Das Buch Nehemia
Das Buch Nehemia hat uns Juda gezeigt, wie es im Land wieder eingesetzt ist. Doch die Juden sind der Anwesenheit Gottes beraubt und als sein Volk nicht anerkannt. Sie haben nur allgemeine Segnungen. Wie viel Zeit auch in der Geschichte Israels verstrichen sein mag, so führt uns ihr Zustand zu dem Augenblick, an dem der Messias kommen wird, um die Weissagung zu versiegeln, die Übertretung zum Abschluss zu bringen und eine ewige Gerechtigkeit einzuführen (Dan 9,24). Nehemia ist das letzte geschichtliche Buch vor dem Kommen Christi (chronologisch betrachtet). Und dieses Buch ist voller Gnade und Langmut aufseiten Gottes.
Die Stellung der Juden außerhalb des Landes
Das Buch Esther zeigt uns die Lage Israels oder, genauer gesagt, die Lage der Juden außerhalb ihres Landes. Es betrachtet sie unter der Hand Gottes und als Gegenstände seiner Fürsorge. Es ist äußerst ergreifend und eine wichtige Tatsache im Handeln Gottes, dass Er immer noch für sie sorgte, als sie keine von Gott beanspruchte Stellung mehr festhielten und das Recht auf seinen Schutz verloren hatten. Das beweist dieses Bibelbuch. Wenn Gott sich ihnen nicht offenbaren kann, weil das Volk in einem solchen Zustand ist – was offenkundig ist –, denkt Er dennoch an sie. Gott offenbart uns nicht sein öffentliches Eingreifen zugunsten seines Volkes, denn das konnte nicht mehr länger geschehen. Es geht um die Fürsorge seiner Vorsehung, die das Dasein des Volkes und ihre Bewahrung inmitten ihrer Feinde sicherte. In Gefahr standen die Weggeführten Judas (Est 2,5.6), die nicht in das Land Kanaan zurückgekehrt waren. Wenn dies einen Mangel an Glauben und Energie ihrerseits verrät sowie auch einen Mangel an Zuneigung zu dem Haus und zu der Stadt Gottes, so müssen wir in ihrer Bewahrung umso mehr einen Beweis der absoluten und unumschränkten Güte und Treue Gottes erkennen.
Gottes souveräne Fürsorge
So sehen wir in dieser Geschichte die verborgene Fürsorge der Vorsehung Gottes für die Juden in einer Zeit, in der sie von jeder äußeren Beziehung zu Ihm völlig abgefallen waren, obwohl sie ihre Stellung als Juden festhielten. Sie hatten kein Interesse an der Erfüllung der Verheißungen, die zu jener Zeit in Jerusalem durch die Güte Gottes angeboten wurde, und waren aller Rechte des Volkes Gottes beraubt. Doch selbst in diesem Zustand wacht Gott über sie und sorgt für sie – für ein Volk, das trotz seiner Treulosigkeit geliebt und gesegnet wird, denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes können nicht bereut werden (Röm 11,29). Wenn dies gut bedacht wird, gibt es diesem Buch einen sehr ergreifenden und lehrreichen Charakter. Es zeigt die unumschränkte, unfehlbare Fürsorge Gottes – komme, was kommen mag. Und es zeigt den Platz, den dieses Volk in Gottes Gedanken einnimmt.
Es ist oft bemerkt worden, dass der Name Gottes im Buch Esther nicht zu finden ist. Das ist kennzeichnend. Gott zeigt sich nicht. Aber hinter der Macht und den Fehlern des Thrones, dem die Regierung der Welt zugefallen ist, hält Gott die Zügel durch seine Vorsehung. Er wacht über die Erfüllung seiner Vorsätze und über allem, was zu ihrer Erfüllung erforderlich ist. Er sorgt für sein Volk, wie ihr Zustand oder die Macht ihrer Feinde auch sein mögen. Glückliches Volk! Jeremia sagt: „Ist mir Ephraim ein teurer Sohn oder ein Kind der Wonne? Denn sooft ich auch gegen ihn geredet habe, gedenke ich seiner doch immer wieder. Darum ist mein Innerstes um ihn erregt; ich will mich seiner gewiss erbarmen, spricht der HERR“ (Jer 31, 20).
Gottes Regierung und seine Bewahrung der zerstreuten Juden
Es sollte bemerkt werden, dass der Glaube an den Schutz Gottes und die Anerkennung dieses Schutzes sogar dann gefunden werden, wenn das Handeln Gottes in Bezug auf seine Verheißungen nicht anerkannt wird. Wir reden von der Regierung Gottes, nicht von der Errettung. Hier geht es nicht um die Errettung.
Der Mann aus den Nationen, Ahasveros, regiert und handelt nach seinem Willen. Er nimmt sich nach seinem Begehren eine der Töchter aus Benjamin zur Frau. Wirklich ein trauriger Zustand für das Volk Gottes! Unter anderen Umständen wäre diese Sache dem ganzen göttlichen Gesetz und jeder Treue zuwider gewesen. Hier wird es nicht einmal getadelt. Im Blick auf seinen Zustand ist hier das Volk Israel verloren. Gott handelt aber unumschränkt: Er benutzt die traurige Offenbarung ihres Zustands, um sie vor der ihnen drohenden Vernichtung zu bewahren.
