Nachfolgend eine weitere alte, vergriffene und seltene Schrift. Man muss beachten, dass darin die Sprache des 19. Jahrhunderts gesprochen wird. 

Vorwort

Wenn je, so braucht der Herr, unser Gott, in unseren Tagen treue Vorkämpfer der Wahrheit und christusgläubige Diener. Unser Freund und Verfasser dieser Schrift ist einer der wenigen Zeugen, die nichts wissen wollen ohne allein Jesum den Gekreuzigten.

Vorliegendes Büchlein trifft den Kern des ganzen Evangeliums. In seinem ersten Teil spendet es der wesentlichen Gottheit des, der da reich ist an göttlicher Herrlichkeit, einen köstlichen Tribut der Anbetung. Im zweiten Teil folgt es dem Herrn auf Seinem Weg der Erniedrigung und malt das Geheimnis Seines stellvertretenden Leidens mit dem Kreuz, dem ewigen Zeichen und Symbol. Im dritten Teil besteigen wir jene ephesischen Höhen mit dem weiten Ausblick auf das letzte Ende Seiner erlösten Seligen.Hier finden wir fürwahr einen Leiter, der Sünder auf den Weg des Lebens bringen und der Gläubige speisen kann mit Himmelskost. Mit dem Gebet um Gottes Gnade und Segen begleiten wir das Büchlein aus seiner Mission, zuversichtlich hoffend, dass es nicht leer zurückkommen wird.

Arthur T. Pierson

„Denn ihr kennet die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, dass er, da er reich war, um euretwillen arm wurde, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet“ (2. Kor 8, 9).

Vom christlichen Geben spricht der Apostel im Textkapitel, da erinnert ihn Gottes Geist an den großen göttlichen Geber. Menschlich Geben, göttlich Geben! „Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab.“ Ist aber vom Geben unseres Gottes die Rede, so lenkt der Heilige Geist den Blick der Gläubigen auf den Herrn Jesum Christum. Unsere schönen Textesworte enthalten deshalb auch das Evangelium in köstlicher Fülle. Klar, einfach sind die Worte, aber „wie die Bibel im Kleinen“, wie Luther den Kernspruch Johannes 3,16 nennt, bergen sie unerschöpfte Tiefen in sich.

Manoah hatte den Engel des Herrn gesehen, und als er seinen himmlischen Besucher nach dem Namen fragte, ward ihm zur Antwort: „Warum fragst du denn nach meinem Namen, da er wunderbar ist?“ Und der Engel des Herrn handelte wunderbar, und Manoah und sein Weib sahen zu; und es geschah, als die Flammen von dem Altar aufstiegen gen Himmel, da fuhr der Engel Jehovas hinauf in der Flamme des Altars (Ri 13,18). Als der Heilige Geist durch den Propheten Jesajas die Geburt des Heilandes anzeigte, nannte Er denselben unter anderem auch „Wunderbar“ (Jes 9,6.). Ja, Seine Person und Sein Werk sind wunderbar. Er ist wunderbar in allem, was Er getan und tut und tun wird. Seine Worte, Taten, Liebe, Gnade, Erbarmungen – alles ist wunderbar. Drei wunderbare Tatsachen enthält unser Text, eine ist wunderbarer als die andere:

1. Die wunderbare Tatsache: Er war reich.

2. Die noch wunderbarere Tatsache: Er ward arm um unsertwillen

3. Die wunderbarste Tatsache: Durch Seine Armut sind wir reich geworden.

I. Die wunderbare Tatsache, dass der Herr Jesus Christus reich war.

Dieses Wort weist über die Zeit hinaus und hinein in die Ewigkeit. Die Reichtümer dieser Welt gehören Ihm von aller Ewigkeit her. Ist Er doch „der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist“, „der Abglanz der göttlichen Herrlichkeit und der Abdruck Seines Wesens“. Gott von Gott, beim Vater vor Grundlegung der Welt – wie reich war Er! Aber wer vermöchte in die geheimnisvolle Ewigkeit hineinzudringen, um Seinen Reichtum zu erforschen? Die Weisheit und Einbildungskraft der Menschen? Aber wir wollen nicht solche Torheiten begehen und Menschenverstand und -witz zurate ziehen; zur Offenbarung unseres Gottes greifen wir, um einige Strahlen zu fassen von dem, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat“. Hören wollen wir, was Gott uns in Seinem Worte zu sagen hat von den Reichtümern des Sohnes Seiner Liebe. „Niemand erkennt, wer der Sohn ist, als der Vater“ (Lk 10,22). So sagt der Herr Jesus selbst. Aber es ist auch köstliche Wahrheit: „Uns hat es Gott geoffenbart durch Seinen Geist; denn der Geist erforschet alles, auch die Tiefen Gottes“ (1. Kor 2,10). Was sagt nun die Heilige Schrift von den Reichtümern Dessen, der unser Heiland, unser Herr Jesus Christus ist? Das Wort Gottes sagt uns, dass der Sohn Gottes von aller Ewigkeit her reich war in drei Dingen. Er war reich an Besitz, an Liebe, an  Herrlichkeit. In diesen drei Dingen bestand, soweit wir aus Gottes Offenbarung lernen können, der Reichtum Christi. Aber wie wenig verstehen wir, was damit umschlossen ist! Wenn Er uns aber wird zum Vaterhause gebracht haben, dass wir erkennen wie wir erkannt sind, und wir Seine Herrlichkeit schauen dürfen – welcher Erkenntnis werden wir uns dann erfreuen dürfen! Das aber, was Er uns jetzt schon geoffenbart hat, reicht hin, unsere Herzen zu erfüllen mit Verwunderung und unsere Lippen mit Lobpreis.

