Gegenüberstellungen

„Jesus sprach nun zu den Juden, die ihm geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ (V. 31.32)

Eine gewisse Struktur in dieser Unterredung können wir darin erkennen, dass häufig Gegensätze einander gegenübergestellt werden, anhand derer viele wichtige Wahrheiten entwickelt werden:

  • Vers 31–36: Knechtschaft gegenüber Freiheit
  • Vers 37–40: Abrahams Nachkommen gegenüber Abrahams Kindern
  • Vers 41–47: Kinder des Teufels gegenüber Kindern Gottes
  • Vers 48–50: Christus, von dem Menschen verachtet gegenüber Christus, von dem Vater geehrt
  • Vers 51–55: Leben gegenüber Tod
  • Vers 56–58: Abraham gegenüber Christus

Der Herr prüft jetzt diesen Glauben. Wer wirklich mit dem Herzen glaubt, der bleibt in seinem Wort, der lässt sich prägen von diesem Wort, von der Lehre des Herrn in ihrer Gesamtheit. Und dadurch ist er nicht nur ein Jünger dem Bekenntnis nach, sondern ein wahrhaftiger Jünger. Der Beweis für echte Jüngerschaft ist das Bleiben in dem Wort des Herrn Jesus. Die Zeit macht offenbar, ob eine Wirklichkeit vorhanden ist, oder ob es sich nur um eine oberflächliche Begeisterung handelt (vgl. Mt 13,20.21; Joh 6,64). Ausharren ist ein Beweis für Jüngerschaft.

Eine erste Folge des Bleibens in seinem Wort ist das Wachsen in der Erkenntnis der Wahrheit. Sicher denkt der Herr hier auch an die volle Erkenntnis der Wahrheit, die jedem wahren Gläubigen nach der Ausgießung des Heiligen Geistes geschenkt wird. Das Erkennen der Wahrheit ist untrennbar damit verbunden, in dem Wort des Herrn zu bleiben. Überall da, wo die Autorität des Wortes Gottes abgelehnt wird, wo man Teile der Bibel nicht anerkennen will, wird man die Wahrheit nicht erkennen können.

Das Licht, das der Herr Jesus bringt, die Wahrheit, die Er vorstellt, hat die Folge, dass sie frei macht. Dieser absolute Satz kann auch ganz allgemein angewandt werden. Es ist ein großartiger Segen, die Wahrheit zu erkennen und zu erleben, dass die Wahrheit frei macht! Denken wir nur an Konflikte im zwischenmenschlichen Bereich, wo wir uns oft über die richtige Beurteilung unsicher sind, weil wir die Tatsachen oft nur sehr schwer erkennen können. Aber wenn dann Wahrheit in die Angelegenheit kommt, wenn wir sehen, wie die Dinge wirklich vor Gott sind, dann ist das ungemein befreiend.

Diese Wahrheit ist eine Person, nämlich die Person, die vor ihnen stand. Sie würden erkennen, wer Er ist; und nur diese Wahrheit würde sie freimachen von jeder moralischen Knechtschaft. Freiheit ist viel mehr als nur frei zu werden von der Schuld der Sünde. Wer durch die Tür der Errettung eingegangen ist, wird ein- und ausgehen (Joh 10,9). Das ist völlige christliche Freiheit, die viel weiter geht als die Befreiung von der Macht der Sünde.

„Sie antworteten ihm: Wir sind Abrahams Nachkommen und sind nie jemandes Knechte gewesen; wie sagst du: Ihr werdet frei werden?“ (V. 33)

Zu der Zeit, als die Juden dies sagten, waren sie gerade überhaupt nicht frei, sondern waren Knechte der Römer. Und Esra und Nehemia hatten in ihren bewegenden Gebeten bekannt, dass sie auch zu ihrer Zeit Knechte waren, nämlich der Perser (Esra 9,7–9; Neh 9,36.37). Diese Männer des Glaubens hatten diese Knechtschaft in den Regierungswegen Gottes anerkannt. Welche Verblendung dagegen bei diesen Juden. Selbst das, was doch äußerlich so deutlich erkennbar war, nämlich ihre aktuelle Knechtschaft unter die Römer, wollten sie nicht zugeben.

Die Juden hatten sich hier also auf Abraham als ihren Stammvater berufen. Es ist interessant, in den folgenden Versen zu bemerken, wie der Herr im Blick auf sie einen Unterschied macht zwischen Nachkommen Abrahams und Kindern Abrahams. Nachkommen Abrahams waren sie in der Tat durch natürliche Nachkommenschaft; aber Abrahams Kinder, d.h. solche, die durch den echten Glauben Abrahams gekennzeichnet sind, waren sie nicht (Vers 39b).

„Jesus antwortete ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der die Sünde tut, ist der Sünde Knecht. Der Knecht aber bleibt nicht für immer im Haus; der Sohn bleibt für immer. Wenn nun der Sohn euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein.“ (V. 34–36)

Der Herr Jesus hatte aber von einer ganz anderen Freiheit gesprochen, nicht von der Befreiung aus der Knechtschaft, in der sich die Juden in den Regierungswegen Gottes befanden. Er hatte von der Sklaverei der Sünde (vgl. Röm 6,16) gesprochen, das war ihr moralischer Zustand vor Gott (vgl. Vers 21.24).

Wer den Herrn Jesus ablehnt, bleibt Zeit seines Lebens ein Suchender (Vers 21), bleibt unter der Sünde und wird nie in den Himmel kommen. Hier sagt der Herr, dass ein solcher nicht bleibt, d.h. dass er keinen Bestand hat.

Wenn der Herr dann davon spricht, dass der Knecht nicht für immer im Haus bleibt, meint Er damit speziell den Juden, der durch seine Zugehörigkeit zu dem irdischen Volk Gottes in einer äußerlichen Nähe zu Gott ist. Wenn aber kein Werk in seinem Herzen geschieht, dann bleibt er nicht in dieser Nähe. Heilsgeschichtlich gesehen werden die Juden ihre bevorzugte Stellung verlieren.

