Als Gott dem Volk anordnete, ein Lamm auszusuchen, musste dieses drei Bedingungen entsprechen: Erstens sollte es ein Lamm „ohne Fehl“ sein, d.h., es sollte nicht blind oder lahm oder dergleichen sein. Zweitens sollte es ein männliches und drittens ein einjähriges Lamm sein.

Vor allem dürfen wir hier an Christus denken. Denn all diese Eigenschaften zeichnen uns ein Bild von Christus. Keiner war mehr geeignet, uns von einer Knechtschaft zu erlösen, die viel schlimmer als die der Ägypter war. Die Eigenschaften, die physisch auf das Lamm zutreffen sollen, treffen moralisch gesehen auf Christus zu.

Wenn das Lamm ein männliches sein sollte, so redet dies von Kraft, Ausdauer und Energie. Hierbei können wir noch beachten, dass die Israeliten zwischen einen Lamm von den Schafen und einem von den Ziegen auswählen duften. Das Schaf, das unbedingt einen Hirten braucht, redet vor allem von der Bereitschaft des Herrn, den Willen seines Gottes und Vaters auszuführen. Das galt während seines Lebens (Joh 5,30; 6,38) als auch im Hinblick auf seinen Tod (Mt 26,42). Die Ziege, ein eher eigenständiges Tier, spricht, wie auch das Merkmal der Männlichkeit, von der Kraft, Ausdauer und Energie, in der er hier auf der Erde gelebt und das Werk auf Golgatha ausgeführt hat. Mochte auch das Unverständnis und der Widerstand zunehmen, er blieb fest entschlossen auf dem Weg. Er, der alles wusste, was über ihn kommen sollte, ließ sich von nichts abbringen. Weder die Umstände noch die Menschen zwangen den Herrn, seinen Weg zu gehen, sondern er selbst war der Aktive (vgl. Lk 9,51; Joh 18,4.19,5.17.18; Mt 26,53.54)!

Wenn das Lamm ein einjähriges sein sollte, so war es noch recht jung und zart, wenn auch ausgewachsen. Es war kein Lamm, das kurz vor dem Tod wegen Altersschwäche stand. Dieses Lamm stand in der ganzen Frische seines Lebens. Zum einen dürfen wir daran denken, dass der Herr Jesus auch noch recht jung war, als er starb. Prophetisch hören wir ihn bitten: „Mein Gott, nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Tage“ (Ps 102,25). Als der Herr dann schließlich am Kreuz starb, geschah dies auch nicht aus Schwäche, nicht, weil organisches Versagen nun zum Tod führte. Nein, der Herr starb einzig und allein, weil er sein Leben gab (vgl. Joh 10,17.18; 19,30). Wieder sehen wir: Er ist der Aktive!

Zudem wollen wir an die Zartheit der Empfindungen Christi denken. Treu hielt er den Spott, Hohn und Schmähungen der Menschen aus, die selbst am Kreuz nicht aufhörten. Als jemand, der Gott verherrlichen wollte, traf ihn das auch in der Hinsicht, weil Gott dadurch verunehrt wurde. „Die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen“ (Ps 69,10). Aber auch den Leiden der Menschen gegenüber war sein Empfinden vollkommen. Als er ihre Leiden getragen und ihre Schmerzen auf sich genommen hat (vgl. Jes 53,4), da hat er auch das vollkommen empfunden. Und dies nicht nur in erster Linie der Leiden an sich wegen, sondern auch vor allem deswegen, weil diese Leiden prinzipiell eine Konsequenz der Sünde waren.

Mehr als alles andere darf uns der Punkt bewegen, dass es ein Lamm „ohne Fehl“ war. Petrus geht bekannterweise in seinem ersten Brief in seiner Beschreibung des Herrn noch weiter und beschreibt ihn als ein „Lamm ohne Fehl und ohne Flecken“ (1. Pet 1,19). Der Herr hatte weder direkt noch indirekt etwas mit Sünde zu tun. Wenn wir die moralische Herrlichkeit seiner Person betrachten, so müssen wir jeden Gedanken an Sünde ausschließen. Er tat keine Sünde (1. Pet 2,22), er kannte keine Sünde (2. Kor 5,21), und, und das geht am weitesten, in ihm war keine Sünde (1. Joh 3,5). Damit besaß der Herr Jesus noch nicht einmal die Fähigkeit, sündigen zu können. Das ist leider das traurige Merkmal einer gefallenen Menschheit. Er aber, der Heilige, durch den Heiligen gezeugt, hatte keine Sünde in sich und konnte somit nicht sündigen. Das schmälert in keiner Weise die Herrlichkeit seines tadellosen, sündlosen Lebens, sondern unterstreicht die Größe seiner Person. Denn nur ein sündloser Christus konnte das Sühnungswerk vollbringen und stellvertretend in das Gericht Gottes gehen.

Hebräer 2,14 sagt uns: „Weil die Kinder nun Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er in gleicher Weise daran teilgenommen.“ Der Herr wurde wahrer Mensch wie wir, hat sich „wegen der Leiden des Todes erniedrigt“ (Heb 2,9). Aber der Schreiber des Hebräerbriefes macht hier eine Einschränkung. Er wurde eben nicht hundertprozentig wie wir Mensch, sondern eben nur in gleicher bzw. nahekommender Weise. Wir haben Hunger und Durst, benötigen Schlaf, und der Herr kannte das auch. Auch die Versuchungen von außen kannte er, denn er wurde in allem versucht in gleicher Weise wie wir (Heb 4,15). Aber dann wird sofort hinzugefügt: „ausgenommen die Sünde“. Von innen heraus, durch das Fleisch, durch die Sünde, wurde der Herr eben nicht versucht. Warum nicht? Weil „Sünde nicht in ihm ist“ (vgl. 1. Joh 3,5). Daher schreibt der Schreiber des Hebräerbriefes auch, dass der Herr nur in nahekommender Weise an unserer Stellung teilgenommen hat. Aber mit unserem gefallenen, sündigen Zustand hatte er nichts zu tun.

Daher lesen wir dann auch in 2. Korinther 5,21: „Den, der Sünde nicht kannte, hat er zur Sünde gemacht.“ Tatsächlich, dort am Kreuz wurde der Heilige zur Sünde gemacht, so, als ob Er der Ursprung aller Sünde sei. Und Gott ist genauso richterlich mit ihm umgegangen. Aber er konnte eben nur deshalb dazu „gemacht“ werden, weil er es von Natur aus nicht war, und Gottes heilige Maßstäbe konnten nichts Geringeres fordern als ein absolut sündloses Opfer.

Wenn wir noch einmal auf das zarte Empfinden des Herrn zurückkommen: Was für Leiden muss der Herr schon in seinem Leben in einer von Sünde charakterisierten Welt empfunden haben! Wie viel mehr am Kreuz, als er deine und meine Sünden auf sich nahm (sofern wir ihn im Glauben aufgenommen haben) und so vor Gott erschien, Er, der über Sünde genauso empfand und dachte wie der Richter selbst!

Möge der Herr es schenken, dass die Vollkommenheit seiner Person mehr vor uns steht!