„Und keiner von ihnen ist verloren gegangen – als nur der Sohn des Verderbens, damit die Schrift erfüllt würde“ (Joh 17,12).

Wir wundern uns, warum der Herr in seinem Gebet Judas erwähnt. Wir fragen uns, ob das nötig war, hier, wo Judas ja nicht mehr dabei war, wo Judas seinen selbstgewählten Weg gegangen war, hinaus in die Nacht. Aber wir empfinden hier etwas von dem Schmerz, den das dem Herrn Jesus bereitete. Warum der Sohn des Verderbens verloren gehen musste, das lesen wir hier: „Damit die Schrift erfüllt würde“. Aber der Herr Jesus hat trotzdem diesen Mann nicht vergessen, das hat sein Herz bewegt. Und wenn Er davon spricht, dass Er keinen von den Seinen verloren habe, dann übersieht Er es nicht, zu sagen: „Als nur den Sohn des Verderbens“. Er hatte ihn noch nicht vergessen, aber es musste sein, damit die Schrift erfüllt würde. Was das für Ihn bedeutete, diesen Mann hingehen zu sehen in das selbstgewählte Verderben, das können wir hier ein wenig ahnen an dieser Stelle. Wir sollten doch meinen, hier wäre nicht der geeignete Platz, Judas zu erwähnen, aber der Herr Jesus spricht davon. Es hat ihm wehgetan!

Prophetisch war es angekündigt, dass es so sein müsse nach den Gedanken Gottes. „Denn nicht ein Feind ist es, der mich höhnt, sonst würde ich es ertragen; nicht mein Hasser ist es, der wider mich großgetan hat, sonst würde ich mich vor ihm verbergen; sondern du, ein Mensch meinesgleichen, mein Freund und mein Vertrauter; die wir trauten Umgang miteinander pflogen, ins Haus Gottes wandelten mit der Menge“ (Ps 55,13–15).

Er war mitgegangen, hatte die Wundertaten des Herrn Jesus gesehen, war Gegenstand der Fürsorge des Herrn Jesus gewesen. Als Er seine Jünger fragte: „Hat euch je etwas gemangelt?“ und sie sagten: „niemals“, da war das auch bei Judas so. Vielleicht hat er selbst sogar die Wunderwerke mit ausgeübt, die der Herr Jesus den Zwölfen anvertraut hatte. Solange er sich dazu hielt, hat der Herr Jesus ihn dazu gerechnet, obwohl Er wusste, wer er war, denn bei der Auswahl seiner Zwölf wird schon gesagt: „Judas Iskariot, der ihn auch überlieferte“ (Mk 3,19). So groß ist die Gnade!

Und gewiss war dieser Mann ein Sonderfall, denn er war der einzige, von dem der Herr Jesus sagt, Er habe ihn verloren, aber doch kann niemand von uns sagen: „Das geht mich dann also nichts an, denn ich bin ja nicht Judas“. Gott sei Dank ist keiner von uns ein solcher, keiner ein Sohn des Verderbens, der nach den Schriften verloren gehen musste. Aber doch ist dieser Mann eine ernste Warnung für uns, indem er zeigt, wie nahe man dem Herrn Jesus sein kann, wieviel Güte man erfahren haben kann von Ihm, wie man sich zu den Seinen gehalten haben kann, und zwar zum Verwechseln ähnlich, ohne dass auch nur der geringste Unterschied sichtbar wurde, dass man, wie es in Hebräer 6 heißt, der Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters teilhaftig gewesen ist, und dann doch am Ende sich abgewandt hat. Den Herrn Jesus hat das geschmerzt.

Wir haben noch eine Stelle in Psalm 41,10: „Sogar der Mann meines Friedens, auf den ich vertraute, der mein Brot aß, hat die Ferse gegen mich erhoben“. Es musste sein nach dem weisen Ratschluss Gottes, und der Herr Jesus unterwirft sich dem. Aber Er vergisst nicht, diesen Mann noch einmal zu erwähnen.

Noch eine kurze Bemerkung zur der Formulierung: „Damit die Schrift erfüllt würde“. Wenn wir lesen, welche Leiden der Herr Jesus erduldet hat, wenn wir die Misshandlungen, die Er vonseiten der Menschen erlitten hat, sehen, und wir dann immer wieder hier und da lesen: „Damit die Schrift erfüllt würde“ – dann fragt man sich: „War das denn alles, dass der Buchstabe der Schrift erfüllt würde? Musste das alles nur deswegen sein, damit es stimmen sollte, was vorhergesagt war?“ So denken wir manchmal. In Wirklichkeit ist es so, dass es nichts Wichtigeres gab, als dass die Schrift erfüllt würde. Warum? Weil die Schrift in ihren prophetischen Aussagen zeigt, was Gott wollte, und wenn die Schrift nicht erfüllt worden wäre – ein solcher Gedanke ist undenkbar, aber gesetzt den Fall –, dann hätte Gott nicht am Ende Recht behalten. Es geht um die Erfüllung der Gedanken Gottes, nicht um ein Rechthaben im Sinne des Buchstabens (obwohl der Buchstabe der Schrift das ausdrückt, was Gott wollte). Es geht darum, dass Gott zu seinem Ziel kommt. Deshalb ist das so etwas überaus Wichtiges und Großes, wenn hier und da im Wort Gottes gesagt wird: „Damit die Schrift erfüllt würde“. Wir müssen, wenn wir den Buchstaben der Schrift sehen, immer daran denken, wer das geschrieben hat, dann erst erkennen wir die Bedeutung dessen, was geschrieben wurde.