„Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30). Es gibt wohl keinen Satz in der gesamten Menschheitsgeschichte, der von größerer Tragweite wäre, als der, den der Heiland am Kreuz ausrief, kurz bevor Er sein Leben in den Tod gab. Der Herr Jesus drückte damit sein göttliches Siegel unter ein vollbrachtes Erlösungswerk. Dieses Werk am Kreuz teilt die Zeit gemäß Römer 3,25.26 in die Zeit „vorher“ und in die „jetzige Zeit“.

Das führt uns zu einem Punkt, der die Gläubigen heute von den Gläubigen aus der Zeit „vorher“ unterscheidet, und damit zu der ersten Segnung, die typisch christlich ist: Wir kennen ein vollbrachtes Erlösungswerk.

Was wussten die Gläubigen des Alten Testaments?

Natürlich waren Menschen wie Abraham oder David angenommen bei Gott. Sie wussten, dass ihre Sünden eine Scheidung gemacht hatten zwischen ihnen und ihrem Gott (Jes 59,2). Sie kannten Gott als gerechten Richter, der über die Sünden zürnt (vgl. Ps 7,12) und der keineswegs den Schuldigen für schuldlos hält. Doch Abraham „glaubte dem HERRN; und er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit“ (1. Mo 15,6). Und David wusste, dass „Übertretung vergeben“ und „Sünde zugedeckt“ werden kann, wenn man sie vor Gott aufdeckt (Ps 32,1.5).

Gott hatte das erste Menschenpaar nach dem Sündenfall mit Fellen von getöteten Tieren bedeckt. Abel hatte daraus geschlossen, dass der sündige Mensch Gott nur mit einem Opfer nahen kann. Und Gott nahm das Opfer Abels an. Immer wieder zeigte Gott danach den Menschen, dass Er barmherzig und gnädig ist und Ungerechtigkeit, Übertretung und Sünde vergibt (2. Mo 34,6.7). In Buße und Vertrauen auf diesen gnädigen, vergebenden Gott wandten sich Menschen des Alten Testaments, wie David, an Gott und wurden angenommen. Aber warum ein gerechter Richter Sünden vergeben kann, wussten sie nicht. Die gerechte Grundlage dafür, dass die Sünden vor Gottes Auge zugedeckt werden, kannten sie nicht. Die große Frage Hiobs blieb unbeantwortet: „Wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott?“ (Hiob 9,2). Hiob suchte nach einem „Schiedsmann, dass er seine Hand auf uns beide [d. h. auf Gott und auf den Menschen] legte“, einem Mittler zwischen Gott und Menschen, der den heiligen Ansprüchen Gottes und den Bedürfnissen des Sünders entsprechen könnte (Hiob 9,33).

In den Opfervorschriften des Gesetzes und besonders durch die Vorschriften zum großen Versöhnungstag machte Gott deutlich, dass Sühnung von Sünden durch ein Opfer bewirkt werden muss, damit Gott bei Menschen wohnen kann. Und doch hätte jeder aufrichtige Israelit erkennen müssen, was zum Beispiel David im Glauben erfasst hatte: dass die tierischen Opfer nicht die Grundlage einer vollkommenen Errettung sein konnten. Der Hebräerbrief zeigt es klar: „In jenen Opfern ist alljährlich ein Erinnern an die Sünden; denn unmöglich kann Blut von Stieren und Böcken Sünden wegnehmen“ (Heb 10,3.4). Und spätestens wenn am nächsten Versöhnungstag wieder dieselben Opfer gebracht wurden, musste sich eigentlich jeder eingestehen, dass solche Opfer „dem Gewissen nach den nicht vollkommen machen können, der den Gottesdienst ausübt“ (Heb 9,9).

Hinzu kam, dass für bestimmte Sünden im Gesetz überhaupt kein Opfer vorgesehen war, sondern nur der Tod als Strafe. David wusste, dass es für seinen Ehebruch mit Bathseba und seinen Mord an Urija kein Opfer gab, sonst hätte er es gebracht. Und so stützte er sich im Glauben auf die Gnade Gottes, die ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz nicht verachtet (vgl. Ps 51,18.19). Später lässt Gott durch den Propheten Jesaja andeuten, dass seine Vergebung nicht auf Schlachtopfern beruht – die das Volk gar nicht gebracht hatte –, sondern auf seiner eigenen Liebe und Gnade (vgl. Jes 43,23–25).

Doch es blieb dabei: Die Gläubigen des Alten Testaments konnten nicht wissen, wie sich Gottes Gerechtigkeit und Gnade miteinander in Einklang bringen ließen. Sehr weit ging die Weissagung Jesajas über den leidenden und sterbenden Messias (vgl. Jes 53). Doch auch er gehörte sicher zu den Propheten, die „nachsuchten und nachforschten“, „auf welche oder welcherart Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete, als er von den Leiden, die auf Christus kommen sollten … zuvor zeugte“. Ihnen wurde damals offenbart, dass diese Prophezeiungen nicht sie selbst, sondern Gläubige einer späteren Zeit betrafen (vgl. 1. Pet 1,10–12).

