„Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist; wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben in Ewigkeit. Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt“ Vers 51

Dieser Vers ist eine gewisse Einleitung in das Thema, was dann in den folgenden Worten des Herrn ausgeführt wird. Hier zeigt Er zwei Wahrheiten in Bezug auf Ihn als das lebendige Brot
• Er ist Mensch geworden; Er ist als Mensch aus dem Himmel herabgekommen
• Er ist am Kreuz gestorben; Er hat Sein Fleisch gegeben, sich selbst als Mensch in den Tod gegeben

Der Ausdruck mein Fleisch erinnert an Joh 1,14, das ewige Wort wurde Fleisch. Er wurde nicht Person, das war Er vorher auch schon bei Gott gewesen. Aber Er wurde Mensch auf der Erde (Heb 2,14) nach Geist, Seele und Leib. Und als Mensch hat Er das Opfer am Kreuz gebracht. Er war Gott, und doch hat Er Seinen menschlichen Leib, Sein Fleisch, hingegeben; die Sünde ist im Fleisch verurteilt worden (Röm 8,3). Der Ausdruck Fleisch ist begrenzter als der Aus-druck Person.

Im Verlauf dieser Unterredung bemerken wir eine Entwicklung in den Worten des Herrn. Zuerst hatte Er ganz allgemein von sich als dem Brot aus dem Himmel gesprochen. Jetzt geht dieses Bild dazu über, dass Er nicht nur dieses Brot ist, sondern dass Er es gibt, und dass dieses Brot Sein Fleisch ist. Und ab Vers 53 wird auf Sein Fleisch und Blut überge-leitet, und das ist dann ganz konkret Sein Werk am Kreuz. Aus dieser Überleitung erkennen wir auch, dass die Men-schwerdung des Herrn allein nicht ausreichte. Der Mensch Gewordene kann nur dann wirklich Nahrung sein, wenn wir verstehen, dass Er zugleich derjenige ist, das in den Tod gegangen ist. Nur in Ihm, in dem Charakter als Gestorbenem, kann es Leben für die Menschen geben. Leben gibt es nur durch Tod (Joh 12,24).

Anders als in Vers 33 haben wir am Ende dieses Verses schon einen Hinweis auf den Sühnungstod des Herrn Jesus. Dort hatten wir in den Worten „der aus dem Himmel herabkommt und der Welt das Leben gibt“ gesehen, dass damit Seine Geburt gemeint ist, Sein Kommen in diese Welt, um allen Menschen der Welt das Leben anzubieten. Und jetzt sehen wir weiter, dass der Herr Jesus an das Kreuz geht, dass Er Sich selbst gegeben hat für das Leben der Welt. Durch Seinen Tod ist Sühnung getan worden zugunsten der ganzen Welt, im Hinblick auf die ganze Welt. Es ist hier nicht der Gedanke der Stellvertretung, sondern der Sühnung. Bis Vers 50 hatten wir allein die Tatsache, dass der Herr Jesus Mensch wurde, jetzt zeigt uns die nächste Entfaltung der Wahrheit, dass Er auch in den Tod gehen musste, das Süh-nungswerk vollbringen musste. Eine dritte Wahrheit finden wir dann in Vers 62, wo von der Himmelfahrt des Herrn gesprochen wird.

Das Angebot des Lebens durch Seinen Tod richtet sich an die ganze Welt. Sein irdisches Volk wollte Ihn nicht haben und lehnte Ihn ab, aber das Herz Gottes öffnet sich nun in Seinem Sohn der ganzen Welt. Die Reichweite dieses Werkes gilt der ganzen Welt; aber nur der, der es für sich persönlich in Anspruch nimmt, wer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit. In Vers 50 ist die Folge des Essens, dass man nicht stirbt (nicht den zweiten Tod stirbt), hier ist die Folge des Essens, dass man lebt in Ewigkeit. In beiden Versen bedeutet das einmalige Essen den Glauben, der zur Errettung führt.

Jeder, der in diesem Sinn Sein Fleisch isst, erkennt an, dass der Tod die Folge und das Urteil über den ersten Men-schen ist. Er schaut auf Christus am Kreuz und erkennt an, dass der Tod notwendig war, dass es keinen anderen Weg gab, um dem Menschen das Leben zu bringen. Und indem er das anerkennt, macht er es sich zu eigen.

„Die Juden nun stritten untereinander und sagten: Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“ (Vers 52)

Hier sehen wir einen weiteren Schritt in der traurigen Entwicklung der Herzenshaltung der Juden. Zunächst hatten sie den Herrn Jesus in einer gewissen abwartenden Neugier gesucht (Vers 24), dann hatten sie über Seine Worte gemurrt (Vers 41), jetzt streiten sie untereinander, weil sie alles auf eine natürliche Ebene beziehen und Ihn deshalb nicht verste-hen.

„Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst“. (Vers 53)

Eigentlich sind diese Worte des Herrn keine Antwort auf die Frage der Juden. Sie hatten gefragt: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“, und Seine Antwort ist: „Es gibt keinen anderen Weg...“. Er beginnt wieder mit einem wahrlich, wahrlich, was die besondere Bedeutung Seiner Worte unterstreicht, und zeigt dann den einzigen Weg, um ewiges Leben zu bekommen.

Essen ist mehr als Schmecken. Im Hebräer-Brief lesen wir von solchen, die die himmlische Gabe geschmeckt hatten, die das gute Wort Gottes und die Wunderwerke des künftigen Zeitalters geschmeckt hatten (Heb 6,4+5). Sie waren un-ter einen gewissen äußerlichen Eindruck von diesen Dingen gekommen, aber sie haben es eben nicht gegessen, nicht in sich aufgenommen, so dass es ein Teil von ihnen werden konnte. Sie hatten den Herrn Jesus nie wirklich im Glauben angenommen.

Hier wird in Form einer doppelten Verneinung die negative Folge des Nicht-Essens vorgestellt. Es ist die Antwort des Herrn auf die Streitfrage der Juden aus Vers 52. Es geht immer noch um dieses einmalige Essen und Trinken bei der Bekehrung. Wer das nicht tut, hat kein Leben in sich selbst, es gibt nur diesen einen Weg, um Leben zu erlangen. Man könnte aus dieser Ausdrucksweise den Schluss ziehen, dass der Gläubige doch ewiges Leben in sich selbst hat. Aber viele andere Stellen des Neuen Testaments zeigen deutlich, dass das Leben wohl in dem Gläubigen ist, aber die Quelle dieses Lebens in Christus ist, nicht in ihm selbst (Kol 3,3; 1. Joh 5,12).

Der Vater hat Leben in sich selbst, und der Sohn als Mensch hat Leben in sich selbst (Joh 5,26). Als Gläubige haben wir ewiges Leben, aber wir besitzen dieses ewige Leben nicht losgelöst von seiner Quelle, sondern in dem Herrn Jesus. Was der Herr hier den Juden sagt, betont, dass sie in ihrem jetzigen Zustand kein Leben in sich haben, und es nur diese eine Möglichkeit für sie gibt, dieses Leben zu bekommen.

Der Herr weitet jetzt wieder das Bild und spricht nicht nur vom Essen Seines Fleisches, sondern auch vom gleichzeiti-gen Trinken Seines Blutes. Das betont noch deutlicher Seinen Tod, und zwar in dessen sühnendem Charakter. Das Fleisch betont dabei mehr die Seite des Opfers , und das Blut mehr die Seite der Sühnung. Es geht hier um ein geistli-ches Essen und Trinken, um ein glaubensvolles In-Sich-Aufnehmen und Zu-Eigen-Machen der Tatsache, dass ein Opfer nötig war und dass Sühnung nötig war, um Leben zu bekommen.

