Jakob war ein Gläubiger. Ihm war sehr an dem Segen Gottes gelegen, doch er suchte ihn auf eigene Faust zu erlangen. Sein Leben ist geprägt vom Planen, Täuschen, Intrigieren und Betrügen. Selbst die 20 bitteren Jahre bei seinem Onkel Laban haben daran im Prinzip nichts geändert. Auf Gottes Geheiß macht er sich auf den Rückweg nach Kanaan. Engel Gottes begegnen ihm, um seinen Glauben zu stärken. Jakob betet auch zu Gott um Rettung aus der Hand Esaus, vor dem er sich sehr fürchtet. Doch sein Vertrauen in die Wirksamkeit des Gebets ist beschränkt, denn direkt danach beginnt er wieder zu planen und zu intrigieren, sich auf die eigenen Mittel zu stützen, statt auf den, zu dem er gerade gebetet hat.

Aber dann kommt „jene Nacht“ – eine Nacht, die zum Wendepunkt im Leben Jakobs wird. Gott tritt ihm in den Weg, bricht seinen Eigenwillen und seine Kraft, auf die er sich bisher gestützt hatte und zwingt ihn sich ganz auf Ihn zu stützen. Diese Nacht beendet seine Betrügereien und macht ihn zu einem gebrochenen aber gesegneten Mann.

Jakob ist allein mit Gott

Warum Jakob seine ganze Familie und Habe über den Jabbok bringt und allein zurückbleibt, wird nicht berichtet. Aber das Alleinsein und die Stille der Nacht geben Gott die Möglichkeit, mit Jakob zu handeln.

Allein mit Gott, das ist der Weg, uns selbst in seinem Licht zu sehen, ohne Ablenkung durch Gedanken, Meinungen und Urteile von anderen oder unseres eigenen Ichs. Wie wollen wir die Antwort auf die Frage bekommen, wie Gott über uns denkt, wenn wir Ihm nicht die Gelegenheit geben, zu uns zu sprechen. Und dazu braucht es stille Zeit mit Gott.

Jakob kämpft mit Gott

Eigentlich ist es Gott, der mit Jakob kämpft. „Es rang ein Mann mit ihm.“ Gott will das Selbstvertrauen Jakobs niederringen, damit das verschüttete Gottvertrauen bei ihm zum Vorschein kommt. Doch Jakob widersteht. Wie ein Bär kämpft er mit seiner ganzen Kraft gegen den geheimnisvollen Mann. Mehrere Stunden muss der Kampf gedauert haben, „bis die Morgenröte aufging“. Nicht weil dieser Kampf Gott irgendwie angestrengt hätte, sondern weil Er in seiner Langmut darauf wartet, dass Jakob von selbst aufgibt.

Wie schwer tun wir uns, dass Vertrauen auf die eigene Kraft und Weisheit fahren zu lassen und uns allein auf Gott zu stützen. Welche Sondermaßnahmen muss Gott oft ergreifen, um uns unsere Schwachheit bewusst zu machen. 40 Jahre Schafehüten in der Wüste, um aus dem in aller Weisheit der Ägypter unterwiesenen Mose ein brauchbares Werkzeug in der Hand Gottes zu machen.

Jakob klammert sich an Gott

Plötzlich bekommt das Hüftgelenk Jakobs einen übernatürlichen Schlag. Der Sitz seiner Kraft ist getroffen. Auf einmal ist das weg, worauf Jakob bisher vertraut hatte. Der Widerstand ist gebrochen. Der, der seine Geschicke bisher nie aus der Hand gegeben hatte, klammert sich hilflos an den, der ihn bezwungen hat.

Das Eingeständnis der eigenen Kraftlosigkeit ist der erste Schritt zu einem Leben in der Kraft Gottes. Die körperliche Niederlage Jakobs ist sein geistlicher Sieg. Gott prüft ihn noch einmal mit den Worten: „Lass mich los.“ Doch genau das will Jakob nicht mehr. Gott loslassen und es auf eigene Faust probieren, das hatte er lange genug vergeblich versucht.

Jakob weint und fleht zu Gott

Der Prophet Hosea gibt weiteren Aufschluss über das geheimnisvolle Geschehen am Jabbok: „In seiner Manneskraft kämpfte er mit Gott: Er kämpfte mit dem Engel und überwand, er weinte und flehte zu ihm“ (Hos 12,4+5). Bislang hatte der Engel des Herrn mit ihm gekämpft. Jetzt kämpft Jakob mit dem Engel. Aber nicht mit fleischlichen Mitteln wie bisher, sondern mit Weinen und Flehen. „Ich lasse dich nicht los, es sei denn, du segnest mich.“ Und in diesem Kampf lässt Gott sich „überwinden“.