Nehemia zeigt die letzte Beziehung Gottes zu dem Volk vor dem Kommen des Messias: eine Beziehung der Langmut, in der Gott sie nicht als sein Volk anerkennt. Es war eine vorübergehende und unvollkommene Beziehung. Das Buch Esther lehrt uns, dass Gott in seiner Unumschränktheit über die zerstreuten Juden wacht und sie bewahrt, auch wenn sie keine äußere Beziehung zu Ihm haben. Dabei wird nicht irgendeinen Teil des über sie verhängten Gerichts zu widerrufen. Gott beschirmt sie, ohne sich zu offenbaren und folglich durch verborgene Mittel.
Dies war es, was in der Geschichte bekannt gemacht werden musste, bevor Gott am Ende in der Person des Messias öffentlich eingreifen würde (was allein die Prophetie offenbaren konnte).
Gottes Wege und sein Eingreifen
Mir scheint, dass die Umstände dieser Geschichte auf dieses öffentliche Eingreifen hindeuten. Gewiss ziemlich verschwommen, aber deutlich genug für den, der die Wege Gottes verfolgt, wie sie im Wort Gottes entfaltet sind. Wir sehen, wie eine Frau aus den Nationen (Vasti) wegen ihres Ungehorsams und weil sie ihre Schönheit vor der Welt nicht zur Schau stellen wollte, beiseitegesetzt wird. Auf sie folgt eine jüdische Frau (Esther), die die Liebe des Königs besitzt. Wir sehen, wie die dreiste Macht Hamans vernichtet wird, dieses Mannes aus den Nationen, des Bedrängers der Juden. Wir erkennen auch, wie der Jude Mordokai, der Beschützer Esthers, der zunächst verachtet und entehrt worden war, anstatt des Mannes aus den Nationen zu Ruhm und Ehre erhoben wird.[1] (Und wir denken daran, dass das alles mit der Erde in Verbindung steht und nicht die Offenbarung himmlischer Dinge ist.)
Die verborgene Hand Gottes
In den Details dieses Buches liegt ein sehr interessanter Punkt: Es zeigt, wie Gott durch verschiedene Mittel alles zur richtigen Zeit geschehen lässt – sogar die Schlaflosigkeit des Königs. Dies verdeutlicht auf faszinierende Weise, wie Gottes unsichtbare Hand alles vorbereitet und lenkt. Es zeigt auch, dass diejenigen, die auf seinen Willen vertrauen, sich immer auf Ihn verlassen können, selbst wenn Rettung unmöglich erscheint und trotz aller Intrigen und scheinbaren Erfolge des Feindes.
Mordokai ein Bild des Herrn
Der Schluss des Buches stellt die großen charakteristischen Merkmale der Herrschaft der Nationen vor. Man kann aber kaum daran vorbeigehen, ohne in der Stellung des Mordokai bildlich den Herrn selbst als das Haupt der Juden zu sehen, der in engster Verbindung mit dem Thron steht, der über alles regiert.
Die passenden Umstände des Buches
Schon die Umstände, mit der dieses Buch beginnt, sind passend. Wenn eine anerkannte Beziehung besteht, so verfährt Gott nach dem Verhalten derer, die in dieser Beziehung stehen. Hier besteht aber eine solche Beziehung nicht. Der Schauplatz ist mit heidnischen Umständen und heidnischen Gepflogenheiten erfüllt, und das ist passend. Israel ist wie verloren unter den Heiden. Ihr Verhalten kommt nicht ans Licht, sondern ihre Bewahrung – und zwar da, wo dem Auge des Menschen das Heidentum alles ist und wo ihre Feinde allmächtig zu sein scheinen. Alles ist an seinem Platz. Jedes andere Bild wäre nicht die Wahrheit gewesen noch hätte es eine wahre Darstellung des Zustands der Dinge gegeben. Es hätte auch nicht das Handeln Gottes in seinem wahren Licht gezeigt.
Es wird leicht zu verstehen sein, dass dieses Buch die hochinteressante Serie der historischen Bücher in der Bibel abschließt, die wir dank der Güte Gottes betrachtet und deren führenden Wesenszüge wir, insofern wir dazu fähig waren, dargestellt haben. Möge der Geist Gottes, der es uns ermöglicht hat, das zu genießen, was Gott gefallen hat, in ihnen zu offenbaren, uns auch weiterhin unterweisen, während wir über die Bücher nachsinnen, die uns noch zu erforschen geblieben sind!
Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier um eine bearbeitete Fassung der bekannten Synopsis. Es wurde teilweise stärker in den Text eingegriffen, um die Verständlichkeit zu verbessern. Die Bearbeitung des Textes geschah durch Gerrid Setzer.
Fußnoten: