Das Licht der Welt

„Wiederum nun redete Jesus zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (V. 12)

In diesem Abschnitt ab Vers 12 kommt jetzt der große Begriff des Lichts vor uns. Hatte Gott im Alten Testament Licht gegeben? Nun, in gewisser Weise unbedingt. Schon das Gesetz war etwas, was den Menschen ins Licht stellte. Aber die volle Entfaltung des Lichts war das Gesetz nicht, es bewirkte eher den Tod als das Leben (siehe Vers 5). Erst als Gott Mensch wurde, war in Ihm das Licht ein vollständiges Licht. Nur Er ist der Inbegriff dessen, was Licht ist (Joh 1,4.8.9). Als der niedrige und demütige Mensch Jesus auf der Erde hat Er das Wesen Gottes als Licht (1. Joh 1,5) völlig offenbart. Er ist die volle Sichtbar-Machung dessen, was Licht ist – und damit auch, wer Gott ist.

Der Herr Jesus benutzt das, was in den Versen 1 bis 11 geschehen ist, um jetzt etwas von Seiner Herrlichkeit zu zeigen. Wir werden im Verlauf des Abschnitts auch sehen, dass die Finsternis sich ebenso immer mehr zeigt, und der Herr Jesus macht auch den Ursprung dieser Finsternis der Menschen offenbar, den Ursprung ihrer Beziehung (Vers 38.44), den Teufel. Aber Er zeigt auch deutlich seine Beziehung zu seinem Vater (Vers 38). Vor diesem dunklen Hintergrund strahlt umso heller die Herrlichkeit des Herrn Jesus hervor. Zum Beispiel finden wir in Vers 14 seine göttliche Herrlichkeit, seine Natur als Gott; Er wusste, woher Er gekommen war und wohin Er ging (vgl. Joh 13,3). Eine weitere Herrlichkeit finden wir in Vers 16: göttliche Einheit zwischen dem Vater und dem Sohn.

Als das Licht der Welt hat der Herr Jesus wahrhaftig alle um Ihn her in das göttliche Licht gestellt, das ist Johannes 8. Wenn Er in Johannes 9 ganz ähnliche Worte gebraucht (Vers 5), ist dort mehr der Gedanke, dass Er als Licht auch erleuchtet, dem Einzelnen Licht geben will, wie das dort bei dem Blindgeborenen illustriert wird.

Was der Herr Jesus in diesem Vers sagt, geht weit über das hinaus, was in dem vorhergehenden Abschnitt geschehen ist. Er hatte sich dort als das göttliche Licht gezeigt, aber jetzt macht Er deutlich, was das in seinem ganzen Umfang bedeutet. Als das Licht der Welt erhellt Er alles, zeigt alles in seinem wahren Charakter. Er ist auch nicht das Licht nur der Juden, sondern das göttliche Licht, das sich an alle Menschen richtet, das Licht der Welt. Das erste, was der Sohn Gottes als das Licht der Welt zeigt, ist der verlorene Zustand des Menschen. Und das zweite, was das Licht deutlich macht, ist die göttliche Konsequenz für einen Menschen, der verloren ist – das Gericht. Aber drittens zeigt das Licht der Welt auch das Herz Gottes, dass Gott nämlich nicht den Tod des Sünders will, sondern dass er umkehre und lebe (Hes 18,23; 33,11).

Der Herr Jesus sprach diese Worte ja in der Schatzkammer des Tempels (Vers 20), die beständig hell erleuchtet war. Überhaupt war der Tempel während des Laubhüttenfestes aufsehenerregend beleuchtet. Dieser Brauch war wohl nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft eingeführt worden, man konnte sogar in den Nächten im Tempel stehen und anbeten (Ps 134,1). Für die Juden war das etwas Besonderes, dieses zeremonielle Licht, das dort zum Gedächtnis an die Feuersäule während der Wüstenwanderung angezündet wurde. Aber denjenigen, der das wirkliche Licht ist, den wollten sie nicht annehmen.

Wenn der Herr dann sagt: „Wer mir nachfolgt...“, dann meint Er damit nicht in erster Linie die praktische Nachfolge in der Jüngerschaft, sondern es geht darum, dass man Ja sagen muss zu dem, was das göttliche Licht offenbar gemacht hat. Man muss anerkennen, dass man verloren ist und das Gericht Gottes verdient hat, und man muss den göttlichen Ausweg zur Rettung annehmen. Wer so Ja zu dem Licht sagt, der lebt dann auch in dem Licht und das Licht bewirkt Leben in ihm. Diese Verbindung von Licht und Leben finden wir auch in Ps 36,10. Der Herr Jesus als das Licht ist also nicht nur eine Lichtquelle, sondern auch eine Kraft, die Menschen verändert und in seine Nachfolge bringt; die Menschen aus der Position der Finsternis in die Position des Lichts versetzt (1. Pet 2,9).

Für jeden, der Ihm so nachfolgt, hat das zwei gesegnete Folgen: ein solcher wird nicht in der Finsternis wandeln. Er befindet sich stellungsmäßig ein für alle Mal in dem Licht. Und als zweites bekommen solche Menschen das Licht des Lebens, ewiges Leben, Leben im absoluten Sinn, in seiner höchsten Form. Wenn sich göttliches Leben zeigt, dann zeigt es sich als Licht (Joh 1,4), und wenn das Licht aufgenommen wird, bewirkt es Leben (Joh 8,12). Deshalb lesen wir in Joh 1,12: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben“. Licht und Leben sind zwei Dinge, die untrennbar miteinander verbunden sind.