Und dann lässt Er als das Licht der Welt den Strahl wieder auf sich fallen, den Sohn, der ewigen Bestand hat. Er ist der, der wirkliche bleibende Nähe zu Gott genießt. Kraft seiner Person ist der Herr Jesus als Sohn bei dem Vater. Hier bestätigt sich auch das, was wir in Vers 32 gesehen hatten: Dort hatten wir gesehen, dass die Wahrheit eine Person ist, die frei macht. Und hier wiederholt der Herr, dass Er als der Sohn es ist, der wirklich frei macht. Der Gläubige wird frei von der Knechtschaft der Sünde, um den Willen Gottes zu tun. Das ist die einzige Freiheit, die wir haben. Wir haben den Herrn Jesus als das vollkommene Vorbild, der allezeit das dem Vater Wohlgefällige getan hat – das soll nun auch unsere höchste Praxis sein, dazu macht der Sohn uns frei. In dieser Freiheit der Kinder Gottes sollen wir heute schon leben.

Es gibt leider viele Beispiele von Gläubigen, die nicht wirklich frei sind, sondern in Abhängigkeiten geraten sind. Wie können wir solchen helfen, wirklich frei zu werden? Müssen wir ihnen nicht raten, sich täglich neu dem Licht der Wahrheit auszusetzen und den Herrn darum zu bitten, an diesem Tag frei zu bleiben von der Sucht? Wir können uns auch mit Gleichgesinnten zu einem Gebetskreis speziell für diese Nöte treffen und für die Betroffenen um Kraft bitten, dass sie diese Dinge sein lassen können.

„Ich weiß, dass ihr Abrahams Nachkommen seid; aber ihr sucht mich zu töten, weil mein Wort keinen Raum in euch findet.“ (V. 37)

Die Juden waren natürlich Abrahams Nachkommen. Wenn man einmal den Abschnitt in Gal 4,21–31 liest, wird man feststellen, dass Abraham zwei Nachkommen hatte, einen von der Magd und einen von der Freien. Moralisch gesehen waren die Juden Nachkommen Ismaels und nicht Nachkommen Isaaks. Und die Nachkommen Ismaels (von der Hagar) waren in Knechtschaft, in Knechtschaft des Gesetzes und in Knechtschaft der Sünde. Die Gläubigen der Gnadenzeit dagegen sind wie Isaak Kinder der Verheißung. Ismael hatte keinen dauerhaften Platz im Haus der Verheißung, der Sohn der Magd sollte nicht erben mit dem Sohn der Verheißung; so wie der Knecht nicht für immer im Haus bleiben würde.

Die Juden verwarfen den, der allein frei machen kann, nur durch Ihn wären sie frei geworden. Wie verwarfen sie Ihn? Indem sie Ihn zu töten suchten. Das Wort, das ihnen den Sohn als den vom Vater Gekommenen zeigte, fand keinen Eingang in ihre Herzen.

„Ich rede, was ich bei meinem Vater gesehen habe, und ihr nun tut, was ihr von eurem Vater gehört habt.“ (V. 38)

Jetzt stellt der Herr das, was Er redete, dem gegenüber, was sie taten. Ihr ganzes Handeln war geprägt durch das, was sie bei ihrem Vater gehört hatten. In Vers 23 hatte der Herr ihnen schon gesagt, dass sie von dem sind, der von unten ist. Dass damit der Teufel gemeint ist, hatte Er nicht direkt gesagt. Auch hier spricht Er von ihrem Vater und sagt noch nicht direkt, dass Er damit den Teufel meint. Erst in Vers 44 spricht Er das deutlich aus.

Ein großer Unterschied besteht auch darin, dass der Herr Jesus etwas bei Seinem Vater gesehen hat, sie hatten etwas bei ihrem Vater gehört. Der Herr Jesus war in ungetrübter Gemeinschaft mit seinem Vater, da war nichts, worauf Er hören musste, Er sah. Sie dagegen waren Knechte, die auf ihren Vater hörten, weil sie ihm unterworfen waren.

„Sie antworteten und sprachen zu ihm: Abraham ist unser Vater. Jesus spricht zu ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, würdet ihr die Werke Abrahams tun; jetzt aber sucht ihr mich zu töten, einen Menschen, der die Wahrheit zu euch geredet hat, die ich von Gott gehört habe; das hat Abraham nicht getan. Ihr tut die Werke eures Vaters.“ (V. 39–41a)

Die Juden beriefen sich weiter darauf, dass Abraham ihr Stammvater war, dass sie ihre Abstammung bis auf Abraham zurückverfolgen und nachweisen konnten. Aber das stellt sie umso mehr bloß. Kinder Abrahams sind durch den Glauben Abrahams (Gal 3,7.29) und durch die Werke Abrahams (Jak 2,21–23) geprägt. Die Juden zeigten diese Kennzeichen überhaupt nicht, sondern im Gegenteil offenbarten sie durch Lüge und Gewalttat, dass sie von einem ganz anderen Vater sittlicherweise abstammten – dem Teufel. Das, was einer redet, und das, was einer tut, offenbart seinen Charakter, seine Herkunft, die Quelle, aus der er redet und handelt. So wurde auch in den Worten und Handlungen des Herrn sein Charakter, seine Herkunft und seine Quelle deutlich (Vers 38).

Abraham hatte nicht gesucht, jemanden zu töten, der die Wahrheit geredet hatte. Wenn er Worte von Gott gehört hatte, dann hatte er sie im Glauben angenommen, auch wenn es äußerlich keine Hoffnung dafür gab, dass sich erfüllen würde, was Gott ihm gesagt hatte. Die Juden dagegen wollten den, der die Worte von Gott zu ihnen redete, töten.

Hier spricht der Herr davon, dass Er die Wahrheit von Gott gehört hat, in Vers 38 hatte Er gesagt, dass Er das redete, was Er bei seinem Vater gesehen hat. Ein feiner Unterschied, der wieder einmal deutlich macht, wie genau der Heilige Geist sich ausdrückt, ganz besonders, wenn es um die Person des Herrn Jesus geht. In Vers 38 steht die Seite seiner Gottheit vor uns, als Gott, der Sohn, hat Er bei dem Vater etwas gesehen. Hier steht die Seite seiner Menschheit vor uns – Er sagt ja selbst, dass die Juden einen Menschen töten wollten –, der als wahrer Mensch in Abhängigkeit von Gott die Dinge berichtet, die Er von Gott gehört hat.

