In den Schriften des Johannes fällt auf, dass alles, was Gott sich zu seiner eigenen Verherrlichung und zum Nutzen der Menschen in seiner Liebe vorgenommen hat, in enger Verbindung zu und mit der Person Christi gesehen wird.

Paulus untersucht und zählt auf; er zeigt die Segnung des Gläubigen in Form einer lehrmäßigen Feststellung auf. Dabei bemüht er sich, die Tatsachen mit Hilfe der Beweisführung zu lehren und überzeugend darzustellen und widerlegt aufkommende Schwierigkeiten. So geht er als der Apostel der Nationen beispielsweise im Brief an die Römer vor.

Wir bemerken es selbst, dass wir uns in dem Evangelium und den Briefen des Johannes in einer völlig anderen Atmosphäre bewegen. Hier hören wir nicht so sehr die Auslegungen über die Wahrheit mit ihren unterschiedlichen Einzelheiten, sondern hier befinden wir uns im Audienzsaal einer Person von unaussprechlicher Gnade und Herrlichkeit.

Beide Arten der Offenbarung sind unbedingt notwendig. Wenn die eine den erneuerten Geist zum Nachsinnen bewegt, so sucht die andere die Anbetung des erneuerten Herzens (selbstverständlich sprechen wir hier nur von dem allgemeinen Kennzeichen. Es gibt Stellen, wo Paulus sich an das Herz richtet und Johannes sich an den Verstand wendet).

Wenn Paulus uns über das zweite Kommen Christi belehrt, führt er viele Tatsachen auf, die mit der Art und Weise dieser Rückkehr in Verbindung stehen – wie die entschlafenen Heiligen auferstehen und die Lebenden verwandelt werden, die Herniederkunft des Herrn in der Luft und die Entrückung derjenigen, für die er kommt, sowie die Posaunen. Dabei unterscheidet er dieses Ereignis sorgfältig von der öffentlichen Erscheinung des Herrn in Herrlichkeit. Johannes aber teilt uns nur allgemein die Tatsache seines Kommens für uns mit, wenn wir bei ihm und ihm gleich sein werden. Die eigenen Worte des Herrn an seine Jünger werden von ihm wiederholt: „Wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so werde ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seid“. Die Allgenugsamkeit Christi und die Gemeinschaft mit ihm wird vorgestellt, sodass er der einzige Gegenstand unseres Wunsches wird.

Wiederum spricht Paulus – wie es ja bekannt ist – über das Thema der leiblichen Auferstehung sehr ausführlich in einem langen Kapitel des ersten Korintherbriefes. Jedoch fasst ein Ausspruch des Herrn Jesus die Lehre in einem einzigen Satz zusammen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Johannes 11,25). Wir müssen natürlich beide Wahrheiten an ihrem Platz sehen; aber gerade hierin erkennen wir den Unterschied dieser beiden Lehren der Schrift, die wir jetzt etwas näher betrachten wollen. Der natürliche Verstand neigt dazu, sich so in die Betrachtung der göttlichen Wahrheit hineinzuvertiefen, als ginge es um nichts anderes als um einige abstrakte Lehrsätze. Die heilige und göttliche Seite wird dabei vollkommen ausgeschaltet. In einem solchen Fall bekommt die bloße Aussage in Verbindung mit der Person Christi aber einen sehr wertvollen Inhalt.

So war es mit Martha. In einem allgemeinen Sinn glaubte sie an die Auferstehung, und sie war sich sehr wohl darüber im Klaren, dass die Macht Gottes den Leib ihres verstorbenen Bruders am letzten Tag wieder lebendig machen würde. Aber als der Herr sich selbst als die Auferstehung und das Leben offenbarte, warf das ihre ganze Theorie um. Unmittelbar vor ihr stand der, der Lazarus hier und in diesem Augenblick durch ein Wort auferwecken konnte. Es war keine Rede von einem Warten bis zm letzten Tag. Die Frage war die, ob Jesus der Sohn Gottes war, der „lebendig macht, wen er will“ (Johannes 5,21). Denn jede Schwierigkeit des menschlichen Verstandes verschwindet angesichts der erhabenen Gegenwart des Sohnes vom Himmel.

