Auszug aus dem Buch Glaube und Mut (siehe unten). 

Jean Marteilhe wird 1684 im südwestfranzösischen Bergerac geboren. Seine Eltern sind Hugenotten, also französische Protestanten. Jean erkennt, dass Taufe, Kirchenzugehörigkeit und gute Werke ihn nicht in den Himmel bringen können. Bereits in jungen Jahren übergibt Jean Marteilhe sein Leben dem Herrn Jesus. Er bekennt vor Gott seine Schuld, beruft sich auf die Gnade Gottes und nimmt Jesus als seinen Retter und Herrn an. Als Jünger Jesu Christi will er allein nach der Bibel leben.

Die Traditionen und Lehren der katholischen Kirche sind für ihn keineswegs verbindlich. Darum betet er nicht zu den Heiligen oder der Jungfrau Maria. Die seltsame Lehre vom Fegefeuer und den damit verbundenen Ablasshandel lehnt er ab, weil sie in der Bibel nirgends erwähnt werden. Auch glaubt er nicht, dass sich Brot und Wein beim Abendmahl in den Leib und das Blut Christi verwandeln, sondern für ihn sind das schlichte Symbole.

Ein Jahr nach Jeans Geburt verbietet der streng katholische König Ludwig XIV. den evangelischen Glauben in Frankreich. Die Kirchen der Hugenotten werden zerstört und ihre Schulen geschlossen. Viele Hugenotten sehen sich gezwungen, ins Ausland zu fliehen. Aber wer auf der Flucht ergriffen wird, muss mit schlimmsten Strafen rechnen: Die Frauen kommen ins Gefängnis, die Kinder in Umerziehungsheime und die Männer werden lebenslang auf Galeeren eingesetzt. Galeeren sind große Ruderschiffe, die einen Teil der Kriegsmarine bilden.

Die Flucht aus Bergerac

Im Oktober 1700 rücken Soldaten des französischen Königs in Bergerac ein. Mit Gewalt sollen sie die Hugenotten dahin bringen, ihre Glaubensüberzeugungen über Bord zu werfen. Denen, die sich nicht beugen wollen, geht es schlecht: Jeans Vater wird ins Gefängnis gesteckt, seine Mutter misshandelt und seine Geschwister kommen ins Kloster. Der 16-jährige Jean Marteilhe kann jedoch zusammen mit seinem Freund Daniel Legras in letzter Sekunde in ein Nachbardorf fliehen. Sie beschließen, in die Niederlande zu gehen, wo Glaubensfreiheit herrscht. Die Flucht ist mit großen Risiken verbunden. Doch sie vertrauen Gott und machen sich betend auf den weiten und gefährlichen Weg.

Wochen später kommen sie nach Couvin, einem kleinen Städtchen, das nicht mehr unter französischer Herrschaft steht und in dem holländische Soldaten stationiert sind. Doch die beiden jungen Männer wissen das nicht, da der Grenzverlauf zwischen den Niederlanden und Frankreich kompliziert ist und sich häufig verändert. Hungrig und vom Regen durchnässt setzen sie sich in eine Schenke und bestellen Bier.

Schwungvoll stellt der Wirt einen kleinen, zweihenkligen Topf auf den Tisch. „Wo sind Gläser?“, fragen die jungen Männer arglos. Der Wirt zieht die Augenbrauen nach oben.

„Ihr seid richtige Franzosen, hier in der Gegend trinkt man aus dem Topf.“ Kurz darauf setzt sich ein Mann – der Wildheger De Maison – zu ihnen und verwickelt sie in ein langes Gespräch und stellt gezielte Fragen über ihren Glauben.