Der Herr ermahnt mit diesen Worten nicht dazu, Ihm nachzufolgen. Diese Worte sind eine Feststellung. Er war als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht in der Finsternis bleibe (Joh 12,46). Durch die Bekehrung sind wir ein für alle Mal aus dem Bereich der Finsternis herausgenommen worden (Eph 5,8). Wir wandeln nie mehr in der Finsternis; und wenn wir sündigen, dann sündigen wir mitten im Licht. Das gibt der Sünde eines Gläubigen einen so dreisten Charakter. Wir wandeln leider nicht immer gemäß dem Licht, deshalb die Ermahnung in Eph 5,8, dass wir als Kinder des Lichts wandeln sollen.

„Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du zeugst von dir selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr.“ (V. 13)

Sofort wieder unterbrechen die Pharisäer den Herrn und werfen ihm vor, dass sein Zeugnis nicht wahr sei. Was für ein Affront, für eine Vermessenheit! Sündige, staubgeborene Menschen stehen vor dem ewigen Gott und bezichtigen Ihn der Lüge! Mit welcher Langmut und Erhabenheit geht der Herr damit um.

Die Pharisäer wollen seinem Zeugnis die Glaubwürdigkeit entziehen, satt es anzunehmen. Sie haben nicht Ja gesagt zu diesem Licht, sondern sie lehnen es ab und stellen es in Frage. Dabei beziehen sie sich vielleicht auch zurück auf Johannes 5,31, wo der Herr Jesus gesagt hatte: „Wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis nicht wahr“. Dort spricht Er allerdings als abhängiger Mensch und nennt in Johannes dem Täufer, in den Werken des Herrn, in dem Vater und in den Schriften vier andere Zeugen zur Beglaubigung. Aber hier spricht Er als der ewige „Ich bin“, als der ewige Sohn Gottes.

Man kann diese aggressive Reaktion der Pharisäer ein wenig besser verstehen, wenn wir vor Augen haben, dass der Herr Jesus diese gesegneten Folgen von Leben und Licht unabdingbar mit seiner eigenen Person verbindet. Er sagt ja mit anderen Worten, dass ihnen nicht nur das Licht fehlt, dass sie nicht nur stellungsmäßig in der Finsternis sind, sondern dass sie auch kein Leben haben. Getrennt von Ihm kann niemand diese gesegneten Folgen bekommen. Sie waren durch ihre ablehnende Haltung ausgeschlossen vom Licht und vom Leben. Das konnte den religiösen Führern der Juden natürlich nicht gefallen.

Wir müssen überhaupt in der folgenden Unterredung beachten, dass der Herr Jesus mit unterschiedlichen Gruppen von Zuhörern spricht. Von Vers 14 bis Vers 21 spricht Er zu den religiösen Führern des Volkes. Ab Vers 22 unterredet Er sich mit den Juden, von denen viele an Ihn glaubten (Vers 30).

„Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr, weil ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe.“ (V. 14)

Als der ewige Sohn Gottes war Er aus dem Himmel gekommen und würde wieder zurück in den Himmel gehen. Allein deshalb ist sein Zeugnis wahr, weil es ein göttliches Zeugnis ist, weil Er Gott ist. Er war gekommen als Gott, der Sohn, und Er würde hingehen als Gott, der Sohn. Und die Pharisäer machten in ihrer Ablehnung deutlich, dass sie noch in der Finsternis waren, dass sie nicht das Licht des Lebens besaßen. Deshalb konnten sie auch nicht wissen, woher Er kam und wohin Er ging.

In diesem Vers spricht der Herr davon, dass Er aus dem Himmel gekommen ist; in Vers 16 sagt Er, dass der Vater Ihn gesandt hat. Diese beiden Seiten finden wir sehr oft im Johannesevangelium: der Herr Jesus ist einerseits der vom Vater Gesandte, der Gehorsame, der dem Vater dient und Ihn ehrt; aber Er ist auf der anderen Seite auch der, der freiwillig aus Liebe gekommen ist. Beide Seiten finden wir später auch in Vers 42 wieder. Wunderbare Vollkommenheiten in seiner Person: vollkommene Freiwilligkeit und vollkommene Abhängigkeit (vgl. auch Joh 10,17.18; 17,8)!

In Johannes 7,28 hatte der Herr noch im Tempel gesagt, dass die Juden wüssten, woher Er ist. Aber das ist kein Widerspruch zu dem, was Er hier über die Pharisäer sagt. In Kapitel 7 sprach Er von seiner geografischen Herkunft; sie wussten, dass Er aus Galiläa kam. Aber hier spricht Er von einer weit höheren Ebene, von seiner Herkunft aus dem Himmel, von Gott – und das hatten sie nicht erkannt. Sie maßten sich an, Ihm etwas vorzuwerfen, obwohl sie überhaupt keine Ahnung hatten, wer da vor ihnen stand.

„Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand. Wenn ich aber auch richte, so ist mein Gericht wahr, weil ich nicht allein bin, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.“ (V. 15.16)

Sie maßten sich auch an, Ihn zu beurteilen, ein Urteil über seine Zeugniskraft auszusprechen. Der Charakter dieses Beurteilens war nach dem Fleisch, es war ein rein menschliches Urteil, das sie allein nach ihrem menschlichen Verstand ausgesprochen hatten. Kein menschlicher Geist kann ein solches Urteil über den ewigen Sohn aussprechen.

