Im Buch der Richter finden wir neben bekannten Richtern wie Gideon und Simson auch weniger bekannte. Weniger bekannt bedeutet natürlich nicht, dass die Rettung, die Gott durch sie herbeiführte, von geringerer Bedeutung gewesen wäre. Dass manche Richter nicht so „berühmt“ sind, rührt teilweise daher, dass ihre Geschichte einen kleineren Raum im Wort Gottes einnimmt oder aber nicht ganz so aufregend und mitreißend verlief. Da ihre Geschichte dennoch manche wertvolle Lektion für uns enthält, wollen wir uns in diesem Artikel ein wenig mit einigen dieser weniger bekannten Richter beschäftigen und dabei die eine oder andere Lektion für unser Glaubensleben mitnehmen.

Othniel (Ri 3,1–11)

Othniel, der erste Richter, war ein Neffe Kalebs. Er befreite das Volk Israel aus der Hand Kuschan-Rischataims, des Königs von Mesopotamien. Unter ihm hatte das Land 40 Jahre Ruhe. Wie manche Diener Gottes vor und nach ihm hatte auch Othniel eine verborgene Zeit der Vorbereitung auf seinen öffentlichen Dienst. In Richter 1,12–15 sehen wir, wie er sich in dieser Zeit durch Entschiedenheit und Mut auszeichnete. Als es darum ging, die Stadt Kirjath-Sepher einzunehmen, war er zur Stelle und nahm sie ein. In seinem persönlichen Leben hatte er den (Glaubens-)Kampf gelernt und sich dadurch eine Braut, ein Erbteil und Wasserquellen erworben. Es kann ja kein „Zufall“ sein, dass der Heilige Geist seine „frühe Geschichte“ zweimal erwähnt (siehe auch Jos 15,16–19).

Nachdem Israel sich mit den Bewohnern des Landes vermischt und Götzendienst getrieben hatte, gab Gott sie in die Hand Kuschan-Rischataims, des Königs von Mesopotamien. Als das Volk in seiner Bedrängnis zum Herrn schrie, erweckte er ihnen Othniel als Richter und Retter. Der Name Othniel bedeutet „Gott ist mächtig“. Von seiner Zeit als Richter wird uns nicht viel gesagt, doch was gesagt wird, ist äußerst lehrreich (Ri 3,9–11). Sechs Punkte wollen wir hervorheben:

• Der Herr gab ihn als Retter, um sein Volk zu retten. Othniel war ein Geschenk Gottes an sein Volk. Weil Gott Mitleid mit seinem bedrängten Volk hatte, erweckte er ihnen in Othniel einen Retter. Ist Othniel hier nicht ein schönes Vorausbild auf den Herrn Jesus, den Gott gab, um sein Volk (von ihren Sünden) zu erretten (vgl. Mt 1,21; 2. Kor 9,15)?
• Der Geist des Herrn kam über ihn. Othniel trug den Stempel der Schwachheit, denn er war der Sohn des jüngeren Bruders von Kaleb. Aber in der Kraft des Geistes Gottes konnte er das Werk Gottes in Macht vollbringen. Der Heilige Geist möchte auch uns leiten und die nötige Kraft und Weisheit zu jedem Dienst geben.
• Er richtete Israel. Othniel war ein Mann, der vor Gott stand und die nötige moralische Autorität hatte, um das Volk zu richten, das heißt, die Angelegenheiten des Volkes so zu beurteilen, wie Gott sie beurteilte. Dazu besaß er die „Weisheit von oben“ (Jak 3,17), die auch uns heute zur Verfügung steht, wenn wir Gott darum bitten (Jak 1,5).
• Er zog in den Kampf. Othniel wich dem Kampf nicht aus, sondern war bereit, für Gott und sein Volk in den Kampf zu ziehen. Manchmal muss auch der Gläubige kämpfen, zum Beispiel gegen die Anfechtungen des Teufels oder für die Wahrheit der Bibel (vgl. Eph 6,12; Jud 3). Sind wir vertraut mit unserer Waffenrüstung (vgl. Eph 6,13–18)?
• Der Herr gab Kuschan-Rischataim in seine Hand. Othniel führte den Kampf, aber der Herr gab den Sieg. Auch unser Glaubenskampf muss unter dem Segen des Herrn stehen, wenn wir Glaubenssiege erringen wollen. Der Sieg, den der Herr durch Othniel gab, war nachhaltig und vollständig. Das Land hatte danach Ruhe.
• Als Folge des Sieges über die Feinde hatte das Land 40 Jahre Ruhe. Ist es nicht ermutigend zu sehen, dass Gott seinem Volk sogar in einer Zeit des Verfalls ein gewisses Maß an Ruhe gewährte? Auch für uns Christen, dem himmlischen Volk Gottes, bleibt eine Ruhe übrig (Heb 4,9). Sie ist noch zukünftig, aber wir können sie jetzt schon im Herzen genießen (vgl. Mt 11,29).

