Wer ist der erste Priester, den die Schrift nennt? Ist es Aaron? Nein. Lange vor der Gesetzgebung lebte in Jerusalem ein Priester: Melchisedek.
Die Überlegenheit der Ordnung Melchisedeks
Dieser Melchisedek war größer als Aaron und seine Nachfolger. Er gehörte zu einer höheren Ordnung. Das zeigt gerade Hebräer 7,1–10 sehr deutlich.
- Melchisedek war der König von Salem (Jerusalem). Er war nicht nur Priester wie Aaron, sondern er war ein König.
- Von Melchisedek erwähnt die Schrift weder Vater noch Mutter, weder Geburt noch Tod und auch nicht das Ende seines Priesterdienstes. Darum wird er mit dem ewigen Sohn Gottes verglichen, der Priester ist in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks. Im Gegensatz dazu sind die Eltern Aarons bekannt (Amram und Jokebed) und auch sein Tod wird berichtet (4. Mo 20,28; 33,39). Sein Priestertum wurde übertragen.[1]
- Abraham gab Melchisedek den Zehnten. Abraham war der Vorfahre der Leviten und Priester Israels, die den Zehnten des Volkes empfingen. In der Person Abrahams lieferten die Leviten sozusagen den Zehnten ab. Und das geschah nicht aufgrund einer Verordnung, sondern angesichts der Würde der Person eines Melchisedeks.
- Und Melchisedek segnete Abraham, den Vorvater Levis, der das auch akzeptierte. „Ohne allen Widerspruch aber wird das Geringere von dem Besseren gesegnet“ (Heb 7,7).
David zeigt auch dieselbe Überlegenheit
Lange nachdem das Gesetz mit dem levitischen Priestertum eingeführt worden war, schrieb David in einem offenbar messianischen Psalm eine sehr bemerkenswerte Aussage: „Geschworen hat der HERR und es wird ihn nicht reuen: Du bist Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedeks“ (Ps 110,4). Wenn das levitische (oder aaronitische) Priestertum die Vollkommenheit gebracht hätte, dann hätte David nicht von einem Priestertum nach einer anderen Ordnung reden müssen.
Dieser eine Vers aus Psalm 110 macht auch klar, dass die Ordnung Melchisedeks der Ordnung Aarons überlegen ist:
- Denn der Priesterdienst nach der Ordnung Melchisedeks ist bis in Ewigkeit, er geschieht in der „Kraft eines unauflöslichen Lebens“; Christus hat ein „unveränderliches Priestertum“ (Heb 7,16.24). Bei dem levitischen Priestertum sieht das anders aus: „Und von jenen sind mehrere Priester geworden, weil sie durch den Tod verhindert waren zu bleiben“ (Heb 7,23).
- David erwähnt in Psalm 110 zudem einen Schwur Gottes; dieser fehlt bei dem levitischen Priestertum. „Denn das Gesetz bestellt Menschen [...], die Schwachheit haben; das Wort des Eidschwurs aber, der nach dem Gesetz gekommen ist, einen Sohn, vollendet in Ewigkeit“ (Heb 7,28).
Christus ist nach seinem Eingang in den Himmel Priester nach der Ordnung Melchisedeks. Nach der Ordnung Aarons hätte er nicht einmal Priester sein können – denn er kam aus dem Haus Juda und nicht aus dem Haus Levi (Heb 7,14). Doch auch wenn Christus Priester nach der Ordnung Melchisedeks ist, so übt er den Priesterdienst heute nach dem Vorbild Aarons im himmlischen Heiligtum aus![2]
Doch der Tag wird kommen, wenn der Herr Jesus das himmlische Heiligtum verlassen wird. Dann wird er den Priesterdienst nach dem Vorbild Melchisedeks erfüllen. Melchisedek brachte Abraham nach erfolgreicher Schlacht Brot und Wein heraus (1. Mo 14,18). Und so wird Christus dem gläubigen Überrest nach der Drangsalzeit reiche Segnungen bringen. Sie werden die „zukünftigen Güter“ (Heb 9,11) empfangen. Wir genießen sie heute schon, wenn wir im Glauben in das Heiligtum hineingehen.
Zusammenfassung
Der Herr Jesus hat ein unveränderliches Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks. Heute übt er seinen Dienst nach dem Vorbild Aarons aus, aber im Reich wird er den Priesterdienst nach dem Vorbild Melchisedeks (und immer noch nach dessen Ordnung) versehen.
Eine bemerkenswerte Vorschrift
Auf eine sehr bemerkenswerte Vorschrift des Alten Testaments möchte ich in diesem Zusammenhang noch hinweisen: Wenn in Israel jemand aus Versehen getötet hatte, durfte der Totschläger in eine der sog. Zufluchtsstädte gehen. Dort war er sicher vor dem Bluträcher. Erst wenn der Hohepriester gestorben war, durfte er diese Stadt wieder verlassen und in das Land seines Eigentums zurückkehren (siehe 4. Mo 35,22–28). Der Totschläger ist ein Bild der Juden. Sie wurden aus ihrem Erbteil vertrieben, weil sie Christus getötet haben.[3] In der Fremde werden sie von Gott bewahrt. Wenn der Herr aus dem Heiligtum heraustreten und seinen derzeitigen Dienst nach dem Vorbild Aarons beenden wird – das wird in dem Tod des Hohenpriesters vorgestellt –, dann wird Israel sein Land wieder besitzen und die Segnungen genießen dürfen, die ihnen ihr König-Priester Jesus bringen wird.
Fußnoten:
- Nicht nur in dem, was die Schrift sagt, sehen wir die Überlegenheit von Melchisedek, sondern auch in dem, was sie nicht sagt.
- Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn wir uns zum Beispiel mit der hohenpriesterlichen Kleidung in 2. Mose 28 beschäftigen, dann denken wir an Christus, der in das himmlische Heiligtum hineingegangen ist, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen.
- Das Gebet des Herrn: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, gab ihnen sozusagen den Status eines Totschlägers.