Auch wenn Biografien auf einer Seite, die sich zuerst dem Bibelstudium widmet, nicht in den Mittelpunkt gerückt werden soll, so soll doch dem Interesse an Biografien begegnet werden. Heute geht es um Rudolf Brockhaus. In der Zeitschrift „Botschafter des Friedens“ wurde sein Leben relativ ausführlich beleuchtet (der Artikel erschien in den dreißiger Jahren):    

„Gedenket eurer Führer, die euch das Wort Gottes verkündigt haben, und den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmet ihren Glauben nach!“ (Heb 13, 7.) Eingedenk dieser Ermahnung der Heiligen Schrift bringt der „Botschafter des Friedens“ diesmal das Lebensbild von Rudolf Brockhaus.

Wie Gott im Reiche der Natur Bäume von verschiedener Größe und Blumen von verschiedenem Duft und Geschöpfe von verschiedener Tätigkeit hat, so ist auch unter den Zeugen Gottes ein Unterschied. Der Flieder erreicht nicht die Größe der Ceder; der Duft des Veilchens ist anders als der der Lilie, und die Ameise verrichtet nicht die Arbeit einer Biene. Doch hat jede Pflanze und jedes Tierlein seinen Zweck zu erfüllen, und wie lieblich ist es, wenn wir in der Heiligen Schrift lesen von der Schönheit der Lilie und vom Fleiß der Ameise, von beiden können wir lernen. So sollen wir aber auch auf die verschiedenen Knechte und Führer achten, die der Herr in Seinen Dienst berufen und deren Tätigkeit für uns zum Segen war und auch weiter zum Segen sein wird, wenn wir ihren Glauben nachahmen. Und wie erhebend wirkt es auf das Herz, wenn wir die Liebe und Kraft des Herrn immer wieder wirksam sehen in den Seinigen, wie sie mit unerschrockenem Mute und seltener Hingabe und Treue Ihm und Seinem Volke sowie auch der Welt gedient und das Wort der Wahrheit auf den Leuchter gestellt haben. So betrübend die Wahrnehmung der Untreue, Lauheit und Trägheit und Weltförmigkeit Tausender unter dem Volke Gottes ist und lähmend wirkt, so erfreulich und ermutigend ist ein Zeugnis von treuen Männern, die nicht allein für das Evangelium gekämpft haben, sondern auch für die ganze Wahrheit eingetreten und gegen alles Böse, das sich unter den wahren Christen eingeschlichen und breit gemacht hat, gezeugt haben.

Rudolf Brockhaus wurde am 13. Februar 1856 zu Elberfeld als fünftes Kind des Karl Brockhaus geboren. Sein Vater, ein ehemaliger Lehrer, hatte um des Glaubens willen den Schuldienst aufgeben müssen. Dies brachte für die Familie gar viele und schwere Übungen. Der Herr aber, dem die Aufrichtigkeit und Lauterkeit des Vaters wohlgefiel, sorgte treu für ihn und sein Haus. Es erging dem Vater wie dem Psalmisten, der aus der Erfahrung heraus bekennen konnte: „Viele sind der Widerwärtigkeiten des Gerechten, aber aus allen denselben errettet ihn Jehova.“ – Die Zeit der Schwierigkeiten und Übungen war gesegnet für die ganze Familie. Unter solchen Verhältnissen wuchs der kleine Rudolf auf, und wir können überzeugt sein, dass er vom Vater in der Furcht und Ermahnung des Herrn erzogen wurde. Welch eine Gnade ist es doch, wenn Kinder gottesfürchtige Eltern haben, die ihnen schon in frühester Jugend das Wort Gottes, diesen köstlichen Samen, ins Herz pflanzen und ihnen erzählen von der Liebe Gottes, die in Christo ihre völlige Offenbarung gefunden. Wie gesegnet für die Kinder, wenn sie aufmerksam gemacht werden auf ihren verlorenen Zustand und zugleich auf das herrliche, vollkommene Opfer, das der Herr am Kreuze gebracht zum Heil allen Glaubenden! Möchten sie dankbar dafür sein und das Heil früh ergreifen!

