Nachdem ihr Mann und ihre beiden Söhne gestorben sind und Noomi gehört hat, dass die Hungersnot in Bethlehem vorüber ist, macht sie sich mit ihren beiden Schwiegertöchtern auf den Weg in das verheißene Land. Doch nach einiger Zeit kommen Noomi Bedenken und sie möchte, dass ihre beiden Schwiegertöchter zurückkehren.

Diese Bedenken könnten zwei Ursachen haben:

1. Noomi würde in Bethlehem verachtet werden, wenn sie mit moabitischen Schwiegertöchtern auftauchen würde – denn die Verbindung zu den Moabitern war strikt untersagt und hatte im Volk Gottes schon viel Schaden verursacht (4. Mo 25).

2. Noomi weiß auch, dass es für die beiden jungen Frauen schwierig werden würde, denn sie dürfen als Moabiter bis ins zehnte Geschlecht nicht in Israel aufgenommen werden – welcher Jude würde sie heiraten?[1] Und wenn Noomi heiraten und Söhne bekommen würde – wollten sie so lange warten? {Nur diese Möglichkeit erwähnt sie in ihrer Rede.)

Deswegen versucht Noomi, so schwer ihr das einerseits auch gefallen sein mag, Ruth und Orpa zur Rückkehr zu überreden. Damit setzt sie auf die emotionale Ebene, was sich in einem Kuss und in Tränen zeigt (Rt 1,9). Außerdem gebraucht sie vielsagende Begriffe, um die zwei Frauen in ihrer Entscheidung zu beeinflussen:

  • Sie fordert sie auf, in das „Haus ihrer Mutter“ zurückzukehren (Rt 1,8). Warum wollten sie mit der Schwiegermutter gehen, obwohl sie doch das Haus der Mutter noch hatten?
  • Sie zeigt, dass sie in Moab schnell das „Haus ihres Mannes“ (Rt 1,9) finden würden. Warum sollten sie Witwen bleiben?
  • Sie spricht sie dreimal als „Töchter“ (Rt 1,11–13) an. Damit macht sie klar: Töchter sollten auf den Rat der Mutter hören.
  • Nachdem Orpa gegangen ist, redet sie zweimal zu Ruth über die Entscheidung ihrer Schwägerin Orpa und legt nahe, es genauso zu machen wie diese vertraute Person.
  • Dann redet Noomi, wohin Orpa gegangen ist, und erwähnt wieder Begriffe, die bedeutungsschwer sein können: „Siehe, deine Schwägerin ist zu ihrem Volk [das ist Heimat!] und zu ihren Göttern [das ist Tradition!] zurückgekehrt.“
  • Und wenn sie von Gott spricht, dann redet sie davon, dass er auch Güte in Moab erweisen kann, während sie, die jüdische Rückkehrerin, die harte Hand des HERRN erleben musste (Rt 1,8.13).

Der natürliche Mensch kann dadurch fehlgeleitet werden. Aber der Glaube Ruths gibt die richtige Perspektive: „Dringe nicht in mich, dich zu verlassen, um hinter dir weg umzukehren; denn wohin du gehst, will ich gehen, und wo du weilst, will ich weilen; dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott; wo du stirbst, will ich sterben, und dort will ich begraben werden. So soll mir der HERR tun und so hinzufügen, nur der Tod soll scheiden zwischen mir und dir!“ (Rt 1,16.17).

Wer heute zu dem Herrn Jesus kommen und ihm nachfolgen will, wer heute da sein möchte, wo Gott seinen Segen verordnet hat, der muss bereit sein, Brücken zu der gewohnten Umgebung abzubrechen und als Fremdkörper in dieser Welt zu leben. Der Herr hat gesagt: „Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlassen hat um meinet- und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfängt, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker unter Verfolgungen, und in dem kommenden Zeitalter ewiges Leben“ (Mk 10,29.30).

Und wir, die wir schon länger auf dem Weg des Glaubens sind, sollten durch unsere Worte und durch unsere Taten solche sein, die auf andere einladend wirken, damit sie zum Herrn Jesus kommen.


Fußnoten:

  1. Das Thema Heiraten und Kinderkriegen war ja bei den Moabitern sehr wichtig, wie 1. Mose 19 zeigt.