In Mariembourg

Nachdenklich machen sich Jean und Daniel auf den Weg. Die Marschroute ist gut gewählt, denn sie führt durch keine französische Ortschaft. Als sie jedoch einen Offizier auf einem Pferd bemerken, wählen sie einen neuen Weg und gelangen nach Mariembourg, einer kleinen französischen Stadt. Da es schon spätabends ist, kehren sie kurzentschlossen in ein Gasthaus gegenüber dem Stadttor ein. Was sie nicht wissen: Der Mann, der sich mit ihnen in der Schenke angeregt unterhalten hat, ist ihnen die ganze Zeit auf den Fersen geblieben. Er ist überzeugt, dass sie aus Frankreich fliehen wollen. Und warum lässt er die Jungs nicht einfach in Ruhe? Weil er Kasse machen will: Denn wer dafür sorgt, dass Landesflüchtige gefasst werden, darf die Hälfte ihres Besitzes als Lohn einstreichen.

Bald werden unsere beiden Freunde von Soldaten umzingelt, die sie direkt verhaften. Es folgt ein kurzes Verhör und danach werden Jean und Daniel in einen schauderhaften Kerker geworfen. Der elende Verräter De Maison wird unterdessen mit leeren Händen fortgeschickt.

Als die Jungs vor den Major gerufen werden, sagt er ihnen: „Wenn sich die Gefängnistür für euch öffnen soll, dann müsst ihr euren Glauben abschwören. Ansonsten werdet ihr ganz sicher auf die Galeeren kommen.“

Jean antwortet mit fester Stimme: „Wir werden niemals – mit Gottes Hilfe und Gnade – unseren Glauben verleugnen. Unser ganzes Vertrauen setzen wir auf Gott und wir überlassen uns seinem heiligen Willen. Wir möchten nicht starrköpfig sein, aber wir wollen an dem festhalten, was wir als wahr aus der Bibel erkannt haben.“

Eines Tages erscheint eine ehrwürdige Gestalt im Gefängnis. Es ist der Richter des Ortes, der seinen Schreiber im Schlepptau führt. Zwei Tage lang werden Daniel und Jean von dem Richter verhört; dann verkündigt er das Urteil: „Ihr seid Hugenotten und wolltet das Land gegen die Anordnung des Königs verlassen. Zur Strafe werdet ihr dafür verurteilt, auf die Galeeren seiner Majestät abgeführt zu werden, um als Sklaven dort euer Leben lang zu dienen. Außerdem wird euer ganzer Besitz beschlagnahmt.“ Der Richter senkt leicht den Kopf, denn er weiß, dass dieses harte Urteil die beiden jungen Menschen wie ein Schlag treffen muss; schließlich fügt er mit etwas milderer Stimme hinzu: „Ihr könnt beim Parlament von Tournai, dem hohen Gerichtshof, gegen diesen Beschluss Protest einlegen.“

„Wir werden“, sagt Jean, „Ihren ungerechten Urteilsspruch nur vor den Richterstuhl Gottes bringen. Da alle Menschen uns verlassen haben, so wollen wir Gott allein anrufen, auf den wir unser Vertrauen setzen und der ein gerechter Richter ist.“

„Nun gut“, antwortete der Richter, „dann werde ich das Parlament einschalten. Bereiten Sie sich daher darauf vor, nach Tournai gebracht zu werden.“

„Wir sind zu allem bereit“, antworten Jean und sein Freund unerschrocken.

In Tournai

In einigen anstrengenden Tagesmärschen legen Jean und Daniel die Strecke von Mariembourg nach Tournai zurück. In Tournai werden sie in einen Kerker geworfen, wo sie sich auf verfaultes und von Ungeziefer wimmelndes Stroh betten müssen. Wasser und Brot sind das Einzige, was sie in den nächsten Wochen bekommen. Die Ration ist derart kümmerlich, dass sie völlig abmagern und so kraftlos werden, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen halten können. Der qualvolle Hungertod scheint nur noch eine Frage der Zeit.