Seine Bekehrung

Von Rudolf Brockhaus können wir nicht sagen, dass er schon als Kind die Gewissheit des Heils besessen hat. Sein Vater schickte ihn, als er herangewachsen war, auf eine höhere Schule, und zwar bis zur Primareife, und dann ließ er ihn zu dem Eisenbahn- und Tiefbau-Unternehmer Gottlieb Scheidt (Mülheim a. Rh.) in die Lehre gehen. Obwohl 15 Jahre alt, konnte Rudolf sich noch immer nicht des Heils erfreuen; aber er kam in dieser Zeit in schwere Kämpfe. Seinen verlorenen Zustand hatte er erkannt und auch die Macht der sündlichen Natur; die Erfahrung war ihm in der Erkenntnis des bösen Herzens und seiner sündlichen Neigungen zu Hilfe gekommen und hatte ihm seine völlige Ohnmacht und Kraftlosigkeit, das Böse zu überwinden, gezeigt. Aber wie sollte er zur Heilsgewissheit kommen? Weil er das Böse Gott gemäß verurteilt hatte, so war wohl das Leben in der Seele vorhanden; aber sein Gewissen war noch nicht zur Ruhe gekommen. Er fürchtete sich noch vor dem Gericht, und suchte ihm zu entrinnen. Als er nun eines Abends einmal heimkam und an der Haustür schellte, musste er längere Zeit draußen stehen bleiben. Einmal war der Weg von der Küche bis zur Haustür recht weit, dann aber lag es auch vielleicht nicht gleich in des Mädchens Macht, die Tür zu öffnen. Rudolf befiel jetzt eine furchtbare Angst; er dachte, der Herr sei gekommen, habe die Seinigen heimgeholt und ihn zurückgelassen; nun sei er dem Gericht verfallen. Aber mit dem Gefühl wahrer Erlösung aus dieser Herzensangst begrüßte er dann das öffnende Mädchen. Er hat später gesagt, als er mit dem Licht der Erkenntnis des Wortes seinen damaligen Zustand beurteilte: „Ich glaube nicht, dass ich verloren gegangen wäre, wenn der Herr mich abgerufen hätte; aber ich hatte keinen Frieden.“ Wie schon oben gesagt, war die Sünde Gott gemäß von ihm verurteilt worden, aber er hatte den Wert des Opfers am Kreuze noch nicht erkannt, blickte auf sich selbst und nicht auf den Gekreuzigten und Auferstandenen. Zum Frieden kam er erst später in Elberfeld.Eines Sonntagmorgens dankte ein Bruder am Tische des Herrn besonders innig dafür, dass der Herr am Kreuze alles gut gemacht habe. Da hieß es im Herzen Rudolfs: „Ist das nicht genug?“ „Ja“ sagte er zu sich selbst, „es ist genug! So halte es doch fest!“ Aber noch einmal machte der Feind Anstrengung, ihn in den Zustand der Unsicherheit zurückzuziehen. Da wurde in der gleichen Versammlung ein Lied gesungen, von dem Rudolf glaubte, es nicht mitsingen zu können, weil die Kinder Gottes darin ihrer Freude über die herrliche Erlösung Ausdruck gaben. Aber da hieß es in ihm: „Ist es nicht genug, was der Herr am Kreuze für dich getan?“ Und mit Tränen in den Augen gab er sich selbst die Antwort: „Ja, ich will es festhalten.“ Jetzt kam sein Gewissen zur Ruhe. Aber sein Herz war noch nicht fröhlich. Nach der Versammlung ging er zu seiner Mutter, die wegen Hausarbeit der Versammlung nicht beigewohnt hatte und am Herd stand, mit dem Kochen beschäftigt. Er sagte zu ihr: „Mutter, jetzt kann ich auch glauben.“ Die Mutter schwieg, aber Freudentränen rannen ihr über die Backen. Mit diesem Bekenntnis zog nun auch die Freude in sein Herz, die dann nie mehr gewichen ist. So erfuhr er, wie er später selber oft bekannt hat, die Wahrheit des Wortes: „Mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Munde wird bekannt zum Heil.“ (Röm 10, 10.) Sein Aufenthalt in Stuttgart. Da die Firma Menzel und Scheidt längere Zeit keine Aufträge bekam, musste der junge angehende Techniker sich anderswo Arbeit suchen. Diese fand er bei der Hochbau-Firma Seeger und Frese in Elberfeld. Nach beendeter Lehrzeit trat er mit seinem Vetter E. Löwen als Einjährig-Freiwilliger beim Grenadier-Regiment „Königin Olga“ in Stuttgart ein. Hier fanden beide ein Heim in dem Hause des Bruders Wagner, der sich in herzlicher Weise der jungen Brüder annahm und ihnen behilflich war auf dem Wege des Lebens. Die Versammlung in Stuttgart war klein, und als eines Sonntags die Brüder fehlten, welche gewöhnlich den Dienst am Worte ausübten, da erhob sich nach längerem Warten der kleine Einjährige – so nannten ihn seine Kameraden in der Kompanie, weil er die vorgeschriebene Größe nicht besaß – und sprach über ein Wort. Es mag ihm dabei wohl ein wenig bange gewesen sein, da zu seinen Zuhörern auch die Gattin des württembergischen Kriegsministers von Steinheil gehörte. Einige Male hatte er auch Gelegenheit, im Hause der dem Herrn mit ungeteiltem Herzen und hingebender Liebe dienenden Schwester Miss Wheatly gesegnete Stunden zu verleben. Wenn der Herr jemand für Sein Werk bestimmt hat, richtet er den Weg für die künftigen Diener so ein, dass sie unter gesegneten Einfluss kommen, der ihnen für ihr späteres Leben sehr zugute kommt. Sein Eintritt ins Werk des Herrn. 

