Manchmal scheint es für uns Gläubige demütig zu sein, sich als einen „armen Sünder“ zu betrachten. Doch warum das nicht wirklich demütig ist und warum Gott möchte, dass wir uns selbst aus seiner Sicht betrachten, dazu schreibt William Kelly trefflich:

Einige Leute sprechen vom „gläubigen Sünder“ oder von der Anbetung, Gott dargebracht von „armen Sündern“. So mancher Liedtext bringt den Zustand der Seele tatsächlich niemals weiter darüber hinaus. Was aber im Wort Gottes mit dem Wort „Sünder“ gemeint ist, ist eine Seele, die komplett keinen Frieden hat. Es ist eine Seele welche möglicherweise, vom Geist angetrieben, spürt, dass ihr Christus fehlt, während ihr das Wissen der Errettung aber fehlt. Es ist nicht der Wahrheit entsprechend, zu leugnen, was die Heiligen [die Gläubigen] aus der Sicht Gottes sind.

Wenn ich in irgendeiner Sache gefallen bin, wird dann mein Annehmen der Position eines „armen Sünders“, die Sünde kleiner machen, oder wird mir es das Gefühl geben die Sünde mehr zu fühlen? Nein! Wenn ich ein Heiliger bin, gesegnet mit Gott in seinem geliebten Sohn, einsgemacht mit Christus, und der Heilige Geist mir gegeben ist (wohnend in mir), dann sage ich: „Was für eine Schande, wenn ich gefallen bin und versagt habe und den Herrn verunehrt habe und dass ich seiner Herrlichkeit gegenüber gleichgültig war!“

Wenn ich also meine eigene Kälte und Gleichgültigkeit spüre, ist es als Niederträchtigkeit zu behandeln und als Sünde zu hassen – wohingegen, auch wenn es nicht die Absicht ist, das Annehmen der Position eines „armen Sünders“ in Wirklichkeit nur dafür da ist, Ausreden für das Böse zu schaffen. Welcher der zwei Wege würde am stärksten auf das Gewissen einwirken? Was davon demütigt den Menschen und erhöht Gott am meisten? Je mehr du realisierst, was Gott dir gegeben und aus dir in Christus gemacht hat, umso mehr spürst du – wenn du widersprüchlich dazu wandelst – die Sünde und Verunehrung in deinem Lauf. Wenn du aber dabei bleibst, von dir nur als Sünder zu sprechen, wird das, auch wenn es oberflächlich betrachtet bescheiden scheint, nur zu einer Art entschuldigendes Linderungsmittel für das Böse bei dir werden, was in diesem Fall niemals so gründlich demütigt, wie Gott es in seinem Kind des Glaubens sucht.

[Frei übersetzt aus „Lectures on the Galatians“ von William Kelly]