Die Verse 19 bis 30 in Johannes 5 sind, wie der 19. Vers zeigt, eine Antwort des Herrn Jesus. Die Juden hatten die Aussage des Herrn: „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke“, völlig richtig interpretiert – Er stellte sich auf eine Stufe mit Gott, dem Vater. Sie hielten das für Gotteslästerung und Grund genug, Ihn zu töten. In seiner Antwort gibt der Herr Jesus ihnen einen 7-fachen Beweis seines Einsseins mit dem Vater – und zwar sowohl als der ewige „Sohn Gottes“ (Vers 25), als auch als der „Sohn des Menschen“ (Vers 27).

1.     Was der Vater tut, tut auch der Sohn.

„Der Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke.“ Der Herr hatte am Sabbat geheilt. Als der Herr des Sabbats hatte Er das Recht, an diesem göttlich verordneten Ruhetag zu wirken, wie der Vater. Denn Gott ruhte zwar am siebten Tag von seinem Schöpfungswerk, aber seit der Mensch Ihm im Sündenfall den Rücken zukehrte, ruht Er nicht mehr, sondern wirkt unaufhörlich, um ihn wieder zu sich zurückzubringen. Diese Gnade hatte der Sohn Gottes auch am Teich von Bethesda offenbart. Seine Gnade konnte am Sabbat genauso wenig ruhen wie die seines Vaters.

In Vers 19 wird der Sohn Gottes noch deutlicher: „Der Sohn kann nichts von sich selbst aus tun, außer was er den Vater tun sieht.“ Dieses „kann nicht“ bedeutet an dieser Stelle nicht, dass seine vollkommene Reinheit und sein unbedingter Gehorsam als Knecht Gottes es nicht zuließen. Es bedeutet, dass es unmöglich für den Sohn ist, unabhängig von dem Vater zu handeln, weil der Vater und der Sohn eins sind. Diese Aussage des Herrn ist also weit davon entfernt, eine Einschränkung zu beschreiben. Vielmehr ist es ein Ausdruck göttlicher Vollkommenheit. So, wie Gott nicht lügen kann (Tit 1,2) und auch nicht von dem Bösen versucht werden kann (Jak 1,13), so kann Gott, der Sohn, auch nichts tun, was nicht auch Gott, der Vater tut. „Ich und der Vater sind eins.“

2.     Wie der Vater handelt, so handelt auch der Sohn.

„Denn was irgend er [der Vater] tut, das tut auch in gleicher Weise der Sohn.“ „Was irgend“ – klarer kann man das absolute Einssein von Vater und Sohn nicht ausdrücken. Es gibt nicht eine einzige Tat des Vaters, die der Sohn nicht auch tut. Der Nachsatz zeigt noch mehr: „in gleicher Weise.“ Vater und Sohn wirken nicht nur dasselbe, sondern sie tun es auch auf dieselbe Art und Weise. Die Art, wie der Sohn den Kranken am Teich von Bethesda geheilt hatte, entsprach genauso der Art und Weise des Vaters, sowie die Tatsache, dass Er es am Sabbat getan hatte. In jeder Einzelheit, in Ort und Zeitpunkt und in allen Beweggründen herrschte völlige Übereinstimmung zwischen Vater und Sohn.

Philippus musste von dem Herrn getadelt werden, weil er solange das Handeln des Sohnes Gottes beobachten konnte und doch darin nicht den Vater erkannt hatte. Geht es uns nicht oft ähnlich? Wie wenig Vorstellung haben wir davon, wer der Vater ist, weil wir so wenig bedenken, dass sich in dem Verhalten des Sohnes bis in jede Einzelheit völlig gezeigt hat, wie der Vater handelt, wie Er denkt und liebt, heilt und sorgt, mahnt und korrigiert. „Ich und der Vater sind eins.“

3.     Was der Vater kennt, kennt auch der Sohn.

„Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er selbst tut.“ Die Liebe des Vaters zum Sohn ist ewig und unendlich und hörte auch nicht auf, als der Sohn auf die Erde kam. Sie ist der Ausdruck innigster Vertrautheit. Gerade das Johannesevangelium zeigt, dass der Sohn den Schoß des Vaters, diesen Inbegriff von Vertrautheit zwischen Vater und Sohn, nie verlassen hat („der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist“). Und ein Kennzeichen dieser Vertrautheit ist, dass es keine Geheimnisse gibt. Der Vater zeigt dem Sohn „alles“. Dieses Zeigen ist nicht das Zeigen eines Lehrers gegenüber seinem Schüler. Es geht nicht darum, etwas beizubringen oder etwas Unbekanntes mitzuteilen. Vielmehr spricht es von einem völligen Einssein von Vater und Sohn in dem Wissen oder der Kenntnis aller Dinge. Da ist nichts, was der Vater kennt, was nicht auch der Sohn kennt. „Wir reden, was wir wissen, und wir bezeugen, was wir gesehen haben“, konnte der Herr Jesus sagen. Und da ging es um himmlische Dinge, die kein Mensch kennen konnte.