Rudolf hatte damals die Absicht, nach beendeter Militärdienstzeit zu seiner weiteren technischen Ausbildung eine höhere Bauschule zu besuchen, gab aber den Gedanken auf, einmal, weil es schon lange sein Herzenswunsch gewesen war, dem Herrn zu dienen in Seinem Werke, zum andern, weil er sich vom Heiligen Geiste dazu getrieben fühlte. Er kehrte daher nach Hause zurück, um fortan im Verlage seines Vaters tätig zu sein und diesen in seinen schriftlichen Arbeiten zu unterstützen. Bald übernahm er die Schriftleitung der „Samenkörner“, einer Zeitschrift, im Erzählton gehalten und erwecklichen und belehrenden Inhalts für die Jugend.

Auf der Reise.

Anfangs der zwanziger Jahre machte Rudolf verschiedentlich Reisen mit älteren Brüdern, die sich im Werke des Herrn bemühten, die Gläubigen in den Häusern besuchten und in den Versammlungen am Worte dienten. Auf diese Weise lernte er das Werk des Herrn kennen. Jetzt hatte er Gelegenheit, seine vom Herrn geschenkte Gabe zum Nutzen und Segen der Geschwister zu verwenden und auch am Evangelium zu dienen.Einmal reiste er, – und dies war ganz im Anfang seiner Tätigkeit – mit Bruder Philipp Richter im Hessenlande. Als nun eines Abends in einer Versammlung eine größere Anzahl Geschwister zusammengekommen war, das Wort Gottes zu hören, las Br. Richter ein schwieriges Kapitel vor, sagte über das Verlesene einige ermunternde und belehrende Worte und setzte sich dann wieder in der Erwartung, sein jugendlicher Begleiter würde die Fortsetzung machen. Rudolf geriet in große Angst, blickte aber auf zum Herrn. Der Herr gab Gnade, den Geschwistern einiges zur Erbauung mitzuteilen. Im Gefühl der Ohnmacht und Schwachheit durfte er die Gnade erfahren, die der Herr denen schenkt, welche auf Ihn harren und von Ihm alles erwarten. Wie wichtig dies für alle Diener am Wort!Ein anderes Mal begleitete Rudolf vier Wochen lang Br. Darby auf einer Reise in die Schweiz. Darby war alt und bei schwacher Gesundheit, und so fuhren sie zweiter Klasse und waren lange Zeit ganz allein im Abteil. Da fragt Herr Darby seinen Reisegenossen plötzlich, ob er sich klar sei über den Zustand des Mannes in Römer 7. „Nicht ganz.“ „Dann will ich es Ihnen erklären.“ Und nun entwickelte Br. Darby ausführlich seine Gedanken.„Haben Sie verstanden?“„Nicht ganz, Herr Darby.“„Dann denken Sie mal darüber nach!“Br. Darby saß in einer Ecke, Rudolf in einer anderen und dachte nach. Nach einer Weile kam wieder die Frage:„Haben Sie nun verstanden?“„Nein, nicht ganz.“„Dann will ich es Ihnen noch einmal erklären.“Und mit der gleichen Geduld begann Bruder Darby von neuem. Rudolf fürchtete, dass es jetzt wieder heißen würde: „Haben Sie jetzt verstanden?“ Und so kam es auch.„Nein, immer noch nicht, Herr Darby.“„Dann denken Sie nochmals darüber nach.“Aber Rudolf verstand immer noch nicht, und zum dritten Mal erklärte der alte, unermüdliche Mann seinem Begleiter das schwierige Kapitel. Darauf sagte dieser zögernd:„Herr Darby, es scheint mir, Sie denken, dass der Mann in Römer 7 den Heiligen Geist noch nicht habe.“„Ach, habe ich es nicht geahnt?“ lautete die Antwort. „Ich dachte wohl, dass das Ihre Schwierigkeit sei. Aber Sie sollten selbst darauf kommen.“So ist Rudolf Brockhaus Römer 7 klar geworden.Er hat oft erzählt von dem Segen und den Belehrungen, die er auf dieser Reise empfangen habe. Bis Zürich begleitete er damals Herrn Darby. Von dort musste er nach Elberfeld zurück. „Wie schade“, meinte der alte Herr. „Sie sollten den schönen Genfer See noch sehen.“ Und darauf begann er die Schönheiten dieses Sees auszumalen.„Aber, Herr Darby, Sie haben mir doch selbst gesagt, dass Sie seit Ihren Jünglingsjahren keine Reise mehr zu Ihrem Vergnügen gemacht haben.“