Genau durch dieses Eingeständnis der völligen Abhängigkeit von Gott bringt Gott uns an den Punkt, wo Er uns haben will. Seine Kraft kann niemals an unsere eigene Kraft anknüpfen, sondern nur an unsere Schwachheit (vgl. 2. Kor 12,9+10). „Überwinder“ sollen wir sein, ja, aber nur „durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,37). Alles hatte Jakob bisher selbst erschlichen, jetzt will er alles nur noch von Gott bekommen. Aber ein entscheidender Punkt fehlt noch.

Jakob bekennt 

„Was ist dein Name?“, fragt Gott nun. Bevor Er ihn segnen kann, muss Jakob erst bekennen, wer er ist. „Jakob“, der Fersenhalter, der Überlister. Jakob beschönigt nichts, dieser Name war sein Lebensprogramm. Das „Flehen“ um den Segen Gottes ist begleitet von echtem „Weinen“, von echter Reue über sein bisheriges Leben.

Gott bestätigt diese Sinnesänderung, indem er Jakob einen neuen Namen gibt: Israel – Kämpfer Gottes. Bisher hatte er „mit Gott und Menschen gerungen“. Jetzt, mit verrenktem Hüftgelenk, wird er beginnen für Gott zu kämpfen. Es wird noch manche Rückschläge geben, aber der erste Sieg über das eigenwillige Ich ist errungen, und daran kann Gott anknüpfen.

Den eigenen Stolz überwinden, über die eigenwilligen Wege weinen, sich an Gott klammern und nicht auf Fleisch vertrauen – das sind die Voraussetzungen auch bei uns, wenn wir Diener und Kämpfer Gottes sein wollen (vgl. Phil 3,3).

Jakob fragt nach dem Namen Gottes

So von sich selbst und dem Vertrauen auf die eigene Kraft befreit, bleibt Jakob nichts anderes mehr übrig, als sich an den zu klammern, der ihn überwunden hat. Seine echte Bitte: „Sage mir doch deinen Namen!“, offenbart das neu erwachte Bedürfnis Jakobs, Gott besser kennenzulernen.

Wenn wir ins Licht Gottes kommen und einsehen, dass wir aus uns selbst nichts vermögen, sind wir bereit zu fragen, was wir in dem vermögen, der uns kräftigt. „Ihn zu erkennen“ und seine Auferstehungskraft, dafür hatte Paulus alles für Dreck geachtet, worauf er bisher vertraut hatte (vgl. Phil 3,4–11).

Gott kann sich Jakob noch nicht offenbaren. Erst muss die Gemeinschaft mit Gott völlig wiederhergestellt werden. Und das ist (auch bei uns) nicht innerhalb einer Nacht geschehen. Wenn Jakob sich als echter Kämpfer Gottes erwiesen hat, die fremden Götter weggetan hat, im Gehorsam in das Land zurückgekehrt ist und nach Bethel („Haus Gottes“) kommt, offenbart sich Gott ihm als Gott, der Allmächtige und gibt Jakob zum zweiten Mal den Namen Israel (1. Mo 35).

Jakob geht die Sonne auf

Zwar kann Gott sich ihm noch nicht völlig offenbaren, Er begegnet ihm im Dunkeln und verschwindet auch im Dunkeln wieder. Doch einen Segen bekommt Jakob von Gott. Das ist die Langmut Gottes, der mit seinem Segen nicht wartet, bis Jakob völlig an dem Platz ist, wo Gott ihn haben will.

„Und die Sonne ging ihm auf, als er über Pnuel hinaus war; und er hinkte an seiner Hüfte.“ Damals, auf der Flucht vor Esau, war die Sonne im Leben Jakobs untergegangen (1. Mo 28,11). Doch jetzt durchflutete neues Licht die Seele Jakobs nach einer langen Nacht, aus der ihn Gott selbst im Kampf herausreißen musste. Seine Hüfte würde ihn ständig an seine Kraftlosigkeit erinnern. Er war fortan völlig von der Gnade und Kraft Gottes abhängig, und doch Israel – der Kämpfer Gottes.

So geht der erste Teil der Geschichte Jakobs dem Ende entgegen. Alles hatte sich um ihn selbst gedreht. Im zweiten Teil wird sich alles um eine andere Person drehen: „Dies ist die Geschichte Jakobs: Joseph …“ (1. Mo 37,2). Joseph ist ein schönes Vorausbild auf den Herrn Jesus. Der Wendepunkt im Leben Jakobs war Pniel – „in jener Nacht“.

Hast du dein Pniel-Erlebnis schon gehabt?