Plötzlich öffnet sich die Luke zur Zelle und der Wärter wirft zwei Besen hinein. „Los, macht eure Zelle sauber. Es kommen gleich zwei edle Leute. Die werden euch etwas Gesellschaft leisten.“

„Was haben die denn verbrochen?“

„Das sind genauso Hugenotten wie ihr.“ Kurz darauf werden zwei junge Herren in wertvoller Kleidung hereingeführt. Jean und Daniel werfen erstaunt ihre Köpfe hoch und begrüßen die Fremden mit Namen: „Bonjour Sorbier, Bonjour Rivasson.“

„Woher kennt ihr uns?“

„Mensch, aus Bergerac! Wir sind doch gemeinsam zur Schule gegangen.“

Die beiden Neuankömmlinge reiben sich verwundert die Augen. Diese elenden Gestalten sollen Jean Marteilhe und Daniel Legras sein?

„Wird man uns genauso schlecht behandeln wie euch?“, fragt Sorbier ängstlich und will außerdem wissen: „Kann man sich denn hier gar nichts zum Essen kaufen?“

„Doch gewiss“, antwortet Jean, „aber wir haben keinen roten Heller mehr.“

Sogleich trennen die beiden reichen Männer ihren Hosenbund und die Sohlen ihrer Schuhe auf und kramen Geld hervor. Ein zünftiges Essen wird bestellt, das Daniel und Jean gierig hinunterschlingen. Auch in den kommenden Tagen profitieren sie von ihren beiden reichen Freunden, die Gott gesandt hat, um sie vor dem Hungertod zu retten.

Endlich werden sie vor das Parlament geführt, das sie wohlwollend anhört. Ihre Sache wird danach vor den Staatsminister des Königs gebracht, der das endgültige Machtwort spricht. Wie wird dieser Mann sich entscheiden? Kann es Gottes Wille sein, dass sie als Jugendliche auf die Galeeren kommen? Müssen sie wirklich ihr Leben lang diese harte Sklavenarbeit tun?

Jean und Daniel sitzen im Gefängnis und warten und beten. Dann ist es so weit: Ein Ratsherr und ein Gerichtsschreiber betreten ihre Zelle. Der Ratsherr befiehlt in barschem Ton: „Kniet nieder vor Gott und der Obrigkeit und hört aufmerksam zu, wenn ich das Urteil verlese.“ – Jean und Daniel gehorchen. – „Nachdem Jean Marteilhe und Daniel Legras von uns beschuldigt und überführt worden sind, sich zu der evangelisch-reformierten Religion zu bekennen, und sie es gewagt haben, aus dem Königreich Frankreich zu fliehen, um ihren Glauben frei leben zu können, so verurteilen wir sie zur Strafe dafür auf Lebenszeit auf den Galeeren des Königs ...“

„Auf den Galeeren des Königs!“ Diese Worte bohren sich wie ein Schwert in ihre Seelen. Sie werden ein Leben lang rudern müssen! Sie werden Sklaven sein! Sie werden wie Schwerverbrecher behandelt werden!

Dünkirchen

Februar 1702: Die beiden Freunde marschieren, mit anderen Gefangenen aneinander gekettet, nach Dünkirchen, wo sechs von vierzig Galeeren des Königs vor Anker liegen.

Ein alter, erfahrener Rudersklave erklärt den Neuankömmlingen: „Die Galeeren sind sehr wendig. Wir rammen damit Schiffe und entern sie. Vorne auf den Galeeren sitzen fünf bronzene Kanonen, mit denen wir die Feinde das Fürchten lehren. Aber wenn die Wellen zu hoch gehen, kriegen wir mit unseren flachen Schiffen Probleme. Darum fahren wir meistens nicht so weit aufs Meer raus und im Winter stechen wir gar nicht erst in See.“

„Und gegen die großen Segelschiffe mit den vielen Kanonen, haben wir da eine Chance?“, fragt ein junger Mann.

