Die Juden haben sich sehr viele Zusatzvorschriften zu dem Gesetz ersonnen und die Gesetzesvorschriften von Mose sehr engherzig ausgelegt. Die Absicht, die ursprünglich dahinterstand, muss nicht verkehrt gewesen sein: Man wollte unbedingt verhindern, dass die Gebote Gottes angetastet werden und so baute man einen engmaschigen Zaun menschlicher Vorschriften darum.

Die Vorschriften der Rabbiner wurden die „mündliche Thora“ genannt. Man meinte, dass diese Vorschriften schon Mose gegeben worden waren, ohne dass sie aufgeschrieben wurden (was so natürlich nicht zutreffend sein kann). Diese Vorschriften und Überlieferungen der Alten wurde neben die schriftliche Thora gestellt. Die Rabbiner waren überzeugt, dass die sog. mündliche Thora nicht aufgeschrieben werden sollte. Als Jerusalem im Jahr 70 zerstört und die Juden zerstreut wurden, beschlich die Rabbis die Sorge, die Überlieferungen könnten verloren gehen. Darum wurden sie doch noch aufgeschrieben. Das erste Werk, das hier entstand, war die Mischna. Daraus entstanden dann der Babylonische Talmud und der Jerusalemer Talmud, bekannte Werke, die die orthodoxen Juden auch heute beachten und befolgen.

Als der Herr Jesus hier war, bestätigte er auf Schritt und Tritt die göttliche Autorität der Schriften. Seine Lehre war keineswegs im Widerspruch dazu (siehe besonders Mt 5,17–21). Christus lebte nach dem Gesetz und ehrte es. Allerdings wandte der Herr sich gegen die Überlieferung der Ältesten und zeigte deutlich, dass durch diese Vorschriften das Wort Gottes in den Hintergrund gedrängt wurde. Der Herr redete aber nicht nur gegen die Vorschriften, er arbeitete auch gegen sie. So vollbrachte er „bewusst“ am Tag des Sabbats mehrere Heilungswunder (Joh 9 etc.). Diese Heilungen waren in Übereinstimmung mit dem Gesetz Moses aber sie standen den menschlich erdachten Sabbatvorschriften diametral entgegen. Die Pharisäer reagierten darauf mit Unverständnis, Widerwillen und abgrundtiefem Hass.

Auch wenn wir als Christen aus den Nationen mit den Überlieferungen der Rabbiner nichts zu tun haben und wohl kaum in Versuchung stehen, sie in unser Alltagsleben zu integrieren, so müssen wir aber doch stets darauf bedacht sein, die Autorität der Schriften hochzuhalten. Nichts, aber auch wirklich nichts, darf neben das Wort Gottes autoritativ gestellt werden. Auch gut gemeinte menschliche Gedankengebäude haben eben die Tendenz, das göttliche Licht zu verdunkeln. Deshalb müssen wir bis heute auf der Hut vor den „Vorschriften der Menschen“ sein.