Wenn wir jetzt zum ersten Mal das Blut vor uns haben, ist es wichtig zu betonen, dass es dabei nicht um das physische Blut aus den Wunden des Herrn geht, auch nicht um das Blut, das nach Seinem Tod aus Seiner Seite kam und als ein Zeichen gegeben wurde; es geht um die Tatsache, dass Er sich selbst in den Tod gegeben hat. Das muss im Glauben angenommen werden.

Wir finden hier zwei Prüfsteine des Glaubens. Zum einen muss der Herr Jesus als Mensch angenommen werden, und zum anderen muss akzeptiert werden, dass der Tod dieses einen vollkommenen Menschen nötig war. Wer das im Glau-ben sich zu eigen macht, bekommt das ewige Leben.

„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auf-erwecken am letzten Tag“. (Vers 54)

Von diesem Vers an ändert sich die Ausdrucksweise bezüglich des Essens und Trinkens. Jetzt geht es nicht mehr um das einmalige Essen und Trinken bei der Bekehrung, durch das als Folge das ewige Leben geschenkt wird. Die jetzt und in den nächsten Versen für das Essen und Trinken gebrauchte Zeitform drückt ein andauerndes Essen und Trinken aus. Das ewige Leben ist jetzt nicht die Folge des Essens und Trinkens, sondern im Grunde genommen die Vorausset-zung dazu, denn ohne dieses ewige Leben kann ich mich nicht dauerhaft von dem Herrn Jesus ernähren. Das dauerhafte und fortwährende Essen und Trinken dient der Erhaltung dieses ewigen Lebens im praktischen Sinn, denn verlorenge-hen kann es ja nicht. Nur durch das ewige Leben als unserem Besitz können wir den Vater und den Sohn erkennen (Joh 17,3) und uns in der Gemeinschaft mit den Personen der Gottheit erhalten (1. Joh 1,3). Deshalb können wir dieses ewi-ge Leben in uns nie von der Quelle, von dem Herrn Jesus selbst trennen, um dieses ewige Leben genießen zu können.

Nicht nur die Zeitform für das Essen und Trinken ändert sich, auch das Wort für Essen ist jetzt ein anderes. Bisher wurde immer das Wort phago für das normale, alltägliche Speise essen benutzt. Jetzt in Vers 54, 56–58 wird trogo be-nutzt, was nicht so sehr die Tatsache beschreibt, dass jemand etwas gegessen hat, sondern den Vorgang des Essen-Aufnehmens an sich. Das passt sehr gut zu der Belehrung ab diesem Vers, wo es um ein gewohnheitsmäßiges Sich-Nähren geht. In Vers 58 werden beide Ausdrücke in diesem deutlich unterschiedenen Sinn nebeneinander gebraucht.

Wenn der Apostel Paulus in Gal 2,20 sagt: „was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“, dann lebt er Sein Leben im Glauben, in-dem er den Herrn Jesus in dem Charakter, in dem Er sich selbst für ihn hingegeben hat, vor sich hat. Das ist eine Illust-ration von dem, was der Herr hier meint. Beständig Christus anschauen in dem Charakter, dass Er sich selbst hingege-ben hat und am Kreuz gestorben ist. Diese Haltung basiert immer auf dem Wort Gottes, gerade an den Stellen, wo wir den Herrn Jesus als dieses Opfer vor uns haben. Wenn wir dies im Gebet überdenken, wird Christus in diesem Charak-ter als gestorben Speise für uns sein.

Nehmen wir z.B. die Opfer in 3.Mose; wenn wir uns damit beschäftigen, wird es uns prägen, wird es unser persönlicher Besitz, und wird wunderbare Auswirkungen auf unser Leben haben. Wer gewohnheitsmäßig Nahrung findet in dem ge-storbenen Christus, wer Ihn beständig in diesem Charakter betrachtet, der zeigt dadurch, dass er im Besitz des ewigen Lebens ist. Oder nehmen wir die Psalmen, die von Seinen Leiden und von Seinen Empfindungen reden. Oder beschäf-tigen wir uns mit Ihm in Seinen letzten Stunden von Gethsemane nach Golgatha. Oder betrachten wir die sieben Worte des Herrn am Kreuz – all das ist Beschäftigung mit Christus, dem Gestorbenen. Dann fangen unsere Herzen an, zu brennen, weil wir den sehen, der für uns gestorben ist, der Gott verherrlicht hat, der die Grundlage unseres Heils gelegt hat. Und dann werden wir einen Weg gehen, wo wir es mit der Sünde ernst nehmen und Ihm in Entschiedenheit nach-folgen, weil wir daran denken, dass Er für mich gestorben ist.

Wovon ernähren wir unsere Seelen? Der Herr Jesus ist die Nahrung für den Sünder, der errettet werden will – Er ist aber auch genauso die Nahrung für jeden Gläubigen auf seinem Glaubensweg. Schenke der Herr, dass wir die tiefe Bedeu-tung dieser Worte des Herrn für unser persönliches und praktisches Glaubensleben von dieser Konferenz-Betrachtung in unseren Alltag mitnehmen! Er muss die beständige Speise für unsere Seele sein. Der Nachdruck liegt hier tatsächlich auf der Person des Herrn, nicht so sehr auf dem Wort Gottes. Der Herr Jesus am Kreuz ist die Antwort auf alle Fragen! Wenn wir das Kreuz in alle unsere Fragen hineinbringen, werden wir immer eine Antwort bekommen – aber es ist zu befürchten, dass uns diese Antwort nicht immer recht sein würde! Das Kreuz unterscheidet nicht nur bei Ungläubigen, sondern auch bei mir und dir zwischen Fleisch und Geist. Wenn ich mich vom Geist dahin führen lasse, auf alles das Kreuz anzuwenden, dann bin ich im vollen Genuss des ewigen Lebens.

Wir haben heute viele Probleme, und gerade deshalb müssen wir uns immer neu den Herrn am Kreuz vor Augen halten. Denn dort sehe ich, wer Gott ist. Dort sehe ich, wer ich selber bin, dort sehe ich, was die Welt ist, dort sehe ich die Gnade in dem Herrn Jesus. Das ist die Antwort auf alle Fragen, das ist unsere einzige wahre Nahrung. Man spricht heu-te im natürlichen Lebensbereich viel von falscher Ernährung, von Unterernährung, aber für den Gläubigen kann das ge-nauso eine Gefahr sein, dass er sich mit falschen Dingen nährt oder zu wenig von Christus nährt. Wir können unser Glaubensleben nicht anders pflegen, als dass wir uns mit dem Herrn Jesus am Kreuz beschäftigen. Das wird auch in alle Ewigkeit unser Gegenstand sein (Off 5,6).

Wenn wir uns so mit Seinem Tod beschäftigen, müssen wir uns auch fragen, was es für Ihn überhaupt bedeutet hat, diesen Weg bis an das Kreuz und in den Tod zu gehen! Er hat Seine Seele ausgeschüttet in den Tod (Jes 53,12). Seine Seele war sehr betrübt, bis zum Tod (Mt 26,38).
Oh, dass Dein Tod, den Du erduldet, stets uns wie neu vor Augen steh!
Dich traf der Zorn, den wir verschuldet, ja, unergründlich tiefes Weh!
Herr, Deine Liebe ohne Enden dringt tief uns in das Herz hinein.
Du warst das Opfer für die Sünden, bist unser Heiland, Du allein! (Lied 186 Vers 2+3)

Aufs Neue spricht der Herr hier von der Auferweckung am letzten Tag. Wer sich so mit Seinem Tod beschäftigt, wird auch einmal in den vollen Genuss dieses ewigen Lebens kommen. Das Ziel, die Heimat des ewigen Lebens, liegt noch vor uns. Und das wird sogar einmal sichtbar werden auf dieser Erde, wenn der Herr Jesus wiederkommen und öffentlich erscheinen wird.