Reich an Besitz. Unsere Begriffe von Reichtum sind sehr begrenzt. Ein Kind meint große Reichtümer zu besitzen, wenn wir seine Hände mit neuen glänzenden Geldstücken füllen. Die Großen der Erde halten sich für reich, wenn sie Million zu Million, Haus zu Haus, Acker zu Acker fügen können. Und denken wir uns die ganze Erde für eine Zeit lang im Besitze eines Menschen: alles Gold, Silber, Perlen und kostbare Steine; alles, was an ungehobenen Schätzen noch in der Erde ruht; alle Kunstschätze der Anstalten der Erde; alle Gärten, Wiesen, Felder, Wälder – alles das Eigentum eines Mannes: Wie reich wäre dieser Mensch! Es wäre wohl niemand imstande, diesen Reichtum abzuschätzen. Aber im Vergleich mit dem Herrn Jesu, „der reich war“, wäre solch ein Mensch doch nur ein armer Bettler. Er war reich an Besitz. Die Heilige Schrift soll uns sagen, was das meint. „Durch Ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: Alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen“ (Kol 1,16).In diesen gesegneten Worten haben wir die Beschreibung der Reichtümer des Sohnes Gottes. Alle Dinge gehören Ihm, denn Er hat sie alle geschaffen und für Sich erschaffen; in Ihm hat auch alles Stand und Wesen. „Jehovas ist die Erde und ihre Fülle, der Erdkreis und die darauf wohnen“ (Ps 24,1). Jehova, der von Ewigkeit her beim Vater war, spricht auch in einem anderen Psalm: „Mein ist alles Getier des Waldes, das Vieh auf tausend Bergen. Ich kenne alles Gevögel der Berge, und das Wild des Gefildes ist mir bekannt. Wenn mich hungerte, so würde ich es dir nicht sagen; denn mein ist der Erdkreis und seine Fülle“ (Ps 50,10–12). Wiederum spricht Er durch einen Seiner Propheten: „Mein ist das Silber und mein ist das Gold“ (Hag 2,8). Und dann die großen Meere mit den geheimnisvollen Tiefen: „Das Meer ist sein, er hat es ja gemacht“ (Ps 95,5).Sein Reichtum ist aber noch größer, Er hat auch die Dinge im Himmel erschaffen. Welch eine wunderbare Welt über uns! Staunend rühmt durch den Heiligen Geist der Sänger: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werke“ (Ps 19,1). Was sind aber die Dinge am Himmel, diese Sterne und Sonnen? Das menschliche Auge vermag von diesen wunderbaren leuchtenden Welten im ungeheuren Weltraum nur einige Lichtschimmer zu fassen. Es gibt Sterne und Planeten, die hundert- und tausendmal größer sind als unsere Erde. Die Sonne ist Millionen Mal größer als unser Planet. Ein Lichtstrom, ein Ozean von Feuer ist unsere Sonne. Und doch ist unser Sonnenlicht gering gegen das des Sirius; 140 Sonnen wie die unsrige sind nötig, so hat man berechnet, um das Feuermeer des Sternes Sirius zu erzeugen. Und wie groß ist der Weltenraum! Sterne gibt's in solch ungeheurer Ferne von unserem Planeten, dass ihr Licht, obschon es 180.000 Meilen in einer Sekunde oder 648 Millionen Meilen in einer Stunde reist, mehrere Tausend Jahre braucht, um unsere Erde zu erreichen. Und weiterhin, hinter diesen Sternsonnen, Fernen, die kein Teleskop erreicht, sind andere Tiefen, die Welten bergen. Im Himmel selbst sind unzählbare Engelscharen; ihre Zahl ist Zehntausende mal Zehntausende und Tausende mal Tausende. Und diese alle hat Er, welcher „der Abdruck seines Wesens“ ist, geschaffen; sie gehören also Ihm, Er hat Schöpferrecht an ihnen. Wie unendlich reich war Er von Anbeginn!

Reich an Liebe. Gott ward nicht Liebe, Gott ist Liebe und ist es immer gewesen. Liebe braucht einen Gegenstand. Der Gegenstand der Liebe Gottes in aller Ewigkeit ist Er, welcher „der Sohn Seiner Liebe“ genannt ist. In jener bemerkenswerten Stelle in den Sprüchen, welche nur auf den Sohn Gottes Bezug haben kann, erklärt Er: „Ich war Tag für Tag seine Wonne, vor ihm mich ergötzend allezeit“ (Spr 8,30). Im Evangelium Johannis zeichnet der Heilige Geist das Bild des Sohnes Gottes; da hören wir von der ewigen Liebesgemeinschaft zwischen Vater und Sohn. Wir lesen da im ersten Kapitel, „dass das Wort war bei Gott,“ und dass Er war „der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoße ist“. Wir hören Ihn auch Selbst von der ewigen Liebe reden, deren Er Sich beim Vater erfreute. „Du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24). Heilige, hehre Worte! Wer wagte es, etwas dazuzusetzen oder diese Liebe zu beschreiben! Man hört da beinahe die alte heilige Mahnung des Herrn: „Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, auf welchem du stehest, ist heiliges Land.“ Alle Versuche, diese Liebe zu beschreiben oder zu illustrieren, müssen missglücken – wir vermögen es einfach nicht. Was diese Liebe von Ewigkeit her war, welch ein Reichtum der Liebe im Schoße des Vaters Ihn ergötzte, ist kein Heiliger imstande jemals zu begreifen. Es ist genug zu wissen, dass „der Sohn Seiner Liebe“ Sich vor Grundlegung der Welt der Liebe des Vaters erfreute.

Reich an Herrlichkeit. Liebe häuft Herrlichkeit auf den geliebten Gegenstand. Des Vaters Liebe und des Vaters Herrlichkeit war Sein von Ewigkeit her. Auch über Seine ewige Herrlichkeit kann uns nur Gottes Wort Aufschluss geben. Als der Herr in der Gegenwart des Vaters jenes wunderbare Gebet (Joh 17) sprach, floss diese Bitte aus Seinem Herzen: „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“ (Joh 17,5). Wie klar und bestimmt ist dieser Ausspruch. Er hatte eine Herrlichkeit mit dem Vater, ehe die Welt war; ja, Er war der Ausfluss der Herrlichkeit des Vaters. Wer könnte sagen, was diese Herrlichkeit in Wirklichkeit war? Welches menschliche Auge könnte in diese Herrlichkeit blicken? Die alten Propheten durften einige Strahlen dieser Herrlichkeit schauen (Jes 6). Wessen Herrlichkeit war es, die sie schauten? Eine Stelle im Evangelium Johannis (12,41) gibt uns Antwort. „Dies sprach Jesajas, weil er seine Herrlichkeit sah und von ihm redete.“ Der Prophet Jesajas sah den Herrn und schaute Seine Herrlichkeit, und das Neue Testament sagt uns, dass dies die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes Gottes war. Welch ein Ort der Herrlichkeit muss das sein, an welchem Er in aller Ewigkeit war, und den Er, während Er auf Erden weilte, Seines Vaters Haus nannte! Welche Szenen der Freude und des Lobpreises, „wenn die Morgensterne miteinander jubelten, und alle Söhne Gottes jauchzten“ (Hiob 38,6). Und Er war der Mittelpunkt dieser Herrlichkeit. Dies völlig zu verstehen, müssen wir warten, bis wir mit allen Erlösten zu den himmlischen Örtern kommen, wo Er Selbst uns Seine Herrlichkeit zeigen wird. Wir dürfen kein weiteres Wort zu dem bereits Gesagten setzen. Die Schrift gibt uns keine andere Beschreibung Seiner ewigen Reichtümer als diese drei: Reich an Besitz, alles ist Sein; reich an Liebe; reich an Herrlichkeit. Welch ein Gegenstand zur Betrachtung! Welche Freude, an Ihn zu glauben, „der reich war“. Nur wenn wir Seine ewigen Reichtümer vor der Seele haben, vermögen wir vom Evangelium den vollen Genuss der Freude zu empfinden.