Ehud (Ri 3,12–30)

Nach der Richterzeit Othniels wichen die Kinder Israel schnell wieder von den Geboten Gottes ab und taten, was böse war in den Augen des Herrn. Gott musste sie dafür bestrafen und gab sie in die Hand Eglons, des Königs von Moab, dem sie 18 Jahre dienten. Als sie in ihrer Not wieder zu Gott umkehrten, erweckte er ihnen Ehud, den Sohn Geras, aus dem Stamm Benjamin. Nach der Rettung durch Ehud hatte das Land 80 Jahre Ruhe. Mehrere Einzelheiten über Ehud verdienen unsere Beachtung:

• Sein Name bedeutet „Lobender“. „Loben zieht nach oben“: Das Loben Gottes ist ein wirksamer Schutz vor geistlichen Niederlagen. Ein lobender Christ lässt sich nicht so leicht „kleinkriegen“. Christen werden in ihrem Kampf gegen die geistlichen Feinde in dem Maß gestärkt, wie sie ihren Platz als Priester vor Gott einnehmen und ihn loben (vgl. 2. Chr 20,21.22).
• Er hatte eine natürliche Schwäche: Er war Linkshänder, das heißt, er war an seiner rechten Hand eingeschränkt, obwohl er von Benjamin, dem „Sohn der Rechten“ abstammte (V. 15, vgl. 1. Mo 35,18). Doch wer sich seiner Schwachheit(en) bewusst ist, darf sich auf die Stärke Gottes stützen und dabei die Erfahrung machen: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2. Kor 12,10).
• Er machte sich ein kurzes zweischneidiges Schwert – ein Bild des Wortes Gottes –, und trug es unter seinen Kleidern an seiner rechten Hüfte (V. 16; vgl. Heb 4,12). Aber er trug es nicht nur, sondern benutzte es auch, indem er es wirkungsvoll gegen Eglon einsetzte. „Tragen“ wir das Wort Gottes in unseren Herzen und wenden wir es dann in den entsprechenden Situationen unseres Alltags wirkungsvoll (z. B. zum Trost, zur Aufmunterung, zur Ermahnung) an?
• Bei den geschnitzten Bildern in Gilgal machte er kehrt, um Eglon ein „geheimes Wort“ zu überbringen (V. 19). Vom Ort des Selbstgerichts (Gilgal) ausgehend, konnte er das Gericht an Eglon ausüben. Die Fettleibigkeit Eglons ist ein Bild der Selbstsucht des Fleisches, an dem wir in der Kraft des Geistes das Todesurteil vollstrecken sollen (vgl. Röm 8,13; Phil 3,3).
• Nach dem Tod Eglons stieß Ehud in die Posaune, um Israel zum Kampf zu sammeln (V. 27). Auf den verborgenen Sieg über den König von Moab folgte der öffentliche Triumph. Der Feind wurde völlig vernichtet. Israel übernahm auch die Kontrolle über die Furten des Jordan. Damit wurde dem Feind jegliche Möglichkeit eines erneuten Angriffs genommen. Für uns: „Die aber des Christus sind, haben das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Begierden“ (Gal 5,24).