„Ja, mein lieber Rudolf, das ist auch ganz was anderes. Der Herr hat mir aber trotzdem viel Schönes von dieser Erde gezeigt. In Amerika fragte mich einmal eine Schwester, ob ich den Niagarafall gesehen habe. Ich verneinte. Sie meinte, den müsste ich unbedingt sehen. Und was geschah? Mein Weg führte mich daran vorbei, und gerade, als wir an der besten Stelle waren, hielt der Zug. Die Maschine hatte einen Schaden bekommen, und während dieser ausgebessert wurde, konnten die Reisenden aussteigen. Rudolf, da hat mir der Herr den Niagarafall gezeigt, so schön, wie ich ihn sonst wohl nie zu sehen bekommen hätte.“

Sein Haus

In Therese Scheidt, der Tochter des schon erwähnten Bauunternehmers Gottlieb Scheidt, gab Gott seinem Knecht eine stille, gottesfürchtige Gattin, die ihm auf dem Wege durch diese Welt voll Leid, Schwierigkeiten und Prüfungen eine treue Gefährtin und Stütze gewesen ist. Die Vermählung fand statt im Jahre 1881. Der Ehe entsprossen 12 Kinder, die alle in Elberfeld geboren sind, später alle das Heil durch den Glauben ergriffen haben und auf dem Wege des Lebens wandeln. Welch eine Freude für die Eltern, eine so große Gnade zu erfahren! Freilich wurde ihnen auch das Leid nicht erspart; ihr wackerer Sohn Herbert fiel im Krieg in Italien. Seine Tätigkeit als Lehrer des Wortes. Wie wir alle wissen, hat der Herr Seiner Versammlung (Gemeinde) zur Sammlung und Auferbauung der Heiligen Gaben gegeben, und zwar Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer. Während die beiden ersten Gaben nach der Gründung der Kirche nicht mehr von Ihm ausgeteilt worden sind, sind die drei letzten uns durch die Gnade geblieben. Wenn Br. Brockhaus nun auch im Segen das Evangelium verkündigt und den Gläubigen zur großen Ermunterung in erbaulicher Weise gedient hat, so war er doch vom Herrn hauptsächlich dazu berufen, die Heiligen zu lehren. Dies hat er mündlich und schriftlich Jahrzehnte hindurch in großem Segen getan.Da sein Vater die Lehrgabe im Sohne erkannte, überließ er ihm bald die Schriftleitung vom „Botschafter des Heils“, einer Zeitschrift, die hauptsächlich dazu bestimmt war und es auch heute noch ist, die Gläubigen in die herrlichen Wahrheiten der Heiligen Schrift einzuführen. Wie viel Segen von ihr zu den Gläubigen geflossen ist, wird die Ewigkeit offenbaren. Dem Schriftleiter lag es stets am Herzen, den Lesern die Herrlichkeit der Person Christi vor die Seele zu stellen, sowie auch die Vollkommenheit Seines am Kreuze vollbrachten Werkes und die gesegnete Stellung der Erlösten zu ihrem himmlischen Haupte. Freilich war er auch bemüht, viele andere Wahrheiten, die bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts in unserem Lande ziemlich in Dunkel gehüllt oder gar völlig unbekannt waren, klarzustellen und immer neu darauf aufmerksam zu machen, wie die von der Darstellung der Einheit am Tische des Herrn, vom Kommen des Herrn, von der Gegenwart des Heiligen Geistes, von den zukünftigen Ereignissen und von der Aufrichtung des Reiches Christi auf Erden.Außer den Betrachtungen über den Römer- und Galaterbrief und das Buch Daniel hat er eine ganze Reihe Schriften belehrenden und erbaulichen Inhalts verfasst, wie z. B. „Die Versammlung, das Haus Gottes und der Leib Christi“, „Die Braut, das Weib des Lammes“, „Die Ehe des Christen“, „Was ist Anbetung“, „Gibt es eine Allversöhnung“, „Nach Wahl der Gnade“, und viele andere. Alle seine Schriften zeichnen sich aus durch ihre