II. Die noch wunderbarere Tatsache, dass Er arm ward um unsertwillen.

Hat der Blick auf des Herrn ewige Reichtümer unsere Verwunderung erregt, wie viel größer muss unser Erstaunen sein, dass ein Wesen, dessen Besitztümer unermesslich sind, arm ward, und noch dazu arm „um unsertwillen“. Der köstliche Text, der uns zur Betrachtung vorliegt, führt uns so recht zur Stätte, da die unendliche Liebe Gottes sich kundtat. Wir sehen da, wie Dem, der so reich war und arm ward, alles genommen ward, bis Er nichts mehr Sein Eigen nannte. Und das geschah für uns, lieber Leser – ja, für dich und mich! Könnten wir es je müde werden, von dieser Liebe Gottes zu hören? „Euch dasselbe zu schreiben, ist mir nicht verdrießlich, für euch aber sicher“, schreibt der Apostel (Phil 3,1). Es gibt aber genug Menschen, die über die Frohe Botschaft die Nase rümpfen können. „Wir wollen etwas Tieferes als das Evangelium“, sagten unlängst einige Leute dem Schreiber. Ein kurzer Gedankenaustausch zeigte uns aber, dass diese Leute nie die Süßigkeit „der heiligen Kunde von Jesu Huld und Treu“ geschmeckt hatten. Wer diese kennt und „Gemeinschaft hat mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo“, kann nie genug davon hören. Je mehr wir uns damit beschäftigen, desto mehr begreifen wir ihre Kostbarkeit und wunderbare Tiefe. Nein, wir kommen nie über das Evangelium hinaus, mögen auch alle Weisen dieser Welt die größtmöglichen Anstrengungen machen, „etwas Besseres, mehr Fortschrittlicheres“ zu schaffen.

Er ward arm um unsertwillen. Was das für uns meint, zeigt uns der Heilige Geist im Philipperbrief, in welchem uns die Geschichte dieser wunderbaren Tatsache veranschaulicht wird. Der Weg des Herrn geht von der hehren Gotteshöhe Seiner göttlichen Herrlichkeit herab auf die fluchbeladene, sündige Erde. Doch hören wir erst die Worte im Philipperbrief (2,6–8): „Christus Jesus, da er in Gestalt Gottes war, achtete es nicht für einen Raub, Gott gleich sein, sondern machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist und in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, erniedrigte er sich selbst, indem er gehorsam ward bis zum Tode, ja, bis zum Tode am Kreuz.“ Seiner Armut bei der Fleischwerdung ist hier zuerst gedacht. Er entäußerte oder entleerte Sich Selbst, „machte sich selbst zu nichts“. Der allmächtige Schöpfer, der am Schöpfungstage den Leib des Menschen aus dem Staube der Erde schuf, ward nun Selbst „in Seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden“ und trat so in diese Welt, die Er einst ins Dasein gerufen, als ein Glied derselben herein. Er entäußerte Sich Selbst, nicht Seiner Gottheit, Er kam als Jehova geoffenbart im Fleisch. Diese heilige, gesegnete Tatsache ist uns im Evangelium Lukas mitgeteilt. Der Engel Gabriel sagte zu Maria, nachdem er die kommende Geburt des Heilandes kundgetan hatte: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das von dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Und dann ward Er geboren; an der Brust der Maria ruhte Der, der von Ewigkeit her in des Vaters Schoße ist. Im ärmlichen Bethlehem begann Er Seinen Erdenlauf. „Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Raum für sie war.“ Welch eine Armut ist mit der Menschwerdung verbunden! Für Ihn, der alles geschaffen und Seinen Platz beim Vater in der Herrlichkeit hatte, fand sich kein Raum auf Erden, als Er sie besuchte; eine Futterkrippe war Sein erster Ruheort. Aber mit dieser Armut ist das Wort „Er ward arm“ noch lange nicht erschöpft. Dieses Armwerden des Herrn, so staunenswert es ist, konnte dem Sünder keinen Frieden bringen. Es gefiel dem Heiligen Geist nicht, uns die Jugendgeschichte des Gesegneten des Vaters zu geben; nur eine Mitteilung haben wir aus des Herrn Jugendtagen. Als zwölfjähriger Knabe antwortet Er auf den Vorwurf der Maria: „Was ist's, dass ihr mich gesucht habt? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49). Welch ein Bewusstsein Seiner Person und Seines Werkes offenbart sich in diesen Worten! Und dann lesen wir: „Er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth, und er war ihnen untertan.“ Nazareth war ein ärmliches Dörflein und hatte noch nicht einmal einen guten Ruf. Und dahin ging Er, welcher von Ewigkeit her die selige Gemeinschaft des Vaters genoss. Hätte der heilige Geist uns die Geschicke dieser Jahre in Nazareth mitgeteilt, wir hätten ohne Zweifel eine Geschichte vor uns, die von Armut, harter Arbeit und vielleicht auch von Entbehrungen redete. Im Evangelium Markus wird von Ihm als dem „Zimmermann“ geredet. Er, der später den Juden sagte: „Mein Vater wirket bis jetzt, und ich wirke“ (Joh 5,17), der arbeitete jahrelang mit schwieligen Händen. Aber auch diese jahrelange Arbeit in der Armut erschöpft nicht das Wort: „Er ward arm um unsertwillen.“ Und würde Er alle diese Jahrhunderte bis heute in tiefster Armut schwer gearbeitet haben, so könnte dies nicht eine Seele vom Tode erretten, noch einem Sünder die Kindschaft Gottes geben. In welcher Armut der Herr lebte, das sagen uns die Evangelien zur Genüge. „Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo er das Haupt hinlege“ (Mt 8,20). Dieser ergreifende Ausspruch des Herrn lässt uns ahnen, dass sich oft kein Ruheort vorfand für dies gesegnete, heilige Haupt. Er hungerte, kam zu dem Feigenbaum und fand keine Früchte; auch Seine Jünger waren hungrig und pflückten am Sabbat die Ähren auf dem Felde ab. Frauen, „das schwächere Gefäß“ (1. Petri 3,7), beschenkten Ihn, von dem gesagt ist: „Mein ist Silber und Gold, mein alles Getier des Waldes, das Vieh auf tausend Bergen.“ So groß aber auch diese Armut war, in welche Er um unsertwillen hineinging, es war noch nicht die Armut, die uns erlöste; Er musste noch tiefer hinab. Es war ja wohl der Stand der Erniedrigung, in welchem Er Sich befand, als Er „in Gestalt eines Menschen“ arm unter den Armen Nazareths lebte, aber Er hatte da noch lange nicht alles dahingegeben, Er war noch immer reich. Durfte Er Sich doch stündlich der reichen Liebe des Vaters erfreuen. „Mein Vater“, spricht der zwölfjährige Jesusknabe von dem ewigen Gott. Des Vaters Wohlgefallen war allezeit über Ihm. Gott konnte Den, der Seinen Schoß verlassen hatte, um nach des Vaters Willen eine sündige Welt zu erlösen, nur lieben. Es gab keine Stunde, wo des Vaters Liebe den Sohn nicht erquickte. Und wie köstlich muss diese Liebe und Gegenwart des Vaters dem Sohne in all Seiner Armut auf Erden gewesen sein. Wie reich war Er also im Besitz dieser göttlichen Liebe trotz aller äußeren Armut. Und diese Liebe bekannte der Vater auch vom Himmel herab: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Zweimal kam dieses Wort vor Menschenohren vom Throne Gottes herab. Und der Herr verbrachte ganze Nächte auf Bergen, in der Wüste im Gebet, in der Gemeinschaft mit dem Vater zu. In bewegten Stunden, in der Versuchung in der Wüste, wo wilde Tiere Ihn umgaben, da war des Vaters Liebe Ihm nahe und erquickte Ihn.