Anders hätte der Herr es aber auch gar nicht ausdrücken können, denn unmöglich hätten die Juden Ihn als den Sohn Gottes töten können. Vermocht hätten sie es sowieso nicht, denn niemand konnte Ihm das Leben als Mensch nehmen (Joh 10,18), aber allein wenn es um ihre Absicht geht, drückt der Heilige Geist es so präzise aus. Wir wollen in aller Ehrfurcht festhalten, dass der Herr Jesus als Mensch gestorben ist – als Gott starb Er nie, Gott kann nicht sterben. Er hat das Werk als vollkommener Mensch vollbracht, aber Er konnte es nur, weil Er Gott ist. Das sind Tiefen, die wir mit dem Verstand nicht erfassen oder sezieren können, die wir einfach anbetend bewundern!

Der Herr muss den Juden dann deutlich sagen, dass es nicht Abraham ist, auf den sie sich hier berufen. Hier spricht Er es noch nicht direkt aus, aber später in Vers 44 sagt Er es ganz deutlich, dass Er mit ihrem Vater den Teufel meint.

„Da sprachen sie zu ihm: Wir sind nicht durch Hurerei geboren; wir haben einen Vater, Gott.“ (V. 41b)

Weiterhin beriefen sich die Juden darauf, dass sie nicht durch Hurerei geboren waren, dass sie zum irdischen Volk Gottes gehören. Es sind keine weiteren Belege in Gottes Wort zu finden, dass sie mit diesen Worten unterschwellig andeuten wollten, dass sie die Geburt des Herrn als Mensch damit in den Schmutz ziehen wollten. Wollten sie nicht vielmehr damit zum Ausdruck bringen, dass sie nicht mit den götzendienerischen Nationen vermischt waren und sich dadurch moralisch von Gott entfernt hatten? Vielleicht hatten sie an das Lied Moses in 5. Mo 32 gedacht, in dem von solchen aus dem Volk die Rede ist, die sich durch Götzendienst verdorben hatten (Verse 5.16–20). Solche sind wir nicht, sagen sie hier praktisch zu dem Herrn, das trifft auf uns nicht zu. Wir sind keine, die sich mit Götzendienern vermischt haben.

Und dann behaupten sie nicht nur, dass Abraham ihr Vater sei, sondern sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und sagen, dass Gott ihr Vater sei. Vielleicht denken sie hier an Mal 2,10, wo der Prophet davon spricht, dass wir alle einen Vater haben. Gott war der Vater des Volkes Israel als solches, global gesehen. Alle Israeliten konnten daher sagen, dass Gott ihr Vater als Vater des Volkes Israel ist. Gott hatte sich ein Volk berufen, welches Er „mein Sohn“ nennt (2. Mo 4,22.23). Deshalb konnten die diesem Volk Angehörenden sagen, dass Gott ihr Vater ist.

Das ist aber ein gewaltiger Unterschied zu der Beziehung als Gott, unserem Vater, wie wir sie heute in der christlichen Haushaltung kennen und genießen dürfen. Bei dem Volk Israel ging es um eine Stellung; wir Glaubende der Gnadenzeit sind durch Geburt in eine Familien-Beziehung zu Gott, unserem Vater gekommen. Das ist die höchste und innigste Beziehung, die Menschen überhaupt haben können (1. Joh 3,1). Durch Glauben an den Herrn Jesus und sein Werk sind wir in diese Beziehung eingeführt worden. Die Stärke unseres Glaubens ist nicht abhängig von der Größe dieser Segnung, allenfalls von dem Genuss daran.

„Jesus sprach zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben, denn ich bin von Gott ausgegangen und gekommen; denn ich bin auch nicht von mir selbst aus gekommen, sondern er hat mich gesandt.“ (V. 42)

Der Herr geht auf diese beiden Behauptungen der Juden von Vers 39 und 41 ein und sagt ihnen: Wenn ihr wirklich eine Beziehung zu Gott habt, dann würdet ihr mich lieben, weil ich von Gott komme.

Mit diesen Worten des Herrn wird deutlich, dass diese Juden mit ihrem Anspruch in direktem Gegensatz zu ihrem Herzenszustand standen. Wäre es wahr, dass Gott ihr Vater ist, müssten sie den Herrn Jesus lieben, müssten unbedingt den lieben, der von Gott gekommen war.

Wunderbar zu sehen, wie der Herr Jesus diese Angriffe der Juden zum Anlass nimmt, um seine persönliche Herrlichkeit vorzustellen. Wieder scheinen in diesen Worten zwei ganz erhabene Wahrheiten durch: die Gottheit und die Menschheit des Herrn Jesus. Als Gott, der ewige Sohn, ist Er freiwillig und entschieden von Gott ausgegangen und in die Welt gekommen; und als der abhängige Mensch war Er der Gesandte des Vaters, um hier auf der Erde den Auftrag des Vaters auszuführen und Ihm zu gehorchen. An manchen anderen Stellen gehen diese beiden Herrlichkeiten des Herrn Jesus nebeneinander her, z.B. in Heb 10,7 sagt der Sohn Gottes: „Ich komme“ in völliger Freiwilligkeit und Entschiedenheit, und dann sagt Er als der gehorsame und abhängige Mensch: „um deinen Willen, o Gott, zu tun“. Und auch in der bekannten Stelle in Joh 10,17.18 finden wir diese beiden Seiten: in vollkommener Freiwilligkeit lässt Er sein Leben von sich selbst; aber in vollkommener Unterwürfigkeit hat Er im Gehorsam dieses Gebot von seinem Vater empfangen. Wunderbarer Herr, der in der Vollkommenheit seiner Person bereit war, zu kommen, und bereit war, zu gehorchen!

„Warum versteht ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt.“ (V. 43)

Was ist der Unterschied zwischen Sprache und Wort in diesem Vers? Das Wort ist die Offenbarung in ihrer Gesamtheit, und die Sprache sind die Worte, in denen diese Offenbarung zu ihnen kam. In geistlichen Dingen ist es so, dass wir die Sache an sich kennen müssen, um die ausgedrückte Wahrheit davon verstehen zu können. Wenn ich nicht von neuem geboren bin, werde ich nie verstehen, was es heißt, von neuem geboren zu sein.

Es ist, als hätte der Herr in einer fremden Sprache zu ihnen geredet, die sie nicht verstehen konnten. Hörend hörten sie und verstanden nicht (Jes 6,9). In diesem Zustand waren wir auch vor unserer Bekehrung, und es ist nur unendliche Gnade, dass wir einen Wechsel vollzogen haben von der hier beschriebenen Unfähigkeit, sein Wort hören zu können hin zu denen, die hören und glauben.

„Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun. Er war ein Menschenmörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und ihr Vater.“ (V. 44)

Der Herr beschreibt jetzt, wodurch die Juden charakterisiert waren. Wenn wir diese Worte mit 1. Joh 3,8 vergleichen, finden wir dort den gleichen Gedankengang: wer dadurch gekennzeichnet ist, dass er die Sünde tut, der die Sünde Tuende, ist aus dem Teufel. Die praktischen Handlungen lassen auf die Quelle schließen. Es gibt also Menschen, die zu dem Teufel gehören und dessen Charakterzüge tragen. Der Teufel ist der Vater einer ganzen Familie, die er mit sich in das ewige Verderben reißt. Er ist der Wolf, der kommt und die Schafe raubt und zerstreut (Joh 10,12). Er ist der Gott dieser Welt, der den Sinn der Ungläubigen verblendet hat, damit ihnen nicht ausstrahle der Lichtglanz des Evangeliums der
Herrlichkeit des Christus, der das Bild Gottes ist (2. Kor 4,4).

Was muss es den Herrn geschmerzt haben, seinem eigenen Volk sagen zu müssen, dass sie aus dem Teufel sind. Diese betrübten Empfindungen hatte Er auch, als Er sich Jerusalem näherte. Wie oft hatte Er sich um sie bemüht – aber sie hatten nicht gewollt (vgl. Lk 13,34 mit Lk 19,41.42).

Wenn wir Jes 14,12 ff. und Hes 28,12 ff. lesen, dann finden wir in diesen Beschreibungen, die zwar historisch den König von Babel und den König von Tyrus beschreiben, die aber über menschliche Dimensionen hinausgehen, Andeutungen über den Ursprung des Teufels und seinen tiefen Fall. In 1. Tim 3,6.7 lesen wir von dem Gericht des Teufels und von dem Fallstrick des Teufels. Dabei geht es um zwei ganz verschiedene Dinge. In Vers 6 finden wir etwas über den Anfang und den Charakter des Teufels. Er war auch ein Neuling, wird keine lange Existenz als schirmender Cherub gehabt haben, und das führte dazu, dass er sich aufblähte und dadurch ins Gericht kam. Der Fall des Teufels hatte seine Ursache nicht in Mord und Lüge, sondern in seinem Aufgeblähtsein. Auch für uns gibt es heute keine größere Gefahr! Der Teufel wollte sein wie Gott, er war aufgebläht von Stolz über seine eigene Stellung ins Gericht gefallen. Daher wissen wir, dass er ein gefallener Engel ist. Und seine größte List heute besteht darin, dass er sich durch Karikaturen so harmlos und belustigend darstellen lässt, als wäre er bloß eine lächerliche Figur. Es gibt keine Feinde, die schlechter zu bekämpfen sind, als solche, die sich tarnen, damit man sie nicht sofort erkennt. Hüten wir uns davor, auch nur in Gedanken mit dieser listigen und gefährlichen Persönlichkeit zu spielen!

Zwei Charakterzüge des Teufels werden dann genannt: er ist ein Menschenmörder und er ist ein Lügner. In Vers 40 hatten wir gelesen, dass die Juden den Herrn zu töten suchten. Damit bewiesen sie geradezu, dass sie geistlicherweise Kinder des Teufels waren. In Vers 33 hatten sie behauptet, frei und nie jemandes Knechte gewesen zu sein; dabei standen sie doch gerade unter der Knechtschaft der Römer. Sie logen also auch, wie ihr Vater, der Teufel.

Von Anfang an war der Teufel ein Menschenmörder und Lügner. Wir finden schon in den ersten Kapiteln von 1.Mose, dass er von dem Augenblick an, wo er als Teufel und Widersacher offenbar wurde, sofort den ersten Menschen in den Tod führte. Begonnen hatte er damit, dass er Zweifel in das Herz von Eva gesät hatte. Aber Zweifel kommen nie von Gott! Wie könnte Der, der die Wahrheit ist, Zweifel im Menschen hervorrufen? Von diesem Augenblick an sucht der Teufel zu zerstören und zu töten. Und er ist durch Begierden geprägt, durch totalen Egoismus. Er ist in allem das totale Gegenteil von dem, was den Herrn Jesus prägte.

Der Teufel hat auch einen Stand, aber nicht in der Wahrheit, er steht absolut neben der Wahrheit, Wahrheit ist nicht in ihm. Vor den Juden stand der, der die Wahrheit ist, durch den die Wahrheit geworden ist, der nur Wahrheit redete – aber sie gehörten zu dem, in dem kein Funken von Wahrheit ist. Mit dem Teufel zu tun zu haben, bedeutet, mit jemandem zu tun zu haben, der das komplette Gegenteil von Christus ist. Deshalb ist es nicht nützlich, sich ausführlich mit dieser Persönlichkeit zu beschäftigen. Wir finden im Wort Gottes ja nur bruchstückhafte Mitteilungen über ihn und seine Engel.

Der Herr Jesus hatte geredet, was Er bei seinem Vater gesehen hatte (Vers 38), aber der Teufel redete nur aus sich selbst heraus. Und was er redet, ist Lüge. Er mag es mit einem Anflug von Wahrheit vermischen, aber da es höchstens Halbwahrheiten sind, sind es ganze Lügen. Was immer der Teufel sagt, ist unwahr. Schrecklich, dass es bis heute so viele Menschen gibt, die auf den Teufel hören – sie gehen ewig verloren!