Auch diese Verse enthalten nur bei oberflächlichem Lesen einen scheinbaren Widerspruch in den Worten des Herrn. Im ersten Satz sagt Er, dass Er niemand richtet, und im zweiten Satz, dass Er doch richtet. Wir merken, dass wir gezwungen sind, sorgfältig über die Bedeutung seiner Worte nachzusinnen, um mit der Hilfe des Heiligen Geistes den tieferen Sinn scheinbarer Widersprüche zu erfassen.

Die Bedeutung des Richtens im ersten Satz ist, dass Er niemand richtet, indem Er ein Urteil fällt und vollstrecken lässt; das haben wir im ersten Abschnitt bei der Ehebrecherin betrachtet. Er war nicht zum Erbteiler und Richter unter ihnen gesetzt. Aber Er richtet in dem Sinn, dass Er ein vollkommenes moralisches Urteil hat über alles, was die Menschen getan haben – und das ist die Bedeutung des Richtens im zweiten Satz (vgl. Vers 26).

Dann betont der Herr wieder diese wunderbare Harmonie und Übereinstimmung zwischen dem Vater und dem Sohn. In Joh 10,38 spricht Er davon, dass der Vater in Ihm ist und Er in dem Vater. Und in Joh 17,21 betet Er zu dem Vater von dem Eins-Sein der Gläubigen „wie du, Vater, in mir und ich in dir“. Diese vollkommene Harmonie kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Herr sich hier zuerst nennt und dann den Vater (wie auch in Joh 10,30) – es gibt zwischen den Personen der Gottheit keinerlei Abstufungen oder Rangfolgen, sondern nur vollkommene Gleichrangigkeit und Einheit.

„Aber auch in eurem Gesetz steht geschrieben, dass das Zeugnis zweier Menschen wahr ist. Ich bin es, der von mir selbst zeugt, und der Vater, der mich gesandt hat, zeugt von mir.“ (V. 17.18)

Durch das Gesetz im Alten Testament schränkt Gott die Bosheit des Menschen durch Regeln ein und schützt damit den Schwächeren. Wenn es dann um Anklagen gegen Personen geht, waren zwei oder drei Zeugen unerlässlich. Warum? Wir Menschen sind begrenzt, kein Mensch kann alle Aspekte einer Situation richtig erfassen und beurteilen. Außerdem sind wir auch fehlbar und können Dinge falsch wahrnehmen und falsch vertreten. Um dem vorzubeugen, hat Gott im Alten Testament diese Anordnung betreffs der zwei oder drei Zeugen gegeben (5. Mo 17,6; 19,15).

Der Herr Jesus dagegen ist weder begrenzt im Erfassen von Sachverhalten, noch ist Er fehlbar in deren Beurteilung. Er ist der ewige unbeschränkte, allwissende und heilige Gott, dem niemals Fehler unterlaufen können! Deshalb unterliegt Er nicht diesen menschlichen Bedingungen dieser zwei oder drei Zeugen. Was für eine herablassende Gnade, dass Er dann doch noch den Vater als zweiten Zeugen anführt. Zeigt sich darin nicht die Größe und Herrlichkeit seiner Person umso herrlicher? Da war dieses zweifache Zeugnis in vollkommener Harmonie und Übereinstimmung, und es wurde doch abgelehnt. Der Vater zeugte durch die Worte, die Er dem Herrn Jesus gab, durch die Werke, die Er dem Sohn gab, aber auch durch die Worte, die Er selbst über den Sohn sagte, z.B. bei der Taufe des Herrn Jesus oder auf dem Berg der Verklärung.

Es ist großartig, dass der Herr Jesus von sich zeugt! Was für ein Recht oder einen Anlass hätten wir, von uns zu zeugen! Aber Er konnte von sich zeugen, z.B. in dem mehrfachen „Ich bin...“ in diesem Evangelium, wobei Er immer wieder neue große Herrlichkeiten seiner Person betont. Er hatte das Recht und die Autorität, das zu tun. Und wenn Er das tat, dann war das in jeder Hinsicht wahr. Er hat von sich gezeugt in einer Umgebung voller Hass gegen Ihn, gerade da hat Er zu der Herrlichkeit seiner Person gestanden und keine Rücksicht darauf genommen, dass Er deshalb beseitigt werden sollte. Er hat von sich gezeugt, obwohl niemand Ihn verstanden hat.

„Da sprachen sie zu ihm: Wo ist dein Vater? Jesus antwortete: Ihr kennt weder mich noch meinen Vater; wenn ihr mich gekannt hättet, würdet ihr auch meinen Vater gekannt haben.“ (V. 19)

Der Herr Jesus hatte gar nicht von meinem Vater gesprochen, sondern von dem Vater, und doch fragen die Pharisäer jetzt nach seinem Vater. Erwarteten sie jetzt, dass Er in der Volksmenge ihnen den zeigen würde, der sein Vater ist? Wieder beweist diese Frage, wie groß die Finsternis war, in der sich diese religiösen Menschen befanden. Sie lieferten mit diesen Worten sofort den Beweis dafür, dass sie nach dem Fleisch richteten, wie der Herr ihnen in Vers 15 vorgeworfen hatte. Diese Frage ist nicht nur der Beweis, dass sie Ihn nicht verstanden hatten, sondern sie ist echte Rebellion gegen Ihn, um Ihn bloßzustellen und anzugreifen und lächerlich zu machen.