„Eigentlich nicht.“

„Wie viele Leute arbeiten denn auf einer Galeere?“

„Ungefähr 500“, meint der Alte und fügt ernst hinzu:

„Nach einer Fahrt sind es meistens ein paar weniger.“

„Wie lange müssen wir am Stück rudern?“

„Zehn bis zwölf Stunden. Und immer schön im Gleichtakt. Sonst lernt ihr die Peitsche der Aufseher kennen.“

„Und was machen wir, wenn wir nicht auf der Galeere rudern?“

„Ach, für uns Sklaven gibt es immer Arbeit, richtige Drecksarbeit. Das ‚Schönste' ist, wenn sie dich an der Bank auf den Galeeren gekettet lassen und du den ganzen Tag im Regen stricken darfst!“ – Der Alte lacht höhnisch.

Nach den ersten Probewochen werden Jean und sein Freund Daniel getrennt und auf zwei unterschiedliche Galeeren gebracht. Jean verliert seinen treuen Freund aus den Augen.

Auf der Galeere

Das Rudern will kein Ende nehmen. Jean blickt verzweifelt zu den sechs anderen Sträflingen, an die er gekettet ist. Wann gibt es endlich Pause? Die Anstrengung ist unvorstellbar, zudem brennt die Sonne heiß auf seinen nackten Rücken.

„So Jungs, heute arbeitet ihr mal ein bisschen!“, schreit einer der Aufseher. „Keine Pause! Macht voran! Wir stecken euch Zwieback in euer Maul. Und ihr rudert schön weiter. Verstanden?“

Jean beißt sich auf die spröden Lippen. Aus dem Augenwinkel sieht er, wie ein Sklave aus der Bank gezerrt wird.

„O Gott“, betet Jean, „nicht schon wieder die Prügelstrafe.“ Der Unglückliche muss sich über ein breites Holz beugen. Zwei Männer packen seine Arme und zwei seine Beine; dann haut ein kräftiger Mann mit einem Tau auf seinen Rücken. Immer wieder. Die Schreie des Sklaven gellen über das Deck.

Jean rudert weiter. Schließlich verstummt das Schreien und Jammern.

„Holt Essig und Salz her und reibt seinen Rücken ein!“, ruft der grausame Aufseher laut. „Vielleicht kommt er dadurch wieder zum Bewusstsein.“

Kurze Zeit später wird jedoch ein lebloser Körper über Bord geworfen. Jean rudert weiter. Immer weiter. 24 Stunden lang!

Als Jean Essen gereicht bekommt, weiß er nicht, ob er sich darüber freuen soll. Denn es gibt immer dasselbe: Wasser, hartes Brot und zwei Dutzend schwarze Bohnen. Auch wenn Jean einen riesigen Appetit hat, die schwarzen Bohnen bekommt er einfach nicht herunter. Er muss schon würgen, wenn er nur die Bohnen-Pampe sieht. Als Jean beim Essen wieder von einem Insekt gestochen wird, reibt er sich und denkt: „Wie lange werde ich das wohl aushalten? Ich müsste ja nur zu dem Schiffspfarrer sagen, dass ich widerrufen möchte und schon wäre ich frei. Aber nein! Nein! Tausendmal nein! Das werde ich nicht tun. Mein Gewissen verbietet es mir. Ich halte an meinem Glauben fest.“

Monsieur Piécort

Jean Marteilhe wird aus seiner Unterkunft geholt. Er soll zu Monsieur Piécort gehen, einem steinreichen, einflussreichen Bankier, der in Dünkirchen wohnt. Verwandte von Jean haben mit ihm gesprochen, ob er nicht etwas für den jungen Mann tun könne.