„Weil ich aber die Wahrheit sage, glaubt ihr mir nicht. Wer von euch überführt mich der Sünde? Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht? Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes. Darum hört ihr nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.“ (V. 45–47).

Der Herr Jesus sprach nicht nur Worte, die Ihm der Vater gegeben hatte (Vers 26); was Er sagte, waren direkt Worte Gottes. Immer wieder sehen wir diese beiden Seiten seiner herrlichen Person: als abhängiger Mensch sprach Er die Worte, die Er von dem Vater gehört hatte; als Gott, der Sohn, sprach Er direkt Worte Gottes. Und weil die Juden aus dem Teufel waren, weil sie die Natur dessen haben, der der Wahrheit entgegensteht, glauben sie dem Herrn Jesus nicht, der diese Wahrheit vorstellt. Sie hätten an seinem Leben erkennen müssen, dass Er die Wahrheit ist, denn sie waren nicht in der Lage, Ihn auch nur einer einzigen Sünde zu überführen. Gar nichts in seinem Leben war irgendwie antastbar, weder in seinen Worten noch in seinen Taten. Es gab nicht einen Grund, Ihm nicht zu glauben – aber das konnten sie nicht, weil sie nicht aus Gott waren.

Aus Gott zu sein, heißt, in Ihm seinen Ursprung zu haben, aus Gott geboren zu sein. Es geht nicht um die Beziehung zu dem Vater, sondern um Gott, um die Natur der Sache. Wir können nur dann die Gedanken Gottes verstehen, wenn wir seine Natur haben. Und auch nur dann können wir die Herrlichkeit der Person des Sohnes überhaupt erfassen. Nur durch die neue Geburt sind wir in der Lage, etwas von der überragenden Herrlichkeit des Sohnes zu erfassen. Welch eine Gnade, aus Gott zu sein!

„Die Juden antworteten und sprachen zu ihm: Sagen wir nicht zu Recht, dass du ein Samariter bist und einen Dämon hast?“ (V. 48)

Erneut beleidigen die Juden den Herrn Jesus, und hier sogar mit einer zweifachen Verunglimpfung. Zuerst sprechen sie eine persönliche Beleidigung aus, indem sie Ihn einen Samariter nennen; und als zweites beleidigen sie sein Wirken für Gott, indem sie Ihn bezichtigen, einen Dämon zu haben.

Diese beiden Angriffe stehen in einem inneren Zusammenhang mit dem vorherigen Abschnitt. Die Juden hatten den Anspruch erhoben, das Volk Gottes zu sein, Gott zum Vater zu haben; aber der Herr Jesus hatte ihnen deutlich gemacht, dass ihr Vater der Teufel ist. Dagegen wehren sie sich mit dieser Beleidigung, dass der Herr ein Samariter sei, dass Er gar keine echte Kenntnis über Gott habe. Über die Samariter hatte der Herr gesagt, dass sie anbeteten, was sie nicht kannten (Joh 4,22), sie waren in Unwissenheit über den wahren Gott. Das liegt hier auch in dieser Beleidigung der Juden vor: sie behaupteten von sich, sie würden Gott kennen, Er aber nicht.

Dann hatte der Herr Jesus ihnen auch deutlich gemacht, dass sie moralischerweise einen Vater hatten, den Teufel. Und auch dagegen wehren sie sich, indem sie Ihn bezichtigen, einen Dämon zu haben. Sie bezeichneten Ihn als einen aus dem Reich Satans. Rein verstandesmäßig hatten sie erfasst, was der Herr Jesus ihnen gesagt hatte, aber sie wollten es nicht hören und wehren sich mit diesem doppelten Angriff auf den Herrn Jesus dagegen. Sie liebten die Finsternis mehr als das Licht (Joh 3,19).

„Jesus antwortete: Ich habe keinen Dämon, sondern ich ehre meinen Vater, und ihr verunehrt mich. Ich aber suche nicht meine Ehre; da ist einer, der sie sucht und der richtet.“ (V. 49.50)

In seiner Antwort geht der Herr auf die persönliche Beleidigung, dass Er ein Samariter sei, überhaupt nicht ein. Unwillkürlich denken wir an Lk 10,30–37, wo wir Ihn im Bild des barmherzigen Samariters sehen; Er identifiziert sich praktisch mit diesem barmherzigen Samariter und weist deshalb diese Beleidigung der Juden hier nicht zurück. Aber wenn es um das Werk Gottes geht, wenn die Herrlichkeit der Person des Vaters angetastet wird, dann bezieht der Herr deutlich Stellung. Ist das nicht ein Beispiel für uns? Es kann vorkommen, dass wir in der Arbeit, die wir für den Herrn tun, persönlich angegriffen oder beleidigt werden; und dann reagieren wir oft ganz unangemessen und erregt. Aber wenn es um einen Angriff gegen die Ehre und Herrlichkeit Gottes geht, erachten wir das oft als nicht so dramatisch. Als der Herr Jesus gescholten wurde, schalt Er nicht wieder. Wie hat Er sich verhalten, als Er persönlich angegriffen wurde? Er hat seine Sache dem übergeben, der gerecht richtet (1. Pet 2,23). Wir wollen darin von unserem Herrn lernen und uns demütigen, wenn es um uns persönlich geht, aber Stellung beziehen, wenn es um die Ehre Gottes geht.

Der Herr Jesus ist der erste und einzige Mensch auf dieser Erde gewesen, der den Vater wirklich in allem geehrt hat, Er tat allezeit das dem Vater Wohlgefällige (Vers 29). Das zeigt einerseits besonders seine innere Widmung und Motivation in dem, was Er tat und was Er sagte. Aber Er ehrte darüber hinaus Gott, seinen Vater, auch vor den Menschen und machte in allem die Erhabenheit Gottes vor den Menschen sichtbar. Er repräsentierte in Vollendung, was der Vater ist. Nie hat jemand auf dieser Erde Gott, den Vater, so geehrt und verherrlicht in seinen Worten und seinen Taten, wie der Sohn: „ich ehre meinen Vater“!