Der Herr entgegnet ihnen, dass sie weder Ihn noch seinen Vater kennen und meint damit, dass sie keinerlei Beziehung zu Ihm und zu seinem Vater hatten. Es gab nichts, was sie mit Ihm und dem Vater verband. Und dann zeigt Er, dass man den Vater nur über den Herrn Jesus kennen kann. In seinem ersten Brief betont Johannes diese Tatsache noch einmal (1. Joh 2,23). Es gibt keine Kenntnis von dem Vater, keine Verbindung zu dem Vater, als nur über den Herrn Jesus – Er ist der Weg zum Vater (Joh 14,6), niemand kommt zum Vater, als nur durch Ihn. Interessant, dass der Herr diese Worte, die Er hier zu den ungläubigen Juden spricht, in Kapitel 14 den gläubigen Jüngern gegenüber wiederholt. Aber dort fügt Er noch hinzu, dass die Jünger den Vater jetzt schon erkannt und gesehen hatten. Den ungläubigen Juden gegenüber sagt Er, dass es mit dem Glauben an den Sohn des Vaters beginnt, den Vater zu erkennen. Die einzige Möglichkeit, den Vater zu erkennen, ist der Glaube an den Sohn. Und den gläubigen Jüngern sagt Er, dass nur das ständige Betrachten des Sohnes zu immer tieferer und besserer Kenntnis des Vaters führt. Nur Er ist die Tür, durch die man zu dieser Kenntnis des Vaters kommen kann. Die Offenbarung des Vaters errettet uns übrigens nicht. In diese Beziehung zu dem Vater können wir nur hineingebracht werden, wenn wir an das vollbrachte Werk der Erlösung glauben.

Wenn man mal an das Volk der Juden als solches denkt, dann war es die einzige Nation, die Gott kannte. Nur diesem Volk gegenüber hatte Gott sich als der HERR offenbart. Nur ihnen hatte Gott einen kommenden König angekündigt. Und daran hielten sie fest, sie wollten das angekündigte Reich mit dem ihnen in diesem Reich zustehenden Platz haben. Und jetzt sandte Gott ihnen diesen König, der sogar viel mehr als Messias-Würde brachte, Er brachte Gottes wahren und ewigen Charakter als Offenbarung in diese Welt – Gott als Vater! Der Vater hat sich in dem Sohn offenbart (Joh 1,18). Darum kann man den Vater nur erkennen in der Offenbarung durch den Sohn. Wer Ihn gesehen hatte, hatte den Vater gesehen (Joh 14,9).

Kennt man heute in der Christenheit überhaupt noch etwas von dieser Offenbarung Gottes als Vater? Warum ist Vater das tiefste Wesen, der wahre Charakter Gottes? Weil das der einzige Wesenszug Gottes ist, der ewig besteht – abgesehen von Licht und Liebe, die Er in sich ist, Vater ist Er in Beziehung zu anderen. Gott, der Vater, Gott, der Sohn und Gott, der Heilige Geist ist ewig, ohne Anfang, ohne Ursprung. Vater ist die höchste Offenbarung Gottes, die es überhaupt gibt. Denn sie zeigt uns das ewige Wesen und die ewige Beziehung in ungetrübter Liebe zu dem ewigen Sohn (Joh 17,24). Und jetzt kommt dieser Sohn als das Licht, als die Offenbarung vom Vater, auf diese Erde in die bestehende Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst, wollte es nicht haben. Das Volk wartete auf die Verheißung Gottes, und als diese Verheißung in dem Sohn kam, lehnten sie Ihn ab – welche Tragik! Und trotz dieser Ablehnung offenbarte der Sohn immer weiter den Vater. Er ließ sich von all diesen aggressiven und feindseligen Fragen überhaupt nicht beirren.

Aber wir wollen nicht nur an die Juden oder an die bekennende Christenheit denken; wir wollen uns allen Ernstes fragen: Was kenne ich von dem Vater, was kenne ich von dem Sohn? Könnte ich wie der Schreiber des Hebräerbriefes sagen: „Über diesen haben wir viel zu sagen“ (Heb 5,11)? Was bedeutet der Sohn mir? Was bedeutet der Vater mir? Das ewige Leben, das wir empfangen haben, befähigt uns, den Vater und den Sohn zu erkennen (Joh 17,3).

„Diese Worte redete er in der Schatzkammer, als er im Tempel lehrte; und niemand griff ihn, denn seine Stunde war noch nicht gekommen.“ (V. 20)

Der Sohn steht im Haus Gottes, im Haus seines Vaters (Joh 2,16), und lehrt – und anstatt dass sie Ihn annehmen, wollen sie Ihn greifen. Das war die Reaktion der religiösen Führer des Volkes auf die Offenbarung des Vaters in dem Sohn! Und ist es nicht berührend, dass der Herr diese erhabenen Worte über das Erkennen des Vaters und das Erkennen seiner selbst nicht in irgendeinem Raum des Tempels redete, sondern gerade in der Schatzkammer! Welch einen Schatz besitzen wir, wie reich sind wir durch das Erkennen des Vaters und des Sohnes gemacht worden!