„...denn mein Fleisch ist wahrhaftig Speise, und mein Blut ist wahrhaftig Trank“. (Vers 55)

Wenn wir so ausführlich die vergangenen Verse betrachtet haben, empfinden wir, wie zutreffend diese Worte des Herrn sind: Sein Tod ist wahrhaftig Speise für unsere Seele! Christus hat sich eben nicht nur in den Tod gegeben, damit ver-lorene Menschen ewiges Leben bekommen können, sondern damit solche, die ewiges Leben besitzen, gerade diesen Wert Seiner Person als dem Gestorbenen vor ihren Herzen haben. Das wird übrigens auch den Himmel ausmachen, die Beschäftigung mit Christus als dem Gestorbenen; ewig wird das Lamm wie geschlachtet vor uns stehen (Off 5,6).

„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm“ (Vers 56)

Dieser Vers zeigt uns, dass das Beschäftigen mit Christus als dem Gestorbenen zu einer wunderbaren Gemeinschaft führt. Ein solcher hat den Genuss der Gemeinschaft mit Ihm in seinem ganzen Ausmaß. Das Ergebnis ist Gemeinschaft in einer doppelten Richtung: wir sind in Ihm zu Hause, und Er offenbart sich uns ständig neu und fortschreitend. Wer sich so mit dem Herrn beschäftigt, der wohnt in Ihm, hat die Bleibe gefunden in Ihm. Das zeigt die Stellung, die wir dann in Ihm haben. Und die andere Richtung ist die, dass der Herr uns in Seinem Wort ständig neue Offenbarungen über Sich geben wird, ständig neue Seiten Seiner Herrlichkeit zeigen wird. Was für ein herrliches Ergebnis der Beschäf-tigung mit dem gestorbenen Herrn! Nichts ist mehr geeignet, die Wertschätzung über Seine Person zu vermehren.

„Wie der lebendige Vater mich gesandt hat und ich lebe des Vaters wegen, so auch, wer mich isst, der wird auch leben meinetwegen“ (Vers 57)

In diesen Worten finden wir ein weiteres Ergebnis der Beschäftigung mit einem gestorbenen Herrn: es verbindet uns mit einem lebendigen Vater und mit einem lebendigen Herrn.

Der Herr lebt des Vaters wegen, das erinnert uns wieder an Joh 5,26, wo wir mit anderen Worten die gleiche Aussage gefunden haben, nämlich dass der Vater Leben in sich selbst hat und dem Sohn gegeben hat, Leben zu haben in sich selbst. Der Vater ist die Quelle des Lebens, und der Herr Jesus als Sohn auf der Erde ist so demütig, dass Er von Sich als Mensch auf der Erde sagt, dass der Vater Ihm das Leben gegeben hat, dass Er lebt des Vaters wegen. Als Gott, der Sohn, hat Er Leben in sich selbst, aber als Mensch nimmt Er das Leben aus Gottes Hand an. Der ewige Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der gleich ist mit dem Vater, unterwirft sich in Seiner Haltung als Mensch auf der Erde dem Vater – welche Demut! Er macht sich selbst zu nichts, möchten wir von Seiner Gesinnung lernen (Phil 2,5–7).

Wer sich von dem Herrn nährt, der lebt Seinetwegen. Das ist ein gewaltiger Unterschied zu dem, was der Herr eben von sich selbst gesagt hat. Wir können nicht von einer freiwilligen Unterwerfung unsererseits sprechen, sondern es ist die Folge unseres Glaubens, wir sind in allem abhängig von Ihm. So, wie der Vater immer vor dem Herrn Jesus gestanden hat in Seinem Leben auf der Erde, so steht Christus immer vor dem Gläubigen.

Der Herr unterscheidet hier schon nicht mehr zwischen Seinem Fleisch und Seinem Blut oder Ihm als dem lebendigen Brot, es geht hier in dem weitesten Blickwinkel darum, sich von Ihm zu nähren. Von Ihm in Seinem vollkommenen Leben als Mensch auf der Erde, von Ihm in Seinem Sterben am Kreuz, und auch von Ihm als dem verherrlichten Chris-tus zur Rechten Gottes.

„Dies ist das Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist. Nicht wie die Väter aßen und starben; wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit“. (Vers 58)

Der Herr kommt hier wieder auf den Gedanken des Brotes zurück. Der Höhepunkt Seiner Ausführungen war das Nähren von Seinem Fleisch und Seinem Blut, das beständige Beschäftigen mit Seinem Sterben am Kreuz. Aber der Gläubige nährt sich ja auch von dem ganzen Leben des Herrn auf der Erde. Wir suchen Christus in Seinem Wort, nichts Anderes kann unsere Seele sättigen und unsere Herzen erfreuen.

Der Herr zeigt jetzt noch einmal, um wie viel größer Er ist als das, was zur Zeit Moses geschah. Das Manna, das die Väter in der Wüste aßen, konnte noch nicht einmal das natürliche Leben auf Dauer erhalten. Aber der Herr Jesus ist so viel mehr als dieses Manna, und Er gibt so viel mehr, als das Manna geben konnte. Das Leben, das Er gibt, kann nicht angetastet werden von dem natürlichen Tod. Wer an Ihn glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt (Joh 11,25).

Das Volk Israel hatte in der Wüste das Manna gegessen. Als sie aber dann in das Land gekommen waren, aßen sie das Passah und anschließend die gerösteten Körner des Landes (Jos 5,10–12). Alles sind Bilder von dem Herrn Jesus als dem Mensch gewordenen Sohn Gottes, als dem Gestorbenen, und als von Ihm als dem, der jetzt verherrlicht im Him-mel ist. Welchen Blick wir auch haben auf Ihn – es ist immer Speise für unseren inneren Menschen, die unser Leben erhalten wird.

Wir wollen uns warnen lassen, nicht den Geschmack an dem Brot vom Himmel zu verlieren, wie es das Volk Israel einmal getan hatte (4. Mo 21,5). Die Ursache dieser Haltung das Mischvolk unter ihnen, das ihnen von der Speise Ägyptens vorschwärmte. Und danach sehnten sie sich nach Dingen, die alle einen interessanten Geschmack haben, aber die nicht wirklich sättigen können (4. Mo 11,4–6). Man kann die Freude an Christus verlieren, wenn man es zulässt, dass die Welt uns andere Dinge vorstellt, die angeblich Geschmack haben. Aber was unsere Herzen allein wirklich glücklich machen kann, finden wir nur in der Person des Herrn Jesus.

„Dies sprach er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte“ (Vers 59)

Der Herr hat diese Worte nicht in Jerusalem gesprochen, dem religiösen Zentrum des jüdischen Systems. Er befand sich in dem Galiläa der Nationen, in Seiner eigenen Stadt Kapernaum (Mt 9,1 mit Fußnote). Und Er hat dort nicht nur ge-lehrt, sondern auch viele Wunder gewirkt (Mt 11,23). Doch trotzdem glauben die Juden nicht an Ihn.

Da der Herr Jesus diese Worte in der Synagoge von Kapernaum sprach, muss im Verlauf dieses Kapitels ein Wechsel des Schauplatzes stattgefunden haben. Das Kapitel hatte ja mit der Brotvermehrung am See Tiberias begonnen (Vers 1–14), danach folget die Überfahrt über den See nach Kapernaum (Vers 16–24), und dort hatten Ihn die Volksmengen jen-seits des Sees gefunden (Vers 25), offensichtlich im Freien. Da in Vers 41 nicht mehr von einer Volksmenge die Rede ist, sondern von den Juden, den religiösen Führern des Volkes, kann man vermuten, dass zwischen Vers 40 und 41 die-ser Ortswechsel vom See in die Synagoge stattgefunden hat. Die ganze Unterredung war also nicht eine zusammenhän-gende Unterhaltung, sondern sie brachte auch diese Unterbrechung durch den Ortswechsel mit sich.

Vor dem Wort Synagoge fehlt im Griechischen der Artikel, was nicht so sehr die Örtlichkeit, sondern mehr die Art der Belehrung betonen soll. Der Herr Jesus hatte hier eine Belehrung gegeben, wie sie für Belehrungen in Synagogen cha-rakteristisch war. Und dabei ist es doch erstaunlich, dass diese Belehrungen, die schon uns an die Grenzen unseres Ver-ständnisses geführt haben, vor einer überwiegend ungläubigen Zuhörerschaft gesprochen wurden. Aber der Herr Jesus in Seiner Souveränität lehrt hier mit einer Vollmacht, die dann jeden Einzelnen vor eine Entscheidung stellt.

Wenn wir in Kapitel 5 gesehen haben, dass der Herr Jesus in Jerusalem abgelehnt wurde, sehen wir jetzt, dass Er auch in Galiläa, in Kapernaum, Seiner Vaterstadt, genau dieselbe Ablehnung und Verwerfung erfährt. Und Er wird ja nicht nur in Seiner Lehre abgelehnt, sondern als die Person, die aus dem Himmel gekommen ist und sterben und der Welt das Leben geben würde.

„Viele nun von seinen Jüngern, die es gehört hatten, sprachen: Diese Rede ist hart, wer kann sie hören?“ (Vers 60)

In den jetzt folgenden Versen sehen wir, dass der Herr Jesus der Prüfstein für alle Menschen ist. An der Haltung zu Ihm wird offenbar, ob echter Glaube da ist oder nicht. Das zeigen hier gleich als erstes solche, die Ihm eine Zeit nachgefolgt waren und sich äußerlich zu Ihm gehalten hatten. Die Jünger hier sind nicht die Pharisäer und Schriftgelehrten, sondern solche, die den Herrn Jesus äußerlich als ihren Lehrer anerkannt hatten und Ihm gefolgt waren.

Was war denn hart an den Worten des Herrn Jesus? Nun, sie bedeuteten eigentlich ein Gerichtsurteil für die Juden. Es musste jemand kommen und sterben, das Gericht über den ersten Menschen tragen; und nur als der Gestorbene konnte Er Nahrung für die Menschen sein. Es reichte also nicht, nur äußerlich Jünger dieses Herrn zu sein, nur äußerlich auf Seiner Seite zu stehen. Und so wenig diese Juden auch von den Worten des Herrn wirklich aufgenommen hatten, das mussten sie doch verstanden haben – und leider haben sie ihre traurigen Konsequenzen daraus gezogen!

In der griechischen Sprache gibt es verschiedene Ausdrücke für das Hören. An manchen Stellen bedeutet es einfach nur das akustische Aufnehmen, an anderen Stellen gleichzeitig auch das Verstehen des Gehörten. Hier steht nun das Wort für das einfache akustische Hören der Botschaft. Sie wollten diese Worte schon akustisch gar nicht hören und hatten nichts von dem verstanden, was für uns in diesen Tagen der Konferenz-Betrachtung so wertvoll geworden ist – obwohl auch wir alle Höhen und Tiefen Seiner Worte kaum ausloten können.

Er hatte von sich als dem Brot aus dem Himmel gesprochen, das bedeutete, dass Er sowohl Mensch als auch Gott war; Er hatte deutlich gemacht, dass Sein Tod notwendig war (Vers 51); Er hatte davon gesprochen, dass es keine Aussicht gab, dass auch nur ein Mensch aus sich selbst heraus zu Ihm kommen könnte; und Er hatte auch von dieser Ausschließ-lichkeit gesprochen, die damit in Verbindung stand, zu Ihm zu kommen (Vers 44 und 37). Immer wieder hatte Er auch deutlich gemacht, dass der Segen, den Er zu bringen im Begriff stand, überhaupt nicht ihren Erwartungen entsprach, sondern dass er zu in einer ganz anderen Sphäre gehörte – nicht natürliches Leben und Segen auf der Erde, sondern ewi-ges Leben und himmlische Segnungen.

Man kann diese Rede nur dann als hart empfinden, wenn man seinen eigenen sündigen und hoffnungslosen Zustand nicht erkennt und verurteilt. Für jeden anderen ist es eine wunderbare Botschaft, dass Er vom Himmel herabgekommen ist, Sein Leben gegeben hat, und dass nun jeder, der an Ihn glaubt, ewiges Leben empfängt. Wer aber seine eigene ver-meintliche Gerechtigkeit behaupten will und seinen Nationalstolz pflegen will, für den mag diese Rede hart erscheinen. Seine Rede als hart zu empfinden, zeigt, dass man nicht verstanden hat und nicht einsehen will, wer man selbst ist.

Der böse und faule Knecht in Mt 25,14–30, der das empfangene Talent nicht für seinen Herrn eingesetzt hatte, bezeich-net seinen Herrn auch als einen harten Mann (Vers 24). So kann man den Herrn Jesus nur einschätzen, wenn man Ihn nicht kennt. Er war doch bereit, seinen Knechten einen größtmöglichen Lohn auszuteilen; Er hatte in der Belohnung der beiden anderen Knechte gerade bewiesen, dass Er kein harter Mann war. Ihn als hart zu empfinden, macht deutlich, dass man überhaupt nicht verstanden hat, wer Er wirklich ist.

Für den religiösen Menschen, der durch Werkgerechtigkeit vor Gott bestehen zu können glaubt, ist diese Rede tatsäch-lich anstößig und hart. In unseren Tagen sind es viele in der bekennenden Christenheit, die die gesunde Lehre nicht mehr ertragen kann (2. Tim 4,3), für die das Wort vom Kreuz Torheit ist (1. Kor 1,18). Wir wollen aber nie vergessen, dass wir von Natur genau diese Haltung auch hatten, und dass es nicht unser Verdienst, sondern pure Gnade ist, dass wir doch zu diesem Punkt gekommen sind, Seine Worte anzunehmen (vgl. Vers 44). Und wenn wir über die Christen-heit sprechen, sollte uns auch immer bewusst sein, dass wir nicht außerhalb dieser Christenheit stehen, sondern Teil davon sind.

„Da aber Jesus bei sich selbst wusste, dass seine Jünger hierüber murrten, sprach er zu ihnen: Stoßt ihr euch daran?“ (Vers 61)

Dieser Vers beginnt mit einer sehr auffallenden Formulierung, die sonst kaum noch einmal wiederholt wird. Der Herr Jesus wusste etwas, ohne dass diese Jünger etwas Wahrnehmbares getan hatten. Er wusste das schon, bevor sie über-haupt ausgesprochen hatten, dass sie Seine Rede als hart empfanden. Er wusste als der ewige Sohn Gottes das alles schon von Anfang an (Vers 64). Er kannte ihre Herzen durch und durch, bevor sie überhaupt anfingen, über die Härte Seiner Worte zu diskutieren und sich daran zu stoßen. Obwohl Er sie die ganze Zeit von Kapitel 2 an kannte und um ihre Herzenshaltung, hatte Er sie trotz ihrer inneren Ablehnung getragen.

Was muss es für das Herz des Herrn Jesus gewesen sein, eine solche Reaktion bei diesen Jüngern zu erleben, nachdem Er so nachdrücklich das Licht und die Liebe Gottes offenbart hatte. Er offenbarte Gott im Fleisch, und bis auf ganz we-nige Ausnahmen gingen die Menschen daran vorbei. Sie waren einfach nicht bereit, Seine Worte und Ihn als Person an-zunehmen, sie stießen sich daran. Diesen Christus wollten sie nicht annehmen. In Jes 49,4 lesen wir diese propheti-schen Worte von Ihm: „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt“. Niemand ist jemals so missverstanden worden, wie der Herr Jesus! Aber Er ist daran nicht verzweifelt und hat dann auf diese Ab-lehnung Seiner Worte noch mit einer weiteren Offenbarung über Seine Person geantwortet.

