Ein Mann in Eile prallte gegen einen Jungen, der alle seine Pakete fallen ließ, und schimpfte den armen Kleinen auch noch aus. Ein Passant kam angerannt, half dabei, die Sachen aufzusammeln, und gab dem Unfallopfer noch einen Dollarschein mit. Da eine solche Freundlichkeit vollkommen fremd war für ihn, fragte der Junge: „Mein Herr, sind Sie Jesus?“ „Nein“, erwiderte der Mann, „aber ich gehöre zu Ihm.“

Unser Maßstab

Es ist das Endziel unseres himmlischen Vaters, dass wir seinem Sohn gleich sind: „Denn welche er zuvorerkannt hat, die hat er auch zuvorbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein“ (Röm 8,29). Dieses Ziel wird nach der Entrückung erreicht sein – und doch: Wir dürfen, können und sollen schon heute damit beginnen, dem Herrn Jesus ähnlicher zu werden.

Die Bibel gibt uns zusammen mit diesem Ziel gleich auch den Schlüssel mit: den Herrn Jesus als Vorbild nehmen (s. auch 2. Kor 3,18). Dabei ist es interessant, dass gerade bei sehr schwierigen Charaktereigenschaften oder Verhaltensweisen der Herr Jesus direkt als unser Maßstab vorgestellt wird. Diese Stellen möchten wir uns kurz anschauen.

a) Epheser 5,2: „Wandelt in Liebe, wie auch der Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat.“
Tiefe, aufopfernde und aufrichtige Liebe sehen wir nirgendwo so deutlich wie auf Golgatha. Wenn die Bibel uns auffordert, zu lieben (s. auch Joh 13,34), verwendet sie den Begriff „agapaó“. Nicht „phileo“, also die Liebe, die im Gegenüber etwas Attraktives sieht, sondern diese selbstlose Liebe, die selbst auch dann liebt, wenn es sozusagen keinen Sinn ergibt. Ich soll/darf meinen Bruder/meine Schwester/Ungläubige also nicht nur dann lieben, wenn sie mir sympathisch sind, sondern immer und ohne Bedingungen. Menschlich unmöglich. Deshalb ist der Herr am Kreuz das Vorbild!

b) 1. Pet 2,21–23: „Christus hat für euch gelitten, euch ein Beispiel hinterlassend, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt; der keine Sünde tat, noch wurde Trug in seinem Mund gefunden, der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet.
Ungerechtfertigt leiden, sich nicht beklagen, die andere Wange hinhalten, nicht cholerisch reagieren bei einem Angriff, die Sache vollkommen Gott übergeben – das ist uns Menschen völlig zuwider. Auch hier brauchen wir einen Maßstab, der selbstverständlich wieder nur der Herr Jesus sein kann. An einer anderen Stelle sagt er selbst: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig“ (Mt 11,29).

c) Kol 3,13: „... euch gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat gegen den anderen; wie auch der Christus euch vergeben hat, so auch ihr.
Vergeben und vergessen – für uns Menschen teilweise unmöglich, mindestens jedoch sehr schwierig. Ohne nachtragend zu sein, ohne eine alte Sache immer wieder aufzuwärmen, sich nicht von Bitterkeit zerfressen zu lassen – auch hierfür ist der Herr selbst das Vorbild. Er hat uns vollkommen vergeben (s. dazu Ps 103,12; Jes 38,17; Mich 7,19; Heb 10,17). Das ist unser Maßstab!

d) Phil 2,3–8: „... in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst; ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen. Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war, der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.
Demut ist eine Eigenschaft, die uns Menschen sehr fremd ist. Sich unter jemanden stellen, völlig auf Stolz verzichten, das eigene Ich zurückstellen, das können und wollen wir als Menschen (mit unserer alten Natur) nicht. Der Herr als Vorbild gibt uns den Maßstab und die Kraft dazu: Er als Gott wird Mensch, Diener, gehorsam und stirbt. Das ist wahre Demut. Wir erinnern uns wieder an Mt 11,29: „Lernt von mir, denn ich bin ... von Herzen demütig.“

e) Joh 13,14.15: „Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, euch die Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit, wie ich euch getan habe, auch ihr tut.“
Dieser Punkt schließt an die Demut an und ist ohne sie nicht zu erfüllen: Wenn wir aufgefordert werden, einander die Füße zu waschen, können wir dies nur dann tun, wenn wir uns niederbeugen, uns nicht für zu fein oder wichtig halten, unsere Hände an dreckige Füße zu legen – also: die Stelle eines Dieners einnehmen. Der Herr Jesus – Sohn Gottes, Schöpfer – als Diener, das ist unser Maßstab (über die Gesinnung beim Füßewaschen siehe Gal 6,1–3).

Vielleicht denken wir, dass dieser Maßstab zu hoch und unerreichbar ist für uns. Doch wenn der Herr uns dieses Vorbild gibt, dann dürfen wir auch sicher sein, dass er uns durch den Heiligen Geist auch die prinzipielle Fähigkeit geben kann und wird, ihm nachzueifern. Lasst uns Christus ähnlicher werden.