottes Augen nur ein „unflätiges Kleid“ darstellen (Jesaja 64,5). Sie sind Früchte eines schlechten Baumes, den man versucht hat zu veredeln. Trotzdem sind sie schlechte Früchte, denn niemals können Trauben aus Dornen und Feigen aus Disteln hervorgehen.

In Titus 2,7.14 lesen wir von „guten Werken“, und sie werden Christen wärmstens empfohlen. Sie sind die Früchte des neuen Lebens und der Natur, an der der Christ teilnimmt, die vom Glauben genährt wird, und dessen Kraft der Geist Gottes ist. Dies sind gute Früchte, die auf guten Bäumen wachsen.

In Römer 3, 4 und 5 finden wir, dass Rechtfertigung vor Gott allein auf dem Grundsatz des Glaubens möglich ist. Ein Vers mag als Beweis genügen: „Wir urteilen, dass ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke“ (Römer 3,28).

Im 2. Kapitel des Jakobusbriefes finden wir mit derselben Klarheit, dass Rechtfertigung – als eine öffentliche Sache in dieser Welt vor Menschen – nicht allein oder hauptsächlich durch Glauben geschieht, sondern durch Werke. Wieder genügt ein Vers dafür: „Ihr seht also, dass ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein“ (Jakobus 2,24).

Beachte sorgfältig den Zusammenhang dieser beiden Abschnitte, und dann wirst du einen verblüffenden Beweis der Übereinstimmung finden zwischen Glauben und Werken. Sowohl Paulus im Römerbrief als auch Jakobus in seinem Brief führen Abraham als das große alttestamentliche Beispiel an für ihre Aussagen. In dem Leben dieses bemerkenswerten Mannes, der von Gott berufen war, der Vater aller zu werden, „die glauben“ (Römer 4,11), sehen wir den Glauben als eine lebendige Wirklichkeit zwischen seiner Seele und Gott. Als er den Sternenhimmel anschaute, glaubte er Gott und nahm das als sicher an, was menschlich unmöglich war, und „es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“. Wir sehen bei ihm auch ein großes Werk des Glaubens, als er Jahre später in einfältigem Gehorsam zu dem Berg Morija zog, um Isaak zu opfern, auf dem die Verheißungen ruhten. Er glaubte Gott als einem Gott, der Tote auferweckt. Diese öffentliche Handlung bewies es vor allen Menschen. Es war der äußerliche Beweis seines innerlichen Glaubens.

Das Erste finden wir in 1. Mose 15, und darauf bezieht sich Paulus in Römer 4. Das Zweite wird in 1. Mose 22 berichtet, und darauf bezieht sich Jakobus.

Es ist wie in der Geschichte, die von zwei Männern erzählt, und der eine ist in einem hohlen Ball, und der andere außerhalb davon. Der eine sagt, er sei konkav, der zweite behauptet, er sei konvex. Paulus gibt uns den inneren Blick und ruft aus: „aus Glauben“. Jakobus sieht die Dinge von außen und sagt: „aus Werken“. Allerdings widersprechen sie sich nicht, wie es die Männer in der Geschichte taten.

Wenden wir uns nun einigen Fragen zu.

Was ist Glauben?

Man könnte nun sehr tiefschürfende Definitionen geben, aber sie würden nicht so zufriedenstellen wie die Antwort eines kleinen Kindes auf diese Frage. Es sagte einfach „Glauben, was Gott sagt, weil Gott es sagt.“

Der Glaube ist wie ein Fenster. Er lässt das Licht hinein. Die Sonne scheint; und sie scheint auf die Mauer von außen, aber sie scheint hinein durch das Fenster. Es wird nichts hinzugefügt, sondern ihre Strahlen erleuchten den ansonsten dunklen Raum. Gott zu glauben wie Abraham lässt das göttliche Licht in die Seele hineinströmen.

Aber Glauben ist mehr. Es bedeutet nicht nur, Licht zu haben, sondern dem völlig zu vertrauen, den das Licht uns offenbart.

Der Missionar Dr. Paton auf den neuen Hebriden erzählte einmal, dass er für die Bibelübersetzung lange nach dem Wort für Vertrauen oder Glauben in der Sprache der Eingeborenen suchte. Eines Tages allerdings rief er eine intelligente eingeborene Christin, setzte sich auf einen Stuhl und fragte sie: „Was tue ich?“

„Master, du ruhst dich aus“, sagte die Frau.