Erfahren wir heute in unserem Dienst nicht auch manchmal Enttäuschungen, wenn unser Dienst nicht angenommen wird? Wie reagieren wir darauf? Wenn wir sicher sind, dass wir das tun, was der Herr uns zu tun aufgetragen hat, dann müssen wir uns darüber nicht beunruhigen, dann können wir das alles Ihm überlassen. Wenn wir uns aber selbst suchen in unseren Tätigkeiten, dann müssen wir uns prüfen und beugen und umkehren. Der Herr war nie enttäuscht über die Reaktion der Menschen, Er wusste im Voraus, was in dem Menschen war. Er ging Seinen Weg der Abhängigkeit, un-beeindruckt von Beifall oder Ablehnung der Menschen.

„Wenn ihr nun den Sohn des Menschen dahin auffahren seht, wo er zuvor war?“ (Vers 62)

Mit diesen Worten fügt der Herr Jesus eine dritte Wahrheit über Seine Person hinzu. Er hatte sich vorgestellt als den, der aus dem Himmel herabgekommen ist, Er hatte sich vorgestellt als den, der in den Tod ging, und jetzt stellt Er sich vor als den, der wieder zurückkehrt, der auffährt dahin, wo Er zuvor gewesen ist. Das macht deutlich, dass es jetzt nicht um einen Messias auf der Erde geht, der in den Segen des Reiches einführen würde, sondern es geht um den Sohn des Menschen, der, nachdem Er Sein Leben gegeben hat, zurückkehrt in den Himmel, um dort verherrlicht zu sein. Der Herr lässt bei dieser Tatsache den Gedanken aus, dass Er zuvor aus den Toten auferstehen würde.

Diese Wahrheit über Ihn war trauriger Weise der Anlass dafür, dass viele Seiner Jünger weggingen und nicht mehr mit Ihm wandelten (Vers 66). Damit konnten sie sich überhaupt nicht einverstanden erklären. Warum eigentlich? Wir müs-sen dabei das Selbstverständnis der Juden und ihre Erwartungshaltung berücksichtigen. Ihr Selbstverständnis war, dass sie das Volk Gottes waren, dass sie dadurch Leben, das Recht auf ewiges Leben entsprechend ihrem alttestamentlichen Verständnis hätten. Es muss daher schockierend für sie gewesen sein, zu hören, dass sie kein Leben in sich selbst hatten (Vers 53). Und ihre Erwartungshaltung war die, dass der Messias ihnen auf der Erde das Königreich aufrichten würde, und nicht, dass Er wieder auffahren würde in den Himmel. Wegen dieser nicht erfüllten Erwartungen hatten sie sich an Seinen Worten gestoßen. Wir dagegen freuen uns darüber, dass Christus verherrlicht im Himmel ist!

Der Herr Jesus ist in jedem der drei Aspekte, in denen Er sich in diesem Kapitel den Juden vorgestellt hat, abgelehnt worden. Sie hatten über Ihn gemurrt, als Er sagte, dass Er als das Brot aus dem Himmel herabgekommen war (Vers 41). Als Er davon sprach, dass sie Sein Fleisch essen müssten, stritten sie untereinander darüber (Vers 52). Und wenn Er jetzt von Seiner Himmelfahrt spricht, wenden sich viele von Ihm ab und gehen nicht mehr mit Ihm. In diesem Zu-sammenhang müssen wir betonen, dass es nicht reicht, nur bestimmte Teilwahrheiten über die wunderbare Person des Herrn zu glauben und festzuhalten. Wir müssen alle Aspekte, die wir über Seine Person kennen, bewahren. Entweder halten wir alles fest, was Seine Person und Sein Werk betrifft, oder wir verlieren Ihn schlussendlich.

Wir dürfen daraus zu unserem Trost doch auch sehen – auch wenn wir im Blick auf unsere Verantwortung sicher man-che Versäumnisse zu beklagen haben – dass auch eine so vollkommene Belehrung, wie sie der Herr immer gegeben hat, nicht verhindert hat, dass viele sich von Ihm abgewandt hatten. Es ist ein verkehrter Schluss, dass eine bessere Beleh-rung durch uns heute verhindern könnte, dass man sich von der Nachfolge des Herrn abwendet. Gott sagt von Sich, dass Er Kinder großgezogen und auferzogen hat, und sie sind von Ihm abgefallen (Jes 1,2). Hat Gott im Blick auf die Erziehung der Kinder Israel Fehler gemacht? Ganz sicher nicht! Trotzdem sind sie von Ihm abgefallen. Es gibt eben nicht nur den Verantwortungsbereich der Eltern und Älteren, sondern auch den Verantwortungsbereich der Kinder und Hörenden. Selbst bei vollkommener Erziehung liegt die Verantwortung zum Annehmen immer noch bei den Personen, die betreut werden.

Das Gleiche gilt auch für die Verkündigung des Evangeliums. Der Herr Jesus war der vollkommene Prediger des Evan-geliums, der Sämann sät das Wort (Mk 4,14). Und doch gab es Menschen, die diese klarste aller Verkündigungen nicht angenommen hatten. Von dem ausgestreuten Samen viel etliches auf den Weg, etliches unter die Dornen, etliches auf das Steinige – und es gab aus den verschiedenen Gründen hierbei keine oder keine bleibende Frucht. Dann kam der gute Boden, und auch da gab es unterschiedliches Maß an Frucht. Dieses beklagenswerte Ergebnis der ersten drei Fälle lag also nicht an der Verkündigung, sondern an der Verhärtung des Herzens der Zuhörer.

Auch wenn wir als Nachfolger des vollkommenen Sämanns in der Verkündigung manche Schwachheit und Unvoll-kommenheit beklagen und uns darunter beugen müssen, dürfen wir daraus aber nicht den Schluss ziehen, dass so wenig Menschen zum Glauben kommen, weil wir nicht in der richtigen Gesinnung und in der richtigen Weise evangelisieren würden. Wir dürfen nicht aus dem Auge verlieren, dass die Zuhörer mindestens eine ebenso große Verantwortung ha-ben, wie der Verkündiger der Botschaft. Die Gefahr wäre dann nämlich eminent groß, dass wir in den Trugschluss ver-fallen, wir müssten neue Wege in der Evangelisation beschreiten, neue Methoden anwenden. Das wäre so falsch, wie es nur irgend geht! Sicher brauchen wir mehr Hingabe, mehr Aufopferung für das Evangelium, aber wir dürfen nie meinen, dass die Bekehrungen allein davon abhängen würden. Wir sind nicht mehr in der Zeit des Anfangs der christlichen Haushaltung mit ihren Wundern und zahlenmäßig überwältigenden Bekehrungen (z.B. Apg 2,41). Wir befinden uns in der Zeit, in der wir das festhalten sollen, was wir haben (Off 3,8–11). Sein Wort wird nicht leer zu Ihm zurückkehren, sondern es wird ausrichten, was Ihm gefällt, und durchführen, wozu Er es gesandt hat (Jes 55,10+11), d.h. es wird die erretten, die es annehmen, aber es wird auch denen, die es abweisen, das ewige Gericht bringen.

Zu Beginn der Konferenz-Betrachtungen in Winschoten war es der Wunsch mancher Geschwister gewesen, die Betrach-tung unter Berücksichtigung der vielen jungen Zuhörer nicht zu schwer zu machen. Aber ältere weise Brüder standen dafür ein, das Wort ohne derartige Einschränkungen zu betrachten. Und diese Konferenzen fingen mit etwas mehr als 150 Geschwistern an, aber die Teilnehmerzahl nahm ständig zu, bis es zum Schluss ungefähr 1300 Geschwister waren – und mehr als die Hälfte davon waren junge Geschwister. Daran konnte man sehen, dass der Herr gerade dann segnet, wenn nicht menschliche Überlegungen oder Maßnahmen eingeführt werden. Wenn es um Gottes Wort geht, dürfen wir keine menschlichen Einschränkungen vornehmen. Die geistliche ‚Kunst‘ dabei ist, nicht so schwierig wie möglich zu sprechen, sondern schwierige Dinge einfach zu erklären.