Wir hätten vielleicht erwartet, dass der Herr diesen Gedanken, dass Er den Vater ehrt, damit fortführt, dass die Juden den Vater verunehrten. Aber Er sagt: „Ihr verunehrt mich“. Wir lernen daraus, dass der Vater keine Ehre annimmt, die nicht dem Sohn gilt. „Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht“ (Joh 5,23). Wenn sie den Sohn verunehrten, dann verunehrten sie damit auch gleichzeitig den Vater, der Ihn gesandt hatte.

Die Juden entwürdigten den Herrn Jesus in dem, wie sie mit Ihm umgingen. Sie entehrten den, der Gott in höchstem Maß ehrt. Der, in dem Gott sichtbar wurde, wurde von ihnen entehrt, das offenbart vollkommen ihren hoffnungslosen Zustand. Aber in völliger Ruhe überlässt der Herr diese Sache dem, der gerecht richtet, dem Vater. Der würde die Ehre des Sohnes suchen. Wenn die Menschen auch den Herrn Jesus falsch beurteilt hatten und Ihn herabwürdigend beschimpft hatten, dann gibt es doch Einen, der das richtige Urteil über den geliebten Sohn spricht. Gott, der Vater, wacht eifersüchtig darüber, dass schlussendlich die Ehre seines geliebten Sohnes im ganzen Universum unangefochten dastehen wird. Gott fordert die Ehre, die Ihm selbst als dem Ewigen zukommt (Jes 45,23) ein für seinen geliebten Sohn (Phil 2,9–11). Diesen Gedanken hatten wir auch schon in Joh 5,22.23, wo wir davon lesen, dass der Vater dem Sohn das ganze Gericht gegeben hat, „damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren“.

Der Herr Jesus hat nie seine eigene Ehre gesucht. Die Juden suchten nichts anderes als ihre Ehre, sie wollten gern gesehen und geachtet werden, wenn sie in den Synagogen ihre Gebete sprachen oder bei den Gastmahlen die ersten Plätze einnahmen. Sind wir besser? Der Herr hat alles über sich ergehen lassen und Ihm hätte doch schon als Mensch alle Ehre zugestanden, aber man hat sie Ihm nicht erwiesen. Doch der Herr bezieht sich wieder auf seinen Vater, der die Ehre seines Sohnes sucht, der sich selbst so erniedrigt und gedemütigt hat.

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn jemand mein Wort bewahrt, so wird er den Tod nicht sehen ewiglich.“ (V. 51)

Wie kann man dazu kommen, dass man auch von dem Vater geehrt wird? Diese Worte sind eine Fortsetzung der Gedanken aus den vorhergehenden Worten des Herrn. Wer sein Wort bewahrt, wird nicht gerichtet werden, wird den Tod nicht sehen ewiglich, hat das ewige Leben und wird von dem Vater geehrt. Gott wird einmal jeden Menschen fragen: „Was hast Du mit meinem Sohn gemacht? Hast Du ihn geehrt, indem Du an Ihn geglaubt hast, oder hast Du ihn verunehrt, indem Du gleichgültig an Ihm vorbeigegangen bist?“. Diese Worte hier sind reines Evangelium. Das Wort bewahren bedeutet, alles, was der Herr Jesus gesagt hat, glaubend annehmen.

„Da sprachen die Juden zu ihm: Jetzt erkennen wir, dass du einen Dämon hast. Abraham ist gestorben, und die Propheten, und du sagst: Wenn jemand mein Wort bewahrt, so wird er den Tod nicht schmecken in Ewigkeit. Bist du etwa größer als unser Vater Abraham, der gestorben ist? Und die Propheten sind gestorben. Was machst du aus dir selbst?“ (V. 52.53)

Sofort wecken diese Worte des Herrn den Widerstand der Juden. Sie konnten die Worte dessen, der vor ihnen stand, nicht ertragen. Es gibt keinen schlimmeren Vorwurf, als dass der Herr von einem Dämon besessen gewesen wäre. In keinem anderen Evangelium wird das dem Herrn Jesus häufiger vorgehalten, als im Johannes-Evangelium. In Mt 12 und Mk 3 ist genau das der Zeitpunkt, wo die Verwerfung des Herrn Jesus als vollständig gezeigt wird. Hier finden wir diesen Vorwurf vier Mal (Joh 7,20; 8,48.52; 10,20). Damit wird Er tatsächlich als jemand bezeichnet, der von unten ist. Was müssen das für Leiden für den Herrn Jesus gewesen sein!

Sie bekräftigen diesen Vorwurf damit, dass sie sich wieder auf Abraham beziehen und jetzt auch noch die ebenfalls in hohem Ansehen stehenden Propheten mit anführen. Diese alle waren gestorben, und Er sagte, dass man in Ewigkeit nicht sterben würde, wenn man sein Wort bewahrt? Aber hatte der Herr Jesus das überhaupt gesagt? Er hatte gesagt, dass derjenige den Tod nicht sehen würde, sie hatten daraus gemacht, dass derjenige den Tod nicht schmecken würde. Es stimmt in der Tat, dass viele Gläubige durch den Tod zu gehen haben. Aber sie sehen den Tod nicht, er ist für sie das Tor in das ewige Glück bei dem Vater. Aber von diesem leiblichen Tod hatte der Herr Jesus gar nicht gesprochen. Er hatte von dem Tod in seiner Endgültigkeit gesprochen, dem ewigen Getrenntsein von Gott. Diesen Tod sehen die Seinen nicht in Ewigkeit! Diese Sprache konnten die Juden nicht verstehen, weil sie sein Wort nicht hören konnten (Vers 43).

Dann behaupten sie – zwar in Frageform, aber es ist doch verneinende Aussage – dass der Herr unmöglich größer als Abraham sei. Abraham ist der Vater aller seiner Nachkommen, und der ist gestorben, unmöglich kannst du größer sein als Abraham. Und auch die Propheten sind gestorben, was machst du bloß aus dir selbst! Dabei hatte der Herr doch gar nichts aus sich selbst gemacht, Er hatte sich selbst zu nichts gemacht (Phil 2,7).