Mein lieber Leser, die tiefste Bedeutung des Wortes: „Er ward arm um unsertwillen“, kann nur an einem Ort geschaut werden, und diese Stätte heißt Golgatha. In der Geschichte des Kreuzes finden wir die tiefste Armut dessen, der reich war; da allein wird es uns klar, was es Gott gekostet hat, uns zu Sich zurückzubringen. Die Armut des Kreuzes! Wer kann sich ganz und voll in diesen Jammer versenken! Als Jeremia auf den Ruinen Jerusalems saß, brach er in die Worte aus: „Merket ihr es nicht, alle, die ihr des Weges ziehet? Schauet und sehet, ob ein Schmerz sei wie mein Schmerz, der mir angetan worden, mir, den Jehova betrübt hat am Tag seiner Zornglut“ (Klgl 1,12). Aber was war Jeremias Schmerz und Leiden im Vergleich mit dem Jammer des „Mannes der Schmerzen“? Er allein konnte sagen: „Schauet und sehet, ob ein Schmerz sei wie mein Schmerz.“ Die Leiden des Geliebten Gottes wurden durch das ganze Alte Testament hindurch genau vorhergesagt von Seinem eigenen Geiste. Sie wurden abgeschattet in den Leiden der Heiligen des Alten Testaments, wie Abel, Isaak, Joseph, David, Daniel und andere. Und als Er kam, erfüllte Er alle diese Leiden in der Schande und den Schmerzen am Kreuz. Wer aber kann es beschreiben, was der Heilige am Kreuze zu erdulden hatte! Die alten Meistermaler haben uns aus ihrer Einbildungskraft heraus die Szenen der Kreuzigung gezeichnet. Diese Gemälde mögen vom menschlich-künstlerischen Standpunkte aus hohen Wert haben; geistlich betrachtet sind sie elende Erzeugnisse, ja nahezu Gotteslästerungen. „Daselbst kreuzigten sie ihn“; das ist alles, was die Heilige Schrift uns sagt von diesem schrecklichen Akt. Ach, was muss es für Ihn gewesen sein, als Er in der Sünder Hände überantwortet ward! Von Ewigkeit her mit des Vaters Herrlichkeit umgeben, musste Er nun, von rohen Händen entkleidet, an Händen und Füßen durchbohrt, nackt vor allen Augen hängen. Eine Dornenkrone aufs Haupt gepresst, den Rücken blutig geschlagen, so hing Er da, verlassen von den Seinen – eine Jammergestalt, deren Anblick Engel und Menschen entsetzen konnte. Und doch – auch jetzt haben wir die tiefste Tiefe des Wortes: „Er ward arm“, noch nicht genannt. So tief auch der Jammer, so entsetzlich auch die Lage, in welche Er gekommen war, dass Menschenmund und Malerpinsel unfähig sind, die Leiden darzustellen: – Es gibt noch einen entsetzlicheren Jammer als das körperliche Leiden. „Er ward arm um unsertwillen.“ Dort im Garten Gethsemane traf Ihn die ganze Schwere dieses Wortes. „Und als er in ringendem Kampfe war, betete er heftiger. Es wurde aber sein Schweiß wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen“ (Lk 22,40–44). Welch ein unbeschreiblich Weh, welch entsetzliche Angst lastet auf einmal auf dem Sohn Gottes! Wie sollen wir dieses Ringen verstehen? Schreckte der Herr zurück vor dem körperlichen Leiden, vor der Schande des Kreuzes? Nein, Er war bereit, „für die vor ihm liegende Freude das Kreuz zu erdulden, der Schande nicht achtend“ (Heb 12,2). Er kannte die tiefste Armut, die tiefste Tiefe, in welche Er zu gehen hatte, die Bitterkeit des Kelches, welchen Er bis auf den letzten Tropfen zu leeren hatte, und darum eben solch heftiges Ringen. Und was war die tiefste Armut Dessen, der reich war als Schöpfer aller Dinge? „Aber von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde; um die neunte Stunde aber schrie Jesus mit lauter Stimme, sagend: „Eli, Eli, lama sabachtani?“ Das ist: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,45–46.) Tiefe Finsternis lagert über Golgatha, über Jerusalem, über das ganze Land. Der Mittler der Menschheit, durch den und für den alles geschaffen ist, befindet Sich in Todesnacht. Schweigend kämpfte der Herr drei Stunden lang diesen übermenschlichen Kampf. Endlich zeigt der furchtbare Schrei eine Leidenstiefe an, welche wir nicht ergründen können. Von Gott verlassen war Er! Die Verdammnis der Verdammten schmeckte Er. Und hier haben wir die ganze Tiefe Seiner Armut, in welche Er für uns ging. Nun war alles, was Er hatte, dahin! Die reiche, erquickende Liebe des Vaters war nicht länger mehr Seines Herzens Trost und Zuflucht in Seiner Erniedrigung. Ein heiliger, gerechter Gott blickte im Zornsgericht auf den Stellvertreter der Menschen herab. „Jehova gefiel es, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen.“ „Doch um unserer Übertretung willen ward er verwundet, und unserer Missetaten willen zerschlagen“ (Jes 53). „Den, der keine Sünde kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm“ (2. Kor 5,21). „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Es ist das einzige Mal, dass der Herr Jesus den Vater anredet als „mein Gott“. „Gott von Gott verlassen, wer kann das fassen!“, sagte Luther. Kein Mensch kann es. Aber weil Christus Gottes Sohn war, so ahnen wir wenigstens, wie es möglich war. Und wer das alles Denken übersteigende innige Verhältnis zwischen Vater und Sohn, diese völlige Gemeinschaft heiliger Liebe nachempfinden könnte, der könnte auch ermessen, wie viel es den Vater kostete, Seine Hand vom Sohne zurückzuziehen, wie bitter es für den Sohn war, von Gott verlassen zu sein. Er ist von Gott verlassen und Sein ganzes Wesen schreit nach Gott. In dieser Stunde ward Er arm, ganz arm, dass Er „nichts mehr hatte“ (Dan 9,26).Und nun denke daran, um deinetwillen ward Er so arm! Für dich, lieber Leser, kam Er in diese Welt, für dich ging Er ans Kreuz, für dich trank Er diesen bitteren Kelch, für dich war Er von Gott verlassen.

Und wer sind denn wir, dass Er sollte in solche Armutstiefe für uns gehen und solches Gottverlassen für uns erdulden?Was waren jene Korintherchristen, lasst uns fragen. Der erste Brief gibt klare Antwort. „Wisset ihr nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht ererben werden? Irret euch nicht! Weder Hurer, noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Weichlinge, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde, noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes ererben. Und solches sind eurer etliche gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres Gottes“ (1. Kor 6,3–11).

