„Der Vater selbst hat euch lieb, weil ihr mich lieb gehabt und geglaubt habt, dass ich von Gott ausgegangen bin“ (Joh 16,27).
Die göttliche Liebe ist eine Liebe, die nicht darauf angewiesen ist, in der geliebten Person etwas Liebenswertes zu finden. Sie wartet nicht darauf und ist nicht darauf angewiesen. Es ist eine hingebende, eine opfernde, eine gebende Liebe. Aber dann gibt es auch eine Liebe, die auf Gegenseitigkeit beruht. Da gibt es eine Liebe – ein Liebhaben –, das geübt wird, weil der Liebende bei dem Geliebten eine Erwiderung seiner Liebe sucht. Diese Liebe haben wir hier! Und man hört manchmal von dieser zweiten Art Liebe sagen, dass es eine menschliche Liebe wäre. Das tut mir immer etwas weh, wenn das gesagt wird, denn hier sehen wir, dass das nicht stimmt, dass auch Gott diese Art von Liebe – „liebhaben“ übersetzt – übt. „Der Vater selbst hat euch lieb“, weil Er einen Grund findet bei euch! „Weil ihr mich lieb gehabt und geglaubt habt, dass ich von Gott ausgegangen bin.“
Natürlich ist diese Art Liebe, die in dem geliebten Gegenstand etwas Liebenswertes findet, mehr unsere menschliche Art. Das fällt uns leichter! Diese andere Art von Liebe, wie sie in Gott unser Vorbild ist, die fällt uns schwerer, aber auch die zweite Art von Liebe finden wir hier. Und das ist, wenn man es recht überlegt, etwas überaus Kostbares, etwas Unwahrscheinliches, dass Gott, der Vater, in Menschen, die seine Kinder sind, einen Anlass findet zur Liebe oder, nennen wir es, der besseren Unterscheidung wegen, Zuneigung. „Der Vater bringt euch Zuneigung entgegen, weil ihr mir Zuneigung entgegengebracht und geglaubt habt, dass ich von Gott ausgegangen bin.“
Und dann will Er sie weiterführen und sagt: „Ich bin von dem Vater ausgegangen, und wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater.“ Das war eigentlich die Krönung seines Weges hier auf Erden. Daraufhin sagen die Jünger: „Jetzt redest du offen und sprichst kein Gleichnis; jetzt wissen wir, dass du alles weißt und nicht nötig hast, dass dich jemand fragt; darum glauben wir“ – und nach diesen optimistischen Anfangsworten würden wir meinen, dass sie fortfahren: „dass du vom Vater ausgegangen bist“. Aber jetzt verraten sie, dass sie es doch nicht verstanden hatten. Sie sagen: „dass du von Gott ausgegangen bist“.
Der Herr Jesus hatte recht gehabt! Der Vater konnte sie nur liebhaben, weil sie geglaubt hatten, dass der Herr Jesus von Gott ausgegangen war. Nur bis dahin waren sie gekommen, und wie lieblich, dass der Vater damit zufrieden ist. Er brachte ihnen Zuneigung entgegen, weil sie so weit gekommen waren in der Erkenntnis seiner Person.
Der Vater sieht also in denen, die seinen Sohn lieben, einen Anlass, nun auch ihnen diese Liebe, diese Zuneigung entgegenzubringen – Er, der große Gott, der doch sonst nur deshalb lieben kann, weil Er Liebe in sich selbst ist und weil Er nicht darauf warten kann, dass in anderen ein Anlass zur Liebe ist. Aber hier, bei solchen, die den Herrn Jesus liebten, da findet Gott einen Anlass, auch seinerseits Zuneigung zu schenken. Warum ist das so? Was sieht Er denn bei ihnen? Er sieht sie in Christus und Christus in ihnen. Und wenn Er auf dich und mich blickt, die wir Kinder Gottes sind, dann sieht Er auch Ihn – nichts anderes. Das ist das Vorrecht und ist auch die Grundlage dessen, was hier gesagt wird – und das bezieht sich zunächst auf die Jünger und dann natürlich auch auf uns, denn all die Dinge beziehen sich nicht nur auf sie, sondern auch auf die, welche durch das Wort der Jünger an den Herrn glauben würden (Joh 17,20), und damit sind wir heute gemeint.
Mit diesem Blick auf die Liebe des Vaters zeigt der Herr Jesus seinen Jüngern, dass sie nun keiner Anweisungen zum Beten mehr bedürfen, dass sie kein Mustergebet mehr brauchten, sondern dass sie befähigt sein würden, selbst zum Vater zu reden. Dann lässt Er sie staunend zuhören, wie der Sohn Gottes von der Erde aus zu dem Vater betet. So vertrauensvoll und so direkt würden auch sie bald zu dem Vater beten können.
[Es handelt sich bei dieser Artikelserie um niedergeschriebene Vorträge.]