Niemals könnte ein Mensch so reden. Wir sind nicht in der Lage, alles gezeigt zu bekommen, was der Vater tut. Unser Erfassen göttlicher, unendlicher Dinge ist begrenzt. Doch der Sohn hat dieselbe Kenntnis, dasselbe Interesse und auch dieselbe Fähigkeit alles zu erfassen und zu verstehen wie der Vater. Er wusste auch zu diesem Zeitpunkt schon um die größeren Werke, die der Vater ihm noch zeigen würde, weil es eben nicht die kleinste Differenz in Kenntnis und Einsicht und Interesse zwischen Vater und Sohn gibt. „Ich und der Vater sind eins.“

4.     So souverän wie der Vater handelt auch der Sohn. 

Am Teich von Bethesda war „eine Menge Kranker“, doch nur ein Mann wird geheilt. Und der hatte nicht einmal um Heilung gebeten. So ist es auch im geistlichen Bereich. Es werden nicht alle lebendig gemacht. Auch nicht die, die danach fragen, sondern „welche er will“.  „Denn wie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.“ Das ist absolut göttliche Souveränität. Gott hat Menschen souverän zum ewigen Leben bestimmt und dieselbe Souveränität wird wirksam, wenn an den Auserwählten das Werk des Lebendigmachens geschieht. Das souveräne Recht, Menschen das Leben zu verleihen, hat der Sohn genauso wie der Vater, und Er übt es in völliger Harmonie mit dem Vater aus. (Gleichzeitig hat der Mensch die Verantwortlichkeit, sich zu bekehren. Aber das ist eine andere Seite, die erst in Vers 24 berührt wird.)

Wie der Vater, so der Sohn – diese Formulierung finden wir so oder so ähnlich viermal in den Versen 19–27. Immer wieder bestätigt der Herr Jesus das völlige Einssein mit dem Vater. Und das trifft auch auf die Fähigkeit des Lebendigmachens zu. Gott, der Sohn, hat Leben in sich selbst (Joh 1,4). Und auch als Sohn des Menschen wurde es Ihm vom Vater gegeben, Leben in sich selbst zu haben (Vers 26). Aber nicht nur das, der Sohn kann auch lebendig machen, Er kann Menschen das göttliche Leben verleihen. Diese Macht besitzt Er genauso wie der Vater. Auch hierin gilt: „Ich und der Vater sind eins.“

5.     Wie der Vater geehrt wird, wird auch der Sohn geehrt.

Wenn es dann in Vers 22 heißt: „Denn der Vater richtet auch niemand, sondern das ganze Gericht hat er dem Sohn gegeben“, fügt der Herr sofort als Begründung hinzu: „damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren.“ Der Sohn Gottes ist Mensch geworden. Wer in dem Menschen Jesus Christus den Sohn Gottes erkennt und anerkennt, der ehrt Ihn freiwillig. Wer jedoch diese herrliche Tatsache zum Anlass nimmt, den Sohn zu verachten und auch dabei bleibt, der wird Ihm einmal als Richter gegenüber stehen und gezwungenermaßen vor Ihm niederfallen müssen.

Der Vater duldet es nicht, dass der Sohn nicht geehrt wird. Es ist sein höchstes Anliegen, dass seinem Sohn Ehre und Respekt entgegengebracht werden. Er lehnt sogar jede Ehre von solchen ab, die nicht gleichermaßen den Sohn ehren (vgl. 1. Joh 2,23). Es kann gar keine rechte Verehrung des Vaters geben, wenn der Sohn nicht geehrt wird. „Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht.“ Und wieder kann es dafür nur eine einzige Begründung geben: Vater und Sohn sind eins. Gott, der Vater, ist absolut würdig und hat das Recht, göttlich verehrt zu werden. Und weil der Sohn eins mit dem Vater ist, hat Er dasselbe Recht. Er muss geehrt werden, „wie sie den Vater ehren“. Auch in der Art und Weise oder in dem Grad der Verehrung kann es keinen Unterschied zwischen Vater und Sohn geben. Daher hat der Sohn Gottes auf der Erde auch mit vollem Recht jede Verehrung angenommen – im Unterschied zu Petrus in Apg 10,26 oder dem Engel in Off 19,10; 22,9.