klare, schöne Sprache und verraten den geborenen Schriftsteller.Nicht vergessen wollen wir auch seine Gedichte, die vielen Herzen Trost, Ermunterung und Ermahnung gebracht haben.Seine Lehrgabe kam noch in besonderer Weise zur Geltung in den größeren Zusammenkünften (Konferenzen). Jedem, der an Wortbetrachtungen dieser Konferenzen teilgenommen hat, wird es unvergesslich bleiben, mit welcher Klarheit er die Wahrheiten durch die Gnade darzustellen vermochte, besonders, wenn Meinungsverschiedenheiten vorlagen. Nie ließ er rütteln an der Gottheit und reinen Menschheit Christi, oder an der Vollkommenheit Seines Werkes, durch welches der Gläubige auf immerdar vollkommen gemacht ist. Aber zugleich wusste er auch mit allem Nachdruck an unsere Verantwortlichkeit zu erinnern. Und alles geschah in heiligem Ernst und in Liebe. – Handelte es sich um eine Gegenschrift als Antwort auf schriftwidrige Auslegungen des Wortes Gottes, so wusste er in zarter Rücksicht auf den Gegner jede persönliche Verletzung zu vermeiden und sachlich zu bleiben.Außerordentlich viel nahm ihn der Briefwechsel in Anspruch. Was hierin in der Stille geschehen, wie viele Seelen er getröstet, ermuntert, ermahnt, belehrt und zurechtgewiesen hat, wie viel Zwiespalt verhütet und Ärgernisse beseitigt worden sind, wird ebenfalls die Ewigkeit offenbaren.Zuletzt sei noch seiner Bibelarbeit gedacht, an der er viele Jahre beteiligt war. Da die erste Ausgabe der „Elberfelder Bibel“ manche Mängel zeigte, so entschloss er sich, die nächste Ausgabe in einer verbesserten Übersetzung herauszugeben. Zunächst ging er an das Alte Testament heran. Viele Monate widmete sich der Heimgegangene mit Bruder Rochat, der ein ausgezeichneter Kenner des Hebräischen war, dieser schwierigen Arbeit, bis die Übersetzung in klarer und schöner Sprache vorhanden war. Alsdann suchte er auch die Übersetzung des Neuen Testaments zu verbessern. Dies geschah in Verbindung mit Br. E. Dönges. Wie viel Fleiß und Mühe darauf verwandt worden ist, bis die Übersetzung in der jetzigen klaren Form vorlag, davon werden wohl die wenigsten Leser sich eine Vorstellung machen können, wir alle aber wollen dem Herrn danken, dass Er Sein Werkzeug für diese so außerordentlich wichtige und segensreiche Arbeit befähigt und ihm soviel Liebe, Hingabe und Ausdauer dazu geschenkt hat.Dieser Segen konnte aber nur deshalb von ihm ausgehen, weil er in tiefster Abhängigkeit vom Herrn voranging, nichts in eigenmächtiger Weise zu erreichen suchte, sondern in dem Bewusstsein handelte: Ohne Christum vermag ich nichts zu tun. Und wenn wir ihn gefragt hätten: „Wie war es möglich, all die Last der Arbeit so viele, viele Jahre zu tragen?“, dann würde er sicher geantwortet haben: „Nicht ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir war.“ 

Sein Heimgang

Von körperlichen Leiden ist er nicht verschont geblieben. Ein unheilbares Hautleiden verursachte ihm viel, viel Plage. Er nahm es aber aus des Herrn Hand an, und weil er darin ein Mittel zu seiner Erziehung und Bewahrung sah, ertrug er ergeben diesen „Dorn im Fleische“. Seine Ergebenheit und Unterwürfigkeit unter den Willen des Herrn hat in seinem letzten Gedicht, das er 10 Tage vor seinem Heimgang niedergeschrieben hat und das wir hier folgen lassen, ergreifenden Ausdruck gefunden:

Herr, mach mich still! / Und führten Deine Wege / Und Deine gute, heilig treue Pflege / Ganz anders mich, als ich es wünsch' und will / O mach mich still!