Der große Wendepunkt

Und dann kommt der Sohn Gottes als Mensch auf die Erde. Dann kommt der Schiedsmann, nach dem Hiob Ausschau gehalten hatte, der eine Mittler zwischen Gott und Menschen. Mit den Worten: „Schlachtopfer und Speisopfer hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet; an Brandopfern und Opfern für die Sünde hast du kein Wohlgefallen gefunden. Da sprach ich: Siehe, ich komme (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben), um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Heb 10,5–7) tritt Er in die Welt ein. Johannes der Täufer sieht Jesus und sagt: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Joh 1,29).

Da ist es endlich, das zuvor erkannte Lamm, ohne Fehl und ohne Flecken. In seinem Tod bringt Christus ein Opfer, das in Gottes Augen so vollkommen ist, dass es nie wiederholt werden muss. Mit dem „Opfer des Leibes Jesu Christi“ macht Er „auf immerdar die vollkommen, die geheiligt werden“ (Heb 10,5–14).

Doch welche Leiden sind für Ihn damit verbunden! In den Leiden des Kreuzes erfüllt sich die Prophezeiung aus Jesaja 53: Striemen des göttlichen Gerichts erduldet Christus dort für uns. Der gerechte Zorn Gottes über die Sünde kommt in den drei Stunden der Finsternis über den Gerechten. Gott rechnet alles, was die Sünde in seinen Augen verdient, an seinem Sohn ab. Die Tiefe dieser Leiden ergründen wir nicht.

Das Werk ist vollbracht

Dann lässt der Sohn Gottes sein Leben. Sein Leiden ist beendet. Die Reinigung von den Sünden ist bewirkt. Die gerechte Strafe für Sünden ist vollzogen. Die Erlösung von Sündern ist bewirkt. Die Schuld ist bezahlt. Der Frieden mit Gott ist gemacht. Der Sieg über Satan ist errungen. Gott ist aufs Höchste verherrlicht. Das große Werk ist vollbracht.

Jetzt kommen wir wieder zu Römer 3,25.26. Das Werk Christi am Kreuz teilt die Gläubigen in zwei Gruppen: die Gläubigen, die vorher lebten und die Gläubigen, die hinter einem vollbrachten Erlösungswerk stehen. Von der ersten Gruppe lesen wir, dass Gott ihre Sünden in seiner Nachsicht hingehen ließ – nicht, weil Er die Sünden übersehen hat, sondern weil Er das tat, was die Gläubigen damals nicht konnten: Er blickte voraus auf die vollkommene Sühnung, die sein Sohn am Kreuz bewirken würde.

Eine gerechte Grundlage

Wir dagegen dürfen heute zurückblicken auf dieses Werk und wissen, dass Gott gerecht ist, wenn er jeden Menschen rechtfertigt (für gerecht erklärt), der an Jesus Christus glaubt. Christus hat die gerechte Strafe für Sünden getragen, und Gott ist gerecht und bestraft nicht zweimal. Weil Er seinen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle hingegeben hat, ist Gott jetzt für uns und niemand kann uns mehr verdammen (vgl. Röm 8,31–34). Gott hat auch den Beweis dafür gegeben, dass Christus durch sein Opfer den heiligen Anforderungen Gottes voll entsprochen und Ihn im Blick auf die Sünde völlig befriedigt hat. Er hat Christus aus den Toten auferweckt und damit die Annahme seines Werkes und unsere Rechtfertigung besiegelt (vgl. Röm 4,25). Im Unterschied zu den Gläubigen des Alten Testaments kennen wir also die gerechte Grundlage, auf der Gott Sünden vergibt, und stehen in der Stellung von Gerechten vor Gott. Wir kennen das Opfer, das Gott annehmen konnte. Und das Wohlgefallen Gottes ruht auf uns, weil Er uns in dem Wert des Opfers Christi sieht.

Damit sind wir viel reicher als Abraham und David. Unser Heil ruht auf einem Fundament, das den Heiligen des Alten Testaments verborgen war und wir kennen die gewaltige Grundlage jedes Segens, die vor der christlichen Epoche niemand kennen konnte: das Erlösungswerk, das der Sohn Gottes am Kreuz vollbracht hat.

Interesse geweckt?

Die Propheten des Alten Testaments weissagten über eine Errettung, die für eine spätere Zeit verheißen war. Das trieb sie an, über diese Errettung nachzusuchen und nachzuforschen. Uns ist diese Errettung nicht nur verheißen, sie ist durch das Werk des Herrn Jesus Wirklichkeit geworden. Durch das Evangelium ist sie uns verkündigt worden und wir durften sie im Glauben für uns in Anspruch nehmen. Wollen wir den alttestamentlichen Propheten in unserem Interesse für diesen gewaltigen Segen nachstehen? Die weiteren Artikel in diesem Heft können anspornen, weitere, typisch christliche Segnungen zu erforschen, für die das vollbrachte Werk des Herrn Jesus am Kreuz die Grundlage ist.

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