„Gut, Sie zu sehen, Jean Marteilhe. Es ist mir eine Freude, Ihnen helfen zu können“, sagt Piécort freundlich. „Und ich habe auch schon eine Idee, wie das genau gehen könnte. Sie müssen nur darauf eingehen.“

„Das ist wirklich gütig von Ihnen“, antwortet Jean, „ich werde gerne alles von meiner Seite aus tun, wenn es sich in Übereinstimmung mit meinem Gewissen bringen lässt.“

„Das Gewissen wird ein bisschen zu leiden haben. Aber das werden Sie bald vergessen, wenn Sie in Holland sind. Hören Sie zu: Der Staatsminister der Marine ist mein Freund und er wird mir keine Bitte abschlagen. Sie müssen nur schriftlich bestätigen, dass Sie künftig als guter Katholik leben und sterben werden. – Niemand wird wissen“, fügt er schnell hinzu, „was Sie heute versprochen haben. Ich versichere Ihnen, dass Sie in vierzehn Tagen in Freiheit sind; und ich werde dafür sorgen, dass Sie wohlbehalten nach Holland kommen. Wie denken Sie darüber?“

„Monsieur“, antwortet Jean fest, „wie können Sie glauben, dass Gott taub und blind ist? Auch wenn das Versprechen vor Menschen verborgen bleiben sollte, es würde Gott doch sehr beleidigen. Das, was wir im Herzen glauben – das muss auch unser Mund bekennen. Ich will nicht meine Freiheit auf Kosten meines Gewissens erlangen. Ich stehe zu meinen Glaubensüberzeugungen.“

Piécort kommen die Tränen, als er diese kühnen und ehrlichen Worte hört. Er nimmt Jean in die Arme und verspricht ihm, sich für ihn einzusetzen und ihm Geld zu geben, wenn er etwas benötigen würde. Glücklich geht Jean wieder zu seiner Unterkunft zurück. In der Folge erfährt er viele Vergünstigungen, die auf seinen Fürsprecher Piécort zurückzuführen sind.

Marteilhe wird verwundet

5. September 1708: Die sechs Galeeren aus Dünkirchen greifen in der Themsemündung 35 Handelsschiffe an, die von nur einer englischen Fregatte beschützt werden. Die Galeere, auf der Jean rudert, steuert geradewegs auf das Heck der englischen Fregatte zu, um sie zu rammen. Doch durch geschicktes Manövrieren gelingt es dem englischen Kapitän, sich seitlich neben der Galeere zu positionieren. Eine brandgefährliche Situation für die Galeere! Denn die Fregatte verfügt an der Seite über Kanonen. Selbst den tapfersten Galeerensklaven schlottern jetzt die Knie. Am liebsten würden sie über Bord springen, aber die eisernen Ketten halten sie fest auf ihren harten Holzbänken.

Jean sieht, wie auf der Fregatte ein Mann mit einer brennenden Lunte zu der Kanone geht, die in seine Richtung zeigt. Alle legen sich auf den Boden und gehen in Deckung. Aber Jean steht auf, weil er merkt, dass die Kanone genau auf die Deckung zielt. Sein Herz schreit zu Gott um Gnade und Erbarmen. Dann zerreißt ein ohrenbetäubender Lärm die Luft und die Wucht der Detonation wirft Jean in den Mittelgang. Alle Männer um ihn herum werden durch das mit Schrot gefüllte Artilleriegeschoss getötet. Jean überlebt den Schuss, blutet aber stark aus drei großen Wunden und verliert nach kurzer Zeit das Bewusstsein.

Unterdessen wird die englische Fregatte von den anderen Galeeren attackiert und gekapert. Danach sorgen Unteroffiziere dafür, dass noch in der Dunkelheit auf den Galeeren wieder Ordnung gemacht wird. Die toten Galeerensklaven werden dabei kurzerhand über Bord geworfen. Die Matrosen meinen, Jean wäre auch gestorben. Als ein Unteroffizier die Kette von Jeans Bein lösen will, drückt er mit seinem Daumen tief in eine seiner Wunden hinein. Der gewaltige Schmerz wirft Jean ins Bewusstsein zurück und er schreit schnell: „Nein, nein, ich bin nicht tot.“

Jean wird mit den anderen Verwundeten in den unteren Schiffsraum verfrachtet, wo er nur sehr notdürftig versorgt wird.