Welch eine Schandgeschichte der Menschen steht da vor uns! Und für solche Menschen kam der Sohn Gottes auf Erden und ward arm bis zur Armut am Kreuz! Welch eine Schandgeschichte – so tief bin ich doch nie gefallen, sagt gar mancher. Wer kennt nicht die Sprache des Pharisäers, des Namenchristen, der in seiner Selbstgerechtigkeit andere verachtet. „O Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin, wie die übrigen Menschen, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner“ (Lk 18,9–12). Leser, ist das deine Sprache? Ist das dein Bekenntnis? Dann kennst du dich selbst gar schlecht, dann weißt du wenig von der Kostbarkeit des Evangeliums.

Von dem heimgegangenen Bischof Brooks wird erzählt, dass er einst in einem Gefängnis in Boston predigen sollte. Dort angekommen, sah er die langen Reihen der in die Uniform der Schande gekleideten Gestalten in den Saal des Gefängnisses hereinkommen. Kettengeklirr, Zuchthausgesichter, Wachmannschaft; alles machte einen solchen Eindruck auf den Bischof, dass er stumm dastand. Wie kann ich zu diesen Menschen predigen? fragte er sich. Ich habe solche Dinge nie getan. Zwischen diesen Menschen und mir gähnt eine weite Kluft, tief wie die Hölle, die ich nicht überschreiten kann, um zu ihnen hinüberzugehen, noch die, um zu mir herüberzukommen. Dann aber zeigte ihm Gott sein natürliches Herz. Hinab über die lange Reihe seiner Ahnen ging sein Blick, er sah die Gestalten der Puritaner, gottesfürchtige Geschlechter, die ihren Überlieferungen, ihren Überzeugungen folgten. Und ein gottgegebener Erkenntnisstrahl zeigte dem Manne Gottes den dunklen Untergrund seines Herzens; und er erkannte in sich die Möglichkeit zu jedem Verbrechen, das ihm in diesen finster blickenden, heimtückischen, vertierten Angesichtern entgegenblickte – und dann predigte er ihnen als „sündiger Mensch zu Sündern“.

Denke an die Beschreibung deines Herzens, des natürlichen Herzens des Menschen, welche unser gepriesener Heiland gibt: „Aus dem Herzen kommen hervor böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerungen“ (Mt 15,19). Alle diese bösen Dinge sind in unserem Herzen; in jedem ein Mörder, Lästerer, Dieb! Die Gnade Gottes mag das volle Hervortreten derselben verhindert haben, aber diese bösen Dinge sind im Herzen vorhanden. Als Rowland Hill, der gesegnete Prediger in England, einen Mörder zum Galgen gehen sah, rief er aus: „Da ginge Rowland Hill, wenn Gottes Gnade mich nicht gehalten hätte.“ Wie wahr ist das von jedem Menschen! Feinde Gottes, tot in Sünden allzumal. Nicht menschenfeindliche Schilderung ist das. Gottes Wort schildert uns so. „Da ist nicht ein Gerechter, auch nicht einer; da ist nicht, der Gott suche. Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist nicht, der Gutes tue, auch nicht einer. Ihr Schlund ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen handeln sie trüglich. Otterngift ist unter ihren Lippen. Ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit. Ihre Füße sind schnell, Blut zu vergießen; Verwüstung und Elend ist auf ihren Wegen, und den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt. Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen“ (Röm 3,10–19).

Solche sind wir also von Natur. Gott Selbst, der allein die Verderblichkeit des menschlichen Herzens kennt, beschreibt so unseren Zustand. Und doch, obwohl Er uns so kennt, hat Er dennoch das Beste, was Er hatte, für uns gegeben: Er gab den Sohn Seiner Liebe. Ja, staune, Er legte Selbst Seine Hand an Ihn in jener furchtbaren Stunde der Armut am Kreuz und schlug Ihn an unserer Stelle. O wunderbare Gottesliebe! Das übersteigt allen Verstand ... „Denn Christus ist, da wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben. Denn kaum wird jemand für einen Gerechten sterben; denn für die Gütigen möchte vielleicht jemand zu sterben wagen. Gott aber erweist seine Liebe gegen uns darin, dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist“ (Röm 5,6–8).Willst du jetzt, lieber Leser, nicht Herz und Haupt in der Gegenwart Gottes beugen und der wunderbaren Erlöserliebe Gottes glauben? Nimm deinen Platz vor Ihm als ein verlorener Sünder. Du hast nie etwas Gutes getan; du kannst nie etwas Gutes tun. Unbekehrter Leser, bekenne dich vor Gott als schuldiger Sünder und glaube an den Sohn Gottes. „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“ Kann Gott größeren Beweis Seiner Liebe geben, als Er gab, als Er Seinen Sohn an die Stelle der Sünder stellte? Er verschonte Seinen eignen Sohn nicht, damit Er den Sünder verschonen könnte, der an Seinen Sohn glaubt. Er ward arm um deinetwillen. Glaubst du das? Willst du nicht Jesum als deinen Heiland annehmen?

Und wir, die wir geglaubt haben, Ihn kennen und mit dem Apostel bekennen: „Der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ – wir sollten mehr empfängliche, dankbare Herzen haben für die große Liebe, die Ihn gab, für jene Liebe, die sich gab. Wir sollten auf jeden Unbekehrten mit erbarmendem Herzen blicken, denn auch für den hat der Herr Seine himmlischen Reichtümer verlassen und ward arm. Siehe, wie zumal in den Großstädten der Sündenjammer gen Himmel schreit. Siehe, die verlorenen Söhne und Töchter rings um uns her: Lasterknechte, Trunkenbolde, Straßendirnen, Landstreicher und ehrbare Leute – ward nicht der Herr auch für sie so arm, dass Er am Kreuze rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Um Jesu Liebe willen sind wir der armen, verlorenen Menschen Schuldner. Liebe zum Herrn erzeugt Retterliebe, dieselbe Liebe, die Ihn vom Himmel auf die Erde und in solche Armut trieb. Er erfülle unsere Herzen mit Retterliebe an denen, die verloren sind.