Das wenn in der Frage des Herrn Jesus in diesem Vers 62 ist nicht ein zeitliches wenn, sondern eher ein hypothetisches wenn . Sie würden Ihn nicht in den Himmel auffahren sehen, kein Ungläubiger hat den Herrn Jesus in Auferstehung ge-sehen noch Ihn in den Himmel auffahren sehen. Aber wenn es so wäre, wieviel mehr würden sie sich wohl dann an Ihm stoßen?

Der Herr sagt hier übrigens nicht, dass Er aufgenommen werden würde in den Himmel, sondern dass Er auffahren wird. Er ist natürlich auch aufgenommen worden in Herrlichkeit (1. Tim 3,16); aber hier haben wir dieses große Wunder, dass Er als der Sohn des Menschen zur gleichen Zeit auch Gott, der Sohn ist, der in eigener Machtfülle in den Himmel auf-fahren kann und sich dann auch selbst zur Rechten Gottes gesetzt hat (Mk 16,19; Heb 1,3; 8,1; 10,12; 12,2).

Der Sohn des Menschen ist jetzt im Himmel, und auch dort hört Er nie auf, Mensch zu sein. So werden wir Ihn einmal sehen! Als der ewige Gott war Er zuvor dort, als der ewige Gott ist Er auch jetzt dort – aber eben auch als wahrer Mensch. Wunderbare Geheimnisse Seiner Person! Haben wir ein offenes Herz für die Herrlichkeit dieser Person in ihrer ganzen Fülle und Vielfalt?

Übrigens hat der Herr Jesus als der ewige Sohn den Himmel nie verlassen, auch nicht zu der Zeit, während der Er als der Sohn des Menschen auf der Erde war (Joh 3,13). Wenn Er hier sagt, dass Er zuvor im Himmel war, steht das nicht zu dieser Tatsache im Widerspruch. Jetzt würde zum ersten Mal im Zeitstrahl der Ewigkeit ein Mensch in den nicht ge-schaffenen Himmel eintreten. Er hat Seine Menschheit mitgenommen in die Herrlichkeit des Hauses Seines Vaters. Das ist die Garantie dafür, dass einmal eine unvorstellbar große Schar erlöster Menschen gerade dort sein kann, dadurch hat Er die Stätte für uns bereitet (Joh 14,2). Nur deshalb konnte Er zu Seinem Vater sagen: „Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen“ (Joh 17,24). Und nur in der Person des Herrn Jesus als Mensch wird uns Gott in der Ewigkeit zugänglich sein.

„Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben; aber es sind einige unter euch, die nicht glauben“ (Vers 63+64a)

Mit diesen Worten werden wir wieder an die Unterredung des Herrn mit Nikodemus erinnert (Joh 3,5): der Geist ist es, der lebendig macht! Der Mensch muss aus Wasser und Geist geboren werden. Der Heilige Geist bewirkt die Neugeburt, der natürliche Mensch kann dabei nichts bewirken, es ist ein Werk Gottes. Die Worte des Herrn vermitteln eine geistli-che Botschaft und haben eine geistliche Wirkung in den Herzen und Gewissen der Menschen.

Vor dem Herrn Jesus standen hier fast nur Menschen, die im Fleisch waren und nach dem Fleisch urteilten. Deshalb waren Seine Worte so hart für sie, dass sie sie nicht hören konnten und wollten. Das Fleisch ist hier der natürliche Mensch (1. Kor 2,14). Diese Menschen hatten nicht das vom Heiligen Geist gewirkte neue Leben, das Voraussetzung dafür ist, dass man Dinge auf eine geistliche Weise verstehen kann.

Auch hier stehen Geist und Fleisch in einem Gegensatz zueinander (z.B. auch Gal 5,16+17; Röm 8,1–11), aber hier ist es nicht der menschliche Geist und nicht die sündige Natur, sondern der Heilige Geist und der natürliche Mensch. Der natürliche Mensch kann nichts Gutes hervorbringen, er kann auch nichts Geistliches verstehen. Er ist davon abhängig, dass der Heilige Geist neues Leben wirkt, um das verstehen zu können, was vom Geist ist. Was der Herr Jesus den Ju-den gesagt hatte, muss geistlich verstanden werden, nur dann wird es einen Nutzen haben.

Nicht an jeder Stelle in Gottes Wort hat der Ausdruck Fleisch dieselbe Bedeutung. Wenn von dem Herrn Jesus gesagt wird, dass das Wort Fleisch wurde (Joh 1,14), dann meint das, dass Er Mensch wurde. In Röm 8,6+7 lesen wir, dass die Gesinnung des Fleisches der Tod ist und Feindschaft gegen Gott ist, da ist unsere alte sündige Natur gemeint. Hier in Joh 6,63 sind mit Fleisch die Überlegungen des natürlichen Menschen gemeint.

Wir hatten gesehen, dass der Vater zum Sohn zieht (Vers 44), und hier lernen wir, dass auch der Heilige Geist beteiligt ist bei diesem Werk, durch das natürliche Menschen geistliches Leben bekommen. Alle drei Personen der Gottheit sind in diesem wunderbaren Wirken in göttlich vollkommener Harmonie. Manchmal in Gottes Wort werden uns bestimmte Handlungsweisen Gottes so vorgestellt, dass sie von den einzelnen Personen der Gottheit gleichermaßen ausgeübt wer-den. Joh 5,21 hatte gezeigt, dass der Vater es ist, der lebendig macht, und dass auch der Sohn lebendig macht. Hier se-hen wir nun, dass das Gleiche auch von dem Geist Gottes gesagt wird.

Vers 63 hatte die Seite Gottes gezeigt, der erste Satz von Vers 64 zeigt die Seite der Verantwortung des Menschen. Die Wirkung des Heiligen Geistes zur neuen Geburt erfolgt durch das Wort Gottes – aber der Mensch muss eben auch glau-ben. Auch wenn der Geist Gottes lebendig machen kann, auch wenn die Worte des Sohnes Gottes Geist und Leben sind, glauben doch nicht alle, die sie hören. Wieder haben wir hier die menschliche Verantwortung, die im Gegensatz zu dem vollkommenen Wirken der Personen der Gottheit steht.

„Denn Jesus wusste von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer es war, der ihn überliefern würde“ (Vers 64b)

Wir können in diesen Worten auch einen gewissen Trost finden, wenn in unseren Familien oder in der Verwandtschaft solche sind, die nicht glauben oder eigene Wege gehen. Im Alten Testament gab es manche Familien, wo eins oder mehrere Kinder zu einem Herzeleid für die Eltern wurden. Aber am Schlimmsten war es wohl für den Herrn Jesus, wenn Er an den Judas dachte. Einer, der so nahe bei Ihm war, war trotzdem so falsch und würde Ihn später überliefern. Mehr als drei Jahre hat Er ihn trotzdem ertragen. Deshalb kann Er unsere Empfindungen in Bezug auf unsere Kinder gut ver-stehen und mitempfinden.

Es ist sehr wichtig, zu betonen, dass der Herr Jesus wohl von Anfang an wusste, wer nicht glauben würde, dass das aber nicht gleichbedeutend damit ist, dass diese Menschen vorherbestimmt waren zum Nicht-Glauben; dieses göttliche Wissen bedeutet überhaupt nicht göttliche Vorherbestimmung! Auserwählung ist immer positiv! Es gibt keine göttliche Vorherbestimmung zum Verlorengehen.