Herr, lehre mich / Auf Deine Liebe bauen / Und Deiner Weisheit rückhaltlos vertrauen!  /Erschiene auch Dein Tun mir wunderlich / O lehre mich! / Herr, Du bist treu! / Seit meiner Kindheit Tagen / Hat Deine Güte sorglich mich getragen /Im Alter wird sie täglich, stündlich neu. / Ja, Du bist treu!

Herr, bis zum Ziel / Sind nur noch wenig Schritte./ Erhöre gnädig Deines Knechtes Bitte:/ Lass Deinem Wink mich folgen treu und still / Bis hin zum Ziel!

Liebe, Treue, Lauterkeit und Hingabe an den Herrn, Reinheit im Wandel und unermüdliche Tätigkeit für Gottes Volk und Werk kennzeichneten das Leben unseres Bruders bis ans Ende.Sonntag, den 18. September, war er noch in der Morgenversammlung. Sichtlich bewegt, sprach er das Anfangsgebet und hinterher auch die Dankgebete beim Brotbrechen. Er war so ergriffen, dass einem neben ihm sitzenden Bruder der Gedanke kam: „Sollte das vielleicht die letzte Anbetungsstunde sein, die Bruder Brockhaus auf Erden verlebt?“ Es war so. Schon am Nachmittag des gleichen Tages fühlte er sich nicht wohl. Gegen Abend trat eine Brustbeklemmung ein, die trotz verschiedener angewandter Mittel nicht weichen wollte. Früher als gewöhnlich ging er zur Ruhe. Doch war nichts Besonderes an ihm wahrzunehmen. Jedenfalls tat er keinerlei Äußerungen, die vermuten ließen, dass er an einen baldigen Heimgang dachte.Die Nacht verlief ziemlich unruhig. Erst gegen zwei Uhr schlief er ein. Seine Gattin war allein bei ihm. Gegen vier Uhr wurde sie wach und vernahm einen merkwürdig tiefen, seufzerartigen Atemzug, dem noch einige leisere folgten. Dann war alles still. Sie blieb völlig ruhig. Der Gedanke kam ihr wohl: Sollte mein Mann daheim sein? Aber es war ja vielleicht auch nichts als ein besonders tiefer Schlaf. So blieb sie still liegen, bis der Morgen dämmerte. Dann öffnete sie die Fensterläden. Ihr lieber Mann lag genau so da, wie er einige Stunden vorher eingeschlummert war – ein Bild tiefsten Friedens. Jener Atemzug war der letzte gewesen. Schlafend war er hinübergegangen in die ewige Ruhe.

Wie wohl wird ihm sein in der Nähe Dessen, der ihn so geliebt hat!

„Himmelsheimat, stille Friedenswohnung / Wo kein Leid mehr ist und kein Geschrei /wo des Heilands Nähe die Belohnung / Für die Seinen ist, und alles neu / Wo der Knecht sich froh zum Mahle setzt / An des Herren Fülle sich ergötzt.“ 

Ein Führer ist dahingeschieden, wir fühlen sehr den großen Verlust; der Herr allein kann ihn ersetzen. Er ist der Herr der Ernte. Ihm sei Seine Sache befohlen. Möge Er den Eifer und die Treue nicht erlahmen lassen! Ja, zu Ihm, dem Herrn zur Rechten Gottes, dem Sieger über Welt, Sünde, Tod und Teufel, zu dem Fels der Ewigkeiten, lasst uns vertrauensvoll aufschauen und nicht verzagen! Er wird weiter Gnade darreichen für den Dienst an Seinem Volk und Werk auf Erden, bis Er kommt.

Einiges aus den bei der Beerdigung gehaltenen Ansprachen.