Der Doktor hatte dieses Wort schon gehört, es war nicht das, was er suchte, aber er kam auf eine gute Idee.

Er hob beide Füße vom Boden ab und setzte sie auf die Schiene zwischen den Vorderbeinen des Stuhles und fragte: „Was tue ich nun?“

Die Frau sagte: „Master, jetzt ruhst du dich komplett aus, du vertraust“, und verwandte dabei ein Wort, das für den Doktor neu war. Dieses Wort hatte er gesucht!

Glaube bedeutet, Christus völlig zu vertrauen – mit keinem Fuß auf dem Boden.

Wie haben wir es zu verstehen, dass der Glaube des Gläubigen ihn zur Gerechtigkeit gerechnet wird (Römer 4,5)?

Wir sollten diesen Ausdruck nicht mit einer Idee verbinden, als ob ein Handel stattfände; so als ob wir Gott Glauben entgegenbringen und wir im Wechsel dafür Gerechtigkeit erhalten, so wie ein Händler Waren gegen Geld tauscht.

Wir sollten auch nicht die Vorstellung haben von einem chemischen Prozess, so als ob wir unseren Glauben einbringen, der dann in Gerechtigkeit verwandelt wird, so wie in der Sage der Stein des Philosophen alles in Gold verwandelte, was er berührte.

Nein, Abraham ist das große Beispiel für das, was gemeint ist (Römer 4,3). Er und wir auch werden von Gott für gerecht gehalten in Anbetracht unseres Glaubens. Das ist die einfache Bedeutung. Der Glaube bringt alle die rechtfertigenden Verdienste des Blutes Christi hinein als den Grund für diese Gerechtigkeit. Darüber hinaus kann gesagt werden, dass die erste richtige oder gerechte Sache in einem Menschenleben stattfindet, wenn er sich zu Gott als ein Sünder wendet und an den Herrn Jesus glaubt und damit einen Lauf beginnt, der vor Gott recht ist.

Es gibt Verse, die scheinen Werke und Errettung zu verbinden. So zum Beispiel Philipper 2,12. Wie sollen wir sie verstehen?

Wir sollten immer den Zusammenhang beachten. Selbst wenn wir keinen Zusammenhang hätten, könnten wir sicher sein, dass die Worte „bewirkt euer eigenes Heil“ in keinem Widerspruch stehen zu Epheser 2,8.9: „Durch die Gnade seid ihr errettet, mittels des Glaubens … nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.“

Wenn wir den Zusammenhang sehen, so finden wir, dass das Thema des Apostels in Philipper 1 und 2 der praktische Wandel der Gläubigen ist. Es gab viele Widersacher (Philipper 1,28); und die Schwierigkeiten in der Versammlung nahmen zu (Philipper 2,2–4). Paulus selbst, dieser wachsame Hirte, war abwesend (Philipper 2,12). Seine Worte können so umschrieben werden: „Christus Jesus ist euer großes Beispiel. Mit Furcht und Zittern, weil ihr die Schwachheit des Fleisches in euch kennt, bewirkt eure eigene Rettung von den verschiedenen Gefahren, die euch drohen.“ Und damit sie nicht einen Moment lang auf ihre eigenen Fähigkeiten vertrauten, fügt er hinzu: „Denn Gott ist es, der in euch wirkt.“ Durch seinen Geist wirkt er in uns, und wir bewirken dann etwas.

Könnte nicht die Predigt vom „Glauben allein“, ohne gute Werke zu fordern, zu katastrophalen Ergebnissen führen?

In der Tat. Ohne Unterscheidung zu predigen „Glaube nur“ kann Unheil anrichten. Wir können es bestimmt nicht besser machen als die Apostel, deswegen wollen wir uns anschauen, was Paulus getan hat.

Ganz allgemein bezeugte er „Buße zu Gott und Glauben an unseren Herrn Jesus Christus“ (Apostelgeschichte 20,21).

Als er zu dem ängstlichen Gefängnisaufseher in Philippi sprach, in dessen Seele ein Werk der Buße bereits stattfand, da sagte er nur: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden“ (Apostelgeschichte 16,31). Hier war „Glaube nur“ völlig am Platz; gute Werke zu fordern hätte Schlimmes angerichtet. Es wird uns allerdings berichtet, dass ganz kurz nach seiner Bekehrung der Kerkermeister sein erstes gutes Werk tat, als Frucht und Beweis seines Glaubens (Apostelgschichte 16,33). Er tat es nicht, um errettet zu werden, sondern als Ergebnis des Wechsels, den die Gnade in ihm bewirkt hatte.

