Da nahm Rizpa, die Tochter Ajas, Sacktuch und breitete es sich aus auf dem Felsen, vom Anfang der Ernte an, bis das Wasser vom Himmel über die Gehängten troff; und sie ließ die Vögel des Himmels nicht auf ihnen ruhen bei Tag noch die Tiere des Feldes bei Nacht (2. Sam 21,10).

Wenn die Liebe einer Frau für ihre erschlagenen Söhne dazu führte, dass sie ihre Trauer um solch eine lange Zeit verlängerte, sollten wir dann ermüden die Leiden unseres gesegneten Herrn zu betrachten? So wie sie die Beutevögel vertrieb, sollten auch wir weltliche und sündige Gedanken verjagen, die sowohl unser Sinnen als auch die heiligen Themen beschmutzen, mit denen wir beschäftigt sind. Weg mit euch, ihr Vögel! Lasst das Opfer in Ruhe!

Rizpa ertrug die Hitze des Sommers, den Tau der Nacht und den Regen – ungeschützt und alleine. Der Schlaf entfloh ihren weinenden Augen: Ihr Herz war zu voll, um zu schlummern. Seht euch an, wie sie ihre Kinder liebte! Sollte Rizpa in solch einer Weise ausharren und wir bei der ersten kleinen Unannehmlichkeit oder Versuchung weglaufen? Sind wir solche Feiglinge, dass wir es nicht ertragen können, bei oder für unseren Herrn zu leiden? Sie vertrieb sogar die wilden Tiere mit einem Mut, der für eine Frau ungewöhnlich ist, und sollten wir nicht bereit sein, jedem Feind um Jesu Willen entgegenzutreten? Ihre Kinder wurden durch fremde Hände und nicht durch ihre eigenen erschlagen. Was sollten wir dann erst tun, die wir durch unsere Sünden unseren Herrn ans Kreuz gebracht haben? Unsere Schuldigkeiten sind grenzenlos, unsere Liebe sollte brennend und unsere Buße völlig sein. Mit Jesus zu wachen sollte unsere Aufgabe, seine Ehre zu bewahren unsere Beschäftigung, bei seinem Kreuz zu bleiben unser Trost sein. Diese grässlichen Leichname mögen abschreckend auf Rizpa gewirkt haben, besonders nachts. In unserem Herrn dagegen, an dessen Kreuzesfuß wir sitzen, sehen wir nichts Widerliches, sondern ausschließlich Anziehendes. Nie gab es etwas Schöneres als den sterbenden Retter.

Herr Jesus, wir möchten noch eine Weile bei dir wachen; offenbare dich uns noch mehr in deiner Gnade. Dann werden wir nicht mit Sacktuch dasitzen, sondern in einem königlichen Zelt.

[Übersetzt aus: Daily Readings]

Ergänzende Gedanken der Übersetzer:

Die beiden Söhne Rizpas starben stellvertretend für die Sünde eines anderen (Saul, vgl. 2. Sam 21,1–9). Vermutlich waren sie persönlich nicht an der Tat beteiligt. Darin ähneln sie dem Herrn, der unser Stellvertreter geworden ist. Nach 2. Samuel 21,6 sollten sie an einen Pfahl gehängt werden (siehe Anmerkung). Auch dies erinnert an den Herrn Jesus, an den an ein Holz Gehängten (vgl. Gal 3,13). Es wird David berichtet, was Rizpa getan hat, und so nimmt auch heute Gott davon Kenntnis, wenn wir treu über das Gedächtnis unseres Herrn wachen. Die Mutter der fünf übrigen Gehängten beteiligte sich im Gegensatz zu Rizpa nicht an der Wache. Wem der beiden wir gleichen – diese Entscheidung treffen wir.