Welcher Anfang ist hier gemeint? In Vers 70 spricht der Herr davon, dass Er die zwölf Jünger auserwählt hatte. Übri-gens, wenn der Herr Jesus auserwählt, ist das nie die ewige Auserwählung, die von Gott ausgeht, sondern eine Auser-wählung hier in der Zeit und auf der Erde zu einem Dienst. Mit diesem Anfang ist also wohl an den Beginn des Diens-tes des Herrn zu denken, als Er die zwölf Jünger – und auch Judas, der Ihn überliefern würde – auserwählt hatte.

„Und er sprach: Darum habe ich euch gesagt, dass niemand zu mir kommen kann, wenn es ihm nicht von dem Vater gegeben ist“. (Vers 65)

Wir hätten vielleicht erwartet, dass der Herr nach den Worten von Vers 64 jetzt damit fortfährt, die Verantwortung Sei-ner Zuhörer zu betonen, damit sie doch endlich glauben möchten. Aber Er spricht jetzt hier wieder von der Seite Gottes, dass niemand zu Ihm kommen kann, wenn es ihm nicht von dem Vater gegeben ist. Damit wird jedes eigene Rühmen ausgeschlossen, denn auch der Glaube ist ein Geschenk Gottes (Phil 1,29; Eph 2,8).

Wir müssen dabei bedenken, dass Vers 64b ein Einschub, ein Kommentar des Heiligen Geistes ist, und dieser Vers 65 wieder an Vers 64a anschließt.

„Und von da an gingen viele von seinen Jüngern zurück und wandelten nicht mehr mit ihm“. (Vers 66)

In diesen Jüngern können wir ein Beispiel des Ackerbodens von Lk 8,13 sehen. Sie gleichen denen, die auf den Felsen gesät sind, welche, wenn sie das Wort hören, es mit Freuden aufnehmen. Sie haben keine Wurzel, sie glauben für eine Zeit und fallen in der Zeit der Versuchung ab. Es sind solche, die äußerlich gesehen an den Namen des Herrn glaubten, als sie Seine Zeichen sahen, die Er tat (Joh 2,23). Sie waren scheinbar Jünger des Herrn geworden, äußerlich erkennbare Schüler und Nachfolger des Herrn. Hier in Johannes 6 kommt die Zeit der Erprobung; und es zeigt sich, dass sie keine echten Jünger sind. Das Wort des Herrn konnte nicht wirklich etwas in ihren Herzen bewirken. Sie waren eine Zeit mit-gegangen, aber jetzt war ihnen Seine Rede zu hart, und sie gingen weg. Wir können aber daraus nicht schließen, dass alle, die bei Ihm blieben, echte Jünger waren.

Niemals hat der Herr Jesus jemanden weggeschickt; aber wir sehen in diesen Versen, dass Er der Prüfstein für die Men-schen ist. An der Haltung Seiner Person gegenüber wird der Herzenszustand entlarvt. Jeder muss sich für oder gegen Ihn entscheiden – früher oder später. Und der Herr prüft im nächsten Vers auch Seine echten Jünger, die ein wahres Be-kenntnis haben.

„Da sprach Jesus zu den Zwölfen: Wollt ihr etwa auch weggehen?“ (Vers 67).

Der Kreis der Zuhörer wird im Verlauf dieses Kapitels immer kleiner. Zuerst waren es die Volksmengen, dann die Ju-den in der Synagoge, dann solche Jünger, die nur äußerlich beeindruckt und Ihm deshalb nachgefolgt waren, jetzt aber weggingen. Scheinbar standen nur noch die Zwölf vor dem Herrn, die Er bei Seiner Auswahl auch Apostel genannt hat-te (Lk 6,13 ff.). An sie richtet Er jetzt diese herzerforschende Frage: „Wollt ihr etwa auch weggehen“? Von den anderen Jüngern wird gesagt, dass sie nicht mehr mit Ihm wandelten, aber der Herr nennt das hier ein Weggehen! Es ist eine zu-nehmende Distanzierung vom Sohn Gottes.

Wenn der Herr diese Frage den Zwölfen stellt, dann wusste Er auch hier im Voraus die Antwort, aber Er wollte diese Antwort des Herzens hören. So hatte Er auch in Joh 1,38 mit den beiden Jüngern von Johannes dem Täufer gehandelt, auch mit Maria Magdalene an Seinem Auferstehungstag (Joh 20,15).

Diese Frage des Herrn ist wohl eine Prüfung, aber an der Ausdrucksweise erkennen wir doch, dass Er Vertrauen zu Sei-nen echten Jüngern hatte. Die Form der Frage durch das Wort etwa deutet an, dass der Herr mit einer ablehnenden Ant-wort rechnete, dass sie eben nicht weggehen wollten. Er hatte Vertrauen, dass diese Zwölf – bis auf Judas – bei Ihm bleiben würden.

Aber wir wollen mit allem Ernst diese Frage auch uns selbst stellen. Gehen wir nur noch so am Rand mit? Stehen wir in unserem Glaubensleben auf der Kippe? Spielen wir vielleicht schon einige Zeit mit dem Gedanken, wegzugehen? Der Herr möchte, dass wir bei Ihm bleiben, dass wir den Gedanken des Weggehens aufgeben, dass wir wieder neu ange-zogen werden von Seiner Liebe, von Seiner Person. Der Herr zwingt niemanden, bei Ihm zu bleiben, man darf wegge-hen – aber wie traurig, wenn wir vielleicht um irgendwelcher Menschen willen, die uns enttäuscht haben, von Ihm weggeht! Wenn man von etwas oder von einer Person weggehen will, muss man eine Alternative im Sinn haben, und eine solche Alternative ist immer bestenfalls zweitklassig.

„Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens“ (Vers 68).

In Vers 24 hatten die Volksmengen den Herrn gesucht, weil es ihnen um den äußeren Segen ging; in Vers 41 murrten die Juden gegen Ihn, weil sie unzufrieden waren mit dem, was Er gesagt hatte; in Vers 52 stritten sie untereinander, und in Vers 66 gingen viele von Seinen Jüngern zurück und wandelten nicht mehr mit Ihm, sie verließen Ihn. Es waren sol-che, die Seine Schüler waren, die von Ihm lernen sollten und Ihm dienen sollten, aber sie hatten keinen Glauben. Wel-che Trauer muss in dem Herzen von dem Herrn Jesus gewesen sein, wie mag es Ihn geschmerzt haben, dass sie weggin-gen. Aber jetzt kommt nach diesen vier negativen Verhaltensweisen eine fünfte Haltung von Menschen dem Herrn Jesus gegenüber vor uns – und das muss jetzt eine tiefe Freude für den Herrn gewesen sein! Da war eine kleine Gruppe, die bei Ihm blieb. Sie blieben nicht nur, sondern sie blieben bei Ihm, darauf liegt die Betonung.

Petrus antwortet dem Herrn, so wie es ihm ums Herz war, sein Mund redete aus der Fülle seines Herzens (Mt 12,34). In Mt 16,16 tut er es genauso. Er antwortet ganz einfach, aber völlig rückhaltlos und legt ein wunderbares Zeugnis für Seinen Herrn ab. Etwas Ähnliches finden wir im Leben Davids, als einige aus dem Volk zu ihm auf die Bergfeste ka-men und David ihnen auch so eine Testfrage stellt. Auch da gab es einen, der aus der Fülle seines Herzens eine Antwort gab, die das Herz Davids tief erfreut haben muss (1. Chr 12,19).

Der Herr hatte hier die Zwölf gefragt, ob sie auch weggehen wollten, aber Petrus personalisiert das, es ging ihm nicht um einen Ort, sondern um eine Person. Und er sagt mit seinen Worten praktisch: „Du bist für uns ohne Alternative“! Was muss die Antwort des Petrus für unseren Herrn gewesen sein! Murren, Streit, Ablehnung, Weggehen – und jetzt diese Wertschätzung Seiner Person. Fragen wir uns einmal ernstlich, ob wir das auch so hätten sagen können, dass der Herr für uns ohne Alternative ist, dass wir ohne Ihn nicht leben wollen.

