Die Pflicht des Mannes kann ebenso wie die der Frau mit einem Wort formuliert werden: So, wie die Frau ermahnt wird „gehorsam“ zu sein, wird der Mann ermahnt zu „lieben“. Mit einer Ausnahme wird die Frau an keiner Stelle ermahnt, ihren Mann zu lieben und die Ausnahme richtet sich an eine spezielle Zielgruppe (Tit 2,4). Es wird von vornherein angenommen, dass sie diese Liebe hat und praktiziert, und tatsächlich versagt sie auch selten in dieser Beziehung. Die Liebe ihres Herzens ist eine Pflanze, die immer wieder sprosst, so oft sie vielleicht auch in ihrer Entfaltung gehemmt worden sein mag. Anders ist es oft beim Mann. Zarten Gefühlsregungen weniger zugänglich, voll von Gedanken an seinen täglichen Erwerb, und möglicherweise auch schwereren Anfechtungen ausgesetzt, steht er viel mehr in der Gefahr, seine Verantwortlichkeit zu lieben zu vergessen oder zumindest seiner Frau nicht so viel Liebe zu zeigen. Daher erinnert ihn der Geist Gottes besonders daran und ermahnt: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, damit er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort“ (Eph 5,25–33).

Sehen wir uns jetzt an, wie der Charakter dieser Liebe des Mannes sein soll. „Liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Versammlung geliebt hat“. Es ist ein wunderbarer Maßstab, der uns hier gezeigt wird, und er belehrt uns über die Heiligkeit und den wahren Charakter der Ehe vor Gott. Wir fragen uns vielleicht, was die Art der Liebe Christi zu seiner Versammlung ist. Die Antwort ist hier gegeben.

  • Seine Liebe äußert sich erstens darin, dass er sich selbst in den Tod gab, um seine Braut zu erkaufen. Er gab sich selbst, alles das, was er war. Und nun ist wiederum alles, was sich in ihm findet, seine Gnade, seine Gerechtigkeit, seine Wohlannehmlichkeit bei dem Vater, die Herrlichkeit seiner Person und seine göttliche Liebe, dem Wohlergehen seiner Versammlung gewidmet. Es gibt keine Eigenschaften, keine Vortrefflichkeiten in ihm, die nicht zum Wohl seiner Versammlung tätig wären, die er sich zum Besitztum erworben hat durch die Gabe seiner selbst. Und wie unendlich groß erscheint uns diese Dahingabe, wenn wir bedenken, dass das Kreuz der Ort war, wo sie vollbracht werden musste.
  • Zweitens zeigt sich diese Liebe in dem Heiligen und Reinigen der Versammlung durch die Waschung mit Wasser durch das Wort. Dies ist seine gegenwärtige, ununterbrochen andauernde Liebesbemühung um sie, durch die er sie moralisch passend für sich selbst macht. Christus ist hier dargestellt nicht als die Versammlung heiligend, um sie zu seinem Eigentum zu machen, sondern als der, welcher sie zu seinem Eigentum gemacht hat, um sie zu heiligen. Sie wird zuerst sein, und dann erzieht er sie für sich. Das Mittel dazu ist sein Wort, durch das wir gereinigt werden, wie er selbst uns in Johannes 13 lehrt. Wir sehen ihn dort die Füße seiner Jünger waschen, und beachten wir, wie diese Handlung in direkte Beziehung zu seiner Liebe gebracht wird. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende“. Wie schön ist es, in diesem Reinigen und Heiligen der Versammlung den Ausdruck seiner unveränderlichen Liebe zu ihr zu sehen, einer Liebe, die danach verlangt, sie völlig passend zu machen, die nie müde wird, über sie zu wachen, zu pflegen und für sich selbst zuzubereiten.
  • Drittens sehen wir eine Frucht seiner Liebe in dem Ziel, das er bei all diesem hat: „Damit er die Versammlung sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und untadelig sei“. Dies bezieht sich auf die Zeit, wenn der Herr zurückgekehrt sein wird, um seine Versammlung zu sich zu nehmen, oder genauer noch auf die Periode der Erfüllung des Wortes: „Lasst uns fröhlich sein und frohlocken und ihn die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet“ (Off 19,7); wenn die Versammlung als die Braut Christi zur Vollendung gebracht und offenbar werden wird als die, die „die Herrlichkeit Gottes hat. Ihr Lichtglanz ist gleich einem sehr wertvollen Stein, wie ein kristallheller Jaspisstein“ (Off 21,10.11). Denn nie bis zu jenem Augenblick wird die Liebe Christi in ihrer Größe und Fülle erkannt werden, weil dann erst ihre Frucht und Wirkung völlig offenbar werden wird.

Worin besteht jetzt das Ziel dieser herrlichen Schilderung der Liebe Christi zu seiner Versammlung? Sie soll zeigen, welchen Charakter die Liebe des Mannes seiner Frau gegenüber tragen soll. „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Versammlung geliebt hat“. Ohne den Vergleich zu sehr auf die Einzelheiten auszudehnen, können wir nicht anders, als anzunehmen, dass, wie die Liebe Christi seiner Dahingabe voranging, ja eigentlich die Ursache war, eine solche Vereinigung nicht den Gedanken Gottes entsprechen kann, wenn sie nicht aus Liebe hervorgegangen ist. Liebe soll der Beweggrund der Wahl sein, und ist die Vereinigung geschlossen, so muss Liebe sie erhalten und verschönern; sie ist das Lebenselement der Ehe. Der Maßstab, der dem Mann hier gegeben ist, zeigt es ihm deutlich, dass der eine große Anspruch, den seine Stellung zur Frau beständig an ihn erhebt, die Liebe ist. Seine Liebe muss ausdauernd sein, sie muss alle Prüfungen aushalten, und unermüdet das Glück und Wohlergehen seiner Frau suchen. Sicher kann nichts Geringeres dem göttlichen Vorbild entsprechen.

