In Matthäus 18,1 ist vom Reich der Himmel die Rede. Das Reich der Himmel hat (gegenwärtig) zwei große Kennzeichen:

  • Es wird vom Himmel aus regiert, da der König auf der Erde verworfen und in den Himmel zurückgekehrt ist.
  • Es existiert auf der Erde überall dort, wo die Autorität des Herrn Jesus (wenn auch nur äußerlich) anerkannt wird.

Im Reich der Himmel leben sowohl echte Gläubige als auch bloße Bekenner. Insofern ist das Reich der Himmel von der Versammlung (Kirche) Gottes bzw. Familie Gottes zu unterscheiden. In Matthäus 18 werden uns drei wichtige Kennzeichen eines Jüngers im Reich der Himmel vorgestellt, die wir uns nachfolgend etwas näher ansehen wollen:

  • Demut (V. 1–6)
  • Praktische Heiligkeit (V. 7–10)
  • Vergebungsbereitschaft (V. 15–35)

Demut

Der Herr nimmt eine Frage der Jünger zum Anlass, um ihnen Belehrungen über das richtige Verhalten im Reich der Himmel zu geben. Auf die Frage, wer denn der Größte im Reich der Himmel sei, nimmt der Herr ein Kind und stellt es in ihre Mitte (V. 2). Er möchte ihnen klarmachen, dass für den Eintritt in das Reich Demut notwendig ist. Bevor er sich Gedanken über seine Stellung im Reich machen kann (so verwerflich das auch ist), muss ein Mensch erkennen, dass er sich erniedrigen muss. Er muss Buße tun und sich vor Gott demütigen.

Aber Demut ist nicht nur nötig, um in das Reich einzugehen. Demut soll den Jünger des Herrn grundsätzlich immer kennzeichnen. Auch im Umgang mit seinen Glaubensgeschwistern soll der Jünger des Herrn Demut an den Tag legen. Er soll stets darauf bedacht sein, dass durch sein Verhalten niemand Schaden erleidet. Während uns der Vers 3 zeigt, wie man in das Reich Gottes hineinkommt, stellt uns der Vers 4 vor, wie ein Jünger im Reich lebt: Beides in Demut.

Praktische Heiligkeit

In der Welt gibt es viele Ärgernisse bzw. Stolpersteine. In dieser Hinsicht ist es unvermeidlich („nötig“), dass Ärgernisse kommen (vgl. 1. Kor 9,16). Aber wir sollen darauf achten, dass diese Ärgernisse nicht in den Kreis der Gläubigen hinüberschwappen und die „Kleinen“ darin zu Fall bringen (V. 7). Ärgernisse können zum Beispiel Philosophie (Kolosserbrief), Religiosität (Galaterbrief) oder irdische/weltliche Lebensweise (1. Korintherbrief) sein.

Der Herr spricht ein „Wehe“ über diejenigen aus, die die Ärgernisse in den Kreis der Gläubigen bringen (V. 7). Damit das nicht durch uns geschieht, müssen wir uns in ständigem Selbstgericht üben und alles in unserem Leben rigoros abstellen, was andere zu Fall bringen könnte. Mit der radikalen Ausdrucksweise in diesen Versen ist jedoch nicht gemeint, dass wir uns selbst Gewalt antun oder gar verstümmeln sollen.

Es geht in diesen Versen um das, was wir tun („Hand“), wohin wir gehen („Fuß“) und was wir sehen („Auge“). In allen drei Bereichen sollten wir uns nichts gestatten, was für uns selbst oder für andere zu einem Stolperstein werden könnte. Es ist besser, sich für eine kurze Zeit Beschränkungen aufzuerlegen, als ewig die Konsequenzen eines sündigen Lebens zu tragen. Natürlich wissen wir aus anderen Bibelstellen, dass ein Gläubiger nicht verloren gehen kann, aber das ist nicht das Thema dieses Abschnitts. Der Herr stellt hier lediglich die Folge sündiger Handlungen vor.

Vergebungsbereitschaft

Im Bewusstsein der empfangenen Gnade sollte jeder Jünger im Reich der Himmel auch anderen gegenüber vergebungsbereit sein. Wenn ein Bruder gegen uns sündigt, dann sollten wir hingehen und ihn überführen. „Gehen“ ist Aktivität, „hingehen“ ist Aktivität der Liebe. „Hingehen“ bedeutet auch, dass wir das, was vorgefallen ist, im kleinstmöglichen Kreis behandeln. Wer gelernt hat, demütig zu sein (V. 1–6), dem fällt es auch nicht schwer, mit der Sünde, die gegen ihn begangen wurde, vertraulich und besonnen umzugehen. Das „Hingehen“ ist in diesem Fall wichtig, um die Reaktionen und Empfindungen des Bruders zu erkennen und im Gespräch darauf eingehen zu können. Wenn der Bruder gewonnen wird, dann haben alle gewonnen.

Warum gehen wir eigentlich zu unserem Bruder? Weil wir ein aufrichtiges Interesse an seinem Wohlergehen haben. Wir möchten, dass seine Beziehung zum Herrn wiederhergestellt wird. Dabei dürfen wir an 3. Mose 19,17 denken: „Du sollst deinen Nächsten ernstlich zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld trägst“. Wie viel Schuld werden wir wohl einmal in die Ewigkeit mitnehmen, weil wir diesen Punkt nicht beachtet haben?

Auf die Frage von Petrus, wie oft man seinem Bruder vergeben soll, antwortet der Herr: „Bis siebzig mal sieben“ (V. 22). Petrus meinte schon, mit sieben Mal recht großzügig zu sein, doch der Herr macht ihm unmissverständlich klar, dass wir immer vergebungsbereit sein sollen. Daraufhin erzählt Er ein Gleichnis, indem Er deutlich macht, dass derjenige, dem viel vergeben wurde, auch in der Verantwortung steht, anderen zu vergeben. Wir dürfen uns fragen: Was ist die Schuld, die wir unserem Bruder vergeben sollen, im Vergleich zu der Schuld, die Gott uns vergeben hat? Sollten wir nicht bereit sein, unserem Bruder von Herzen zu vergeben? Doch wie oft sind wir nachtragend und wollen unserem Bruder nicht vergeben (V. 30)!

Stellen wir uns vor, Gott hätte uns unsere große Schuld auch nicht vergeben wollen. Was wäre dann aus uns geworden? Wir wären ewig verloren gewesen. Doch in seiner großen Gnade hat Er alle unsere Sünden hinter seinen Rücken geworfen und wird ihrer nie mehr gedenken (Jes 38,17; Heb 10,17). Wenn wir unserem Bruder nun nicht vergeben wollen, dann kann es sein, dass Gott auch uns in seinen Regierungswegen nicht mehr vergeben will und uns züchtigen muss (V. 35). Wie schade wäre das!

(In Anlehnung an einen Vortrag von R. Fuchs)