In gleicher Weise können wir beobachten, dass bei Johannes Sühnung mit der Person des Herrn verbunden ist. Er stellt sie nicht als das Werk des Herrn vor; das haben wir anderswo. Wir lesen demgegenüber in dem ersten Brief des Apostels der Liebe: „… und wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Und er ist die Sühnung für unsere Sünden“ (1. Johannes 2,1.2). Und wiederum: „Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden“. Jesus Christus ist also selbst die Sühnung für unsere Sünden. Dies ist nicht nur unendlich segensreich, sondern auch leicht zu verstehen. Denn wenn ich als armer Sünder eine Sühnung für meine Sünden nötig habe und es wird mir mitgeteilt, dass Christus diese Sühnung ist – obwohl ich die Bedeutung des Ausdrucks „Sühnung“ nur unvollkommen erklären kann – so kann ich zuversichtlich in der Tatsache ruhen, dass es Christus ist; dies bedeutet mehr, als meine Schuld abzudecken.

Wir wollen noch mehr aus der Art und Weise, wie der Johannesbrief diese Wahrheit schildert, lernen. Die Tatsache wird zuerst in Verbindung damit eingeführt, dass die Gemeinschaft eines Gläubigen durch eine Sünde unterbrochen wird. „Und wenn jemand sündigt (oder gesündigt hat), wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Und er ist die Sühnung für unsere Sünden“. Johannes hatte bereits das innige Verhältnis aufgezeigt, in dem sich das Kind Gottes befindet – in Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn! Aber wenn wir so im Licht wandeln, erkennen wir, wie wohl nirgendwo anders, die entsetzliche Widerlichkeit der Sünde. Wir sollten eigentlich nicht sündigen; aber wenn es nun doch jemand tut und er ist angesichts der schrecklichen Natur der Sünde in der Gegenwart des heiligen Gottes niedergedrückt, so ist eine Vorsorge getroffen worden. Jesus Christus übernimmt als Sachwalter unseren Fall bei dem Vater, er tritt für unsere Sache zur rechten Zeit ein und führt uns zum Bekenntnis der Sünden; mehr noch, er ist die Sühnung für unsere Sünden.

Was immer auch erforderlich ist, um die gerechte und heilige Natur Gottes im Hinblick auf solche Sünden zufriedenzustellen, Jesus Christus verschafft diese Befriedigung. Und tatsächlich sind der Wert und die Wirksamkeit der Sühnung allein seiner Person angemessen. Wenn wir nun die Grundlage der Wiederherstellung unserer Gemeinschaft in rechter Weise würdigen wollen, müssen wir uns der ewigen Vortrefflichkeit des Sohnes erinnern. Wie tief wir auch die Abscheulichkeit der Sünde empfinden mögen (und wir werden in dieser Hinsicht nie die Wahrheit übertreiben), so können wir gewiss sein, dass sie durch die Sühnung des Sohnes Gottes mehr als zugedeckt ist. Denn er opferte sich, und er allein konnte das tun, was für unsere Sünden nötig war und die Herrlichkeit Gottes forderte.

Aber wir entnehmen diesen Worten des Johannes noch mehr. Wir erkennen, welchen Charakter von Heiligkeit die Sühnung prägt. Wir brauchen ihr nicht noch irgendeinen Grad von Heiligkeit zuordnen. Der Geist Gottes hat die Wahrheit in der größtmöglichen Weise geheiligt, und zwar in einer Weise, dass das allerkleinste Kind in Christus sie verstehen kann. Der Sohn Gottes ist die Sühnung für unsere Sünden. „Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden“. Das Werk der Sühnung ist mit der ganzen Herrlichkeit der Gottheit des Sohnes verbunden. Können wir einer Lehre, die uns in solchen Ausdrücken wie diesen vorgestellt wird, eine zu hohe Bedeutung beimessen? Bei der Betrachtungsweise des Geistes, wie es Johannes mitteilt, geht das Werk in die Person über, und der Wert des Werkes muss an dem inneren Wert des Sohnes gemessen werden.

Es ist wichtig, dass wir uns daran erinnern, denn der menschliche Geist ist geneigt, die Dinge, die Gott betreffen, gering zu achten. Und wie furchtbar wäre es, der Person des Sohnes, den „niemand erkennt“ (Matthäus 11,27), Abbruch zu tun. Israel sündigte deshalb in der Wüste, weil es den Heiligen in dem, was er für das Volk hätte tun können, unterschätzt hatte. „Und sie versuchten Gott wiederum und kränkten den Heiligen Israels“ (Psalm 78,41). Sollte der Geist dem Sohn Gottes, der die Sühnung für unsere Sünden ist, ungestraft Grenzen der Zeit und des Raumes beilegen und vor allem im Hinblick auf die Erfüllung dieses besonderen Werkes seiner Person gegenüber betrügerische menschliche Einschränkungen machen dürfen? Wenn irgendjemand leichtfertig über Sühnung spricht oder denkt, sollte er sich daran erinnern, dass Christus die Sühnung für unsere Sünden ist.

[Eingesandt von Stephan Keune. Übersetzt aus „Bible Treasury“.]