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„Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten, da entstand eine Hungersnot im Land. Und ein Mann von Bethlehem-Juda zog hin, um sich in den Gebieten von Moab aufzuhalten, er und seine Frau und seine beiden Söhne Und der Name des Mannes war Elimelech, und der Name seiner Frau Noomi, und die Namen seiner beiden Söhne Machlon und Kiljon, Ephratiter aus Bethlehem-Juda. Und sie kamen in die Gebiete von Moab und blieben dort. Und Elimelech, der Mann Noomis, starb; und sie blieb mit ihren beiden Söhnen übrig. Und sie nahmen sich moabitische Frauen: Der Name der einen war Orpa, und der Name der anderen Ruth; und sie wohnten dort etwa zehn Jahre. Da starben auch die beiden, Machlon und Kiljon; und die Frau blieb von ihren beiden Söhnen und von ihrem Mann allein übrig.“ (Ruth 1,1–5)

Die Geschehnisse im Buch Ruth fanden in den Tagen der Richter statt, vermutlich zu Anfang der Richterzeit (vgl. Kap. 4,21 mit Mt 1,5). Es waren Tage, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet waren:

·         Unkenntnis über Gott und seine großen Taten war weit verbreitet (Ri 2,10).

·         Unter dem Volk gab es keine Führung mehr (Ri 17,6; 19,1; 21,25).

·         Alles schien erlaubt zu sein. Es gab keinen Maßstab mehr für Gut und Böse (Ri 17,6; 21,25).

Aber wie zu allen Zeiten gab es auch in den Tagen der Richter gottesfürchtige Menschen. Das zeigt uns das Buch Ruth.

In jener Zeit entstand eine Hungersnot im Land Juda (V. 1). Auch Bethlehem-Juda, wo Elimelech mit seiner Frau Noomi und seinen beiden Söhnen wohnte, war davon betroffen. Da, wo das Lob zu Gott verstummte (Juda bedeutet „Lobpreis Gottes“), entzog Gott seinen Segen: Im Brothaus (Bethlehem bedeutet „Brothaus“) gab es kein Brot mehr. Was waren die Gründe dafür? Gott musste sein Volk für dessen Ungehorsam und Untreue züchtigen. Götzendienst und Unmoral hatten sich unter dem Volk breitgemacht, auch in Bethlehem-Juda (Ri 17,7; 19,1). Die Bedeutung des Namens „Bethlehem-Juda“ steht für ein hohes Bekenntnis dieses Ortes. Aber leider wurde das, was man bekannte, in der Praxis nicht entsprechend umgesetzt. Stehen wir heutzutage nicht in derselben Gefahr? Wie verhält es sich bei uns mit der praktischen Verwirklichung unseres Bekenntnisses, zum Beispiel in Bezug auf unsere Zusammenkünfte (vgl. Mt 18,20)?

Die Hungersnot im Land traf auch Elimelech und seine Familie. Doch anstatt sich der Situation zu stellen, sich darunter zu beugen und seine Hilfe und Zuflucht bei Gott zu suchen, versuchte Elimelech der Not aus dem Weg zu gehen. Er zog mit seiner Familie nach Moab – ein Bild der Welt in ihrer Bequemlichkeit (Jer 48,11) und in ihrem Hochmut (Jer 48,29). Sein Handeln entsprach nicht der Bedeutung seines Namens (Elimelech bedeutet „Mein Gott ist König“). Er traf eine eigenwillige Entscheidung, die negative Auswirkungen auf ihn und seine ganze Familie hatte. Wir lernen hier, dass jede Entscheidung, die wir treffen, Auswirkungen auf andere hat: entweder positive oder negative.

Die Umzug Elimelechs und seiner Familie nach Moab war nicht nach Gottes Gedanken. Zum einen verließ Elimelech damit das Land, in dem Gott sein Volk segnen wollte. Zum anderen entfernte er sich von Boas, der sich in Bethlehem-Juda aufhielt (Kap 2,4). In Boas sehen wir ein schönes Vorausbild auf den Herrn Jesus. Der vermeintliche Ausweg, den Elimelech wählte, erwies sich bald als Irrweg: Elimelech, der in Moab das Überleben suchte, fand dort den Tod (V. 3; vgl. Spr 14,12). Boas hingegen blieb während der ganzen Zeit der Hungersnot in Bethlehem-Juda. Sollte es uns nicht ein Herzensanliegen sein, immer dort zu bleiben, wo auch der Herr ist – auch in Zeiten geistlicher Hungersnot? Ist es unser Wunsch, uns an dem Ort aufzuhalten, wo der Herr verheißen hat, in der Mitte derer zu sein, die in seinem Namen versammelt sind (Mt 18,20)?

Elimelech wollte sich in Moab nur „aufhalten”. Doch es gefiel ihm offensichtlich so gut, dass er dort „blieb“. Von den Söhnen lesen wir schließlich, dass sie in Moab „wohnten“ (V. 1.2.4). Nach dem Tod Elimelechs nahmen sie sich moabitische Frauen (V. 4). Zehn Jahre später starben auch die Söhne und Noomi blieb allein zurück (V. 5). Was die Verantwortung Elimelechs betrifft, hätte seine Geschichte damit zu Ende sein können. Einmal mehr hatte sich gezeigt, das sich Eigenwille und Ungehorsam Gott gegenüber nicht auszahlen. Es bestätigte sich, was wir in Galater 6,7 finden: „Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten.“

Doch als alles verloren und hoffnungslos schien, begann die Gnade Gottes zu wirken. Ist das nicht typisch für das Handeln Gottes mit uns Menschen? Wenn der Mensch am Boden liegt und erkennt, dass er sich selbst nicht mehr helfen kann, dann beginnt Gott zu wirken. So auch hier. Gott ließ nicht zu, dass Noomi in Moab blieb. Er begann in ihrem Herzen ein Werk der Wiederherstellung, indem Er ihr zu Ohren kommen ließ, dass Er sich seinem Volk wieder zugewandt hatte, um es zu segnen. Dieser Segen Gottes zog Noomi an, so dass in ihr der feste Entschluss reifte, nach Juda zurückzukehren (V. 6).

Auch uns wird Gott nicht auf einem falschen Weg gehen lassen, ohne an unseren Herzen und Gewissen zu wirken. So wie Initiative in Noomis Fall von Gott ausging, so geht auch heute jede echte Wiederherstellung von Gott aus. Während ihres Aufenthalts in Moab hatte Gott sicher immer wieder zu ihrem Gewissen gesprochen – zum Beispiel durch den Tod Elimelechs oder die Heirat und den Tod ihrer Söhne. Doch es war schließlich seine unerschöpfliche Gnade, die ihr Herz erreichte. Gott möchte in seiner Gnade auch an unseren Herzen wirken – und wenn nötig, uns wieder in die Gemeinschaft mit sich zurückführen. Sind wir empfänglich für sein Wirken?