Seine Stunde war noch nicht gekommen. Welche Stunde meint der Herr hier? Wenn Johannes in seinem Evangelium von einer Stunde spricht, ist in der Regel nicht ein Zeitabschnitt von 60 Minuten gemeint, sondern meistens eine Epoche, der Beginn eines längeren oder kürzeren Zeitabschnitts. Aber längst nicht immer bedeutet dieser Ausdruck an den verschiedenen Vorkommen auch die gleiche Epoche. Zum Vergleich seien einmal die verschiedenen Stellen in diesem Evangelium angeführt:

  • Joh 2,4: Hier deutet dieser Ausdruck auf die zukünftige Freude des 1000-jährigen Reiches hin; es ist die Stunde der Offenbarung seiner Herrlichkeit in diesem Friedensreich, wo alles unter Seine Füße gelegt sein wird

  • Joh 4,21+23: Die gegenwärtige Stunde der Gnade, in der christliche Anbetung dargebracht wird; diese Anbetung ist nicht an einen geweihten Ort gebunden, sie ist freiwillig, sie geschieht in einer geistlichen Art und Weise, und sie geschieht in Übereinstimmung mit der gegenwärtigen Offenbarung Gottes

  • Joh 5,25: Hier ist es auch die Epoche der Gnade für den Sünder, unsere gegenwärtige Zeit, in der die geistlich Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden und dadurch zum Leben kommen werden; diese Epoche hat zwei Phasen: Sie hat begonnen, als der Sohn Gottes hier auf der Erde war und gerufen hat, und Menschen haben Leben bekommen; sie währt auch in unseren Tagen noch, wo der Sohn Gottes immer noch durch das Evangelium ruft und Menschen Leben bekommen; diese Stunde dauert also schon fast 2000 Jahre

  • Joh 5,28+29: Hier ist es die zukünftige Epoche des Gerichts, und auch diese Gerichts-Epoche hat zwei Phasen: Es gibt die Auferstehung zum Leben, die in Off 20,4+5 die erste Auferstehung genannt wird und die in verschiedenen Phasen vor der Aufrichtung des 1000-jährigen Reiches stattfinden wird; und es gibt die Auferstehung zum Gericht, die in Off 20,14 der zweite Tod genannt wird und die nach dem 1000-jährigen Reich stattfinden wird

  • Joh 7,30: Hier spricht der Herr von der Stunde Seiner Leiden, die gleiche Bedeutung, wie auch Lk 22,53

  • Joh 8,20: Hier ist es auch wieder die Stunde Seiner Leiden

  • Joh 12,23: Hier spricht der Herr vom Kreuz auf Golgatha; dort wurde die Herrlichkeit des vollkommenen Menschen in einzigartiger Weise sichtbar, dort hat der Herr Jesus im Vollmaß gezeigt, dass Er der abhängige und gehorsame Mensch ist (vgl. Joh 13,31)

  • Joh 12,27: Hier spricht der Herr auch von Golgatha, vielleicht sogar besonders von den Stunden der Finsternis, in denen Er zur Sünde gemacht und den ganzen Zorn Gottes darüber schmecken würde; es ist ein ähnliches Empfinden, wie in den anderen Evangelien in Gethsemane

  • Joh 13,1: Hier haben wir direkt die Erklärung im gleichen Vers: Es ist der Augenblick seiner triumphalen Rückkehr als Mensch zu Seinem Vater in die Herrlichkeit vierzig Tage nach seiner Auferstehung

  • Joh 16,2: Hier spricht der Herr von der gesamten Epoche seiner Abwesenheit; dadurch, dass hier der Artikel vor Stunde fehlt, wird der Charakter dieser Epoche angedeutet: Sie ist gekennzeichnet durch religiöse Verfolgung

  • Joh 16,25: Hier spricht der Herr von seiner Auferstehung; diese Epoche, wo Er offen von dem Vater verkündigen würde, hat begonnen, als Er zu Maria Magdalene von dem Vater sprach (Joh 20,17)

  • Joh 16,32: Jetzt spricht der Herr Jesus von einer anderen Stunde als in Vers 25; dort war es die Stunde seiner Auferstehung, hier ist es die Stunde seiner Kreuzigung; Er geht nach Golgatha und begegnet der Welt und ihrem Widerstand, der Stunde des Menschen und der Gewalt der Finsternis (Lk 22,53)

  • Joh 17,1: Hier spricht der Herr zu dem Vater nicht von der Stunde des Kreuzes (Joh 12,23), nicht von der Stunde der Auferstehung (Joh 16,25), sondern von der Stunde Seiner Aufnahme umgeben von Herrlichkeit (der Charakter: 1. Tim 3,16) in die Herrlichkeit (der Ort)Der Hass der Juden war groß genug, um Ihn zu greifen, aber seine Stunde war noch nicht gekommen (vgl. Joh 7,30). Moralisch waren sie jetzt schon bereit dazu, Ihn zu greifen, nur die Hand Gottes hielt sie davon zurück. Alles ist in der Hand Gottes und niemand kann Ihm in Seinem Ratschluss zuvorkommen. In Lk 22,53 sagt der Herr bei seiner Gefangennahme vor dem Garten Gethsemane: „Als ich täglich bei euch im Tempel war, habt ihr die Hände nicht gegen mich ausgestreckt; aber dies ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis“. Sowohl Seine Stunde (des Leidens) und ihre Stunde (des ungehemmten Entfaltens ihres Hasses gegen Ihn) war hier in Johannes 8 noch nicht gekommen.