Der Sohn Gottes war als wahrer Mensch zu den Menschen gekommen, um den Vater zu offenbaren und um denen, die an Ihn glauben, ewiges Leben zu geben. Alles hing von seiner Person und seinem Wort ab. Man konnte den Vater nur erkennen im Sohn, man konnte ewiges Leben nur durch den Glauben an den Sohn bekommen. Und dennoch hat der Sohn, der Mensch geworden ist, nie etwas aus sich selbst gemacht. Er hat nie seine eigene Ehre gesucht. Dieser Vorwurf war völlig unberechtigt.

Die Frau am Jakobsbrunnen hatte zu Ihm gesagt: „Du bist doch nicht größer als unser Vater Jakob?“ (Joh 4,12). Der Heilige Geist achtet mit Eifersucht darauf, dass der Herr Jesus immer als der Herrlichste von allen anderen im Vergleich herausgestellt wird. Er ist größerer Herrlichkeit für würdig erachtet worden als Mose (Heb 3,3), ist mehr als Jona, mehr als Salomo (Mt 12,42; Lk 11,31). Er ist wirklich der Schönste und Würdigste von allen! Nichts reicht an seine Herrlichkeit heran.

„Jesus antwortete: Wenn ich mich selbst ehre, so ist meine Ehre nichts; mein Vater ist es, der mich ehrt, von dem ihr sagt: Er ist unser Gott. Und ihr habt ihn nicht erkannt, ich aber kenne ihn; und wenn ich sagte: Ich kenne ihn nicht, würde ich euch gleich sein – ein Lügner. Aber ich kenne ihn, und ich bewahre sein Wort.“ (V. 54.55)

Würde der Herr Jesus sich selbst ehren, wäre diese Ehre nichts wert; aber da ist Einer, der für die Ehre des Sohnes eifert – der Vater. Einmal hatte Gott zu Eli, dem Priester, sagen lassen: „Denn die, die mich ehren, werde ich ehren“ (1. Sam 2,30). Und das erfüllt sich in höchstem Maß in dem Herrn Jesus. Er hatte als Mensch in allem den Vater vor sich gestellt,
und in Vers 49 gesagt, dass Er seinen Vater ehrt. Und als Antwort darauf ehrt der Vater den Sohn. Gott bleibt niemandem etwas schuldig, am wenigsten seinem wunderbaren und einzigartigen Sohn.

Die Juden hatten behauptet, dass der Vater des Herrn ihr Gott sei. Aber als der Sohn kam, um Ihn zu offenbaren, hatten sie Gott nicht erkannt. In ihrem Unglauben waren sie blind für diese Offenbarung Gottes. Sie hatten Ihn nicht erkannt, hatten keine Glaubensbeziehung zu Gott, nur Widerstand und Ablehnung und Hass.

Aber der Herr konnte sagen: „Ich aber kenne ihn“! Der Sohn kennt den Vater. Er ist der Sohn der Liebe des Vaters (Kol 1,13), der Sohn des Vaters (2. Joh 3), Der in dieser Beziehung zu der Liebe des Vaters steht. Er ist der Sohn, der im Schoß des Vaters ist (Joh 1,18). Aus dieser Beziehung heraus kann Er sagen: „Ich kenne ihn“. Und in Ihm, dem Sohn, dürfen auch wir den Vater kennen.

„Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich.“ (V. 56)

Es gibt im ganzen Alten Testament wohl kaum ein deutlicheres und klareres Beispiel für jemanden, der aus Gott war und die Worte Gottes hörte, als Abraham (vgl. Vers 47). Abraham war bereit, den zu opfern, auf dem alle seine irdischen Verheißungen ruhten, weil er aufgrund des göttlichen Wortes ein geistliches Urteil hatte (Heb 11,17–19). Er muss in tiefer innerer Ruhe Schritt für Schritt nach Morija gegangen sein, weil er Gott bei seinem Wort nahm und darauf sein Urteil baute, dass der Gott, der ihm das Land Kanaan verheißen hatte, der ihm als Kinderlosem eine große Nachkommenschaft verheißen hatte und dann auch mit dem Isaak als Erstgeborenen einen Nachkommen schenkte. Wenn dieser Gott jetzt von ihm forderte, diesen Isaak Ihm zu opfern, dann gab es für Abrahams Urteil nur eine einzige Lösung: Gott musste den Isaak aus den Toten wieder auferwecken – was für ein Glaubens-Urteil!

Und was der Herr Jesus hier von Abraham sagt, liegt auf genau der gleichen Linie. Er hatte ihm das Land Kanaan verheißen. Aber als Abraham dort war, war das ganze Land voller Götzendienst, und er lebte dort als Fremdling. Wie konnte Abraham das verstehen, wie passte das zusammen? Gott hatte ihm das Land verheißen, und doch gesagt, dass er als Fremdling dort wohnen sollte. Aber für einen, der aus Gott ist und das Wort Gottes hört, passt das sehr wohl zusammen. Abraham urteilte wieder geistlich. Er wusste, dass er in einem Land, wo es genauso viel Götzendienst gab, wie in dem Land, aus dem er ausgezogen war, nicht seine Heimat finden konnte. Und das führte ihn zu der geistlichen Schlussfolgerung, dass es in diesem Land und auf der ganzen Erde eine gewaltige durch Gott bewirkte Umwälzung geben muss, damit Gott darin regieren kann. Und das ist der Tag, den Abraham sah, der Tag des Herrn. Er hatte keine Offenbarung darüber, so wie er auch keine Offenbarung über die Auferstehung hatte, aber er schloss für sich im Vertrauen auf das Wort Gottes, dass es genauso sein muss. Und er frohlockte darüber, dass Gott letztendlich doch der Sieger sein würde. Was für ein Glaube! Er zeigt uns, wozu wir fähig sind, wenn wir wirklich aus Gott sind und seine Worte annehmen und bewahren. Er besaß nur fortschreitende Offenbarungen, aber er hat mehr daraus geschlossen, als das, was wir heute wissen und aus diesem Wissen verwirklichen.