III. Die wunderbarste Tatsache, dass wir durch Seine Armut reich geworden sind.

Welch ein kostbarer Gedanke für unsere Herzen! Die große, unbeschreibliche Armut des Herrn hat uns Reichtümer verschafft. Wie groß müssen diese sein, die Gottes Sohn uns sterbend erwarb! Ist es eine wunderbare Tatsache, dass der Herr die reichen Güter des Vaterhauses zurückließ, um zu unserer Rettung herbeizueilen, so ist es die wunderbarste Tatsache, dass wir nicht nur gerettet, sondern dass uns auch die Reichtümer Gottes durch Christum gegeben wurden! Wir treten mit der Betrachtung dieser Tatsache zur Fülle der Kostbarkeiten des Evangeliums, eine Fülle, die heute wenig gepredigt und wenig geglaubt wird. Manche legen bei der Predigt des Evangeliums allen Nachdruck auf die Vergebung der Sünden, wodurch der gläubige Sünder die Rechtfertigung empfängt. Eine große Segnung fürwahr zu wissen, dass unsere Sünden getilgt sind. Von dieser Segnung wusste David, als er schrieb: „Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde zugedeckt ist! Glückselig der Mensch, dem Jehova die Ungerechtigkeit nicht zugerechnet“ (Ps 32,1–2). Aber Vergebung ist nur ein kleiner Teil unserer Errettung. Andere heben die Einpflanzung des neuen Lebens hervor, das ewige Leben, die Gewissheit unserer Errettung vom künftigen Zorn. Alle die und andere köstliche Wahrheiten sind einige der gesegneten Resultate des vollbrachten Werkes des Sohnes Gottes am Kreuz. Es gibt aber noch eine höhere Offenbarung von den Dingen, die der aus Gnaden errettete Sünder durch den Erlöser erhalten hat. Unser Text sagt: Wir sind reich geworden durch Ihn. Was sind nun die Reichtümer, die uns aufgrund der Armut Jesu Christi geworden sind? Hast du jemals darüber nachgedacht, über deinen Reichtum im Herrn, deinem Heiland? Worin besteht er denn? Komm und sieh und bete mit dem Schreiber dankbar an. Durch den Glauben an die Kreuzesarmut des Herrn sind wir nun so reich, wie Er droben in der Herrlichkeit ist. Eine große Behauptung, nicht wahr? Ein wunderbarer Gedanke und doch wahr, in aller Ewigkeit. Doch, lass uns erst sehen, wie reich Er ist, der unser Stellvertreter am Kreuze war. Wo ist Er jetzt? Das Grab konnte Ihn nicht behalten, die Verwesung konnte Er nicht sehen. Der Vater hat Ihn auferweckt von den Toten, und nachdem Er Sich den Jüngern nach Seinen Leiden gezeigt hatte, ward Er „aufgenommen in Herrlichkeit“ (1. Tim 3,16). Welch eine Szene das gewesen sein muss im Himmel, als Er wieder in die Gegenwart des Vaters kam! Er ging durch die Himmel; jene Wolke, die Ihn vor den Augen der Jünger hinaufnahm, brachte Ihn zum Thron, zum großen Mittelpunkt des Weltalls. Mit welch staunender Freude standen wohl die Engelscharen und sahen die Heimkehr des Sohnes zum Vater. Sie kannten Ihn, ehe Er Menschengestalt annahm; sie sahen Ihn auf Erden wandeln; sie waren Ihm nahe in der Wüste, auf Seinen Reisen, in Seinen Mühen und Arbeiten. Er hätte in der Stunde des Verrats eine Legion von ihnen zu Seiner Hilfe herbeirufen können. Sie müssen Ihn wohl am Kreuze beobachtet haben; sie waren am Ostermorgen an Seinem Grabe und gaben den Jüngern die köstliche Kunde von Seiner Auferstehung, wie sie auch am Tage Seiner Himmelfahrt Seine Wiederkunft verkündigten. Und welche Freude musste es doch für den Vater, für unseren lieben Gott und Vater, den Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, gewesen sein, als Sein geliebter Sohn wieder zu Ihm heimkehrte! Er gab Ihn dahin ans Kreuz an der Sünder Stelle, und nun kommt Er zurück in der Gestalt eines Menschen, des verklärten Menschen. Ein menschlich Wesen mit einem Leib der Herrlichkeit, und doch ein Leib von Fleisch und Bein; und dieses Wesen ist Gottes Sohn, das Haupt einer neuen Schöpfung. Welch eine großartige Szene muss das gewesen sein, als Er so als Sieger über Sünde und Tod zum Vater heimkehrte! Und nun trat Er zum Throne, und der Vater bewillkommnete Ihn: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße.“ „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks“ (Heb 1,13; 5,6–10). Und vielleicht unter dem Jubel und Lobpreis der himmlischen Heerscharen setzte Er Sich nieder. Wo ist Er jetzt? Er ist zurückgekehrt zum Vater, Er ist in des Vaters Gegenwart als verherrlichter Mensch. Und hat Gott außer der Bewillkommnung des verherrlichten Sohnes auf Seinen Thron, dessen Leib noch die Wundenmale tragen, sonst noch etwas getan? Wahrlich, Er gab Ihm große Reichtümer! Gott ernannte Ihn zum Erben aller Dinge. Er übergab den durchbohrten Händen des verherrlichten Menschen das ganze Weltall. Alle Gewalt im Himmel und auf Erden gab Er in die Hände des Sohnes Seiner Liebe. Wie reich ist Er! Die ganze Schöpfung gehört Ihm! Er ist nun der rechtmäßige Herr über alles. Und was gehört Ihm noch? Des Vaters Liebe. Die Liebe Gottes hat in Ihm wieder ihren Gegenstand gefunden wie zuvor. Die ewige Liebe Gottes, die Er von jeher kannte und Ihn erquickte, die Reichtümer dieser Liebe, gehören Ihm aufs Neue. O, wie muss Gott Den lieben, der Gottes Willen tat, Gottes ewige Gerechtigkeit ans Licht stellte und Gottes Liebe einer verlorenen und schuldigen Welt kundtat! Gibt es denn noch etwas, das Er empfing, als Er emporstieg, über alle Himmel? Ich blicke wieder hin und rufe aus: „Wir sehen Jesus, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens und Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Heb 2,9). Herrlichkeit ist auf Ihm. Der Vater krönte Jesum mit Herrlichkeit. Und wer kann diese Herrlichkeit beschreiben, die Er hat auf des Vaters Thron, und die Er hat am Tage Seiner Macht, wenn Er wiederkommt als der Herr der Herren und König der Könige! Und nun, lieber Leser, mache eine Pause. Er war reich von Ewigkeit her in drei Dingen – an Besitz, alles gehörte Ihm, an Liebe, denn Er ist der eingeborene Sohn des Vaters, an Herrlichkeit, der Herrlichkeit des Vaters. Diese drei Dinge gab Er auf; Er legte sie nieder. In jener dunklen Stunde, als Er nackt am Kreuze hing, allein, verlassen von allen, verlassen von Gott, da war Er alles beraubt. Und nun kam die Auferstehung, wir sehen den Sohn Gottes zum Vater heimkehren. Alle Gewalt ist Ihm gegeben, Er ist Erbe aller Dinge, die Liebe des Vaters ist Sein, und Herrlichkeit krönt Ihn aufs Neue. Nun hatte Er genau wieder dieselben Reichtümer, die Er besaß, ehe die Welt war; nur mit dem Unterschied, Er ist jetzt als Mensch in der Herrlichkeit. So reich nun der verherrlichte Herr ist, so reich ist der niedrigste Sünder, der an Ihn gläubig geworden, von Seinem Blute gereinigt ist. Die ewigen Reichtümer des Sohnes Gottes sind auch deine Reichtümer, Kind Gottes. Nun öffne weit Herz und Augen, dass dich einige Schimmer deines Reichtums, welche dir Gottes Liebe und Gnade gewährt hat, erquicken. Gott sah diese Welt ruiniert, die Menschen zu Aufrührern und Seinen Feinden geworden. Nicht überrascht wurde Er vom Fall des Menschen; von Ewigkeit her sah Er Satans Vorhaben und traf Anstalten, die Menschen zu retten. Er rief die Welt durch und für Seinen Sohn ins Dasein. Gottes Liebesratschluss war, dass mit Seinem eingeborenen Sohn auch viele andere Wesen die hohe und glückselige Stellung von Söhnen Gott gegenüber einnehmen sollten. Ist durch den Sündenfall nicht Gottes Ratschluss zunichte gemacht? O, siehe diese Weisheit und Gnade Gottes! Niedrige, verlorene Sünder hebt Er aus dem Machtbereich der Finsternis und stellt sie neben Seinen geliebten Sohn, damit sie mit Ihm erben und des Vaters Liebe und Herrlichkeit genießen in Ewigkeit. Wie konnte aber Gott die Sünder neben den Gerechten stellen? Er gab den Gerechten und Geliebten hin, Er hieß Ihn vom Lichte in die Finsternis gehen, dort ließ Er Ihn leiden für die Sünder. Dann erweckte Er den Sieger über Satan, Sünde und Tod, nahm Ihn zu Sich in Seine Gegenwart und setzte Ihn zu Seiner Rechten in den himmlischen Örtern (Eph 1,20). So führte Gott in Ihm Seinen wunderbaren Plan aus, viele Söhne zu haben durch Seinen eingeborenen Sohn, damit sie mit Ihm Teil hätten an Seinen Reichtümern. Hätte alle Weisheit der Welt solchen Plan ersinnen können? Der eingeborene Sohn des Vaters, der reich war über alle Maßen, der alle Dinge geschaffen hatte, ward „ein wenig unter die Engel erniedrigt“, und jetzt „um so viel besser geworden als die Engel, als er einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat“. Und das ward alles getan für uns verlorene Sünder, dass wir mit Ihm möchten Söhne sein und Anteil haben in den himmlischen Örtern Seiner Herrlichkeit. So reich wie Er ist in des Vaters Gegenwart, so reich bist du, so reich ist jeder gläubige Sünder. Sind wir etwas weniger in Christo Jesu denn Söhne Gottes und als Söhne auch Erben Gottes? „Der Geist selbst zeugt mit unserem Geiste, dass wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, so auch Erben – Erben Gottes und Miterben Christi“ (Röm 8,16–17). Mit der Sohnschaft ist die Erbschaft verbunden. Wir sind Erben Gottes, weil wir als Gläubige Söhne sind. Unsere Erbschaft ist um nichts geringer als die des Erstgeborenen aus den Toten. Gott hat Ihn zum Erben aller Dinge bestimmt, und wir sind „Miterben Christi“. In diesem Wort: „Miterben Christi“, haben wir den Schlüssel zu der ganzen Fülle unseres Reichtums. Wir sind mit Christo verbunden. Gott hat uns mit Seinem geliebten Sohn vereinigt, mit Ihm eins gemacht, und zwar aufgrund Seines Todes und Seiner Auferstehung. Der Sohn ist der „Erbe aller Dinge“, und da wir mit Ihm verbunden sind, sind wir Seine „Miterben“. Nichts kann klarer sein als dies. Gott sagte einst zu Abraham: „Mache dich auf und durchwandle das Land nach seiner Länge und nach seiner Breite; denn dir will ich's geben.“ Wir können uns denken, mit welcher Freude der Vater der Gläubigen auf all dem guten Lande, seinen Bergen und Tälern seine Augen ruhen ließ. Wohl, er besaß das Land nicht in Wirklichkeit, aber im Glauben nahm er Besitz davon; Gott hatte es ihm ja verheißen. Gott unser Vater forderte uns nicht auf, durch ein Land dieser Welt zu ziehen. Er verheißt uns aber mehr als ein Land. Er hat dem Sohne Seiner Liebe die ganze Erde, das ganze Weltall zugesagt, und weil dies alles Ihm gehört, ist alles auch unser Erbe. Hebe deine Augen auf gen Himmel, siehe die Sternenwelt mit ihren Geheimnissen, gedenke der zahllosen Weltkörper im unermesslichen Weltraume. Er hält sie alle in Seinen allmächtigen Händen – und sie gehören alle zu unserem Erbteil. Mit Ihm, unserem Heilande, werden wir im Besitz und Genuss der Erde und der Himmel sein. Wer kann den großen Reichtum des Herrn und Seiner Gläubigen ausdenken? In aller Ewigkeit kommt die Stunde nicht, wo wir an den Enden und Grenzen unserer Besitztümer angelangt sind. Der Vater will haben, dass wir im Glauben uns unseres Besitzes erfreuen. Was sind die Reichtümer dieser Erde, die Menschen Reichtümer nennen, im Vergleich mit unseren Besitztümern als Söhne Gottes? Nur Seifenblasen, wertlose Spielzeuge, die über kurz oder lang vergehen. Kind Gottes, blicke hinauf! In Überfluss oder Mangel, in Reichtum oder Armut, gedenke jeden Tag deiner bleibenden Besitztümer im Herrn Jesu; jubele im Glauben und triumphiere über alle irdischen Zustände und Umstände: Du bist der zukünftige Erbe Gottes. Der Reichtümer der Liebe erfreut sich der Herr, der Liebe, mit welcher der Vater Ihn und uns liebt. Wir  haben Teil an dieser Liebe, deshalb werden Gläubige auch „Geliebte Gottes“ angeredet. Wir müssen den Herrn Selbst im hohenpriesterlichen Gebete hören, um dies recht ins Herz zu fassen. Hier spricht Er zum Vater von Sich Selbst, von dem Erlösungswerk und von denen, welche der Vater Ihm gegeben hat. Wie wunderbar, dass all die großen Tatsachen zu unserer Erlösung, unser Stand vor Gott, unsere gegenwärtige Verantwortlichkeit und jetzigen Vorrechte, unsere zukünftige Herrlichkeit durch den Herrn, in diesem Gebete geoffenbart sind. Dieses Gebet mit seinen göttlichen Tiefen mag der Keim genannt werden zu allen späteren Entfaltungen des Evangeliums der Gnade, zu all den köstlichen Heilswahrheiten, wie sie in den großen paulinischen Briefen hervortreten. Diese Wahrheiten in Johannes 17 mögen um diese sieben Worte gestellt werden: Erlösung, Kundgebung, Vertretung, Bereinigung, Heiligung, Erhaltung und Verherrlichung. Wir hören Ihn hier zum Vater sagen: „Auf dass die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast.“ Und wieder: „Auf dass die Liebe, womit du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen.“ Es ist also wirklich so, die Liebe, womit der Vater den Sohn liebt, ist die Liebe, mit welcher Er jeden liebt, der durch den Glauben Jesu gehört. Gott ist Liebe, und wie köstlich liebt Er! Es war Liebe, welche den eingeborenen Sohn gab, damit wir arme Sünder möchten teilhaben an dieser ewigen Liebe. Geliebter Gottes, halte fest im Glauben, dass Gott, dessen Gnade dich mit Christo innig verbunden, dich innig lieb hat. Mit aller Ehrfurcht sei es gesagt, Gott kann nicht anders, als die, welche durch den Glauben Seine Kinder geworden sind, innig lieb haben. Lerne nur die dunklen und befremdlichen Erfahrungen im Lichte der Liebe Gottes verstehen. Nichts vermag uns zu scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn.