    Der Herr geht zu dem Vater

    „Er sprach nun wiederum zu ihnen: Ich gehe hin, und ihr werdet mich suchen und werdet in eurer Sünde sterben; wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen.“ (V. 21)

    Auch in diesem Abschnitt spricht der Herr Jesus immer weiter von dem Vater. Und jetzt spricht Er von der Stunde aus Joh 13,1, wo Er zurückgehen würde zu dem Vater. Beide Stunden standen vor Ihm, die Stunde seiner Leiden und die Stunde seiner Rückkehr zu dem Vater. Der Weg der Rückkehr zu dem Vater würde über Golgatha führen. Er freute sich, als Mensch dort einzugehen, wo Er als Gott, der Sohn, immer ist.

    In Joh 7,33.34 hatte der Herr Jesus schon einmal im Tempel davon gesprochen, dass Er zu dem Vater gehen würde und die Juden Ihn suchen würden. Diesen gleichen Gedanken stellt Er jetzt wieder vor, um in den folgenden Versen einige Gegensätze zwischen Ihm und den ungläubigen Pharisäern und Schriftgelehrten herauszustellen:
  • in Vers 21 geht es um das Ziel der jeweiligen Wege: Er geht zu dem Vater – sie sterben in ihren Sünden

  • in Vers 23a geht es um die Herkunft: Er war von dem, was oben ist – sie waren von dem, was unten ist

  • in Vers 23b geht es um den Charakter: Er war nicht von dieser Welt – sie waren von dieser Welt

    Diese Gegensätze treffen auf jeden unbekehrten Menschen zu, sie trafen auch auf uns vor unserer Bekehrung zu. Aber durch die Gnade Gottes darf jeder, der den Herrn Jesus im Glauben angenommen hat, jetzt sagen, dass sein Teil das ist, was der Herr Jesus von sich gesagt hat: unser Ziel ist das Haus seines Vaters (Joh 14,2.3; Joh 17,24); unsere Herkunft ist, dass wir von oben her geboren sind (Joh 3,3), und unser Charakter ist, dass wir nicht von dieser Welt sind (Joh 17,14.16). Unbegreifliche Gnade – sein Platz ist jetzt auch unser Platz!

    Das wiederum hier wie in Vers 12 macht deutlich, dass der Herr immer noch zu denen spricht, die Ihn ablehnten, erst ab Vers 31 wendet Er sich dann denen zu, die an Ihn glaubten. Aber hier die religiösen Führer würden Ihn suchen. Aber sie würden Ihn nicht in dem Charakter suchen, in dem Er sich ihnen offenbart hatte, sondern in seiner Messias-Würde für diese Erde. Was sie suchten, war ein politischer Messias, ein Befreier von den Römern, der ihren Ehrgeiz als jüdische Nation befriedigen würde. Sie suchten Ihn nicht im Glauben, sondern in der Finsternis ihrer Herzen. Wer nicht an den Herrn Jesus als den „Ich bin“ glaubt, bleibt Zeit seines Lebens ein Suchender (vgl. Hos 5,6).

Dann sagt Er ihnen, dass sie in ihrer Sünde sterben würden. Es ist auffallend, dass Er hier die Einzahl benutzt und in Vers 24 davon spricht, dass sie in ihren Sünden (Mehrzahl) sterben würden. Offenbar ist hier in Vers 21 der Nachdruck auf diese eine große Sünde gelegt, dass sie Ihn nicht haben wollten und verwarfen. Die Ablehnung der personifizierten Liebe Gottes, der Offenbarung des Vaters hier auf der Erde, ist die Kardinalsünde der Welt schlechthin (vgl. Joh 15,22–24; 16,9). Dahinter stehen irgendwelche sonstigen Tatsünden zurück. Den Sohn hinauszustoßen und zu verachten, ist ein Schlag in das Gesicht des Vaters.

Und weil sie in ihrer Finsternis blieben und nicht zu dem Licht kommen wollten, war es unmöglich, dass sie dahin kommen würden, wo Er hinzugehen im Begriff stand. Es ist nicht möglich, den Vater zu erkennen, wenn man den Sohn ablehnt; und es ist genauso wenig möglich, dahin zu kommen, wo der Sohn hingeht, nämlich zu dem Vater, wenn man den Sohn ablehnt. In Ewigkeit abgeschnitten von dem Ort der Herrlichkeit und des Segens! Diese Worte richten sich ganz klar gegen die Lehre von der Allversöhnung! Wie ernst sind diese Folgen für den, der nicht an Ihn glaubt: er bleibt ein Suchender, stirbt in seinen Sünden und wird nie in den Himmel kommen!

„Da sagten die Juden: Er will sich doch nicht selbst töten, dass er spricht: Wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen?“ (V. 22)

Diese Juden urteilten nur nach ihren menschlichen und fleischlichen Überlegungen voller Verdorbenheit und Blindheit. Der Herr hatte ihnen ganz erhabene Dinge eröffnet, hatte von seiner Beziehung zu dem Vater gesprochen und man hätte sein Sehnen nach diesem Ziel aus seinen Worten herausspüren können. Aber was sind ihre Gedanken? Sie denken an Selbstmord. Sie sahen in Ihm nichts anderes als einen ganz gewöhnlichen Menschen, der so weit gehen würde, sich selbst das Leben zu nehmen. Was für eine Finsternis!