In Vers 51 hatte der Herr Jesus die Verheißung gegeben, dass jeder, der sein Wort bewahrt, den Tod nicht sehen wird ewiglich. Wer kann so eine Verheißung geben? Das kann nur jemand sagen, der selbst das ewige Leben ist, der selbst Gott ist. In dieser Verheißung steckt also ein Hinweis des Herrn Jesus auf seine Gottheit. Als das ewige Leben steht Er über dem Tod und auch außerhalb der Zeit. Und deshalb erklärt Er jetzt auch, warum Er doch größer ist als Abraham. Er ist größer als Abraham, weil Er der Messias ist, dem Gott in der Zukunft alles unterstellt hat. Abraham erwartete die Stadt, die Grundlagen hat (Heb 11,10.13), die himmlische Metropole, von der aus Christus mit den Erlösten die Regierung über das ganze Universum ausüben wird.

Diese zukünftige Entfaltung der Herrlichkeit des Herrn an seinem Tag, wenn Er dem Herrn Jesus als Mensch den höchsten Platz im ganzen Universum geben wird, ist ein besonderer Höhepunkt der Tatsache, dass der Vater den Sohn ehrt. In Ihm wird Er alles unter ein Haupt zusammenbringen (Eph 1,10). Das wird im 1000-jährigen Reich in dieser ersten Schöpfung im Vollmaß in Erfüllung gehen (vgl. Sach 14,9).

„Da sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?“ (V. 57)

Wie alt war der Herr Jesus eigentlich? Als Er anfing zu wirken, war Er nach Lk 3,23 ungefähr 30 Jahre alt. Wenn sie jetzt vielleicht auch ein oder zwei Jahre später zu ihm gesagt haben, dass Er noch nicht fünfzig Jahre alt sei, so muss Er doch offenbar wesentlich älter ausgesehen haben, als Er es tatsächlich war. Der Herr Jesus war auch in seinem Äußeren geprägt durch das Umfeld, dem Er täglich begegnete. Die Sünde und ihre Folgen hatten Spuren in seinem Äußeren hinterlassen. Der Prophet Jesaja sagt über Ihn, dass sein Aussehen entstellt war, mehr als irgendeines Mannes (Jes 52,14).

„Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham wurde, bin ich.“ (V. 58)

Hier spricht der Herr jetzt von etwas noch Höherem. Er spricht nicht mehr von dem Tag seiner Regierungsherrlichkeit im 1000-jährigen Reich, sondern jetzt spricht Er von Seiner ewigen Gottheit. Er ist der ewige „Ich bin“, ewig derselbe, der auch über jeder zeitlichen Veränderung steht. Bevor Abraham geboren wurde, ist Er; während Abraham lebte, ist Er; nachdem Abraham gestorben ist, ist Er; und als Er das hier zu den Juden redete, ist Er. Er ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit (Heb 13,8). Höher kann diese wunderbare Person nicht mehr sein!

Zum dritten Mal in diesem Kapitel beginnt der Herr jetzt eine Aussage mit einem „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch...“ (Vers 34.51.58). Er betont jetzt etwas auf eine besondere Weise und wir sollten immer dann ganz besonders hinhören. Mit allem Recht spricht Er jetzt diese Aussage über sich selbst: „Ehe Abraham wurde, bin ich“. Abraham hatte einen Anfang, er wurde gezeugt und wurde geboren. Er war nicht, er wurde. Aber im Gegensatz dazu sagt der Herr von sich, dass Er ist. Er wurde nicht, Er ist. Der Herr Jesus als der Sohn Gottes hat keinen Anfang, Er ist der Anfang, ewig, zeitlos. Es wäre auch nicht falsch gewesen, wenn der Herr gesagt hätte, dass Er war, ehe Abraham wurde. Aber es wäre zu wenig gewesen. Er weist hier darauf hin, dass Er der ewige „Ich bin“ ist.

Wir müssen diese Seite seiner ewigen Existenz als Gott gut unterscheiden von der Wahrheit, dass der Herr Jesus als Mensch geboren wurde und als Mensch einen Anfang hatte (Ps 2,7; Lk 1,35). Als Mensch wurde Er vom Heiligen Geist gezeugt und ist in dieser Hinsicht der Sohn Gottes. Aber hier haben wir den ewigen Sohn Gottes vor uns, der immer ist. Eine herrliche Größe des Herrn Jesus hier am Ende dieses Kapitels.

„Da hoben sie Steine auf, um auf ihn zu werfen. Jesus aber verbarg sich und ging aus dem Tempel hinaus. (V. 59)

Was für ein Kontrast zu Vers 56! Abraham hatte etwas von der Herrlichkeit des Herrn an seinem Tag gesehen und frohlockt. Und hier stellt der Herr seine Herrlichkeit den Juden vor, und was ist ihre Reaktion? Sie heben Steine auf, um Ihn zu steinigen. Was ist meine Reaktion, was ist deine Reaktion auf die Herrlichkeit des Herrn, die wir auch in diesem Kapitel sehen durften?

Als es zu Beginn dieses Kapitels um die Ehebrecherin ging, wagten die Juden nicht, einen Stein auf sie zu werfen (Vers 7). Wie groß muss der Hass in ihren Herzen gewesen sein, dass sie hier gegen den in seiner größten Herrlichkeit vor ihnen stehenden Herrn tatsächlich Steine aufheben, um auf Ihn zu werfen. Je größer sich seine Herrlichkeit entfaltet, umso größer der Hass, für den diese Herrlichkeit unerträglich ist.

Jetzt war die Verwerfung des Herrn vollständig; die Juden hatten jetzt bewiesen, dass sie in vollem Hass gegen den Herrn der Herrlichkeit standen, und so verlässt Er den Tempel. Er nimmt diese Verwerfung durch sein irdisches Volk an, aber seine Herrlichkeit erstrahlt dadurch umso größer für die ganze Welt. Er ist und bleibt das Licht der Welt.