Die Frage des Petrus macht auch deutlich, dass wir Menschen einen Gegenstand des Glaubens, einen Anziehungspunkt brauchen. Die Braut in Hld 1,7 fragt nach einer Person, Heb 13,13 fordert uns auf, zu Ihm hinauszugehen; es geht im-mer um die eine wunderbare Person, und das ist die positive Seite der Absonderung. Wenn wir das mehr vor den Her-zen hätten, wäre Absonderung für uns nicht so oft ein so mühsames Thema.

Petrus spricht zuerst von dem, was der Herr Jesus gibt, und dann im nächsten Vers von dem, was der Herr Jesus ist, er kommt von dem, was der Herr Jesus gegeben hatte zu dem Geber selbst. In beider Hinsicht ist der Herr Jesus ohne Al-ternative. Petrus sagt nicht, dass er bei dem Herrn bleibt, weil er dort Brot und Fisch bekommen hat, sondern er hatte an sich selbst erlebt, dass der Herr diese Worte ewigen Lebens hat. Der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein, son-dern von allem, was aus dem Mund des HERRN hervorgeht (5. Mo 8,3). Es sind Worte, die, wenn sie geglaubt werden, zum ewigen Leben führen. Dieses ewige Leben gibt es nur bei dem Herrn, und deswegen können und wollen die Jünger nirgendwo anders hingehen.

„...und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist“ (Vers 69)

Jetzt kommen wir zu dem, was der Herr Jesus in sich selbst ist, und auch das ist einmalig und ohne Alternative. Nur Er ist der Heilige Gottes. „Der Heilige“ ist ein sehr bemerkenswerter Titel des Herrn Jesus, den Johannes in seinem ersten Brief noch einmal wiederholt (1. Joh 2,20). Petrus selbst wiederholt diesen Titel in Bezug auf den Herrn Jesus auch noch einmal in Apg 3,14. Als der Heilige Gottes ist der Herr Jesus als Mensch der für Gott Abgesonderte auf der Erde. Sogar der unreine Geist in Mk 1,23+24 nennt Ihn mit diesem Titel, aber gequält und mit Zittern (Jak 2,19) – Petrus dagegen voll tiefer Bewunderung. Der Herr Jesus spricht von Sich selbst als den, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat (Joh 10,36). Er war zu einem besonderen Zweck von Gott zubereitet oder abgesondert worden. Er soll-te auf dieser Erde Gott offenbaren, Ihm als vollkommener Diener dienen, und das Werk vollbringen, das der Vater Ihm gegeben hatte. Dazu hatte Gott Ihn geheiligt. Und Petrus muss davon etwas erfasst haben und bringt es hier zum Aus-druck.

Die Menschen drehen normalerweise die Reihenfolge dieser Worte um und sagen, dass sie nur das glauben können, was sie auch verstehen. Diesen Grundsatz müssen wir im Blick auf geistliche Dinge über Bord werfen. Er mag richtig sein hinsichtlich mancher irdischen Belange, z.B. Schule, Studium, Beruf. Aber im Glaubensleben ist die richtige Reihen-folge, dass man zuerst im Glauben annehmen muss, und dann zu weiterem Erkennen geführt wird. In diesem Sinn drückt der Herr selbst es aus in Joh 7,17: der Glaube an den Herrn und die grundsätzliche Bereitschaft zum Gehorsam werden uns weiterführen in der Erkenntnis Gottes.

Glauben und Erkennen stehen hier im griechischen Text in der Perfekt-Form, d.h. es wird nicht nur eine einmalige ab-geschlossene Handlung in der Vergangenheit beschrieben, sondern eine Handlung in der Vergangenheit, deren Ergebnis-se bis in die Gegenwart hineinreichen und immer noch vorliegen. Die Jünger hatten einmal geglaubt und erkannt, und sie glaubten und erkannten immer noch.

„Jesus antwortete ihnen: Habe ich nicht euch, die Zwölf, auserwählt? Und von euch ist einer ein Teufel“ (Vers 70)

Wenn der Herr Jesus auserwählt, ist das immer eine Auserwählung in der Zeit zu einem Dienst auf der Erde (vgl. Joh 15,16); die Auserwählung vor Grundlegung der Welt geschieht durch Gott (Röm 8,28–30; Eph 1,3–5). In diesem Sinn war auch Judas Iskariot vom Herrn auserwählt und wurde von Ihm auch mit den anderen elf Jüngern ausgesandt (z.B. Lk 9,1). Judas gehörte zwar nicht zu den Vielen, die in Vers 66 weggegangen waren, aber er war doch ungläubig. Er blieb, bis er in Joh 13 offenbar wurde. Ob es heute auch solche gibt, die bleiben, obwohl sie im Herzen keine Bezie-hung zu Ihm haben?

„Er sprach aber von Judas, Simons Sohn, dem Iskariot; denn dieser sollte ihn überlie-fern – einer von den Zwölfen“ (Vers 71)

Judas Iskariot ist eine einmalige Erscheinung in der gesamten Menschheitsgeschichte. Der Herr wusste schon bei der Auswahl der zwölf Jünger, dass dieser Mann Ihn einmal überliefern würde. Bei allen Erwähnungen in den Evangelien fehlt nie dieser Zusatz, dass er den Herrn Jesus überliefern würde. Diese Szene hier in Johannes 6 gehört ja zeitlich ge-sehen in das dritte Jahr des öffentlichen Dienstes des Herrn, denn das in Vers 4 erwähnte Passah ist schon das dritte Passahfest im Johannes-Evangelium. Wir sind hier also zeitlich gesehen schon recht weit in den geschichtlichen Berich-ten über das Leben des Herrn, und immer, wenn in diesem Zusammenhang auch Judas erwähnt wird, folgt von Anfang an dieser Zusatz, dass er Ihn überliefern würde.

Judas war vollkommen verantwortlich für das, was er getan hat, und doch musste durch ihn die Prophezeiung aus Ps 41,10 und 55,13–15 erfüllt werden. Er war nicht zum Verderben zuvorbestimmt, aber von keinem anderen Menschen war von Anfang an derart sicher, dass er ins Verderben gehen würde, wie bei Judas Iskariot. Er hatte genug Chancen in seinem Leben gehabt, sich auch innerlich dem Herrn zuzuwenden, und hat keine davon wahrgenommen. Hätte ihn nicht auch die Frage des Herrn hier in Vers 67 aufrütteln müssen?

Weggehen oder Bleiben?

Wir werden nie damit zu Ende kommen, die Herrlichkeit dessen zu betrachten, der in diesem Kapitel vor uns gestanden hat. Er war und ist einzigartig, nicht nur in dem, was Er hat und gibt und tut, sondern mehr noch in dem, was Er ist. Der Geber ist immer größer als die Gabe! Im Gegensatz zu den Juden, die nur nach dem Fleisch urteilten, hatte Petrus etwas davon verstanden und zum Ausdruck gebracht. Und Judas Iskariot, der alles genauso miterlebt hatte wie die übri-gen elf Jünger, ist dieses erschütternd ernste Beispiel dafür, dass man trotz dieser Nähe zum Herrn innerlich völlig kalt bleiben kann. Deshalb wollen wir uns am Ende dieses Kapitels noch einmal die Frage stellen, wie wir zu Ihm stehen, was Er mir ganz persönlich bedeutet, ob wir auch weggehen wollen.

Wenn wir aber bei Ihm bleiben, sind wir wohlbewahrt (1. Sam 22,23); und dann wird es auch unser Wunsch sein, dass Er bei uns bleibt, weil es schon gegen Abend ist (Lk 24,29). Lasst uns die wenigen Schritte, die wir noch zu gehen haben, bei Ihm bleiben! Sind wir uns dessen bewusst, was wir aufgeben würden, wenn wir das nicht tun?