„Und er sprach zu ihnen: Ihr seid von dem, was unten ist, ich bin von dem, was oben ist; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. Daher sagte ich euch, dass ihr in euren Sünden sterben werdet; denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben“ (V. 23.24).

Hier geht der Herr erst auf den Ursprung zurück und macht deutlich, woher sie kamen, und woher Er kam, und dann zeigt Er den unterschiedlichen Charakter, der zwischen Ihm und ihnen bestand: sie waren von dieser Welt, Er ist nicht von dieser Welt.

Der Herr stellt sich in diesem Johannesevangelium öfter als der „Ich bin“ vor, indem Er Seine ewige Gottheit mit einer besonderen Eigenschaft verbindet, z.B. „Ich bin das Brot des Lebens“ (Joh 6,35), „Ich bin der gute Hirte“ (Joh 10,11) und viele andere Stellen mehr. Aber es gibt auch einzelne Stellen, wo Er eine Beifügung weglässt und sich einfach als der „Ich bin“ vorstellt, z.B. in Joh 4,26. So tut Er es auch hier in Vers 24 und Vers 28. Und dieser „Ich Bin“ ist der Sohn, und Er ist der einzige Weg, um Vergebung seiner Sünden zu empfangen und ewiges Leben zu bekommen.

Vor dem dunklen Hintergrund des Unglaubens der Juden sagt der Herr in diesen Versen vier erhabene Dinge von sich: Er ist von Oben, Er ist nicht von dieser Welt, Er ist der „Ich bin“ des Alten Testaments (2. Mo 3,14; 5. Mo 32,39), Er ist durchaus das, was Er auch zu ihnen redete (Vers 25).

„Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du? Jesus sprach zu ihnen: Durchaus das, was ich auch zu euch rede.“ (V. 25)

Wenn man die Worte des Herrn Jesus hörte, dann hörte man seine Person; seine Worte waren eine volle Offenbarung dessen, was und wer Er ist. Seine Worte waren nicht nur wahr – das waren sie immer – sondern sie offenbarten, wer Er ist, woher Er war und wozu Er nicht gehörte. Seine Worte und seine Person waren eins. Nie hat Er ein Wort zu viel oder zu wenig gesagt. Wir heute können den Herrn Jesus nicht mit unseren leiblichen Augen sehen, aber wenn wir seine Worte lesen oder hören, sehen wir, wer Er ist.

Was der Herr Jesus hier sagt, kann kein Mensch von sich sagen, noch viel weniger es tun. Er sagt nicht: „Ich tue das, was ich sage“; selbst das wäre für uns Menschen schon erstrebenswert, dass wir das, was wir sagen, auch tun. Aber der Herr Jesus sagt: „Ich bin, was ich sage“. Damit sagt Er, dass seine Worte die unmittelbare Darstellung seines inneren Wesens sind. Das kann kein Mensch sagen, denn selbst wenn wir es wollten, können wir es nicht. Das sündige Wesen des Menschen treibt den Menschen eher dazu, etwas zu verheimlichen, was er im tiefsten Inneren seines Wesens ist. Bei dem Herrn Jesus ist es wie bei einer kristallklaren Quelle, die unverfälscht und ungetrübt das nach außen dringen lässt, was in ihr ist. Aus seinem inneren göttlich reinen Wesen kommen Worte hervor, die genau dieses Wesen darstellen. Das können wir nur bewundernd anbeten!

„Vieles habe ich über euch zu reden und zu richten, aber der mich gesandt hat, ist wahrhaftig; und ich, was ich von ihm gehört habe, das rede ich zu der Welt.“ (V. 26)

Der Herr Jesus hätte noch manches sagen können über diese ungläubigen Juden, aber Er tat das nicht, weil Er immer nur das gesagt hat, was Er von dem Vater gehört hat. Nur die wahrhaftigen Worte dessen, der Ihn gesandt hatte, hatte Er ausgesprochen, nicht ein Wort mehr und nicht ein Wort weniger. Das war die Offenbarung des Vaters. Diese Worte richtete der Herr Jesus an die Welt, Er hatte eine Botschaft an die Welt, diesen Auftrag des Vaters; und Er sprach sie, ob die Welt sie annehmen würde oder nicht.

Hier spricht der Herr von dem, was Er bei dem Vater gehört hatte; in Vers 28 redet Er das, wie der Vater Ihn gelehrt hatte. Sowohl der Inhalt der Botschaft (was) als auch die Art und Weise (wie) war in völliger Übereinstimmung mit dem Vater. Das ist auch für die Praxis unseres Lebens sehr wichtig. Es kann sein, dass wir bei einer Gelegenheit das Richtige sagen, aber es kommt auch darauf an, dass wir es auf die richtige Art und Weise sagen. Für den Apostel Paulus war es ein Gebetsanliegen, dass sowohl das was als auch das wie in seinem Reden dem Willen Gottes entsprach (Kol 4,3.4). Möchte der Herr es schenken, dass nicht nur das was in unserem Dienst, sondern auch das wie in Übereinstimmung ist mit Seinem Willen!

Es ist sehr bewegend, dass wir bei dem Herrn im Garten Gethsemane diese Unterordnung unter das was und das wie des Vaters wiederfinden. In Mk 14,36 hören wir, dass Er das was dem Vater überließ; in Mt 26,39 unterordnete Er sich auch dem wie des Vaters. Er hat das was und das wie völlig dem Vater überlassen und war in vollkommener Harmonie damit.