Es mag hier noch der besondere Fall erwähnt werden, wenn ein christlicher Mann eine unbekehrte Frau hat. Seine Pflicht ihr gegenüber bleibt dieselbe und seine Liebe wird sich nicht auf die Sorge um ihr äußeres Wohlergehen beschränken können. Wie die Liebe Christi, die das Wohlergehen seiner Versammlung will, wird seine Liebe ganz besonders auf ihre ewige Glückseligkeit bedacht sein. Er wird sie auf eine verständige und zarte Weise mit dem Wort bekannt machen, das die Erkenntnis des Heils bringt durch den Glauben an Christus. Bestimmt wird aber jeder Mann die Verpflichtung fühlen, für das geistliche Leben seiner Frau zu sorgen, denn in dieser Richtung ist die Tätigkeit seiner Liebe ganz besonders in Übereinstimmung mit der Liebe Christi für die Seinen.

Aus all diesem sehen wir, wie wichtig die Ehe nach Gottes Gedanken ist. Je tiefer der Mann dies erkennt, desto mehr wird er fühlen, wie notwendig eine beständige Abhängigkeit von Gott für ihn ist, damit er seiner Verantwortlichkeit auf eine Gott wohlgefällige Weise nachkommen kann. Fügen wir noch hinzu: Je mehr er selbst in dem Bewusstsein und dem Genuss der Liebe Christi lebt, desto mehr Liebe wird er auch seiner Frau erweisen.

Weiter lesen wir in unserer Bibelstelle: „So sind auch die Männer schuldig, ihre Frauen zu lieben wie ihre eigenen Leiber. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es, wie auch der Christus die Versammlung. Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen. „Deswegen wird ein Mensch den Vater und die Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein.“ Dies Geheimnis ist groß, ich sage es aber in Bezug auf Christus und die Versammlung. Doch auch ihr, ein jeder von euch liebe seine Frau so wie sich selbst“ (Eph 5,28–33). Wir werden hier, wie früher schon berührt worden ist, in den Garten Eden zurückversetzt, wo die Erschaffung Evas und ihre Darstellung vor Adam uns ein so deutliches Vorbild des Geheimnisses der Versammlung gibt. Daraus erklärt sich, wie der Apostel hier diese Dinge verknüpft (vgl. 1. Mo 2,21–25). Das Bild zeigt uns, wie vom Gesichtspunkt der Einheit aus betrachtet die Selbstliebe (der  unserer Natur innewohnende Grundsatz und Trieb) das Maß der Liebe des Mannes zu seiner Frau sein soll. Man könnte sich unmöglich eine bestimmtere und umfassendere Aufforderung denken. Diese Einheit, einmal richtig verstanden, wird den Mann dazu führen, seine Frau als einen Teil seiner selbst zu betrachten. Was sie berührt, wird auch ihn berühren, was er für sich selbst wünscht, wird er auch für seine Frau wünschen. Er wird die gleiche Sorge für sie haben wie für sich selbst, mit einem Wort, alles Gute, das er sucht, und alles Böse, das er vermeidet, wird er auch für seine Frau suchen oder vermeiden, wie für sich selbst; sie sind zusammen „ein Fleisch“, und „wer seine Frau liebt, liebt sich selbst“. Das Wort Gottes gibt hier ein herrliches Mittel gegen Selbstsucht und lehrt den Mann selbstlose Hingabe, die die Frucht jeder wahren Liebe ist; zugleich zeigt es das höchste Beispiel davon in Christus, der „die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“. Welche Höhen und Tiefen enthalten diese Vergleiche, wie zeigen sie uns, dass die Schuld der Liebe immer bleibt und nie bezahlt werden kann. Und doch, wie gerne erkennt sie die tiefe Schuld in unermüdlicher Sorge und Zärtlichkeit gegen die an, die nach Gottes Willen ihre Empfängerin sein soll.

Auch hier mag daran erinnert werden, dass diese Verpflichtung der Liebe durchaus nicht von dem Charakter der Frau berührt wird. Keine Unwürdigkeit ihrerseits, außer die eine, von dem Herrn erwähnte Sünde, kann den Mann davon entbinden. Die Liebe Christi zu seiner Versammlung hört niemals auf, ungeachtet all ihrer Fehler und sogar ihrer Untreue. Er sucht sie beständig von ihren Fehlern zu entwöhnen und reinigt sie von ihren Befleckungen. Auch wenn die unendliche Vollkommenheit des Vorbilds unser schwaches Streben weit hinter sich lässt, soll dennoch der Mann diese Liebe stets vor Augen haben. Wie sieht man hier wieder so deutlich die Weisheit Gottes, die die Blicke des Gläubigen auf Christus richten und seine Gedanken mit ihm beschäftigen möchte, weil das den Gläubigen sicher dahin leitet, seine Liebe nachzuahmen. Solange Auge und Herz diese Richtung haben, wird man nicht fehlgehen.