Paulus sagt uns des Weiteren, dass er verkündigte, „Buße zu tun und sich zu Gott zu bekehren und der Buße würdige Werke zu vollbringen“ (Apostelgeschichte 26,20). Das ist sehr nötig. Wenn ein Mensch bekennt, dass er Buße getan hat, tun wir gut daran, abzuwarten, dass ein Wechsel in seinem täglichen Leben sichtbar wird, bevor wir sein Bekenntnis akzeptieren. Aber das hat nichts damit zu tun, gute Werke als ein Hilfsmittel zu unserer Rechtfertigung zu predigen.

Nicht nur lesen wir von „toten Werken“ im Hebräerbrief, sondern auch von einem „toten Glauben“ in Jakobus 2,17. Was bedeutet das Letztere?

Damit ist menschlicher Glaube, reiner Kopfglaube gemeint und nicht der lebendige Glaube, der aus Gott entspringt. Dämonen haben diesen Glauben, wie die folgenden Verse zeigen. Oberflächlich gesehen sieht es nach echtem Glauben aus, aber bei näherer Untersuchung erweist er sich als gefälscht. Er hat keine Werke. Es ist ein fruchtleerer Baum, der nur Blätter hat.

Die Schrift gibt uns Beispiele eines solchen toten Glaubens. Lies Johannes 2,23–25 und vergleiche damit Johannes 6,66–71. Lebendiger Glaube wurde dort bei Simon Petrus gesehen; toter Glaube in den vielen Jüngern, die Jesus verließen, während Judas Iskariot uns einen Mann zeigt mit viel Bekenntnis und überhaupt keinem Glauben!

Viele bekennenden Christen zeigen wenig oder nichts von guten Werken. Was sollen wir davon halten?

Wer außer Gott kann uns das sagen? Gute Werke entsprechen nicht so sehr dem Uhrwerk als den Zeigern einer Uhr, die das Ergebnis der inneren Aktivität deutlich machen. Glaube ist die Quelle einer solchen Aktivität. Möglicherweise sind solche Leute bloße Bekenner, wie bei einer Spielzeuguhr, auf die Zeiger aufgemalt sind, ohne dass es ein Uhrwerk gibt. Oder es kann sein, dass innerlich etwas schiefgelaufen ist; sie sind wahre Christen, aber in einem schlechten und fleischlichen Zustand, so wie Petrus von einem Menschen spricht: „Der ist blind und kurzsichtig und hat die Reinigung von seinen früheren Sünden vergessen“ (2. Petrus 1,9).

Auf jeden Fall gilt der Grundsatz: „An der Frucht wird der Baum erkannt“ (Matthäus 12,33). Auch wenn wir uns daran erinnern, dass der Christ quasi die Bibel für die Welt ist, können wir gut verstehen, dass auf die Wichtigkeit guter Werke Wert gelegt wird (siehe Epheser 2,10; 1. Petrus 2,9–12; Titus 2).

Welchen Einfluss haben die guten Werke des Gläubigen auf seinen Platz im Himmel?

Überhaupt keinen. Er hat allein auf der Grundlage des Werkes Christi einen Platz im Himmel. Der Vater „hat uns fähig gemacht zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht“ (Kolosser 1,12). Damit haben unsere Werke überhaupt nichts zu tun. Alles ist aus Gnade. Es gibt nur ein Anrecht auf einen Platz im Himmel, und dieses hat jeder wahre Christ.

Unsere Werke werden allerdings starken Einfluss haben auf unseren Platz im Reich unseres Herrn Jesus Christus, wie uns das in den bekannten Gleichnissen von den Talenten (Matthäus 25) und den Pfunden (Lukas 19) gezeigt wird. Dasselbe wird auch klar gelehrt in 2. Petrus 1,5–11. Dort sagt Petrus, nachdem er die Gläubigen aufgefordert hat, die geistlichen Kennzeichen und Werke überströmend auszuleben: „So wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heiland Jesus Christus.“

Die Art und Weise unseres Eingangs dort hängt von unseren Werken ab.

[F.B. Hole aus Outlines of Truth]