Werfen wir noch einen Blick auf die zukünftige Herrlichkeit der Kinder Gottes. Wie groß auch die geoffenbarte Herrlichkeit ist, sie gehört uns mit Ihm. Klar spricht der Herr davon im hohenpriesterlichen Gebet. Die Jünger hörten Ihn beten in jener verhängnisvollen Nacht, ehe Er ins Leiden ging; und während wir Seine Worte lesen, hören wir Ihn im Geist noch jetzt beten: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, auf dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind.“ „Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf dass sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,22–24). Ist das nicht genügend? Wir sollen teilhaben an Seiner Herrlichkeit für alle Ewigkeit. Unser Leib der Niedrigkeit soll umgestaltet werden zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit. „Wir wissen, dass, wenn er offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1. Joh 3,2). Es ist unsere herrliche Bestimmung, „dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit Er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern“ (Röm 8,29).Und wie bald wird diese Herrlichkeit für uns anbrechen. Der Herr ist nahe. Der köstliche Augenblick, auf welchen Er auf dem Throne des Vaters und die Gläubigen auf Erden seit vielen Jahrhunderten gewartet haben, ist sehr nahe. Bald werden wir die Stimme des Bräutigams hören, die Seine geliebte Braut zu sich ruft in Seine Nähe, und dann werden wir in den vollen Genuss der ewigen Reichtümer Jesu Christi eingeführt werden.

