„Ihr tut die Werke eures Vaters. Da sprachen sie zu ihm: Wir sind nicht durch Hurerei geboren; wir haben einen Vater, Gott“ (Joh 8,41).

Das sind Worte der Juden, die sie an den Herrn Jesus gerichtet haben. Viele (auch der Verfasser dieses Artikels) haben das so verstanden, als wollten die Juden damit verhöhnend sagen, dass der Herr Jesus gezeugt wurde, als Joseph und Maria verlobt und nicht verheiratet waren. Er wäre also ihrer Einschätzung nach (da sie die wunderbare Zeugung durch den Geist nicht kannten) durch Hurerei geboren.

Abgesehen von der Frage, ob sie überhaupt etwas von dem Heiratstermin von Joseph und Maria wussten, hätten sie sich dann anders ausdrücken müssen. Sie hätten ihren Satz dann ungefähr so geschlossen: „... wir aber kommen aus geordneten Verhältnissen“. Das aber haben sie nicht gesagt (und da es sich um ein ehebrecherisches Geschlecht handelte, konnten sie es auch gar nicht sagen). Vielmehr sagten sie: „... wir haben einen Vater, Gott.“

Um diese Aussage zu verstehen, muss man sich den Zusammenhang dieser Verse anschauen. Die Juden hatten gesagt, dass Abraham ihr Vater sei. Der Herr anerkannte ihre natürliche Abstammung von Abraham; er machte ihnen aber klar, dass sie moralisch nicht von Abraham abstammten (Joh 8,37.39). Sie waren seine Nachkommen, aber nicht seine Kinder.

Die Juden mussten jetzt darüber nachdenken, welche schlechte moralische Verwandtschaft der Herr ihnen anlasten wollte. Dass der Teufel ihr Vater sei, kam ihnen nicht in den Sinn. Das würde der Herr ihnen auch erst danach offen sagen. So dachten die Juden offenbar, der Herr wolle ihnen den Götzendienst früherer Tage vorwerfen, als Baal (und andere Götter) ihr Vater war.

Von dieser Sünde des Volkes Israel hatte Moses in seinem Lied bereits geredet: „Es hat sich gegen ihn verdorben – nicht seine Kinder, sondern ihr Schandfleck – ein verkehrtes und verdrehtes Geschlecht. Vergeltet ihr so dem HERRN, du törichtes und unweises Volk? Ist er nicht dein Vater, der dich erkauft hat? Er hat dich gemacht und dich bereitet ... Da wurde Jeschurun fett und schlug aus; du wurdest fett, wurdest dick, wurdest feist! Und er verließ Gott, der ihn gemacht hatte, und verachtete den Felsen seiner Rettung. Sie reizten ihn zur Eifersucht durch fremde Götter, durch Gräuel erbitterten sie ihn. Sie opferten den Dämonen, die nicht Gott sind, Göttern, die sie nicht kannten, neuen, die vor kurzem aufgekommen waren, die eure Väter nicht verehrten. Den Felsen, der dich gezeugt hat, vernachlässigtest du, und vergaßest den Gott, der dich geboren hat. Und der HERR sah es und verwarf sie vor Kummer über seine Söhne und seine Töchter. Und er sprach: Ich will mein Angesicht vor ihnen verbergen, will sehen, was ihr Ende sein wird; denn ein Geschlecht voll Verkehrtheit sind sie, Kinder, in denen keine Treue ist. Sie haben mich zur Eifersucht gereizt durch Nicht-Götter, haben mich erbittert durch ihre Nichtigkeiten; so will auch ich sie zur Eifersucht reizen durch ein Nicht-Volk, durch eine törichte Nation will ich sie erbittern“ (5. Mo 32,5–6.15–21).

Die Juden wollten dem Herrn nun klarmachen, dass sie nicht so sind. Und sie waren in der Tat keine Götzendiener mehr wie ihre Väter. Sie hatten sich nicht durch Hurerei mit den götzendienerischen Nationen vermischt. Sie waren Juden, die sich von den Nationen und ihrem Götzendienst abgesondert hatten. Die Religionsvermischung der verhassten Samariter war ihnen fremd (vgl. Joh 8,48). Deswegen sagen sie: „Wir sind nicht aus Hurerei geboren; wir haben einen Vater, Gott.“ Sie reden dabei nicht von ihrer persönlichen Familiensituation, sondern sie sprechen von ihrer nationalen und kollektiven Situation, die im Gegensatz zu den Samaritern und anderen stand, die sich mit Götzen verunreinigt hatten.

Doch daraufhin musste ihnen der Sohn Gottes klarmachen: „Jesus sprach zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben, denn ich bin von Gott ausgegangen und gekommen; denn ich bin auch nicht von mir selbst aus gekommen, sondern er hat mich gesandt. Warum versteht ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt. Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel“ (Joh 8,42–44). Sie hatten keinerlei Beziehung zu Gott, denn ansonsten würden sie den Sohn Gottes nicht abgelehnt haben. Ihr moralischer Vater war der Teufel, denn sie liebten den Mord und hassten die Wahrheit. Wie schrecklich tief steckten sie im Morast der Sünde, während sie sich ihrer religiösen Vorrechte rühmten!