Auf die Aussage zweier Zeugen oder dreier Zeugen hin soll getötet werden, wer sterben soll; er soll nicht auf die Aussage eines einzelnen Zeugen hin getötet werden. 5. Mose 17,6

Auf den großen Grundsatz in den Versen 2–7 unseres Kapitels ist bereits an anderer Stelle hingewiesen worden. Er besagt: „Fälle nie ein Urteil, bevor ein hinlängliches Zeugnis und ausreichendes Beweismaterial vorhanden ist“. Die Nichtbeachtung dieser Regel zieht immer ernste Folgen nach sich. Wir sollten uns nie ein Urteil bilden und es noch viel weniger aussprechen, es sei denn auf die Aussage zweier oder dreier Zeugen hin. So vertrauenswürdig und zuverlässig auch ein einzelner Zeuge sein mag, so bietet er doch keine genügende Grundlage für ein Urteil. Wir mögen innerlich von der Wahrheit einer Sache überzeugt sein, weil sie von jemand bestätigt wird, dem wir unser Vertrauen schenken. Es mag auch sein, dass der einzelne Zeuge aufrichtig und wahrheitsliebend ist und um keinen Preis ein falsches Zeugnis gegen jemanden abgeben möchte, dennoch müssen wir an der göttlichen Regel festhalten: „Aus dem Mund von zwei oder drei Zeugen wird jede Sache bestätigt werden“ (2. Kor 13,1).

Es wäre gut, wenn diese Regel in der Versammlung Gottes mehr Beachtung fände. Es würde hinsichtlich der Zucht sowie in allen Fällen, in denen es sich um den Charakter oder den Ruf eines Menschen handelt, von unschätzbarem Wert sein. Eine Versammlung sollte immer auf der Erbringung genügender Beweise bestehen, ehe sie einen Beschluss fasst. Sind keine genügenden Beweise vorhanden, so sollten alle geduldig und vertrauensvoll auf den Herrn warten. Er wird sicher geben, was nötig ist.

Was hat z. B. eine Versammlung zu tun, in der sich etwas sittlich Böses oder eine Irrlehre eingeschlichen hat und dies nur einem Einzigen bekannt ist? Sie muss, selbst wenn dieser eine vollkommen gewiss und völlig überzeugt ist, warten, bis Gott weitere Zeugen gibt, denn sonst handelt sie einem klaren göttlichen Grundsatz zuwider. Sollte sich nun ein einzelner Zeuge verletzt fühlen, wenn die Versammlung nicht nach seinem Zeugnis handelt? Nein, er sollte dies gar nicht erwarten und in seinen Worten sehr vorsichtig sein, solange sein Zeugnis nicht durch einen oder zwei andere Zeugen bestätigt werden kann. Ebenso wenig darf man eine Versammlung deshalb gleichgültig oder nachlässig nennen, weil sie sich weigert, auf das Zeugnis eines Einzelnen hin zu handeln. Sie befolgt damit nur ein bestimmtes göttliches Gebot.

Dieser wichtige Grundsatz hat allgemeine Gültigkeit. Wir alle sind nur zu sehr geneigt, voreilige Schlüsse zu ziehen, gewissen Eindrücken Raum zu geben, uns auf Vermutungen zu stützen und durch Vorurteile einnehmen zu lassen. Wir brauchen Wachsamkeit, Ruhe, Ernst und eine besonnene Überlegung, wenn wir solche Dinge richtig beurteilen wollen. Dies gilt vor allem, wenn es sich um Personen handelt, da wir durch die Äußerung eines falschen Eindrucks oder einer unbegründeten Beschuldigung unserem Freund, Bruder oder Nachbarn leicht großes Unrecht zufügen können. Wir müssen sehr aufpassen, dass wir uns nicht zum Werkzeug einer grundlosen Anklage missbrauchen lassen und dadurch vielleicht den Ruf des anderen sehr schädigen. So etwas ist äußerst sündhaft in Gottes Augen und wir sollten es entschieden verwerfen, wo es sich auch zeigen mag. Wenn uns jemand eine Beschuldigung über einen anderen hinter dessen Rücken zuträgt, sollten wir entweder auf den Beweis oder auf die Zurücknahme seiner Aussage bestehen. Auf diese Weise würde viel übles Nachreden vermieden werden, das nicht allein schädlich, sondern auch äußerst schlecht ist.

Andererseits liefert uns die Schrift auch mehr als ein Beispiel dafür, dass ein gerechter Mensch unter dem Schein der Beobachtung des göttlichen Gebots in 5. Mose 17,6 und 7 verurteilt worden ist. So geschah es z. B. bei Naboth (1. Kön 21), bei Stephanus (Apg 6 und 7) und vor allem bei dem einzig Vollkommenen, der je auf dieser Erde war. Der Mensch versteht manchmal sehr gut, sich den Schein einer genauen Befolgung des Wortes Gottes zu geben, wenn dies seinen gottlosen Zwecken entspricht. Er weiß die heiligen Aussprüche zur Verteidigung der schreiendsten Ungerechtigkeit und der gröbsten Unsittlichkeit anzuführen. Naboth, der treue Israelit, verlor sein Erbteil und sein Leben auf das Zeugnis zweier Lügner hin, die von einer grausamen, gottlosen Frau gedungen waren und bezeugten, dass er Gott und den König gelästert habe. Stephanus, ein Mann voll Heiligen Geistes, wurde wegen Lästerung auf die Aussage falscher Zeugen hin gesteinigt, die die obersten religiösen Führer des Volkes „heimlich vorgeschoben“ (Apg 6,11) hatten, um sich wenigstens zum Schein auf die Autorität des Wortes Gottes stützen zu können.

Wir sehen also, was der Mensch und bloße menschliche Religiosität ohne Gewissen ist; aber die Regel unseres Kapitels bleibt trotzdem bestehen. Eine Religion ohne Gewissen und Gottesfurcht ist das Schlechteste, was es unter dem Himmel geben kann. Nichts kann den Menschen mehr entwürdigen, verrohen lassen und verhärten; und es ist eine ihrer hässlichsten Eigenschaften, dass der Mensch unter ihrem Einfluss sich nicht schämt oder fürchtet, die Worte der Heiligen Schrift als Deckmantel für die schrecklichste Bosheit zu gebrauchen.

Gott sei Dank, dass sein Wort in seiner himmlischen Reinheit und göttlichen Kraft bestehen bleibt und dass es den Missbrauch, den der Feind mit ihm treibt, in dessen Angesicht zurückschleudert!

[Zitat aus dem bekannten und bewährten Buch von CHM zu den fünf Büchern Mose. Das Buch ist hier erhältlich: Bestellung Mose CHM]