„Und die Kinder Israel taten wieder, was böse war in den Augen des HERRN (...) Da entbrannte der Zorn des HERRN gegen Israel, und er verkaufte sie in die Hand der Philister und in die Hand der Kinder Ammon.“  Richter 10,6.7

Der Herr verkauft sie wieder an die Philister und an die Ammoniter, also an West und Ost, aber jetzt [unter Jephta] wird nur die Knechtschaft an die Ammoniter im Detail beschrieben.

Ich muss meine Leser daran erinnern, dass wir mehr als bloß ein akademisches Interesse an diesen Dingen haben. Wir schauen auf Abbilder auf etwas, das tatsächlich aktuell in der ungesehenen Welt vor sich geht, und wir wissen, dass es heißt, dass das, „was man nicht sieht, ewig“ ist, und dass es für uns geschrieben worden ist, „auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist“ [2. Kor 4,18; 1. Kor 10,11]. Das bedeutet, dass alles, was wir in diesem Buch der Richter sehen, nur ein Schatten davon ist, was in seiner Substanz bei uns geschieht. Wir haben uns bisher bemüht, zu erkennen, wer oder was uns in den verschiedenen Nationen, die Israel in Knechtschaft gebracht haben, dargestellt wird. Jetzt müssen wir fragen: Wo werden wir das heutige Gegenstück zu den Ammonitern finden?

Wir dürfen diese Begriffe nicht direkt auf irgendwelche Menschen anwenden. Das „was man sieht“ bzw. in den damaligen Tagen sah, zeigt nicht das „was man sieht“, sondern Prinzipien die „man nicht sieht“ – es sind materielle Abbilder vom geistlichem Bereich. Die Menschen von damals also bilden geistliche Prinzipien ab, die jetzt das bekennende Volk Gottes zum Guten oder Schlechten regieren oder dominieren, so wie Menschen oder Nationen es damals regierten oder dominierten. Welches Prinzip wird also von den Ammonitern dargestellt?

Lasst uns alles sammeln, was die Schrift uns über sie erzählt. Zuerst, bezüglich ihrer Herkunft, sind sie Nachkommen von Inzest, Kinder von Lot und seiner jüngsten Tochter. Sie haben eine Art von Verbindung mit dem Glauben und seinem Bekenntnis, aber eine Falsche, denn sie waren „Bastarde nicht Söhne“ [vgl. Heb 12,8]. Ihr Land liegt östlich vom Jordan; das ist sozusagen die Welt-Seite des Kreuzes Christi. Sie bilden das ab, was nicht in die wahre Bedeutung des Kreuzes eintritt.

Lasst uns auch den eigenartigen Kontrast sowie die Verbindung zu den Philistern beachten. So wie die Philister die feindliche Bedrohung auf der einen Seite waren, waren es die Ammoniter auf der anderen; und wir haben bereits genug von den Philistern gesehen um sie als Bild vom Geist des rituellem Formalismus oder Sacerdotium [kirchliche Priester als Mittler zu Gott] dieser Zeit zu erkennen, der Autorität aufgrund von Erbfolge beansprucht.

Werden dann die Ammoniter nicht das gegenteilige böse Prinzip darstellen – den „Rationalismus“ mit seiner stolzen Beanspruchung der Unabhängigkeit jeglicher göttlicher Autorität? Die Philister sprechen wohl zu uns über den Geist des Ritualismus, welcher, sehr früh beginnend, bis zum Ende fortwährt – so wie das böse kirchliche Prinzip in Thyatira (Off 2). Die Ammoniter zeigen uns entsprechend etwas über den Geist der Unabhängigkeit und des Rationalismus, was wir in Laodicäa sehen, welches auch unsere Zeit charakterisiert und das Ende ist. Die Besitztümer des Glaubens – unser Land – liegen zwischen diesen zwei Feinden (Philistäa und Ammon), also zwischen dem Ritualismus auf der einen und dem Rationalismus auf der anderen Seite.

Der Ammoniter damals (oder der Rationalismus, den er darstellt), lässt sich in dem nieder, was man sieht – wo sonst sollte er zu finden sein? Diese Welt ist für ihn gut genug. Er ist ziemlich stolz darauf, zu bekennen, dass er ein Agnostiker ist und als solcher nichts davon weiß, was hinter den Wassern des Jordan liegt, welcher sein Land abgrenzt und seinen Horizont limitiert. Und wenn er diesen Fluss je überquert, dann ist es nur, um Israel in Bedrängnis zu bringen; um einen Angriff auf den Glauben zu fahren, und sich mit dem zu rühmen, was er niemals wirklich zu seinem Eigentum machen kann. Es ist der materialistische Rationalismus unserer Tage.

Hier also finden wir die Unterdrückung, welche das Volk Gottes unter der Dominanz der ungeheiligten, fleischlichen Vernunft leiden lässt, die die Grundlage des Glaubens untergräbt. Sie beraubt uns der Schrift, als sei sie nicht die Offenbarung Gottes und erniedrigt alles auf das Niveau der menschlichen, verdorbenen Vernunft – alles ablehnend, was über sie hinaus geht. Folglich lässt sie uns die Unterordnung unter Gott aufgeben und den Götzen der Ammoniter anbeten: „Molech“. Wir werden bald die Last des Joches spüren. Aber das bringt uns zu der Frage: Wer ist dieser falsche Gott „Molech“? Das Wort an sich bedeutet: „der König“. Ich schließe daraus, dass es vom auf-den-Thron-setzen der Vernunft spricht. Nicht die echte Vernunft [oder Einsicht] im Licht des Wortes Gottes, an ihrem richtigen Platz in Abhängigkeit gehalten, sondern die, die erhöht auf den Thron und ganz unabhängig von der heiligen Quelle allen Lichts sein will, ja es sogar ablehnt.

Ist der „Ammoniter“ nicht sehr verbreitet in unseren Tagen? Ist der Geist, der Europa und Amerika dominiert nicht weitgehend der Geist des Ammoniters?

[Übersetzt aus „Judges and Ruth“, Seite 132–134]