Doch ach, schwach und arm sind unsere Worte; träge unsere Herzen; schwerfällig unser Verstand, wenn es gilt, dies alles zu glauben und sich daran zu ergötzen. Wie oft gehen wir mutlos und verzagt einher, weil gegenwärtige Verhältnisse drückend sind, oder klagen und murren gar, wenn wir lange im Gedränge sein müssen. Wären unsere Herzen fest auf den Herrn gerichtet, auf die wunderbaren Reichtümer, die unser mit Ihm warten, wir fänden keine Zeit zum Klagen: Dank und Preis würde unsere Herzen füllen. Und daran hat der Vater Wohlgefallen; Er hört gerne Seiner Kinder Lobgesang und freut Sich, wenn die bluterkaufte Schar mit frohem Herzensdank den Sohn Seiner Liebe erhebt. Eine Mutter in Israel rief einst den Herrn an, und Er erhörte sie. Mit heiliger Freude betete sie nun: „Er hebt aus dem Staube empor den Geringen, aus dem Kote erhöht er den Armen, um ihn sitzen zu lassen bei den Edlen; und den Thron der Ehre gibt er ihnen als Erbteil; denn Jehovas sind die Säulen der Erde, und auf sie hat er den Erdkreis gestellt“ (1. Sam 2,8). So tief auch dieser Einblick ist, der hier zum Ausdruck kommt, dennoch wird dadurch unser herrliches Erbteil in Christo Jesu nur teilweise genannt. Wie Hiob saßen wir, arme Bettler, „mitten in der Asche“, da kam der reiche Gottessohn, nahm uns weg vom Elend und brachte uns zu Seinem Reichtum, zu Seiner Herrlichkeit, zu Seinem Throne. Wie ein schöner Traum mutet dies alles den Menschen an, und ist doch alles köstliche Wirklichkeit. Ach, wie wenig fassen und genießen wir Kinder Gottes die reichen Güter des Vaterhauses, wie sie uns jetzt schon zugänglich sind, und noch viel weniger erfreuen wir uns im Glauben der zukünftigen Herrlichkeit. Und doch sieht unser himmlischer Vater nichts lieber, als dass wir immer besser begreifen die unauflösliche Zusammengehörigkeit der Erben und der Erbschaft und so im täglichen Drang und Zwang des Ganges inmitten eines verkehrten Geschlechtes des rechten Trostes im Blick auf die kommende Freude in Gottes reichem Vaterhause nicht ermangeln. O, und welche bewahrende Macht, welch mächtiger Antrieb zur Heiligung liegt doch darin, den Herrn allezeit unserem Herzen recht nahen, Ihn ungehindert wirken zu lassen!

Bei solcher Herzensverfassung müssen auch dunkle Wege licht, auch niedrige, schwere Arbeiten und Verhältnisse segensreich werden. O, mehr praktische Gemeinschaft mit Ihm, dessen Herrlichkeit und Reichtum und Platz in den himmlischen Örtern auch unser Teil ist! Dann dürfen wir auch schon für dieses Leben erfahren, wie reich das Erdenleben in Jesu Nachfolge ist. Treuen Philipperchristen gilt das Wort: „Mein Gott aber wird alle eure Notdurft erfüllen nach dem Reichtum in Herrlichkeit in Christo Jesu“ (Phil 4,19). Und im Römerbrief darf der Glaube jubeln: „Er, der doch Seines eignen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?“ (Röm 8,32.) Im Epheserbrief aber spricht die Erfahrung: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo“ (Eph 1,3). Alles, was uns nottut an geistlicher Segnung in Kraft und Weisheit, alles, was wir brauchen an Nahrung und Kleidung fürs Leben hienieden, haben wir in Ihm, der dafür am Kreuze bezahlte. Wie traurig wäre es, im Besitze solcher Reichtümer, mit einem solchen Herrn, der so willig ist, uns mit jeder Fülle zu erfüllen, „wenn wir eine so große Errettung vernachlässigen“ (Heb 2,3). An uns liegt die Schuld, müssen wir an irgendeiner nötigen Gabe Mangel leiden; bei Christo ist Brots die Fülle. Israel nahm nicht das ganze Land ein, das der Herr Abraham und seinem Samen verheißen hat. Es fehlte Israel der Glaube, aus Gottes Hand zu nehmen, was Er ihnen darbot; darum hat das Volk nie sein volles Erbe angetreten. Welcher Christ auf der Erde wandelt auf der Höhe seiner geistlichen Vorrechte? Welches Kind Gottes hätte nicht zu klagen über einen demütigenden Mangel in der Ergreifung und praktischen Verwirklichung der heiligen Vorrechte Gottes? Lasst uns nie vergessen, dass es unser Vorrecht ist, auf der Höhe der göttlichen Offenbarung zu leben. Und Gott will es, dass wir die Fülle unseres Teils in Christo genießen, dass wir von dem, was Seine Gnade uns darbeut, auch Besitz ergreifen. Wohl, es ist mit unserem Erbe anders als dort bei Israel: Unser Erbe hat keine Grenzen, ist unendlich wie Gott Selbst. Doch haben wir mit Israel diese Verheißung: „Jeglicher Ort, auf den eure Fußsohle treten wird, soll euer sein;“ d. h. für uns also: Alle Gnadengaben unseres Gottes, die wir im Glauben erfassen, haben wir wirklich in Besitz genommen.

Es ist wahr, wir sind wie kleine Kinder und haben wenig Verständnis von den reichen Gütern, die noch unserer warten. Aber wenn Er kommt, sind wir erwachsene Söhne. Welche Offenbarung wird uns dann von Seinem und unserem Reichtum zuteil! Welch eine Herrlichkeit!