Jephta (Ri 10 und 11)

Das Volk hatte sich von den Verfehlungen Gideons, die dieser am am Ende seines Lebens zuließ, und der schlimmen Zeit unter Abimelech nicht vollständig erholt und war geistlich sehr geschwächt, als Jephta, der neunte Richter, auf den Plan trat. Doch Gott benutzte diesen Mann, um in seinem Volk eine erneute Erweckung zu bewirken. Auch Jephta trug den Stempel der Schwachheit. Obwohl er ein „tapferer Held“ war, war er zugleich der Sohn einer Hure (Ri 11,1). Die Dauer seiner Richterzeit war vergleichsweise kurz; er richtete Israel nur sechs Jahre (Ri 12,7). Seine wechselhafte Geschichte zeigt uns manche Tiefen und nur wenige Höhen. Einige Punkte wollen wir uns etwas näher anschauen:

• Beim Lesen seiner Geschichte fragen wir uns vielleicht, ob er im Glauben handelte. Gott gibt uns in Hebräer 11 die Antwort: Er sah den Glauben in Jephtas Herz und Leben und gab ihm einen Platz in der Liste der Glaubenshelden (Heb 11,32).
• Jephta wurde von seinen Halbbrüdern ausgestoßen und scharte lose Leute um sich, mit denen er auszog (Ri 11,2.3). Wie Jephta wurde auch der Herr Jesus von seinen Brüdern verworfen (vgl. Lk 19,14; Joh 7,5). Und wie David später wurde er ein Anziehungs- und Sammelpunkt für manchen bedrängten Zeitgenossen (vgl. 1. Sam 22,2).
• Als die Ammoniter Israel angriffen, sahen sich die Ältesten von Gilead gezwungen, Jephta wieder zurückzuholen, um ihn zum Haupt und Anführer im Kampf gegen die Ammoniter zu machen (Ri 11,4–11). So wird es auch mit Christus sein: Der, der von seinem Volk verstoßen wurde, wird in der Zukunft einmal ihr Haupt und Anführer sein (vgl. Sach 12,8.9; 14,3).
• Nachdem Jephta vergeblich versucht hatte, die Ammoniter von ihren ungerechtfertigten Angriffen gegen das Land, das Gott Israel zum Besitz gegeben hatte, abzubringen, kam der Geist des Herrn über ihn. Gott wollte ihm den Sieg geben, aber leider versuchte Jephta einen Handel mit Gott zu machen (Ri 11,12–31).
• Vor dem Kampf legte er ein unüberlegtes Gelübde ab, weil er den Sieg über die Feinde mit einem Opfer begleichen wollte (Ri 11,30.31). Als Jephta vom Kampf zurückkam, war er an sein Gelübde gebunden (vgl. 5. Mo 23,22; Pred 5,4). Wir sollen Gott nichts versprechen, sondern ihm einfach vertrauen und mit seiner Hilfe rechnen!
• Seine einzige Tochter musste für sein unnötiges Gelübde bezahlen. Der Glaube, der Jephta gefehlt hatte, strahlte in seiner Tochter hervor: Obwohl sie nie eine Mutter in Israel sein würde, unterwarf sie sich dem Willen Gottes. Mit ihren Freundinnen beweinte sie zwei Monate ihre Jungfrauschaft, bevor Jephta das Gelübde an ihr vollzog (Ri 11,34–40).

Die ganz „kleinen“ Richter

Zum Schluss noch ein kurzes Wort zu den ganz „kleinen“ Richtern. Sechs Richtern widmet der Heilige Geist nicht einmal mehr als zwei bis drei Verse und erwähnt sie nur im Vorbeigehen (Schamgar, Tola, Jair, Ibzan, Elon und Abdon). Dennoch war bei einigen die Dauer der Ruhe, die sie Israel verschafften, beachtlich. Tola, zum Beispiel, richtete Israel 23 Jahre lang, ohne dass auch nur eine seiner Taten erwähnt wird (Ri 10,2).

Von anderen Richtern werden nur einzelne Besonderheiten hervorgehoben. Von Schamgar zum Beispiel lesen wir, dass er 600 Philister mit einem Rinderstachel tötete (Ri 3,31). Und von Jair wird berichtet, dass er 30 Söhne hatte, die auf ebenso vielen Eseln ritten und ebenso viele Städte besaßen (Ri 10,4). Diese wenigen interessanten Einzelheiten zeigen, dass es sich lohnt, auch einmal einen Blick auf diese ganz „kleinen“ Richter zu werfen! Denn die dort genannten Taten werden für denjenigen, der sich Zeit zur Beschäftigung mit diesen Versen nimmt, ebenfalls sehr lehrreich sein.