„Sie erkannten nicht, dass er von dem Vater zu ihnen sprach.“ (V. 27)

Es ist hier ein schuldhaftes Nicht-Erkennen, sie hätten es erkennen können, wenn sie nur gewollt hätten. Die Unkenntnis des Vaters hatte ihre Ursache in ihrer Ablehnung des Sohnes. Weil sie den Sohn ablehnten, kannten sie den Vater nicht.

„Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Sohn des Menschen erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und dass ich nichts von mir selbst aus tue, sondern wie der Vater mich gelehrt hat, das rede ich.“ (V. 28)

Jetzt bezeichnet sich der Herr als Sohn des Menschen. Gerade in dem Evangelium, in dem der Herr Jesus durch den Heiligen Geist als der ewige Sohn Gottes vorgestellt wird, der Fleisch geworden ist, spricht er meistens von sich selbst als dem Sohn des Menschen. Das ist eine Bezeichnung, die von den Juden durchaus verstanden werden konnte, weil sie sich in Ps 8,5 auf den Messias bezieht. Die Erniedrigung und Verachtung dieses Sohnes des Menschen fand ihren Tiefpunkt am Kreuz.

Bedeuten die Worte des Herrn jetzt, dass die Juden durch die Kreuzigung des Herrn zum Glauben kommen? Nein, sie mussten sich einem nicht zu leugnenden Beweis unterordnen; sie würden überführt werden und erkennen, wie hoch die Würde dessen ist, an dem sie sich vergangen haben.

In diesen Worten wird angedeutet, dass Gott sich jetzt überhaupt nicht mehr mit Israel beschäftigt, sondern sich nun an die Welt wendet. Nachdem die Juden den Sohn des Menschen an das Kreuz erhöht hatten, haben sie erfahren, dass die Botschaft, die Er brachte, nicht mehr speziell für Israel war, sondern für die ganze Welt. Nach dem Tod des Herrn wurde in dessen Ergebnissen sichtbar, dass es ein Werk von Gott war (vgl. Apg 5,38). Das mussten die Juden erkennen. Einen ähnlichen Gedanken haben wir in Joh 17,23, wo bei der öffentlichen Erscheinung des Herrn die Welt nicht mehr glauben können wird, sondern nur noch erkennen wird, dass der Vater den Sohn gesandt hat.

Als die Menschen Christus verwarfen, nahm Er den Titel Sohn des Menschen an; und wenn die Juden Ihn erhöht haben würden, dann war das auch das Letzte, was sie von Ihm gesehen hatten. Er wird wiedergekommen, und dann werden sie den anschauen, den sie durchstochen haben (Off 1,7).

Wieder betont der Herr, dass Er in der Botschaft, die Er verkündigte, den Auftrag des Vaters ausübt. Und darin war Er ausgestattet mit der Autorität, die der Vater Ihm gab, als Er als Mensch auf diese Erde kam.

„Und der mich gesandt hat, ist mit mir; er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue.“ (V. 29)

Der Herr Jesus hat nicht nur diesen Auftrag des Vaters gehabt, sondern der Vater war mit Ihm in diesem Auftrag. Der Vater war mit dem Sohn, weil der Sohn allezeit diese Vollkommenheit offenbarte, allezeit das Wohlgefallen des Vaters zu tun.

Es ist erstaunlich, was für tiefe Aussagen der Herr Jesus vor einem solchen Publikum und angesichts einer solchen Ablehnung macht. Wir haben hier eine der gewaltigsten Aussagen über die Person des Herrn Jesus. Was immer auch die Meinung der Menschen über Ihn war, Er hielt daran fest, dass Er der geliebte Sohn des Vaters war. Dieses Bewusstsein hielt Ihn aufrecht in all den Leiden, die die Menschen Ihm zugefügt haben. Und der Vater war nicht nur deshalb mit Ihm, weil Er der Sohn ist, sondern weil der Sohn dem Vater ununterbrochen Anlass dazu gab.

Dass der Vater Ihn nicht allein gelassen hat, war seine tiefe Freude, so sagt Er es auch später noch einmal seinen Jüngern (Joh 16,32). In seiner Person war überhaupt nichts, was diese Gemeinschaft irgendwie getrübt hätte.

In Joh 4,34 sagt der Herr von sich, dass es seine Speise ist, den Willen des Vaters zu tun. Da haben wir mehr die Seite, dass es seine eigene Freude war. Hier haben wir mehr den Gedanken, dass der Vater völlige Freude an allem hat, was der Sohn tut. Für den Sohn war es die höchste Motivation, dieses Wohlgefallen des Vaters zu besitzen. Alles, was der Herr sagte, dachte, tat oder nicht tat, war dem Vater wohlgefällig – wir werden dabei an das Feinmehl des Speisopfers erinnert (3. Mo 2). Sein ganzes vollkommenes Leben war eine Darbringung für Gott.

„Als er dies redete, glaubten viele an ihn.“ (V. 30)

Haben wir hier nicht eine Antwort Gottes darauf, dass der Sohn allezeit das dem Vater Wohlgefällige tat? Wir wissen nicht, wie tief oder wie weit dieser Glaube bei den Juden ging, aber diese Resonanz in ihren Herzen scheint doch eine von Gott bewirkte Hinwendung der Juden an die Person des Sohnes zu sein.