6.     Das Zeugnis des Vaters ist auch das Zeugnis des Sohnes.

Während wir in Vers 21 die Seite des souveränen Handelns Gottes gesehen haben (der Sohn macht lebendig, welche Er will), kommen wir in Vers 24 zu der Seite der Verantwortung des Menschen: „Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat...“ Herrliche Dinge werden dem verheißen, der hört und glaubt: Er bekommt ewiges Leben, er kommt nicht ins Gericht und er geht aus dem Bereich des Todes in den Bereich des Lebens über. Aber was geht dem Glauben voraus? Dem Glauben geht nach Römer 10,17 die Verkündigung voraus. Und was wird verkündigt? Das Wort Gottes.

Dieses lebendige, wirksame und an der Bekehrung jedes Menschen beteiligte Wort Gottes nennt der Herr Jesus hier „mein Wort“. Wer sein Wort hört und glaubt, der glaubt im selben Moment dem, der Ihn gesandt hat – dem Vater. Es heißt nicht: „und an den glaubt“, sondern: „und dem glaubt“. Hier geht es also um das gläubige Annehmen des Zeugnisses des Vaters. Und das ist nichts anderes als das Wort des Sohnes, das Er „mein Wort“ nennt. Auch in der göttlichen Botschaft an die Menschen kann es keinen Unterschied geben zwischen Vater und Sohn. Das Wort des Sohnes und das Zeugnis des Vaters können in einem Atemzug genannt werden. „Ich und der Vater sind eins.“

7.     Der Sohn will das, was der Vater will.

Zum Schluss des Abschnitts (Verse 26–30) steht der Herr Jesus als Mensch vor uns. Es wird gesagt, dass der Vater Ihm etwas gegeben hat: Leben zu haben in sich selbst und Gewalt, Gericht zu halten. Als ewigem Sohn Gottes konnte Ihm nichts gegeben werden. Aber als Mensch gibt der Vater Ihm das Recht, Leben zu haben in sich selbst, um es weitergeben zu können. Auch wir haben Leben bekommen, aber wir besitzen es nicht autark, nicht in uns selbst. Er tut es wohl! Und Er hat dieses Leben jetzt auch als Mensch in sich selbst, „wie der Vater Leben in sich selbst hat.“ Niemals könnte das gesagt werden, wenn Er nicht auch als Mensch der Sohn Gottes wäre, eins mit dem Vater.

Und als Mensch bekommt Er auch vom Vater die Autorität, Gericht zu halten. Und Er wird dieses Gericht ausüben – das ganze Gericht in allen Facetten. Alle müssen vor Ihm offenbar werden (2. Kor 5,10), wenn auch nicht zum selben Zeitpunkt. Sowohl diejenigen, die geglaubt haben und das ewiges Leben haben und daher durch Gutes tun geprägt waren, als auch diejenigen, die nicht geglaubt haben und daher durch Böses tun gekennzeichnet waren. Und mit göttlich vollkommener Kenntnis wird Er beurteilen und richten. Sein Gericht ist gerecht, weil es göttlich ist. Und auch diese Handlung, die über die Ewigkeit von Menschen entscheidet, wird Er nicht unabhängig von dem Vater ausüben. Er kann es nicht: „Ich kann nichts von mir selbst aus tun; so, wie ich höre, richte ich.“ „Denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ Er will ausschließlich das, was der Vater will. Auch hierin herrscht völlige Harmonie und Übereinstimmung.

So durchzieht diesen Abschnitt von Anfang bis Ende dieses wunderbare, unerforschbare Einssein des Sohnes mit dem Vater. Die Juden hatten gemeint, Er mache sich Gott gleich, und damit lagen sie letztendlich falsch, denn Er machte sich nicht Gott gleich – Er war und ist Gott, der Sohn, eins mit dem Vater.

Lasst uns Ihn, den Sohn, ehren und anbeten, so wie wir den Vater ehren und anbeten. Er ist aller Ehre würdig!