Nachfolgend einige Gedanken zu dem Gesetz Moses, die nicht den Anspruch erheben, dieses komplexe Thema abzudecken.

Die Einheit des Gesetzes 

Das Gesetz besteht aus drei Elementen: das moralische Element, das zeremonielle Element und das zivile Element.[1] Dennoch bildet das Gesetz eine Einheit. Das machen unter anderem folgende Bibelstellen deutlich: Jakobus 2,10 und Galanter 5,3. Interessanterweise wird das Wort „Gesetz“ im Neuen Testament grundsätzlich in der Einzahl gebraucht. Es gibt nur zwei Ausnahmen in Hebräer 8,10 und 10,16, wo aus der Septuaginta zitiert wird.

Die Kraftlosigkeit des Gesetzes 

Das Gesetz ist heilig, gerecht und gut (Röm 7,12). Der Apostel Paulus, der das Gesetz liebte und von Jugend an beachten wollte, bezeugte dennoch deutlich, dass niemand durch das Gesetz gerechtferigt werden kann (Röm 3,28). Das Gesetz ist kraftlos – weil der Mensch es nicht halten kann (Röm 8,3). Das Gesetz rettet nicht von der Sünde, sondern es gibt Erkenntnis der Sünde (Röm 3,20).

Der Zweck des Gesetzes

Das Gesetz wurde den Übertretungen wegen hinzugefügt (Gal 3,19). Das Wort „hinzufügen“ macht schon klar, dass das Gesetz weder der erste noch der letzte Gedanke Gottes in Verbindung mit dem sündigen Menschen ist. Durch das Gesetz wurden die bösen Taten der Menschen zu Übertretungen – so wurde der verlorene Zustand und die Rebellion offenbarer. Durch das Gesetz bekommt der Mensch die volle Erkenntnis der Sünde, was den stolzen Mund verschließt (Röm 3,19.20). Das Gesetz macht auch das Böse im Menschen offenbar, die in uns wohnende Sünde und ihre Macht (Röm 7). Ferner fungierte das Gesetz wie ein Schulmeister und hielt den Menschen auch vom Bösen zurück (Gal 3).[2]

Der Geltungsbereich des Gesetzes

Das Gesetz war formell nur dem Volk Israel gegeben. Das Gesetz steht in Verbindung mit dem Bund, den Gott mit seinem irdischen Volk geschlossen hat (2. Mo 24,7; 5. Mo 9,9). Die Beschnittenen stehen unter Gesetz und werden auch durchs Gesetz gerichtet (Gal 5,3; Röm 3,19; 2,12). Jerusalem und die Juden waren zur Zeit der Abfassung des Galaterbriefes unter der Herrschaft des Gesetzes (Gal 4,25).[3]

Christus unter Gesetz

Christus wurde unter Gesetz geboren (Gal 4,4). Er wurde am achten Tag nach dem Gesetz beschnitten (Lk 2). Er war gekommen, das Gesetz zu erfüllen (Mt 5,17). Er aß das Passah nach der Vorschrift (Lk 22,8) und hielt andere dazu an, die Gebote des Gesetzes zu beachten (Mt 8,4).

Christen nicht unter Gesetz

Unter dem Gesetz zu stehen bedeutet, den Geboten und den Strafen des Gesetzes unterworfen zu sein. Trifft das auf Christen zu? Nein. Das Gesetz ist gegen uns (Kol 2,14); es ist der „Dienst des Todes“ (2. Kor 3,7); es bewirkt Zorn (Röm 4,15); es steht im Gegensatz zum Glauben (Gal 3,12); es ist ein Joch, das man nicht tragen kann (Apg 15,10). Römer 6,14 sagt ausdrücklich, dass Christen nicht unter Gesetz sind. Wir sind mit Christus gestorben und somit außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes.

Etliche Christen meinen, die Kinder Gottes würden nur unter einem Teil des Gesetzes stehen und/oder von den Flüchen des Gesetzes befreit sein, aber nicht von den Forderungen des Gesetzes. Das ist aber unmöglich. Denn entweder man ist unter dem ganzen Gesetz oder man ist nicht unter dem Gesetz, denn das Gesetz bildet eine Einheit. Außerdem muss man gut bedenken: Wenn man sich unter das Gesetz stellt, dann steht man auch unter dem Fluch des Gesetzes (Gal 3,10). Das Gesetz ohne den Fluch haben zu wollen, geht nicht, und so würde man auch den Charakter und die Wirkung des Gesetzes vernichten (denn wer beachtet schon ein Gesetz, das nicht mit Strafen verknüpft ist?).[4]

Das Gesetz, das auf Werkgerechtigkeit basiert, als Lebensregel ist verschwunden, aber es bleibt in dem Sinn bestehen, dass es etwas von den Gedanken Gottes zeigt und etwas von der Herrlichkeit des Herrn, und zwar in den Vorbildern! Das Gesetz gehört ja zu dem Wort Gottes und das ist nützlich zur Lehre und Unterweisung. Aber Christen haben nicht das Gesetz als Lebensregel.


Fußnoten:

  1. Wir finden alle drei Elemente in der Bergpredigt: zeremoniell: Mt 5,23.24; zivil: Mt 5,21; moralisch: Mt 5,27.
  2. Hier mag man sich die Frage stellen, ob das Gesetz das Böse zurückhält oder doch eher fördert (Röm 7,7). Nun, innerlich stachelt sie den Menschen tatsächlich an zu rebellieren, aber die Strafe des Gesetzes übt sich oftmals äußerlich mäßigend auf den Sünder aus. Insofern stehen beide Gedanken nicht im Widerspruch zueinander.
  3. Das Zeitalter des Gesetzes ist zu Ende gekommen. Das Gesetz ist aber deshalb nicht verschwunden oder seiner Wirkung beraubt. Wer sich unter das Gesetz stellt, ist in Knechtschaft und unter dem Fluch, auch heute. Dabei können solche, die aus den Nationen sind, jedoch nicht formal unter Gesetz stehen, sondern nur moralisch.
  4. Wenn man nur die moralischen Forderungen des Gesetzes nimmt, aber die zeremoniellen Vorschriften außen vor lassen will, dann schiebt man übrigens ein Stück weit die Gnade beiseite, die sich in dem Gesetz gezeigt hat (denn das Gesetz gab Opfer für Verfehlungen – obgleich die Opfer natürlich nichts zur Vollkommenheit gebracht haben). Das Gesetz verurteilt nicht nur, sondern weist immer wieder auf die Gnade Gottes hin, die sich in den Opfern zeigte. Wer sich unter die moralischen Gebote stellen will, wird in seinem Gewissen die Verteilung Gottes scharf empfinden und ins Elend geführt werden.