Nur wenige Stunden vor Golgatha, als der Herr Jesus mit seinen Jüngern in dem Obersaal ist, sagt er zu ihnen: „Ihr aber seid es, die mit mir ausgeharrt haben“ (Lk 22,28).

Beim Lesen dieses Ausspruchs sind wir erstaunt: Haben diese Jünger wirklich ausgeharrt? Haben sie nicht den Herrn oft missverstanden? Sind sie nicht am Berg der Verklärung eingeschlafen und würden es in ein paar Stunden im Garten Gethsemane wieder tun? Haben sie nicht egoistisch gestritten, als der Herr Jesus erschüttert war wegen Golgatha? Würden sie nicht alle weglaufen? Würde Petrus ihn nicht verraten? Wäre Johannes nicht der einzige der Zwölf, der mutig beim Kreuz stehen würde?

Wir dürfen von unserem Herrn eine wunderbare Lektion im „Unterrichtsfach“ Demut lernen: Es ist gut und nützlich, in unserem Bruder/unserer Schwester nicht nur das Negative zu sehen, sondern das Gute. Der Herr Jesus kehrt die Verfehlungen der Jünger natürlich nicht unter den Teppich, aber er hebt eben das Positive hervor.

Ähnlich ist es bei Paulus, der nach jahrelangen Verfolgungen durch die Juden zu ihnen sagt: „Als aber die Juden widersprachen, war ich gezwungen, mich auf den Kaiser zu berufen, nicht, als ob ich gegen meine Nation etwas zu klagen hätte“ (Apg 28,19). Er hätte viel zu klagen gehabt, aber er handelte im Sinne von 1. Kor 13,5: „Die Liebe rechnet das Böse nicht zu“.

Wir alle könnten sicherlich ohne Probleme eine Liste an negativen Dingen über unsere Mitgeschwister aufstellen (und sie über uns übrigens auch!). Doch es ist gut und nützlich für unser Miteinander, uns auf das Positive zu konzentrieren.

Dieses Verhalten – das viel Demut erfordert – dürfen wir vom Herrn Jesus lernen (Mt 11,29).