Marteilhe kommt auf die Galeere zurück

Mehr tot als lebendig wird Jean ins Hospital eingeliefert, wo er sich das Krankenzimmer mit vierzig Galeerensträflingen teilt. Sorgfältig wird er an den Fuß des Bettes gekettet, obwohl in seinem Zustand überhaupt nicht an Flucht zu denken ist. Jean braucht dringend fachmännische Hilfe. Aber wer wird sich um einen Galeerensklaven richtig kümmern? Da taucht Monsieur Piécort auf und spricht mit seinem Freund, dem Oberarzt. Der bärbeißige Arzt übernimmt daraufhin selbst die Behandlung von Jean, der langsam zu Kräften kommt, während die meisten um ihn herum sterben. Allerdings kann Jean einen Arm nicht mehr richtig bewegen. Eigentlich dürfte er als Kriegsinvalide nun nach Hause gehen, aber weil Jean Hugenotte ist, wird er wieder auf die Galeere zurückgeschickt.

Das Rudern fällt ihm außerordentlich schwer. Als ein Aufseher prüfend durch die Gänge schreitet, läuft es ihm kalt den Rücken hinunter. „Wenn der Aufseher mich sieht, wie ich rudere, schlägt er mich mit dem Tau windelweich“, denkt Jean.

„Komm her, du Hugenottenhund!“, bellt der Aufseher.

„Wer hat dir befohlen zu rudern?“

„Das ist meine Pflicht“, meint Jean ängstlich.

„Ich will das aber nicht“, erwidert der Aufseher streng und befiehlt: „Nehmt diesen Hund von einem Krüppel und steckt ihn in die Vorratskammer!“

Jean ist zutiefst erleichtert: Er bekommt keine Strafe, sondern wird sogar vom Ruderdienst befreit! Aber es kommt noch besser: Jean wird zum Schreiber des Kommandanten ernannt. In dieser Position geht es ihm richtig gut. Er bekommt ausreichend zu Essen, kann bequem schlafen und wird auf dem Schiff geachtet und wohlwollend behandelt. Gott überrascht ihn mit seiner Güte!

Der Gang ins Exil

Herbst 1712: Dünkirchen wird von den Engländern besetzt. Da die Engländer den Hugenotten wohlgesonnen sind, werden Jean und die anderen Hugenotten in einem Gewaltmarsch nach Marseille getrieben. Viele sterben unterwegs, aber Jean kommt in Marseille an, wo er wieder auf eine Galeere beordert wird. Nimmt dieser harte Dienst für ihn denn überhaupt kein Ende? Doch: Die Engländer setzen in Verhandlungen mit den Franzosen durch, dass alle hugenottischen Sträflinge von dem Galeerendienst befreit werden müssen.

17. Juni 1713: Nach dreizehn Jahren wird Jean Marteilhe wieder auf freien Fuß gesetzt. Er muss allerdings Frankreich für immer verlassen. Wenn er das nicht tut, droht ihm die Galeerenstrafe. Wie sich die Zeiten ändern: Er ist auf die Galeere gekommen, weil er Frankreich verlassen wollte, und jetzt würde er auf die Galeere geschickt werden, wenn er in Frankreich bleibt!

Jean Marteilhe wohnt zuerst in der Schweiz, später in den Niederlanden. Im Jahr 1757 erscheinen seine Memoiren in französischer Sprache, in denen er eindrücklich das Leben eines Galeerensträflings schildert. Am 6. November 1777 stirbt er im Alter von 93 Jahren.

Auszug aus dem Buch: Glaube und Mut – 10 spannende Geschichten aus der Reformationszeit. Das Buch wurde neu aufgelegt und ist jetzt farbig gestaltet. Es ist mit Bildern und Illustrationen versehen. Das Buch umfasst 161 Seiten und kostet 8,90 €. Es kann hier bestellt werden: Glaube und Mut