„Ein Mann Gottes ist von uns weggenommen worden. Als wir die Nachricht hiervon empfingen, kam es unwillkürlich aus unseren und vieler Herzen: „Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und seine Reiter!“ Hätte man uns gefragt: „Soll er ziehen?“ wir hätten sicher verneinend geantwortet. Wie gern hätten wir ihn noch bei uns behalten! Was mein Vater einst bei der Beerdigung von Karl Brockhaus – dem Vater von Rudolf – bezeugte, das möchten auch wir wohl heute denken: Solch ein Mann kann nicht ersetzt werden!Aber der Herr hat anders gedacht und hat es anders gewollt. Er nahm unseren Bruder zu sich in die Ruhe und in die Freude! Br. Brockhaus hat nach dem Ratschluss Gottes seinen Dienst beendet.Indes – der Herr ist bei uns! Er versäumt oder verlässt uns nicht. Die Entschlafenen sind bei dem Herrn. Der Herr ist bei uns! Und bald werden wir auf ewig vereint sein im herrlichen Vaterhause!“Ein zweiter Bruder führte aus:„Unser aller Gefühle und Empfindungen sind in diesen Tagen auch wohl diejenigen eines Elija gewesen, nachdem Elias von ihm genommen war, und er ausrief: „Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und seine Reiter!“ Ihm schien es in diesem Augenblick, als wäre ihm alles genommen, ja, als wäre der Schutz und Schirm Israels von ihm gewichen. Aber sollte er jetzt bei seinem Schmerz stehen bleiben und sich schließlich darin verzehren? Gewiss nicht! „Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht.“ In diesem Vertrauen „nahm er den Mantel des Elia, der von ihm herabgefallen war, und schlug auf das Wasser und sprach: Wo ist Jehova, der Gott des Elia?“ (2. Könige 2, 14.)„Als auf dem Berge der Verklärung, Elias und Mose den Jüngern erschienen, da hätten die Jünger diese auch gern für immer bei sich behalten; aber auch sie verschwanden. Doch der Herr blieb bei ihnen. So ist es auch jetzt, wenn auch der eine oder andere den Schauplatz seines Wirkens verlässt, der Herr bleibt; ja, „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“! Der Herr verlässt uns nicht. „Das Gedächtnis des Gerechten bleibt im Segen.“ So ist es auch in unserem Falle, wir dürfen auch hier sagen: „Obgleich er gestorben ist, redet er noch.“ Ja, er redet, vor allem durch seine Schriften, aber auch durch seine ernsten und liebevollen Worte, die wir uns noch oft ins Gedächtnis zurückrufen werden. Und bei alledem dürfen wir freudig sagen: „Der Herr hat gegeben, und der Herr hat genommen, der Name des Herrn sei gepriesen!“„Und wenn wir schließlich noch an den glücklichen und friedlichen Heimgang unseres teuren Entschlafenen denken, und dass ihm ein so weiter Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus dargereicht worden ist, dann mögen wir wohl sagen: „Mein Ende sei gleich dem seinigen!“Anknüpfend an die Worte: „Sehend eure Ordnung und die Festigkeit eures Glaubens an Christum“, erinnerte ein dritter Bruder daran, die Wahrheit festzuhalten, wie es der Heimgegangene getan:„Lasst uns alle so treu an dem festhalten, „was von Anfang war“ (1. Joh 1, 1), wie unser geschätzter, vorangegangener Bruder! Lasst die Ordnung und die Festigkeit unseres Glaubens an Christum gesehen werden, und lasst uns auf der Hut sein, dass der Geist unserer Zeit uns nicht zum Bösen beeinflusse! Die Philosophie schaut nach Beute unter uns aus. Oft haben Söhne treuer Gottes-Männer wegen angeblich neuerer Entdeckungen und wegen angeblicher Fortschritte der Wissenschaft kostbare Wahrheiten leichtfertig aufgegeben, so die Wahrheit von der ewigen Verdammnis, von der ewigen Gottes-Sohnschaft, von der leiblichen Auferstehung usw. Der Heimgegangene hat die Wahrheit, wie sie in dem Jesus ist, bis zum Ende festgehalten. Möchten auch wir es tun! Möchte auch an den Kindern und Enkelkindern unseres treuen Kämpfers die Ordnung und Festigkeit des Glaubens an Christum, von welcher der Apostel schreibt, gesehen werden! Möchten seine Söhne so treu in seine Fußstapfen treten, wie er unentwegt in den Fußstapfen seines verehrten Vaters blieb! Und Gott bewahre uns alle auf dem Wege der Wahrheit durch Seine Gnade!“